1. Auch bei Unternehmern kommt es im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich auf die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit an. Stellt diese nur geringe körperliche Anforderungen, ist irrelevant, ob ggf. eine selbstständige Tätigkeit mit schweren körperlichen Belastungen beabsichtigt war.
2. Hat der Versicherte vor dem Arbeitsunfall von Erspartem gelebt, hat er kein Arbeitseinkommen erzielt, dessen Wegfall im Wege der Entgeltersatzfunktion des Verletztengeldes zu ersetzen wäre.
3. Die Rückabwicklung zu Unrecht gewährter Vorschussleistungen richtet sich auch dann nach § 42 Abs. 2 SGB I, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Anspruch auf Geldleistungen bereits dem Grunde nach nicht besteht ("0 €-Leistung").
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29.06.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten noch über die (endgültige) Gewährung von Verletztengeld (VzG) für den Zeitraum vom 02.06.2018 bis 31.08.2019 respektive über die Erstattung von vorschussweise gezahltem VzG i.H.v. 15.000 €.
Der 1970 geborene Kläger, alleinerziehender Vater eines 2002 geborenen schwerbehinderten Sohnes (Grad der Behinderung 100, Pflegegrad 4, S. 194 VerwA), der an Autismus und epileptischen Anfällen leidet, von 2010 bis 03.06.2018 keine Schule besuchte (Klägerangaben S. 188, 213 VerwA) und im o.a. Zeitraum im häuslichen Umfeld 24 Stunden am Tag (ohne Inanspruchnahme eines Pflegedienstes) betreut wurde (Klägerangaben S. 188, 268 VerwA), ist ausgebildeter Energieelektroniker, Fachrichtung Anlagenbau, und seinen Angaben gemäß (a.a.O.) Sachverständiger für Kran- und Hebetechnik. Bis Anfang Oktober 2017 war er versicherungspflichtig bei der A1 GmbH im Bereich Aufzugtechnik beschäftigt (vgl. S. 86, 188 VerwA).
Seit April 2014 war der Kläger als „mithelfender Jäger“ im Jagdbezirk I in W1 tätig, wobei ihm namentlich die Jagd, Hege und Pflege von Wild respektive das Nachsuchen oblag - ohne dabei anerkannter Nachsuchenführer zu sein - und er rund 40 Stunden/Jahr Revierarbeiten durchführen musste; eine Entlohnung dafür wurde nicht gewährt und der Kläger war auch nicht von der unteren Jagdbehörde als Jagdaufseher bzw. Revierbetreuer bestätigt; Wildabschüsse konnte er im Übrigen nach eigener Entscheidung vornehmen (s. Auskunft des Jagdpächters S1 vom 19.07.2018, S. 17 ff. VerwA); ab April 2018 verfügte der Kläger über einen vom Jagdpächter ausgestellten Jagderlaubnisschein für alle zugelassenen Wildarten (S. 47 f. VerwA).
Am Abend des 31.05.2018 ereignete sich außerorts von W1 ein Wildunfall mit Pkw-Kollision, wobei der verwundete Hirsch in das angrenzende Waldgebiet flüchtete (s. polizeilicher Unfallbericht S. 72 ff. VerwA). Am nächsten Tag wandte sich der Polizeiposten B1 zunächst an den Jagdpächter, der indes nicht erreichbar war. Auf Grund genereller Absprache rief die Polizei sodann den Kläger an, informierte ihn über den Wildunfall und ersuchte um Inspektion der Unfallstelle bzw. um Nachsuche nach dem verletzten Wild. Als sich der Kläger im Anschluss entsprechend herrichtete, rief ihn der Jagdpächter an, der zwischenzeitlich die Mailboxnachricht der Polizei abgehört hatte. Er bat den Kläger, die Wildunfallstelle schon einmal in Augenschein zu nehmen, zumal der Kläger den brauchbaren Jagdhund „D1“ mit sich führte. Der Jagdpächter machte sich sodann ebenfalls auf den Weg zur Unfallstelle, um bei der Nachsuche zu unterstützen; dabei führte er (im Gegensatz zum Kläger) eine Langwaffe mit, um ggf. den erforderlichen Fangschuß zu setzen. Gegen 17.10 Uhr traf auch der Jagdpächter im Bereich der Unfallstelle ein, wo der Kläger bereits mit „D1“ die Straße abging. Man teilte sich sodann bei der Nachsuche auf. Nachdem „D1“ abseits der Straße „Wind bekommen“ hatte, betrat der Kläger im Revierbereich der Ortsverbindungsstraße von W1 nach J1 eine Wiese (zum Vorstehenden s. im Einzelnen Auskunft des Jagdpächters S1 vom 17.08.2018, S. 44 f. VerwA; Klägerangaben S. 34 f., 54 VerwA sowie die vom Kläger und vom Jagdpächter S1 unter dem 14.06.2018 erstellte Unfallanzeige, S. 9 VerwA).
Ausweislich der b.b. Unfallanzeige stürzte der Kläger gegen 17.30 Uhr über einen in der Wiese verdeckten (alten) Stacheldraht in Bodennähe und fiel nach hinten einen Hang hinunter („ca. 5 m“). Dabei sei „beim Aufprall das Außenband des linken Fußes gerissen, Innenband Knie, starke Prellungen, Verletzung mit Schnittwunden am Rücken durch den Stacheldraht“. Wegen dieser Verletzungen könne der Kläger seine berufliche Tätigkeit („Kran u. Aufzugsservice“) mit Arbeiten in Höhe und auf Leitern nicht ausüben.
Am Morgen des 02.06.2018 stellte sich der Kläger bei dem D-Arzt S2 (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T1 [BGU]) vor und gab u.a. an, seit 01.02.2014 als Servicetechniker beschäftigt zu sein und am Vortrag beim Nachsuchen von Wild als Jagdhelfer über einen versteckten Stacheldraht gestolpert zu sein; dabei habe er sich das (linke) obere Sprunggelenk (OSG) verdreht. S2 diagnostizierte eine Außenbandläsion OSG links (bei Schwellung und Druckdolenz über dem ventralen Außenknöchel mit schmerzbedingter Beweglichkeitseinschränkung; im Übrigen kein pathologischer Befund [„o.B.“], röntgenologisch keine ossäre Läsion) und verordnete einen Voltaren-Salbenverband sowie eine VacoTalus-Orthese für sechs Wochen; er bescheinigte Arbeitsfähigkeit (D-Arzt-Bericht vom 02.06.2018, S. 6 f. VerwA).
Der Kläger erklärte im Anschluss gegenüber der Beklagten (S. 11 VerwA), unter der Fa. „A2“ im Bereich „Kran-, Aufzugstechnik u. Schießanlagen“ selbstständig tätig zu sein („zuständige Berufsgenossenschaft, Mitglieds-Nummer: keine“).
Am 20.07.2018 stellte sich der Kläger mit „Restbeschwerden“ (Angaben: „Laufen nahezu beschwerdefrei“, „stärkeres körperliches Belasten, v.a. bei beruflicher Tätigkeit als Aufzug- und Kranbaumann/Monteur“ mit Arbeiten auf Leitern und in Schächten „nicht vorstellbar“) in der BGU vor. Die BGU-Ärzte befundeten einen noch ausgedehnten Druckschmerz über dem Ligamentum talofibulare anterius (LFTA) sowie über dem Außenknöchel. Die Beweglichkeit des OSG war mit einer Streckung/Beugung von 20-0-60° - so die Ärzte - „nahezu frei“ bei nur leichtgradig eingeschränkter forcierter Supination. Es bestand keine ausgeprägte Schwellung und kein Hämatom, die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) waren (weiterhin) intakt. „Momentan“ sei der Kläger „aufgrund seiner anspruchsvollen körperlichen beruflichen Tätigkeit“ nicht arbeitsfähig; dies sei „voraussichtlich auch vor der heutigen Konzentration (gemeint: Konsultation) nicht der Fall gewesen“ (BGU-Zwischenbericht vom 24.07.2018, S. 32 f. VerwA). A3 (BGU) bescheinigte am 20.07.2018 (erstmals) Arbeitsunfähigkeit (Arbeitsunfähigkeitsdiagnose: Verstauchung und Zerrung des OSG, S93.4 ICD-10) voraussichtlich bis 03.08.2018 (S. 21 VerwA; am 01.08.2018 zunächst Verlängerung bis voraussichtlich 10.08.2018, S. 37 VerwA).
