L 9 AS 2170/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 2111/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2170/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 23. Juni 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 


Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme höherer Stromkosten für den Zeitraum Mai 2021 bis April 2022.

Der 1972 geborene Kläger bezieht seit Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten. Er heizt mit Strom. Aufgrund einer vorgelegten Jahresrechnung der E1 B1 AG wonach diese ab dem 01.04.2019 einen monatlichen Abschlag auf die Stromkosten des Klägers in Höhe von 99 € erhob, bewilligte der Beklagte in der Folgezeit Leistungen unter Zugrundelegung der Stromkosten von 99 €, von denen monatlich 64,17 € als Heizkosten berücksichtigt wurden. Auch im nachfolgenden Bewilligungszeitraum vom 01.05.2020 bis 30.04.2021 (Bewilligungsbescheid vom 15.04.2020, Änderungsbescheid vom 21.11.2020) wurden Heizkosten in dieser Höhe berücksichtigt.

Am 29.03.2021 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag, in dem er angab, ab April 2021 monatliche Heizkosten in Höhe von „116 € (93 € + 23 €)“ zu haben. Mit Schreiben vom 31.03.2021 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage eines Nachweises für die geltend gemachten Heizkosten in Höhe von 116 € ab März 2021 auf. Hierauf gab der Kläger an, dass die Heizkosten (erst) ab April 2021 116 € betrügen und legte einen Kontoauszug vom 09.04.2021 vor, aus dem sich die Zahlungen per Lastschrift für April am 09.04.2021 in Höhe von 93 € und 23 € ergaben. Mit weiterem Schreiben vom 23.04.2021 forderte der Beklagte den Kläger nochmals zur Vorlage eines Nachweises über die Stromabschläge auf; der eingereichte Kontoauszug reiche nicht als Nachweis für die Heizkostenerhöhung ab April 2021 aus.

Mit Bescheid vom 23.04.2021 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2021 bis 30.04.2022 unter Berücksichtigung von Heizkosten in Höhe von 64,17 € monatlich, wie im vorherigen Bewilligungszeitraum.

Mit Schreiben vom 28.04.2021 teilte der Kläger mit, er habe Zweifel an der Berechnung der Heizkosten durch den Beklagten. Er habe in seinem Weiterbewilligungsantrag vom 03.04.2020 insgesamt Heizkosten von 99 € angegeben. Auf dieser Grundlage sei eine Erstattung von Heizkosten in Höhe von 64,17 € berechnet worden. In seinem Weiterbewilligungsantrag vom 26.03.2021 habe er insgesamt Heizkosten von 116 € pro Monat angegeben. Nun habe der Beklagte wieder Heizkosten in Höhe von 64,17 € berücksichtigt. Er frage sich, warum er um einen Nachweis dafür gebeten werde, dass er 18 € monatlich mehr bezahlen müsse, wenn der vom Beklagten berechnete Betrag für die Heizkosten unverändert geblieben sei.

Am 29.04.2021 legte der Kläger dem Beklagten zwei Jahresrechnungen der E1 vom 10.03.2021 vor. Die Jahresrechnung vom 09.03.2020 bis 08.03.2021 für den „Stromvertrag“ (Vertragsnummer 36xxxxxxx, Zählernummer 9xxxxxx) wies einen neuen Abschlag von 93 € erstmalig ab 08.04.2021 und danach immer zum 08. eines Monats aus. Am 26.03.2021 wurde hierzu eine Nachzahlung von 202,33 € fällig. Die Jahresrechnung vom 09.03.2020 bis 08.03.2021 für den „Wärmestromvertrag“ (Vertragsnummer 36xxxxxxx, Zählernummer 1xxxxxxx) wies einen neuen Abschlag von 23 € erstmalig ab 08.04.2021 und danach immer zum 08. eines Monats aus. Am 26.03.2021 wurde hierzu eine Nachzahlung von 26,11 € fällig. Aus der Wärmestromrechnung ist ersichtlich, dass der Abschlag des Klägers bis einschließlich März 2021 19 €/Monat betragen hatte.

Am 27.05.2021 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.04.2021. Zur Begründung nahm er Bezug auf sein „Schreiben vom 28.04.2021 (Zweifel an der Berechnung der Heizkosten …) hinsichtlich des „Bewilligungsbescheid(es) vom 23.04.2021“.