Am 06.08.2018 wandte sich der Kläger telefonisch an die Beklagte (Aktenvermerk S. 31 VerwA) und gab an, seit Februar 2018 selbstständig und in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig ohne Anspruch auf Krankengeld versichert zu sein. „Seit dem Unfall“ habe er einen Einkommensverlust und er bitte dringend um Prüfung des Arbeitsunfalls und eventuell zustehendes VzG; ein Einkommenssteuerbescheid liege nicht vor und es gäbe auch keinen Steuerberater. Er sei alleinerziehend und Vater eines schwerbehinderten Kindes.
Nach Durchführung einer OSG-MRT und -CT (MRT-Bericht S. 52 VerwA: „ältere vordere und hintere Syndesmosenverletzung links mit mäßigem Gelenkerguss ohne suffiziente narbige Ausheilung. Hierdurch bedingte diskrete Fehlstellung der Fibula links.“; CT-Bericht S. 53 VerwA: im Seitenvergleich diskrete Erweiterung des distalen Tibiofibulargelenks linksseitig bei etwas exzentrisch in der Inzisur stehender Fibula ohne Nachweis einer anderweitigen Fehlstellung) befundeten die BGU-Ärzte am 10.08.2018 (allein) einen Druckschmerz über der vorderen Syndesmose links ohne klinische Instabilität und ohne Rotationsfehlstellung (Zwischenbericht vom 20.08.2018, S. 50 f. VerwA); sie bescheinigten weiter Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 07.09.2018 (S. 36 VerwA, später verlängert bis voraussichtlich 24.09.2018, S. 128 VerwA) und empfahlen ein primär konservatives Vorgehen mit Propriozeptionstraining.
Am 21.08.2019 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und bat dringend um VzG-Zahlung. Die ärztlich „empfohlene Operation“ werde er nicht durchführen lassen, solange ihm VzG nicht zugesagt werde (Telefonvermerk S. 61 VerwA). Die Beklagte teilte ihm mit, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Bereits zwei Tage später stellte der Kläger bei der Beklagten „nach Meinung und Absprache mit dem Bundesversicherungsamt“ einen Antrag auf „vorläufige Versicherungsleistungen auf Verletztengeld sowie Haushaltshilfe und Betreuungshilfe“ für sein schwerbehindertes Kind (S. 70 VerwA). Mit Schreiben vom 26.08.2019 (S. 81 f. VerwA) wandte sich der Kläger an die „Dienstaufsicht“ der Beklagten und forderte bis 31.08.2018 die (jedenfalls vorläufige) Gewährung von VzG i.H.v. 13.650 € sowie ab September i.H.v. monatlich 4.550 € „netto“, denn diesen Monatsbetrag benötige er für seine „Lebensstellung“. Die Beklagte forderte ihn sodann mit Schreiben vom 27.08.2018 auf, sein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit seit 01.06.2018 respektive seinen Einkommensverlust konkret nachzuweisen (S. 85 VerwA).
Der Kläger gab im Anschluss an (S. 89 f. VerwA), seit 06.01.2018 als Einzelunternehmer und ohne Beschäftigte einen „Service für Anlagentechnik“ (Ausführung von Reparatur- und Serviceaufträgen, „Aufzug, Kran, Schießanlagen“, Montagearbeiten in verschiedener Form, Anlagenreinigung, Hausmeisterservice, technische Unterstützung aller Art) zu betreiben; die Frage, ob er „seit Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit“ noch unternehmerische Tätigkeiten verrichtet habe, verneinte der Kläger ausdrücklich. Er habe „seit 01.06.2018“ keinerlei Arbeitseinkommen. Steuerunterlagen legte er ebenso wenig bei wie eine Gewerbeanmeldung. Stattdessen übersandte er der Beklagten: von ihm erstelltes Angebot vom 27.05.2018 (S. 92 VerwA) an eine Fa. C1 in W1 („Schweiß- u. Reparaturarbeiten an Container, Rostschutz, Lackier- u. Ausbesserungsarbeiten, Abwicklung und Organisation UVV“, Gesamtpreis inkl. Umsatzsteuer: 6.752 €) nebst Rücknahme des Angebots aus gesundheitlichen Gründen (Schreiben vom 08.06.2018, S. 91 VerwA); Angebot „zu Arbeiten in Ihrem Betrieb“ vom 24.05.2018 an den Maler und Lackierer H1 in W1 (S. 94 VerwA, „Unterstützung“ in den Monaten Juni bis September, Gesamtpreis inkl. Umsatzsteuer: 10.640 €) nebst Rücknahme des Angebots aus gesundheitlichen Gründen (Schreiben vom 05.06.2018, S. 93 VerwA); Angebot „über [Setzen von] Erdungsspieße“ vom 19.08.2018 (S. 95 VerwA) an die Fa. B2 GmbH in „W2“ (richtig: W3, Rheinland-Pfalz), sofern „mind. 3 Anlagen im Umkreis von je max. 60 km“ vorhanden (Preis pro Anlage 801 € zzgl. Umsatzsteuer, Material kundenseitig gestellt) sowie Angebote an das nämliche Unternehmen vom 02.07.2018 (S. 96 f. VerwA) über die Deinstallation einer technischen Anlage (1.500 € zzgl. Umsatzsteuer) bzw. eines Wassertanks inkl. Entsorgung (3.000 € zzgl. Umsatzsteuer) im Pumpenhaus einer Sportstätte nebst Angebotsrücknahme (Schreiben vom 15.07.2018, S. 98 VerwA) wegen anhaltender gesundheitlicher Probleme; Angebot zu Arbeiten (Reparatur, Einbau Keilrahmen, Umbau und Programmierung sowie Reinigung der Anlage, Material stellt Kunde) an der Schießanlage der Kreisjägervereinigung T1 (KJV) vom 15.08.2018 (S. 99 VerwA; Abschluss der Arbeiten bis 09.09.2018, Material stellt Kunde, Gesamtpreis 1.790 € zzgl. Umsatzsteuer) nebst Rücknahmeschreiben vom 25.08.2018 (S. 100 VerwA).
Mit Schreiben vom 06.09.2018 (S. 102 f. VerwA) verlautbarte die Beklagte gegenüber dem Kläger (auf dessen entsprechende Aufforderung), dass sie „bestätigt“, dass das Ereignis vom 01.06.2018 als Arbeitsunfall „anerkannt wurde“. Zur Feststellung eines VzG-Anspruchs bedürfe es noch einer Stellungnahme des Klägers, u.a. dazu, warum dieser die Arbeiten für den Betrieb H1 bereits am 05.06.2018 „abgelehnt“ habe, da zu diesem Zeitpunkt eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen und lediglich eine Außenbandläsion in Rede gestanden habe. Außerdem forderte die Beklagte ihn auf, Buchführungsunterlagen seit Beginn der Selbstständigkeit vorzulegen.
Der Kläger monierte daraufhin die weiterhin unterbliebene Zahlung von VzG (S. 108 VerwA) - er müsse die nächsten Tage Insolvenz anmelden - und gab zu der Nachfrage der Beklagten an (S. 113 VerwA), er habe den Fuß mindestens sechs Wochen ruhig zu stellen gehabt (Hinweis auf die Orthese) und Schmerzmittel eingenommen, daher sei bereits am 05.06.2018 klar gewesen, dass er „den Auftrag und die Folgeaufträge“ nicht habe ausführen können, außerdem ergebe sich aus dem „2. Arztbericht“ eindeutig eine Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfallzeitpunkt. Er legte zudem vor: Schreiben des Maler- und Lackiermeisters H1 vom 25.06.2018 (S. 109 VerwA: Bedauern, dass die Arbeiten nicht wie abgesprochen ausgeführt werden können), Schreiben der Fa. C1 vom 20.06.2018 (S. 110 VerwA: Bedauern wie vor und Inaussichtstellung von Aufträgen nach der Genesung), Schreiben der Fa. U1 in W3 vom 08.09.2018 (S. 116 VerwA: bezogen auf die Angebote an deren Kunden [gemeint: Fa. B2 GmbH] vom 02.07.2018 [s. S. 118 VerwA], Bestätigung der „Angebots- und Ausführungserstellung“, anderweitige Auftragsvergabe nach Absage des Klägers).
Unter dem 26.08.2018 wandte sich der Kläger wegen Vorenthaltung von VzG mit einer Beschwerde an das Bundesversicherungsamt (S. 147 VerwA). Nach Einholung einer Stellungnahme des Beratungsarztes V1 (vom 07.09.2018, S. 107 VerwA) gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12.09.2018 (S. 124 f. VerwA) unter näherem Hinweis auf die Regelungen des § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) einen „Vorschuss“ i.H.v. 15.000 € auf VzG. Nach den Ermittlungen habe der Kläger aufgrund des Unfalls vom 01.06.2018 Anspruch auf VzG. Die Höhe der Leistung könne hingegen noch nicht abschließend festgestellt werden; der Kläger möge für den Zeitraum von Januar bis Mai 2018 seine buchführenden Zahlen bzw. Nachweise über seine Einnahmen vorlegen. Auch über die bisher berücksichtigten Arbeitsausfälle hinaus seien entsprechende Nachweise für Einkommensausfälle beizubringen.