Mit Änderungsbescheid vom 12.07.2021 hob der Beklagte den Bescheid vom 23.04.2021 teilweise auf und bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.08.2021 bis 31.03.2022 monatlich Leistungen in Höhe von 41,17 € weniger als bisher (=23 €) und für April 2022 in Höhe von 64,17 € weniger (= 0 €). Aufgrund der vorgelegten Abrechnungen für die Stromkosten sei der Abschlag für die Heizkosten neu berechnet und angepasst worden. Hierfür seien künftig monatlich 23 € aus der Abrechnung des Wärmestromverbrauchs anerkannt worden. Kosten für den regulären Haushaltsstrom seien nicht über die Kosten der Unterkunft und Heizung anzuerkennen, da diese bereits in der Regelleistung berücksichtigt würden. Für die Heizkosten seien nur die Kosten des Wärmestromverbrauchs zu übernehmen. Die Anerkennung der Heizstromkosten werde auf den 31.03.2022 bis zur Vorlage der nächsten Jahresabrechnung für den Wärmestrom begrenzt. Die Entscheidung beruhe auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Rücknahme erfolge mit Wirkung für die Zukunft.

Mit Erläuterungsschreiben vom 19.07.2021 wies der Beklagte den Kläger im Widerspruchsverfahren darauf hin, dass der Bewilligungsbescheid vom 23.04.2021 rechtswidrig sei, allerdings nicht im Sinne der angestrebten höheren Leistungen für Heizkosten. Aus den vorgelegten Abrechnungen des Stromanbieters sei ersichtlich, dass der Abschlag für Heizstrom tatsächlich lediglich 23 € betrage. Mit dem Betrag von 64,17 € seien dem Kläger daher zu hohe Leistungen bewilligt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2021, an den Kläger abgesandt am 12.08.2021, wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.04.2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.07.2021 als unbegründet zurück.

Am 20.09.2021 hat der Kläger dagegen Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und sein Begehren weiterverfolgt.

Ein gerichtlicher Eilantrag des Klägers, mit dem dieser (u.a.) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 12.07.2021 unter Gewährung höherer Leistungen erstrebte, hatte keinen Erfolg (Beschluss des SG Ulm vom 29.04.2022 - S 8 AS 889/22 ER - und Beschluss des Landessozialgerichts <LSG> Baden-Württemberg vom 27.07.2022 - L 9 AS 1631/22 ER-B -).

Mit Änderungsbescheid vom 27.11.2021 ist der neue Regelbedarf ab 01/2022 berücksichtigt worden. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 24.02.2022 hat der Beklagte dem Kläger unter Übernahme von Abfallgebühren für den Monat März 2022 um 51,46 € höhere Leistungen, insgesamt 863,46 € bewilligt. Die bewilligten Heizkosten sind jeweils unverändert geblieben.

Am 12.04.2022 hat der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen beantragt und monatliche Heizkosten von „64 + 27 € ab April 2022“ geltend gemacht.

Mit Änderungsbescheid vom 22.04.2022 hat der Beklagte dem Kläger daraufhin Leistungen für den Monat April 2022 in Höhe von 23 € mehr als bisher (insgesamt 812 €) unter Berücksichtigung von Heizkosten von 23 € bewilligt.
 
Am 28.04.2022 hat der Kläger dem Beklagten die beiden Jahresrechnungen der E1 vom 10.03.2022 vorgelegt. Die Jahresrechnung vom 09.03.2021 bis 08.03.2022 für den Wärmestromvertrag (Vertragsnummer 36xxxxxxx, Zählernummer 1xxxxxxx) wies einen neuen Abschlag von 27 € erstmalig ab 08.04.2022 und danach immer zum 08. eines Monats aus. Am 28.03.2022 war hierauf eine Nachzahlung in Höhe von 63,17 € fällig.

Der Beklagte hat dem Kläger daraufhin mit Änderungsbescheid vom 02.05.2022 für März 2022 weitere 63,17 € (Nachzahlung Heizkosten) und für April 2022 weitere 4 € (neuer Abschlag von 27 €) bewilligt; dabei sind für März 2022 Heizkosten in Höhe von insgesamt 86,17 € (23 + 63,17 €) und für April 2022 Heizkosten in Höhe von 27 € berücksichtigt worden.

Mit Schreiben vom 30.06.2022 hat der Kläger geltend gemacht, er habe in seiner Wohnung eine dezentrale Warmwassererzeugung. Er habe daher Anspruch auf einen Mehrbedarf, was im Rahmen eines Überprüfungsantrags auch rückwirkend bis August 2021 möglich sei. Mit Schreiben vom 03.08.2022 hat der Beklagte vom Kläger einen Nachweis seines Vermieters gefordert, dass Warmwasser mit einem Boiler erhitzt wird. Daraufhin hat der Kläger mit Schreiben vom 30.08.2022 mitgeteilt, dies ergebe sich bereits aus dem Mietvertrag bzw. dem vom Vermieter unterschriebenen Blatt „Mietraumbeschreibung und Übergabeprotokoll“ vom 18.05.2007, das Bestandteil des Mietvertrags sei. Dort werde ein Durchlauferhitzer bestätigt. Hierbei handele es sich um den Durchlauferhitzer E2 electronic comfort im Badezimmer. Der andere Boiler, weshalb das Kästchen „Elektro/Speicher“ angekreuzt sei, stehe in der Küche. Hierbei handele es sich um einen Elektro Warmwasserspeicher I V1 II VEN 5/6 U exclusiv, XXS A, 15 gB, kWh/annum 502, GJ/annum 0. Diese Tatsachen seien seit 2007 bis heute unverändert geblieben.

Mit Änderungsbescheid vom 06.09.2022 hat der Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 23.04.2021, 12.07.2021, 27.11.2021, 24.02.2022, 22.04.2022 und 02.05.2022 dem Kläger für die Zeit vom 01.08.2021 bis 31.12.2021 Leistungen in Höhe von monatlich 10,26 € mehr als bisher bewilligt und vom 01.01.2022 bis 30.04.2022 in Höhe von monatlich 10,33 € mehr als bisher. Als Grund für die Änderung wird die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Warmwasseraufbereitung gemäß § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II genannt.

Mit Schreiben vom 11.11.2022 hat der Beklagte dem Kläger auf seinen Überprüfungsantrag für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 31.07.2021 mitgeteilt, dass sein tatsächlicher Anspruch bezüglich des Wärmestromabschlags und des Mehrbedarfs für Warmwasserbereitung 220,82 € betrage. Demgegenüber seien aufgrund der monatlich berücksichtigten Heizkosten in Höhe von 64,17 € insgesamt 449,19 € ausgezahlt worden. Bei einer Neufestsetzung müsste der Kläger die überzahlten Leistungen in Höhe von 228,37 € erstatten. Sofern er dennoch eine Neufestsetzung wünsche, werde um eine entsprechende Mitteilung gebeten. Anderenfalls werde das Anliegen als erledigt betrachtet. Tatsächlich seien im Überprüfungszeitraum folgende Heizkosten zu berücksichtigen: von Januar 2021 bis März 2021: monatlich 19,00 €, von April 2021 bis Juli 2021: monatlich 23,00 €. Zudem wäre ein Mehrbedarf Warmwasser von Januar 2021 bis Juli 2021 in Höhe von monatlich 10,26 € zu berücksichtigen gewesen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23.06.2023 abgewiesen. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.05.2021 bis 30.04.2022 keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Zu Recht habe der Beklagte lediglich die monatlichen Abschlagszahlungen hinsichtlich des Wärmestromvertrags als Heizkosten berücksichtigt. Der Kläger heize zwar mit Strom, verfüge aber ausweislich der Jahresrechnungen seines Energieversorgers über zwei getrennte Zähler. Da der Haushaltsstrom – anders als der Wärmestrom – aus dem Regelbedarf zu bestreiten sei, habe der Beklagte zu Recht lediglich den Wärmestrom bei der Berechnung der Unterkunftskosten berücksichtigt. Die Unterscheidung ergebe sich eindeutig aus den Jahresrechnungen der E1, die sich auf zwei unterschiedliche Zähler bezögen. Dafür, dass der Kläger darüber hinaus Strom zur Heizung nutze, der nicht über den Wärmestromzähler abgebildet werde, gebe es keine Anhaltspunkte. Vielmehr habe der Kläger in seinem letzten Weiterbewilligungsantrag vom 24.04.2023 selbst lediglich den Abschlag hinsichtlich des Wärmestroms als Heizkosten angegeben (derzeit 40 €).
Der Beklagte habe jedenfalls für die Zeit von August 2021 bis Februar 2022 zu Recht monatliche Heizkosten in Höhe von 23 € berücksichtigt und für März 2022 zu Recht die am 28.03.2022 fällige Nachzahlung aus dem Wärmestromvertrag in Höhe von 63,17 € zusätzlich als Bedarf der Heizkosten berücksichtigt. Zudem habe er für April 2022 den neuen Wärmestromabschlag in Höhe von 27 € berücksichtigt. Die mit Änderungsbescheid vom 12.07.2021 erfolgte teilweise Rücknahme für die Zukunft sei rechtmäßig gemäß § 48 Abs. 1 und 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III. Diesbezüglich werde auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 12.08.2021 verwiesen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Schließlich habe der Beklagte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 06.09.2022 aufgrund des Mehrbedarfs Warmwassererzeugung zu Recht lediglich für die Zeit vom 01.08.2021 bis 30.04.2022 höhere Leistungen in Höhe von monatlich 10,26 € bis einschließlich 31.12.2021 und in Höhe von monatlich 10,33 € ab 01.01.2022 bewilligt. Nach § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II werde bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung). Nach § 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 SGB II betrage der Mehrbedarf für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils 2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 oder 2 Nr. 2, Abs. 3 oder 4. Gemessen daran sei ein entsprechender Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserzubereitung zwar im gesamten Bewilligungszeitraum bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dies führe jedoch lediglich im Zeitraum vom 01.08.2021 bis 30.04.2022 zur Gewährung höherer Leistungen, was der Beklagte zutreffend erkannt und mit Änderungsbescheid vom 06.09.2022 entsprechend umgesetzt habe. Für die Zeit vom 01.05.2021 bis 31.07.2021 habe der Kläger hingegen keinen höheren Leistungsanspruch, auch wenn bei der Berechnung der Mehrbedarf berücksichtigt werde. Denn der Beklagte habe in dieser Zeit bereits zu Gunsten des Klägers zu Unrecht Heizkosten in Höhe von 64,17 € bei der Berechnung berücksichtigt statt der tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 23 €. Daher bestehe jedenfalls kein höherer Leistungsanspruch in diesen Monaten.