Auf entsprechende Nachfrage der Beklagten gab M1 (BGU) Ende September 2019 an (S. 136 VerwA), dass „in Anbetracht der selbstständigen Tätigkeit“ des Klägers und „der dort geforderten Tätigkeit“ ab 02.06.2018 Arbeitsunfähigkeit „anzunehmen“ sei, auch wenn keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei.
Im Zwischenbericht vom 02.10.2018 (S. 138 f. VerwA) teilten die BGU-Ärzte mit, der Kläger habe sich am 26.09.2018 „mit anhaltenden Beschwerden“ erneut vorgestellt, wobei seit der letzten Sprechstunde keine weitere Diagnostik oder Therapie (i.S. der empfohlenen Gangschulung) stattgefunden habe. Klinisch zeigte das linke OSG keine wesentliche Instabilität und es ergab sich lediglich eine endgradige Bewegungseinschränkung (etwa 10° Dorsalstreckung, 30° Plantarbeugung, im Übrigen freie Beweglichkeit) mit „etwas“ Druckschmerz ohne äußere Anomalien. Die Ärzte sahen die dringliche Indikation für eine ambulante Physiotherapie. Der Kläger bleibe weiterhin bis auf weiteres arbeitsunfähig (Bescheinigung S. 144 VerwA: voraussichtlich bis 23.10.2018).
Bei seiner erneuten Vorstellung in der BGU am 05.11.2018 gab der Kläger an, dass er „nahezu ständig Beschwerden“ im Sprunggelenk links habe. Eine Vollbelastung sei möglich, jedoch „das Arbeiten im Bereich Fahrtstuhltechnik“ unmöglich (Verlaufsbericht vom 19.11.2018, S. 161 f. VerwA). Der Kläger zeigte eine ausgeprägte Druckschmerzhaftigkeit über der vorderen Syndesmose und im Bereich des lateralseitigen OSG-Gelenkspalts bei freier OSG-Beweglichkeit ohne Instabilität. Die BGU-Ärzte gingen weiterhin von Arbeitsunfähigkeit aus. Die MRT des linken OSG am 13.11.2018 erbrachte diagnostisch eine Defektheilung des LFTA bei schmächtiger, aber in voller Kontinuität abgrenzbarer vorderer und intakter hinterer Syndesmose sowie bei regelrechter Artikulation im Sprunggelenk (Radiologiebericht S. 163 VerwA). In der Verlaufsuntersuchung am 27.12.2018 ergab sich im Vergleich zur Voruntersuchung ein nahezu identischer klinischer Befund. Der Kläger behauptete nunmehr gegenüber den BGU-Ärzten, „Aufzüge- und Kran-Tätigkeiten“ durchzuführen und „häufig auf Gerüsten“ zu arbeiten. Dazu sehe er sich „momentan“ weiterhin nicht in der Lage; er sei auf der Suche nach einer Tätigkeit mit vornehmlich Büroarbeiten (Bericht der BGU vom 07.01.2019, S. 186 f. VerwA). Die BGU-Ärzte verordneten unter Angabe fortbestehender Arbeitsunfähigkeit eine Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP) mit Behandlungsbeginn am 03.01.2019 für zwei Wochen an fünf Tagen pro Woche (S. 166 ff. VerwA). Tatsächlich nahm der Kläger lediglich drei EAP-Termine wahr und zwar am 04., 07. und 08.01.2019. Zum Termin am 09.01.2019 meldete er sich krank und am 14.01.2019 sagte er schließlich alle weiteren Termine telefonisch ab (S. 181 VerwA), auch die am 10.01.2019 verordnete Verlängerung der EAP ab 17.01.2019 (S. 171 VerwA) trat er nicht an; zur Begründung verwies er auf die Betreuung seines behinderten Sohnes, weswegen er aus Zeitgründen auch keine ambulante Physiotherapie durchführe (S. 172, 188 VerwA).
Auf die Erinnerung der Beklagten hinsichtlich der für den Zeitraum von Januar bis Mai 2018 angeforderten Buchführungsunterlagen bzw. Einnahmennachweise teilte der Kläger mit (E-Mail vom 16.01.2019, S. 174 VerwA), die Beklagte habe bereits ausreichende Nachweise über seine „Arbeitsleistung und finanzielle Ausfälle“ bekommen; vor dem Unfall habe er sich im Übrigen in „Familienpflegezeit“ befunden. Die Beklagte schulde ihm ein monatliches VzG von 4.500 € und er beantrage Verletztenrente.
Im Rahmen einer BGU-Sondersprechstunde am 23.01.2019 (Vermerk S. 188 f. VerwA), an der auch die Reha-Managerin der Beklagten teilnahm, gab der Kläger an, dass er die Betreuungs- und Pflegeleistung seines Sohnes selbst sicherstellen müsse („mindestens 3.000 € im Monat“), da er sich mit dem Landkreis über finanzielle Unterstützung streite. Er sei selbstständig „im Bereich Fahrstuhl- und Anlagenbau“ und habe sich wegen der flexibleren Möglichkeit der Betreuung seines Sohnes für die Selbstständigkeit entschieden. Mit den Schmerzen könne er nicht mehr auf Baustellen arbeiten, bei Renovierungsarbeiten zu Hause habe er versucht, auf einer Leiter zu stehen, was dauerhaft nicht mehr möglich sei. Er gehe davon aus, in ca. 4 Wochen eine neue Arbeitsstelle zu haben, wozu er sich eigeninitiativ eine Tätigkeit im Bereich Beratung/Planung Anlagentechnik suchen werde. Der K1 befundete eine „gute“ Beweglichkeit des linken OSG ohne Instabilität bei nur leichtem Druckschmerz lokal über der vorderen Syndesmose (s. im Einzelnen auch S. 192 f. VerwA, Diagnose nunmehr: Ligamentär stabil ausgeheiltes OSG links bei OSG-Distorsion vom 01.06.2018 und nun narbig verheilter vorderer und hinterer Syndesmose, Therapieempfehlung: Nordic-Walking und Propriozeptionstraining) und ging von Arbeitsfähigkeit ab 16.02.2019 aus. Die Reha-Managerin wies den Kläger erneut darauf hin, dass Nachweise über Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit vor dem Unfall benötigt würden.
Die Beklagte forderte den Kläger dazu mit Schreiben vom 30.01.2019 (im Einzelnen S. 190 f. VerwA) erneut auf, insbesondere auch zur Vorlage einer Bestätigung des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) hinsichtlich der angegebenen Familienpflegezeit. Auch sei zu erklären, ob er im Zeitraum vom 06.01. bis 31.05.2018 überhaupt seiner selbstständigen Tätigkeit nachgegangen sei und welches Arbeitseinkommen er erzielt habe.
In einem Telefonat am 01.02.2019 gab der Kläger ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 01.04.2019 (S. 203 f. VerwA, dazu noch sogleich) sowie des Aktenvermerks vom 24.04.2019 (S. 209 VerwA) an, in der Zeit von Januar bis Mai 2018 kein Einkommen erzielt, sondern seinen Lebensunterhalt allein durch Erspartes finanziert zu haben. Mit E-Mail vom 04.02.2019 (S. 194 VerwA) erhob der Kläger diverse Vorwürfe gegen die Beklagte (Vorenthaltung von VzG bzw. Rückforderung des Vorschusses, kein Regress gegen den Unfallverantwortlichen) und begehrte die Gewährung einer Betriebs- und Haushaltshilfe; er sei weiter arbeitsunfähig und es bedürfe auch einer Reha. Die Sachbearbeiterin der Beklagten erbat mit E-Mail vom 14.02.2019 (S. 198 VerwA) vom Kläger zwecks „rechtskräftiger“ Entscheidung über VzG eine von ihm unterschriebene Bestätigung, dass er im Zeitraum vom 06.01. bis 31.05.2018 keine „auf Gewinnerzielung ausgerichtete selbstständige Tätigkeit“ ausgeübt habe.
Mangels Antwort hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 01.04.2019 (a.a.O.) zur beabsichtigten Ablehnung eines Anspruchs auf VzG und Rückforderung des gezahlten Vorschusses an. Nachdem der Kläger sich auch weiterhin nicht äußerte, lehnte die Beklagte die Gewährung von VzG mit Bescheid vom 08.05.2019 (S. 210 f. VerwA) - der Sache nach endgültig - ab und forderte den Vorschusses i.H.v. 15.000 € vom Kläger zurück. Hinsichtlich der Gewährung von VzG fehle es nach dem neueren Ermittlungsergebnis an der gesetzlichen Voraussetzung, dass unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Arbeitseinkommen bestanden habe. Die Vorschussrückforderung beruhe auf § 42 Abs. 2 SGB I, da ein Anspruch auf VzG nicht bestehe.
Der Kläger legte Widerspruch (und eine Dienstaufsichtsbeschwerde) ein und machte u.a. geltend, dass er im Januar als Selbstständiger („in Gründung“) zwei Aufträge gehabt habe; er sei dann aber gezwungen gewesen, „sofort“ in Familienpflegezeit zu gehen, da es für seinen behinderten Sohn „keinerlei Betreuung und Bildungsrecht“ gegeben habe; die Betreuung seines Sohnes stelle auch eine „gemeinnützige Arbeit“ dar. Sein Sohn sei erst am 03.06.2018 in einer Bildungseinrichtung aufgenommen worden (S. 213 VerwA).
Der Beratungsarzt V1 wies in seiner Stellungnahme vom 20.07.2019 (S. 220 f. VerwA) u.a. darauf hin, dass die MRT-Untersuchung am 13.11.2018 regelrechte Verhältnisse erbracht habe, ebenso wie schon die CT-Untersuchung (am 10.08.2018).
Die Ärzte der BG Klinik L1 diagnostizierten im Rahmen ihrer Untersuchung des Klägers am 22.08.2019 eine unklare Restbeschwerdesymptomatik linkes OSG nach Distorsion mit Außenbandteilruptur bei Verdacht auf (V.a.) nozizeptives Schmerzsyndrom. Der klinische Befund, insbesondere in funktioneller Hinsicht, war im Wesentlichen vollkommen unauffällig (s. im Einzelnen Bericht vom 26.08.2019, S. 235 ff. VerwA, namentlich: gutes und flottes Gangbild, keine Instabilität, sämtliche Gangvarianten durchführbar), wobei der Kläger ein erhebliches und auffälliges Gegenspannen bei der Untersuchung demonstrierte. Er gab u.a. auch an, zuletzt als „selbstständiger Aufzugmonteur“ tätig gewesen zu sein und zum 01.09.2019 eine neue Anstellung anzutreten (s. dazu auch die spätere Klägerangabe S. 264 VerwA: am 01.09.2019 vollschichtige Arbeit als „angestellter Aufzugmonteur wieder aufgenommen“). Die Ärzte bescheinigten Arbeitsfähigkeit ab 01.09.2019 und die Beendigung der bg-lichen Behandlung ab diesem Tag (S. 234 VerwA).
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2019 (S. 240 ff. VerwA) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und stützte sich dabei maßgeblich auf die Angabe des Klägers im o.g. Telefonat, in der Zeit von Januar bis Mai 2018 kein Einkommen erzielt, sondern von Erspartem gelebt zu haben.
Hiergegen hat der Kläger am 13.01.2020 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben (S 8 [6] U 83/20), mit der er unter Aufhebung des Bescheids vom 08.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2019 die Gewährung von VzG wegen der Folgen des Unfalls vom 01.06.2018 für die Zeit vom 02.06.2018 bis 31.08.2019 begehrt hat (s. S. 137 SG-Akte). Zur Begründung hat er - soweit mit dem geltend gemachten Anspruch auf VzG im Zusammenhang stehend - im Wesentlichen vorgebracht (vgl. S. 10 f. SG-Akte), dass bei ihm ausweislich des Rentengutachtens (s. dazu noch später) 16 Monate lang eine „100%ige Erwerbsunfähigkeit“ vorgelegen habe.
Nach einem Hinweis des SG (S. 74 SG-Akte) hat die Klägerseite angegeben, dass sich die Einkommenserzielung des Klägers „aufgrund der in Anspruch genommenen Pflegezeit im Frühjahr 2018“ als schwierig erwiesen habe; entscheidend sei, dass durch die Familienpflege die Einkommenserzielung nicht ausgeschlossen gewesen sei, nachdem „die Beschäftigungssituation fortbestanden“ habe. Ein Beschäftigter werde lediglich von der Arbeitsleistung teilweise freigestellt. Sinn und Zweck der Regelungen des Familienpflegezeitgesetzes sei, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Im Übrigen habe der Kläger mitgeteilt, dass er im Januar 2018 zwei Aufträge erfüllt habe (S. 123 SG-Akte). Es werde „bestritten“, dass der Kläger in einem Telefonat am 01.02.2019 erklärt haben soll, im Zeitraum von Januar bis Mai 2018 keinerlei Einkommen erzielt zu haben.
Die Beklagte hat mitgeteilt, dass der Aktenvermerk über das Telefonat mit dem Kläger am 01.02.2019 elektronisch nicht archiviert worden sei (S. 84 SG-Akte).
Während des Klageverfahrens holte die Beklagte (nach erneuter Stellungnahme des Beratungsarztes V1 vom 14.01.2020, S. 244 VerwA: aufgrund Funktionsbefund vom 20.07.2018 keine MdE, auch nicht in der Zeit danach) hinsichtlich eines etwaigen Anspruchs auf Verletztenrente das Erste Rentengutachten des B3 vom 15.02.2020 (S. 261 ff. VerwA) ein (Untersuchung am 05.02.2020, namentlich: neurologisch unauffälliger Befund; Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] 100 v.H. vom 02.06.2018 bis 31.08.2019, ab 01.09.2019 unter 10 v.H.). In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.03.2020 (S. 277 f. VerwA) wies O1 u.a. darauf hin, dass die MdE-Bewertung des Gutachters für die Zeit vom 02.06.2018 bis 31.08.2019 nicht nachvollziehbar sei; eine MdE von 100 v.H. könne nicht als Alternative für eine fiktive Arbeitsunfähigkeit angenommen werden (s. auch ergänzend die weitere Stellungnahme des O1 vom 05.03.2021, S. 347 f. VerwA). Mit Bescheid vom 21.04.2020 (S. 284 f. VerwA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2021 (S. 353 ff. VerwA) anerkannte die Beklagte den Unfall vom 01.06.2018 als Arbeitsunfall und lehnte die Gewährung von Rente ab, da über die 26. Woche hinaus (01.12.2018) keine MdE von wenigstens 20 v.H. vorliege. Auch hiergegen erhob der Kläger Klage beim SG (14.04.2021, S 6 U 864/21), gerichtet auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H.
Mit Beschluss vom 14.07.2021 (S. 35 SG-Akte) hat das SG die Rechtsstreite S 6 U 83/20 (später S 8 U 83/20) und S 6 U 864/21 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung (unter dem zeitlich früheren Az.) verbunden.
Das SG hat zur Bewertung einer MdE von Amts wegen bei D2 das Sachverständigengutachten vom 25.02.2022 (S. 85 ff. SG-Akte) eingeholt. Der Sachverständige hat nach Untersuchung des Klägers u.a. als Gesundheitserstschaden des Unfalls vom 01.06.2018 im Bereich des linken OSG eine Zerreißung der vorderen Bandhaft (Syndesmose) zwischen körperfernem Waden- und Schienbein mit knöchernem Ausriss der hinteren Bandhaft (Syndesmose) zwischen körperfernem Waden- und Schienbein sowie mit Teil-Zerreißung des vorderen Zügels des Außenbandapparats beschrieben (so auch bereits zuvor der Gutachter B3, s. sogleich); die MdE betrage entsprechend der Einschätzung des O1 weniger als 10 v.H.
Nach einem weiteren Hinweis des SG (S. 134 SG-Akte), dass die beiden vom Kläger genannten Aufträge vor dem Unfall im Januar 2018 bisher weder erwähnt noch nachgewiesen worden seien, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, dass er am 06.01.2018 ein Gewerbe mit der Absicht angemeldet habe, sich selbstständig zu machen. Im Januar 2018 habe er zwei Aufträge gehabt, einen für eine Fa. G1 in W1 - der Auftrag habe sich auf „400 € belaufen“ - und einen bei der KJV T1; „danach“ sei er für seinen Sohn „dagewesen“. Hinsichtlich des Auftrags für die KJV hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine von ihm erstellte Rechnung mit Datum 11.01.2018 vorgelegt (S. 162 f. SG-Akte: „Anlage [rechte 100m-Bahn - Euroshot] neu justiert und eingerichtet, Display erneuert. Ersatzteilbestellung und Materialfahrt“, Rechnungsbetrag 383,06 € inkl. Umsatzsteuer).