Gegen den ihm am 28.06.2023 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28.07.2023 zum LSG erhobene Berufung, mit welcher der Kläger sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und ausgeführt hat, der Gerichtsbescheid vom 23.06.2023 weise formale Probleme (Verfahrensmängel) und inhaltliche Probleme auf: Im Gerichtsbescheid werde weder der Name der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erwähnt, die ihn verkündet habe, noch habe er den Beweis dafür erhalten, dass der Gerichtsbescheid mit einer qualifizierten elektronischen Signatur einer Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle signiert wurde. Er habe insbesondere keinen Transfervermerk darüber erhalten. Da dieser Gerichtsbescheid weder eine handschriftliche Unterschrift enthalte noch einen Gerichtsstempel, verstoße dieser Mangel gegen §§ 134 Abs. 3 Satz 2 u. 137 Satz 5 SGG. Das Gericht erster Instanz habe außerdem keine Beschlüsse auf seine Anträge auf Terminverschiebung und auf Beiordnung eines Anwalts erlassen.
In der Sache würden von den Gesamtstromkosten von über 100 € monatlich vom Beklagten nur 27 € für Wärmestrombedarf erstattet. 27 € reichten nicht aus, um seine beheizte Wohnung auf einem Mindestmaß an Wohnkomfort zu halten; er erreiche mit der Heizung lediglich eine Raumtemperatur von 15 Grad.
In diesem Zusammenhang könnten schwerwiegende Vertragsverstöße gegenüber dem Vermieter nachgewiesen werden, die nicht nur die Ineffizienz der Heizungsanlage, sondern auch deren Sicherheit aus hygienisch-sanitärer Sicht betreffen. Bei einem derart ineffizienten Heizsystem würde er ernsthafte gesundheitliche Probleme riskieren, wenn er nicht versuchen würde, das auszugleichen, indem er auf alternative Weise mit Strom heize. Es stimme also nicht, dass er nur die Nachtspeicheröfen zum Aufwärmen genutzt habe, er nutze auch den Küchenherd, den Elektroofen und eine elektrische Wärmflasche. Dass er in seinem aktuellen Weiterbewilligungsantrag vom 24.04.2023 lediglich den Abschlag hinsichtlich des Wärmestromvertrags in Höhe von nur 40 € als Heizkosten angegeben habe, bedeute nicht, dass er über eine effiziente Heizungsanlage verfüge, noch, dass er zur Gewährleistung einer ausreichenden Beheizung der Wohnung nur und ausschließlich diese Heizungsanlage nutze. Mittlerweile sei der Hersteller der beiden alten Nachtspeicherhöfe (E3 Hausgeräte GmbH) kontaktiert worden. Als dieser ein Foto des Produktdatenschilds erhalten habe, habe er geantwortet, dass die Nachtspeicheröfen wahrscheinlich Asbest enthielten. Dies würde die durch seine Verwendung verursachten Probleme sehr gut erklären.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 23. Juni 2023 aufzuheben sowie den Bescheid vom 23. April 2021 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 12. Juli 2021 und des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2021 sowie der Änderungsbescheide 27. November 2021, 24. Februar 2022, 22. April 2022, 2. Mai 2022 und 6. September 2022 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Mai 2021 bis 30. April 2022 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Mit gesondertem Bescheid vom 12.07.2021 lehnte der Beklagte die Übernahme der Nachforderung aus der Stromabrechnung vom 10.03.2021 (Vertragsnummern 36xxxxxxx und 36xxxxxxx) über 228,44 €, zur Zahlung fällig am 28.03.2021, ab. Die Kosten für Haushaltsenergie (Vertragsnummer 36xxxxxxx), z. B. Kochenergie, Beleuchtung, etc. seien aus den Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs zu bestreiten. Eine gesonderte Übernahme dieser Kosten sei nicht möglich. Die Nachforderung aus der Vertragsnummer 36xxxxxxx könne ebenfalls nicht übernommen werden. Die Forderung des Wärmestroms belaufe sich hierzu auf insgesamt 267,75 Euro; dem Kläger seien allerdings im Abrechnungszeitraum bis März 2021 monatlich 64,17 €, also insgesamt 770,04 € für Heizkosten gewährt worden. Er habe damit mehr Kosten für die Heizung erstattet bekommen als nun mit der Endabrechnung des Wärmestroms insgesamt angefallen seien. Der vom Kläger dagegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 03.11.2021 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage wurde vom SG durch Urteil vom 14.06.2023 (S 8 AS 2782/21) abgewiesen. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil wurde vom LSG durch Beschluss vom 04.08.2023 (L 9 AS 2083/23 NZB) zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen einschließlich der zwischen den Beteiligten geführten Verfahren L 9 AS 1631/22 ER-B, L 9 AS 460/23 und L 9 AS 2083/23 NZB Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.


Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da er mit der ordnungsgemäßen, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 23.09.2023 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 23.04.2021 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 12.07.2021 und des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2021 sowie der Änderungsbescheide vom 27.11.2021, 24.02.2022, 22.04.2022, 02.05.2022 und 06.09.2022, mit denen der Beklagte Leistungen im Zeitraum Mai 2021 bis April 2022 bewilligt hat. Die genannten Bescheide sind gemäß § 86 SGG bzw. soweit sie nach Klageerhebung am 20.09.2021 ergangen sind, gemäß § 96 SGG Gegenstand des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens geworden.

Das SG hat die Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 23.06.2023 zu Recht abgewiesen. Das Berufungsvorbringen des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung.

Die vom
Kläger gerügten formalen Mängel des Gerichtsbescheids und Verfahrensfehler des SG begründen weder eine Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung noch eine Zurückverweisung des Verfahrens an das SG. Der Gerichtsbescheid trägt im Rubrum den Namen und unter der Rechtsmittelbelehrung das Namenszeichen der erkennenden Richterin und ist ausweislich des aktenkundigen Transfermerks von dieser auch ordnungsgemäß signiert worden. Soweit der Kläger angibt, der Gerichtsbescheid sei weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur einer Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle signiert worden noch enthalte dieser eine handschriftliche Unterschrift bzw. einen Gerichtsstempel, könnte dieses Vorbringen ausweislich der in der Anlage zur Berufungsbegründung vorgelegten (einfachen) Kopie des Gerichtsbescheids, der entgegen den Vorgaben in §§ 63 SGG, 169 Abs. 2, 3 ZPO keinen Beglaubigungsvermerk und auch keinen Gerichtsstempel enthält, zutreffen. Auch der Nachweis einer elektronischen Signatur lässt sich nicht führen. Ausweislich der Verfahrensakte des SG (Bl. 78) wurde dem Kläger ein qualifiziert elektronisch signierter Gerichtsbescheid zugestellt. Allerdings finden sich in der Akte keine zugehörige, den Anforderungen des § 65a Abs. 7 Satz 1 SGG genügende Transfervermerke der Urkundsbeamtin oder sonstige Hinweise auf entsprechende Signaturen. Zwar machen schwerwiegende Mängel der Abschrift die Zustellung grundsätzlich unwirksam (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 63 Rn. 20). Dies hat vorliegend jedoch nicht zur Folge, dass die Berufung des Klägers allein aus diesem Grund Erfolg hätte oder zur Zurückverweisung des Verfahrens an das SG führt. Zum einen spricht viel dafür, den Zustellungsmangel als nach § 189 ZPO geheilt anzusehen, wenn - was vorliegend der Fall ist - das zuzustellende Dokument der Person, an die es gerichtet ist (vorliegend der Kläger), tatsächlich zugegangen ist und keine Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit der Abschrift bestehen (so BGH, Urteil vom 11.02.2022 - V ZR 15/21 -, juris Rn. 26; anders wohl Keller in Meyer-Ladwig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 63 Rn. 21a, § 137 Rn. 3a, 6). Jedenfalls wäre Konsequenz lediglich, dass die einmonatige Rechtsmittelfrist nicht zu laufen begonnen hätte (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 137 Rn. 3, § 151 Rn. 7, 8; ebenso Beschluss des erkennenden Senats vom 27.07.2022 in dem zwischen den Beteiligten geführten Verfahren L 9 AS 1631/22 ER). Die Rechtsmittelfrist hat der Kläger, der am 28.07.2023 gegen den ihm am 28.06.2023 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt hat, allerdings vorliegend eingehalten.

Die weitere Rüge des Klägers, das SG habe über seine Anträge auf Auswahl und Beiordnung eines Rechtsanwalts und Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 14.06.2023 nicht entschieden, geht fehl. Im vorliegenden Verfahren S 8 AS 2111/21 war kein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, worauf das SG den Kläger mit Verfügung vom 27.07.2023 (Bl. 89 der SG-Akte) hingewiesen hatte. Die genannten Anträge betrafen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.06.2023 durch Urteil entschiedene Verfahren S 8 AS 2782/21 und wurden zudem vom SG mit Beschlüssen vom 12.06.2023 abgelehnt. Die dagegen erhobenen Beschwerden waren erfolglos geblieben (Beschlüsse des erkennenden Senats vom 19.07.2023 - L 9 AS 2035/23 B - und vom 20.07.2023 - L 9 AS 2056/23 B -).

Die Berufung bleibt auch in der Sache ohne Erfolg. Das SG hat unter Darlegung der rechtlichen Grundlagen ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger für den genannten Zeitraum keinen Anspruch auf höhere als die bewilligten Leistungen hat, weder als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form eines (weiteren) Mehrbedarfs wegen dezentraler Warmwasserbereitung noch in Gestalt höherer Leistungen für die Unterkunft und Heizung.
Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend wird auf die Ausführungen in dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss des erkennenden Senats vom 27.07.2022 (a.a.O.), betreffend Leistungsansprüche des Klägers im Zeitraum August 2021 bis April 2022, Bezug genommen, an denen nach nochmaliger Prüfung festgehalten wird.

Soweit der Kläger geltend macht, sein Wärmestrombedarf werde durch die über den Wärmestromzähler erfassten 27 € für die Nachtspeicheröfen nur unzureichend abgedeckt, da er aufgrund der schlechten Wohnverhältnisse und der Ineffizienz der Heizungsanlage gehalten sei, weitere Elektrogeräte (Küchenherd, Elektroofen und elektrische Wärmflasche) zu Heizzwecken einzusetzen, ist einerseits nicht erkennbar, dass dies für alle Monate des hier streitigen Abrechnungszeitraums gelten und daher durchgängig zu höheren Kosten geführt haben sollte. Zum anderen wäre es am Kläger selbst, einen entsprechenden Bedarf gegebenenfalls schlüssig nachzuweisen, was nicht erfolgt ist. Ausweislich der Verfahrensakte wurde der Kläger im Rahmen eines erneuten Hausbesuchs des Außendienstes des Beklagten am 18.08.2023 nicht angetroffen, weshalb keinerlei Feststellungen getroffen werden konnten.


Auch im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen im streitigen Zeitraum. Außer den Stromkosten werden solche vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).



 

Rechtskraft
Aus
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