Mit Urteil vom 29.06.2022 hat das SG die Klagen abgewiesen. Hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von VzG und Vorschusserstattung hat es unter Darstellung der rechtlichen Grundlagen (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII] und § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I) sowie der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG] 26.06.2007, B 2 U 23/06 R und 26.06.2007, B 2 U 5/06 R) und Kommentarliteratur ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf VzG habe, weil er „unmittelbar“ - was in aller Regel jedenfalls nicht mehr als vier Wochen bedeute - vor dem Arbeitsunfall kein Arbeitseinkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit erzielt und auch keinen Anspruch auf eine sonstige Leistung i.S. § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII gehabt habe. Zwar bedürfe es bei Selbstständigen nicht der Feststellung eines „Gewinns“ unmittelbar in den Tagen vor dem Eintritt von Arbeitsunfähigkeit. Indes sei unklar, wovon der Kläger im Zeitraum ab Januar 2018 überhaupt gelebt habe, zumal seinen Angaben nach lediglich im Januar 2018 zwei Aufträge vorgelegen hätten; in der Zeit danach habe er sich um seinen Sohn gekümmert. Die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit im Januar 2018 sei nicht geeignet, der Kammer die Überzeugung zu vermitteln, dass diese Aufträge prägend für die wirtschaftliche Situation des Klägers im Juni 2018 gewesen seien. Aus den vom Kläger vorgelegten beiden Auftragsangeboten von Ende Mai 2018 lasse sich Derartiges ebenfalls nicht ableiten, zumal das bloße Erstellen von Angeboten nichts über die wirtschaftliche Lebensgrundlage aussage. Eine sonstige Leistung nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sei nicht ersichtlich, namentlich liege kein Beleg über den Bezug von Pflegeunterstützungsgeld vor. Habe der Kläger somit keinen Anspruch auf VzG, müsse er den erhaltenen Vorschuss zurückzahlen; die Regelung des § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I umfasse analog auch den vorliegenden Fall, dass zum Zeitpunkt der Bewilligung das Vorliegen des Anspruchsgrunds nach dem bisherigen Ermittlungsstand äußerst wahrscheinlich gewesen sei und der Leistungsempfänger die (vorläufige) Leistung eingefordert habe. Wenn sich nachträglich herausstelle, dass der Anspruch auf Geldleistung bereits dem Grunde nach nicht bestehe, ändere dies nichts an der Erstattungspflicht.
Gegen das - seinen Prozessbevollmächtigten am 12.07.2022 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 10.08.2022 Berufung eingelegt und diese auf die Ablehnung der Gewährung von VzG nebst Vorschussrückforderung beschränkt (S. 42 Senats-Akte). Zur Begründung hat die Klägerseite zusammengefasst geltend gemacht (s. im Einzelnen S. 42 ff. Senats-Akte), dass der Kläger seine zu Beginn des Jahres 2018 aufgenommene selbstständige Tätigkeit habe „unterbrechen“ müssen, weil er seinen Sohn - mangels Schulbesuchs - in Vollzeit betreut habe (S. 45 Senats-Akte). „Spätestens“ im Mai 2018 habe der Kläger dann seine selbstständige Tätigkeit wieder aufgenommen und unmittelbar vor dem Unfall vier Angebote an „potentielle“ Kunden unterbreitet; bei einem Auftrag sei er „in Vorleistung“ getreten und die „abrechenbare Vorleistung“ i.H.v. 1.400 € sei dem Kunden auch in Rechnung gestellt worden. Wegen der Arbeitsunfähigkeit ab 01.06.2018 habe der Kläger „keinen dieser Aufträge“ annehmen können. Die Rechnung über „die Vorleistung“ habe der Kunde nicht beglichen, da dieser die Zahlung der Rechnung von der Übernahme des Gesamtauftrags abhängig gemacht habe. Man müsse berücksichtigen, dass sich das Unternehmen des Klägers, „selbst bei Außerachtlassung der Unterbrechung durch die notwendige Betreuung des Sohnes“, noch in der Gründungsphase befunden hab. Eine selbstständige Tätigkeit sei gerade davon geprägt, sich um Aufträge zu bemühen und diese, bei einem entsprechenden Zuschlag, zeitlich versetzt später auszuführen. Es könne für einen Anspruch auf VzG nicht darauf ankommen, ob es dem Kläger tatsächlich gelungen wäre, einen Auftrag in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall tatsächlich abzuwickeln und damit profitabel zu arbeiten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29.06.2022 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2019 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.06.2018 Verletztengeld für den Zeitraum vom 02.06.2018 bis 31.08.2019 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die angefochtenen Bescheide seien zutreffend und das SG habe die dagegen gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beteiligten sind zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung im Beschlussweg nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter angehört worden (Verfügung vom 25.07.2023, S. 50 ff. Senats-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und nach den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 29.06.2022 nur insoweit, wie das SG damit die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.05.2019 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2019 abgewiesen hat; im Übrigen - hinsichtlich der Abweisung der auf die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.06.2018 gerichteten Klage (Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 21.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2021) - hat der Kläger die erstinstanzliche Entscheidung ausdrücklich nicht mit Rechtsmittel angegriffen; insoweit ist das Urteil mithin rechtskräftig (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Streitgegenständlich ist damit hier allein (noch) der Bescheid vom 08.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2019, mit dem die Beklagte zum einen die Gewährung von VzG wegen der Folgen des als Arbeitsunfall bindend (§ 77 SGG) anerkannten (s. Verlautbarung der Beklagten im Schreiben an den Kläger vom 06.09.2018, wobei es sich der Sache nach um eine begünstigende Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] handelt; im Übrigen jedenfalls im Bescheid vom 21.04.2020 ausdrücklich verfügt) Ereignisses vom 01.06.2018 abgelehnt hat und zum anderen die Rückforderung bzw. Erstattung (vgl. die Terminologie in § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I) des vorschussweise an den Kläger gezahlten VzG i.H.v. 15.000 € angeordnet hat.
Gegen die (endgültige) Ablehnung der Gewährung von VzG wendet sich der Kläger statthaft und auch ansonsten zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 und § 56 SGG) gerichtet auf die Gewährung von VzG - als endgültige Leistung - im Zeitraum vom 02.06.2018 bis 31.08.2019. Die Leistungsklage umfasst dabei auch das klägerische Begehren, das von der Beklagten bereits - ausdrücklich als Vorschuss - gezahlte VzG endgültig zu erhalten. Denn die vorschussweise Leistungsbewilligung des VzG durch Bescheid vom 12.09.2018 galt nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung über die Gewährung von VzG (hier: der Ausgangsbescheid vom 08.05.2019); nur für diesen Zeitraum entfaltete der Vorschussbescheid verbindliche Wirkung und mit der (wie dargelegt hier mit Bescheid vom 08.05.2019 negativ getroffenen) abschließenden Entscheidung erledigt sich ein Bescheid über eine vorschussweise Leistungsbewilligung (§ 39 Abs. 2 SGB X; s. dazu nur BSG 26.06.2007, B 2 U 5/06 R, in juris, Rn. 21; 09.05.1996, 7 RAr 36/95, in juris, Rn. 21; Senatsbeschluss vom 28.10.2009, L 10 U 1262/08, n.v., alle m.w.N.). Die Anfechtungsklage wiederum beinhaltet (auch) das Begehren des Klägers, von der verfügten Erstattung des vorschussweise gezahlten VzG i.H.v. 15.000 € verschont zu bleiben.
Das SG hat diese Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf VzG wegen des Arbeitsunfalls vom 01.06.2018 und auch keinen Behaltensgrund hinsichtlich des ihm vorschussweise gezahlten VzG, dieses hat er der Beklagten vielmehr zu erstatten.
VzG wird gemäß § 45 Abs. 1 SGB VII (in der vorliegend maßgeblichen Fassung bis zum 31.12.2022) u.a. erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind (Nr. 1 Alt. 1 der Regelung; Alt. 2 ist vorliegend von vornherein nicht einschlägig) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, VzG, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten (Nr. 2 der Regelung).
Voraussetzung für die Gewährung von VzG ist damit zunächst, dass ein Versicherungsfall (hier: Arbeitsunfall, § 7 Abs. 1 Alt. 1 und § 8 Abs. 1 SGB VII) eingetreten ist und dass der Anspruchsteller „infolge“ dieses Versicherungsfalls arbeitsunfähig ist.
Vorliegend hat die Beklagte zu Gunsten des Klägers bindend anerkannt (s.o.), dass der Kläger am 01.06.2018 einen Arbeitsunfall, also einen Versicherungsfall, erlitten hat. In Ansehung dessen und des Umstands, dass zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, dass der Kläger im Rahmen der Wildnachsuche am 01.06.2018 unter Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat, bedarf es keiner weiteren Erörterung der Annahme der Beklagten, dass der Kläger bei der Nachsuche - die oben unter I. wiedergegebenen tatsächlichen Geschehensabläufe am Abend des 31.05.2018 und am 01.06.2018 bis zum Sturz stellt der Senat auf Grundlage des Ermittlungsberichts der Polizei, der Angaben des Jagdpächters S1 und der damit übereinstimmenden Angaben des Klägers fest - als „wie-beschäftigter“ Jagdhelfer des Jagdpächters und Jagdausübungsberechtigten S1 gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (Fassung bis zum 31.12.2023) unfallversichert gewesen ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht [LSG] 05.08.2019, L 8 U 51/16, in juris, Rn. 36 ff. m.w.N. zu einem nachsuchenden Schweißhundeführer im Anschluss an eine Gesellschaftsjagd; Hessisches LSG 20.02.2017, L 9 U 144/16, in juris, Rn. 63 ff. m.w.N. zum Jagdhelfer bei einer Nachsuche; s. aber auch BSG 12.04.2005, B 2 U 5/04 R, in juris, Rn. 15, 11.11.2003, B 2 U 41/02 R, in juris, Rn. 17, 21 und Bayerisches LSG 30.03.2004, L 17 U 153/01, in juris, Rn. 18 ff. jeweils unter Hinweis darauf, dass eine Person mit Jagderlaubnis - wie vorliegend der Kläger, vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Jagd- und Wildtiermanagementgesetz [JWMG], - auch versicherungsfreier Jagdgast sein kann, weil sich die Jagdausübung ihrerseits auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild erstreckt, § 1 Abs. 4 und § 22a Abs. 1 Bundesjagdgesetz [BJagdG], wobei in Baden-Württemberg ausdrücklich [nur] der jagdausübungsberechtigten Person [und damit nicht dem Jagdgast als sonst zur Jagdausübung befugte Person] die allgemeine [LT-Drs. 15/5789, S. 123] Pflicht überantwortet ist, für eine unverzügliche und fachgerechte Nachsuche krank geschossener, schwerkranker oder auf andere Weise schwer verletzter Wildtiere zu sorgen, § 1 Abs. 6 und § 23 BJagdG i.V.m. § 38 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 4 JWMG).
Dass der Kläger im Rahmen des Sturzes am 01.06.2018 - auch das Stolpern über den in der Wiese verdeckt in Bodennähe liegenden alten Stacheldraht sowie den anschließenden Sturz einen Hang hinunter stellt der Senat im Tatsächlichen entsprechend der obigen Darstellung unter I. fest - einen Gesundheitserstschaden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) in Gestalt einer Verstauchung des linken OSG mit Teilruptur des Außenbands, Läsion der vorderen Syndesmose und knöchernem Ausriss der hinteren Syndesmose erlitten hat, legt der Senat seiner Beurteilung zu Gunsten des Klägers zu Grunde, zumal die Beklagte in der Begründung ihres Bescheids vom 21.04.2020 von dieser Primärschädigung ausgegangen ist und namentlich der Gutachter B3 (dessen Gutachten urkundsbeweislich verwertbar ist) sowie der Sachverständige D2 diesen Gesundheitserstschaden im Bereich des linken OSG bestätigt haben.
Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass die Unfallhergangsschilderung des Klägers ([bloßer] „Aufprall“ im Bereich des linken OSG), der von S2 am Folgetag des Unfallereignisses erhobene klinische Befund (lediglich Schwellung und Druckdolenz über dem ventralen Außenknöchel mit schmerzbedingter Beweglichkeitseinschränkung; im Übrigen kein pathologischer Befund, röntgenologisch keine ossäre Läsion, Bescheinigung von Arbeitsfähigkeit als „Servicetechniker“), der Umstand, dass der Kläger erst wieder am 20.07.2018 ärztlich vorstellig wurde (auch dort lediglich Angabe einer Druckschmerzhaftigkeit bei nahezu freier Beweglichkeit des OSG ohne ausgeprägte Schwellung, ohne Hämatom und weiterhin ohne Störung der pDSM, BGU-Zwischenbericht vom 24.07.2018) und dass in der MRT vom 31.07.2018 eine „ältere“ [sic!] vordere und hintere Syndesmosenverletzung mit mäßigem Gelenkerguss beschrieben wurde (Radiologiebericht vom 02.08.2018; CT vom 10.08.2018 regelrecht, so der Beratungsarzt V1 in seiner urkundsbeweislich verwertbaren Stellungnahme vom 20.07.2019) durchaus Zweifel an einem Ursachenzusammenhang zwischen den erstmals in der Bildgebung am 31.07.2018 sichtbaren strukturellen Veränderungen im Bereich des linken OSG und dem Unfallereignis begründen, zumal weder die Beratungsärzte der Beklagten, noch die Gutachter eine weitergehende Kausalitätsprüfung überhaupt durchgeführt haben.
Soweit der Kläger in der Unfallanzeige vom 14.06.2018 noch weitere (Primär-)Verletzungen behauptet hat (Knieinnenbandschädigung, starke Prellungen, Verletzung mit Schnittwunden am Rücken durch den Stacheldraht), sind diese nicht erwiesen. Ausweislich des D-Arzt-Berichts von S2 gab der Kläger dort Derartiges anamnestisch nicht einmal auch nur an - was im Hinblick auf die zeitlich spätere Unfallanzeige unerfindlich ist -, geschweige denn vermochte S2 einen entsprechenden klinischen (Erst-)Befund zu erheben; auch im Zwischenbericht der BGU-Ärzte vom 24.07.2018 (sowie in den folgenden Arztberichten) ist von Derartigem zu keinem Zeitpunkt auch nur die Rede gewesen.
Ausgehend von einer Verstauchung des linken OSG mit (bildgebend sichtbarer) Teilruptur des Außenbands, Läsion der vorderen Syndesmose und knöchernem Ausriss der hinteren Syndesmose als Gesundheits(erst)schaden im Rahmen des (anerkannten) Arbeitsunfalls am 01.06.2018, vermag der Senat schon nicht festzustellen, dass der Kläger deswegen („infolge“) bis 31.08.2019 arbeitsunfähig gewesen ist.
Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls i.S.d. § 45 Abs. 1 SGB VII liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (s. nur BSG 30.10.2007, B 2 U 31/06 R, in juris, Rn. 12 m.w.N.) - anknüpfend an die Auslegung des Begriffs der Arbeitsunfähigkeit im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 44 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]) - vor, wenn ein Versicherter aufgrund der gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalls nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (BSG a.a.O.). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Bei bestehendem Arbeitsverhältnis kommt es auf die konkreten Verhältnisse des letzten Arbeitsplatzes an; ob der Betreffende eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist insoweit unerheblich. Nichts Anderes (konkrete Tätigkeit unmittelbar vor ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Beurteilungsmaßstab) gilt bei Selbstständigen (statt vieler nur Senatsurteil vom 18.07.2024, L 10 U 608/23, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, § 44 Rn. 103, Stand September 2020; Greiner in Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Aufl., § 44 SGB V Rn. 20 m.w.N. zur Rspr. des BSG); weder das gesetzliche Krankenversicherungs-, noch das gesetzliche Unfallversicherungsrecht enthält hinsichtlich der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit insoweit abweichende Maßstäbe für selbstständig Tätige gegenüber abhängig Beschäftigten (Senatsurteil a.a.O.). Damit kommt es auch bei Unternehmern im Rahmen der Arbeitsunfähigkeitsbeurteilung maßgeblich auf die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit an und nicht auf irgendwelche abstrakten, generalisierenden Tätigkeitsbeschreibungen des selbstständig Tätigen oder gar auf bloße Ambitionen, Pläne, Erwartungen, Anpreisungen oder Wunschvorstellungen.
Im Übrigen sind bei der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit weder die Unfallversicherungsträger noch die Gerichte an ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gebunden; diesen kommt lediglich die Bedeutung einer ärztlich-gutachtlichen Stellungnahme zu (BSG 16.12.2014, B 1 KR 37/14 R, in juris, Rn. 16; 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R, in juris, Rn. 14; Senatsurteil vom 14.12.2023, L 10 U 3148/21, in juris, Rn. 42 m.w.N.).
Ausgehend davon vermag der Senat vorliegend zunächst nur festzustellen, dass der Kläger nach eigener Angabe seine Anfang Januar 2018 aufgenommene selbstständige Tätigkeit (eine Gewerbeanmeldung hat er nicht vorgelegt) ab Februar 2018 (zunächst) realiter nicht ausübte. Bereits im Verwaltungsverfahren gab der Kläger ebenso freimütig wie ausdrücklich an, sich „vor dem Unfall in Familienpflegezeit befunden“ zu haben (S. 174 VerwA) - zur Abwegigkeit einer „Familienpflegezeit“ s. noch später - bzw. ab Februar 2018 „gezwungen“ gewesen zu sein, „sofort“ in „Familienpflegezeit“ zu gehen, da es für seinen behinderten Sohn (bis zur Aufnahme in einer Bildungseinrichtung am 03.06.2018, s. 213 VerwA) keine Betreuung gegeben hat. Mit der Berufungsbegründung hat er damit korrespondierend eingeräumt (S. 45 Senats-Akte), seine selbstständige Tätigkeit „unterbrochen“ (sic!) zu haben, um seinen Sohn „in Vollzeit“ (sic!) zu betreuen und diese erst im Mai 2018 (genauer: Ende Mai 2018, s. auch dazu noch später) wieder aufgenommen zu haben.
Im Januar 2018 ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerseite respektive der vorgelegten Rechnung an die KJV vom 11.01.2018 - zu dem nicht weiter konkretisierten Auftrag der Fa. G1 im Januar 2018 hat sich der Kläger ausgeschwiegen - lediglich, dass er im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit eine Schießanlage in T1 neu justiert und eingerichtet, ein Display erneuert, Ersatzteile bestellt eine Materialfahrt unternommen sowie die besagte Rechnung geschrieben hat. In der Folge ist dann erst wieder Ende Mai 2018 die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit in Gestalt des Schreibens von zwei Angeboten (vom 24.05.2018 an den Maler- und Lackiermeister H1 sowie vom 27.05.2018 an die Fa. C1) dokumentiert.
Ausgehend von dieser konkreten Tätigkeit, die sich zeitlich vor dem Versicherungsfall im Wesentlichen auf administrativ-kundenakquisitorische Arbeiten beschränkte, vermag der Senat eine Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitsunfall am 01.06.2018 nicht einmal ansatzweise festzustellen, was zu Lasten des Klägers als Anspruchssteller geht (s. nur BSG 20.12.2016, B 2 U 16/15 R, in juris, Rn. 23 m.w.N.; Senatsurteil vom 14.12.2023, L 10 U 3148/21, a.a.O. Rn. 44; Schur in Hauck/Noftz, SGB VII, § 45 Rn. 6, 6d, Stand April 2024).
Die Angaben des Klägers gegenüber den behandelnden Ärzten und seine Angaben gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren, er würde seine selbstständige Tätigkeit im Bereich Kran- und Aufzugstechnik bzw. Anlagenbau ausüben respektive als Aufzug- und Kranbaumonteur schwerere, „anspruchsvolle“ körperliche Arbeiten, auch auf Leitern, in Schächten und häufig auf Gerüsten sowie auf Baustellen verrichten, sind nicht nur unglaubhaft, sondern klar als unwahr widerlegt. Damit geht freilich die Arbeitsunfähigkeitsbeurteilung der BGU-Ärzte bzw. der Ärzte der BG Klinik L1 bis 31.08.2019 von vornherein ins Leere, denn sie hat ausschließlich auf diesen unwahren Angaben des Klägers zu seiner beruflichen Tätigkeit beruht. Ohnehin entbehrt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Ärzte der BG Klinik L1 vom 22.08.2019 bis zum 31.08.2019 jeglicher Grundlage, weil der von ihnen am 22.08.2019 erhobene klinische Befund gerade keinerlei Gründe für eine irgendwie geartete Arbeitsunfähigkeit ergab, was die Ärzte selbst auch erkannten; warum sie den Kläger dennoch erst ab dem 01.09.2019 wieder arbeitsfähig schrieben („Monatsrest-AU“), ist vollkommen unerfindlich. Ebenso unerfindlich ist die rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbeurteilung des M1, die der ausdrücklichen Arbeitsfähigkeitsfeststellung des S2 am Unfallfolgetag (bezogen auf die Tätigkeit eines Servicetechnikers) klar entgegensteht.
Letztlich lässt sich auf der Grundlage der vorliegend einzig feststellbaren konkreten Tätigkeit des Klägers vor dem Unfall (s.o., namentlich gerade keine schwereren körperlichen Arbeiten, keine Arbeiten in irgendwelchen Schächten oder auf Gerüsten bzw. in nennenswertem Umfang auf Leitern) richtigerweise in Ansehung der Unfallfolgen eine Arbeitsunfähigkeit vom Ereignistag bis zum 31.08.2019 nicht ansatzweise ableiten.
Am Unfallfolgetag vermochte S2 keinerlei höhergradige Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des verunfallten linken OSG erkennen; es zeigte sich ausweislich seines Berichts lediglich eine Schwellung mit Druckdolenz über dem ventralen Außenknöchel und schmerzbedingter Beweglichkeitseinschränkung, die allerdings - so S2 - einer Arbeit als „Servicetechniker“ (und damit erst recht nicht der tatsächlich allein feststellbaren konkreten beruflichen Tätigkeit des Klägers, s.o.) unter Therapie mit Voltaren und Tragen einer Orthese (für sechs Wochen) gerade nicht entgegenstand. Damit ist die entgegenstehende Behauptung des Klägers, er habe nicht arbeiten sollen, ebenfalls klar widerlegt.
Aus dem Funktionsbefund der BGU-Ärzte vom 20.07.2018 ergibt sich nichts, was die Beurteilung des S2 in Frage stellen könnte; die BGU-Ärzte stellten dies auch nicht in Frage, sondern legten ihrer Beurteilung vielmehr die unzutreffenden Angaben des Klägers zu seiner beruflichen Tätigkeit zu Grunde („anspruchsvollere körperliche Tätigkeit“, Arbeiten auf Leitern und in Schächten; derartige Arbeiten verrichtete der Kläger vor dem Unfall aber gerade nicht, s.o.). Klinisch war dem Kläger ein Laufen „nahezu“ beschwerdefrei möglich, es lag weiterhin nur eine Druckschmerzhaftigkeit vor und die Beweglichkeit des linken OSG war nur leichtgradig bei forcierter Supination eingeschränkt. Auch bei der Untersuchung in der BGU am 10.08.2018 ergab sich klinisch-funktionell nichts Abweichendes, sondern weiterhin (allein) eine Druckschmerzhaftigkeit über der vorderen Syndesmose links, ohne dass eine Instabilität des OSG vorlag. Dann stellte sich der Kläger erst wieder am 26.09.2019 dort vor, ohne dass sich klinisch am Funktionsbefund irgendetwas verschlechtert hätte (im Gegenteil: nur noch „etwas“ Druckschmerz). Bei der erneuten Vorstellung in der BGU am 05.11.2018 gab der Kläger selbst an, seine linke untere Extremität „voll belasten“ zu können; er schloss für sich lediglich „Arbeiten im Bereich Fahrstuhltechnik“ aus; darauf beruhte wiederum die Arbeitsunfähigkeitsbeurteilung der Ärzte. Bei den Folgeuntersuchungen ergab sich wiederum klinisch-funktionell nichts Abweichendes, administrative Bürotätigkeiten erachtete der Kläger selbst ausdrücklich für möglich. Auch im Rahmen der BGU-Sondersprechstunde am 23.01.2019 war weiterhin unter Funktionsgesichtspunkten lediglich eine (leichte) Druckschmerzhaftigkeit bei guter Beweglichkeit zu eruieren. Die dortige Arbeitsunfähigkeitsverlängerung erfolgte erneut auf Grundlage der falschen Angaben des Klägers zu seiner beruflichen Tätigkeit („Fahrstuhl- und Anlagenbau“, Arbeiten auf Baustellen). Warum sie sodann überhaupt über den 15.02.2019 hinaus verlängert wurde, ist vollkommen unerfindlich, ebenso die Verlängerung am 22.08.2019 bis einschließlich 31.08.2019 durch die Ärzte der BG Klinik L1, nachdem diese einen im Wesentlichen vollkommen unauffälligen (s. im Einzelnen Bericht vom 26.08.2019, S. 236 f. VerwA, namentlich: gutes und flottes Gangbild, keine Instabilität, sämtliche Gangvarianten durchführbar) klinischen Befund erhoben.
Unter Zugrundelegung all dessen ist eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen des Arbeitsunfalls bis zum 31.08.2019 für die bis zum Unfall ausgeübte selbstständige Tätigkeit in Gestalt von im Wesentlichen allein administrativ-akquisitorischen Arbeiten nicht feststellbar. Dass der Kläger mit seinem Unternehmen, soweit er dies überhaupt tatsächlich betrieben hat (s.o.), die Ausführung gewisser anderer Tätigkeiten ins Auge gefasst hatte, ist - wie schon dargelegt - ohne Relevanz, weil Bezugspunkt der Arbeitsunfähigkeit die tatsächliche, konkrete Tätigkeit vor Eintritt des Versicherungsfalls ist. Nur am Rande merkt der Senat an, dass der Kläger auch nach dem Unfall lediglich noch Angebote schrieb, die nicht zur Ausführung gelangten. Sein Berufswechsel zum 01.09.2019 liegt außerhalb des streitigen Zeitraums.
Soweit die Klägerseite auf die ärztlich-gutachtliche Einschätzung einer MdE verwiesen hat (Gutachter B3: MdE 100 v.H. bis 31.08.2019; Beratungsarzt O1 in seinen urkundsbeweislich verwertbaren Stellungnahmen, freilich ohne medizinische Begründung: MdE zwischen 100 und 20 v.H. im Zeitraum vom 02.06.2018 bis 31.08.2019; ihm folgend - ebenfalls ohne Begründung - D2), ist dies für die Frage einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit schon nicht maßgeblich, weil sich die MdE nach anderen Maßstäben richtet (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Ohnehin lässt sich eine MdE auf der Grundlage der oben dargestellten Funktionsbefunde nicht einmal ansatzweise begründen und zwar auch nicht für die Zeit unmittelbar nach dem Unfallereignis. Die MdE-Einschätzung des Gutachters B3 entbehrt jeglicher Grundlage, wovon O1 zu Recht ausgegangen ist. Ebenfalls zu Recht hat O1 darauf hingewiesen, dass aus einer MdE ohnehin keine „fiktive Arbeitsunfähigkeit“ abgeleitet werden kann. Auf welcher Grundlage O1 dann aber seinerseits von einer MdE im Zeitraum vom 02.06.2018 bis 31.08.2019 ausgegangen ist, ist gänzlich unerfindlich, eben weil die ärztlich-klinisch objektivierbaren Befunde nur leichtgradige Funktionsdefizite ergeben hatten (s.o.), dies auch bereits am Unfallfolgetag und im Rahmen der Untersuchung in der BGU am 20.07.2018. Der Umstand, dass beim Kläger am 31.07.2018 erstmals bildgebend („ältere“) strukturellen Veränderungen im Bereich des linken OSG sichtbar geworden sind - die nach Auffassung der Ärzte die fortbestehenden Beschwerdeangaben des Klägers überhaupt erklärbar machten -, sagt rein nichts über eine MdE aus, ändert nichts an den nur leichtgradig objektivierten klinisch-pathologischen Funktionsbefunden und ist damit auch nicht geeignet, eine Arbeitsunfähigkeit zu begründen, schon gar nicht auf der Grundlage der unzutreffenden Angaben des Klägers zu seiner beruflichen Tätigkeit.
Damit scheitert der geltend gemachte Anspruch auf VzG bereits mangels unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit.
Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen hat das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die weiteren rechtlichen Grundlagen für die Gewährung von VzG (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung dargestellt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass und warum der Kläger (jedenfalls) unmittelbar vor Beginn der - richtigerweise zu Gunsten des Klägers nur unterstellten (s.o.) - Arbeitsunfähigkeit am 02.06.2018 (auf der Grundlage insbesondere der entsprechenden rückwirkenden Äußerung des M1; vgl. freilich § 46 Abs. 1 Alt. 1 SGB VII) keinen Anspruch auf Arbeitseinkommen (aus selbstständiger Tätigkeit, vgl. § 15 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]) hatte. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung (auch) aus den diesbezüglichen Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Lediglich ergänzend sieht sich der Senat zu folgenden Anmerkungen veranlasst:
Mit dem Berufungsvorbringen hat der anwaltlich vertretene Kläger der Sache nach gerade bestätigt, dass er „unmittelbar“ vor dem Unfall (respektive einer unterstellten Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfallfolgetag, 02.06.2018) kein Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit hatte. Mit der Berufungsbegründung ist korrespondierend mit den Angaben im Verwaltungsverfahren (s.o.) eingeräumt worden (S. 45 Senats-Akte), dass die selbstständige Tätigkeit bis „Mai 2018“, wobei die (einzig vorgelegten) Angebote, auf die die Klägerseite insoweit ausdrücklich Bezug genommen hat (freilich im Mai 2018 nur zwei, nicht vier), erst Ende Mai 2018 erstellt wurden (Angebot datiert auf den 24.05.2018 an den Maler und Lackierer H1, Angebot datiert auf den 27.05.2018 an die Fa. C1), „unterbrochen“ war. Inwiefern freilich das bloße Schreiben von Angeboten einen Anspruch auf Arbeitseinkommen i.S.d. § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII vermitteln können soll, ist gänzlich unerfindlich. Zu der erstmals mit der Berufungsbegründung Mitte November 2022 (sic!) pauschal behaupteten Abrechnung einer Vorleistung gegenüber einem Kunden i.H.v. 1.400 € hat sich der Kläger nicht weiter erklärt, insbesondere hat er keinerlei Belege vorgelegt und nicht einmal mitgeteilt, was für eine Tätigkeit er genau, wann, wem gegenüber und auf welcher Grundlage erbracht haben will.
Die vorgelegten Angebote aus der Zeit nach dem Arbeitsunfall sind gänzlich unbedeutend, weil diese schon denklogisch einen Anspruch auf Arbeitseinkommen „unmittelbar vor Beginn“ einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht begründen können. Auch auf die zum Beleg einer selbstständigen Tätigkeit vorgelegte Rechnung an die KJV vom 11.01.2018 kommt es nicht weiter an - ebenso wenig wie auf den ohnehin nicht weiter konkretisierten Auftrag der Fa. G1 „im Januar 2018 mit ca. 400 € -, eben weil der Kläger eingeräumt hat, seiner selbstständigen Tätigkeit seither einstweilen (bis Mai 2018, genauer: Ende Mai 2018, s.o.) gerade nicht mehr nachgegangen zu sein (s.o.); auch insoweit kann unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt von einer „Unmittelbarkeit“ i.S.d. § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII vor einer Arbeitsunfähigkeit Anfang Juni 2018 die Rede sein.
Im Übrigen ist zwar richtig, dass es nach der Rechtsprechung des BSG für einen Anspruch auf Arbeitseinkommen i.S.d. § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nicht darauf ankommt, ob der Selbstständige „zeitlich unmittelbar zuvor [gemeint: vor dem Versicherungsfall] ein positives Arbeitseinkommen erzielt“ hat (BSG 30.06.2009, B 2 U 25/08 R, in juris, Rn. 12), weil insoweit die Ausübung einer auf Gewinnerzielung ausgerichteten selbstständigen Tätigkeit hinreichend ist (vgl. BSG a.a.O. Rn. 14). Dies ändert freilich nichts daran, dass zunächst feststellbar sein muss, dass die anspruchstellende Person überhaupt zum Kreis der Erwerbstätigen gehört und ihren Lebensunterhalt vor Eintritt einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit aus dieser Erwerbstätigkeit - oder einer daran anknüpfenden Sozialleistung - bestritten hat, eben weil § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII seinem Sinn und Zweck nach die Entgeltersatzfunktion des VzG betont und sicherstellt (BSG 26.06.2007, B 2 U 23/06 R, in juris, Rn. 17). Mit anderen Worten: der Betreffende muss, als er arbeitsunfähig wurde, von einer der im Gesetz aufgeführten Einkunftsarten „gelebt“ haben (BSG 20.08.2019, B 2 U 7/18 R, in juris, Rn. 11). Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sind gerade nicht erfüllt, wenn der Verletzte seinen Lebensunterhalt zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit (wesentlich, BSG a.a.O.) aus anderen Quellen, namentlich aus Vermögen („Erspartem“), finanziert hat (BSG 26.06.2007, B 2 U 23/06 R, in juris, Rn. 17; so auch 20.08.2019, B 2 U 7/18 R, a.a.O.).
Vorliegend sind - wie bereits dargelegt - für die Zeit ab Januar 2018 bis zum Unfalltag lediglich die vom Kläger erstellte Rechnung vom 11.01.2018 (i.H.v. 383,06 €, inkl. Umsatzsteuer; ein Zahlungseingang wurde nicht belegt) sowie die beiden Angebotsschreiben (vom 24.05.2018 und vom 27.05.2018) dokumentiert; in der Zeit jedenfalls von Februar 2018 bis Ende Mai 2018 übte der Kläger seine selbstständige Tätigkeit überhaupt nicht aus (s.o.). In Ansehung dessen ist es nachgerade abwegig, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt vor dem Unfall aus seiner selbstständigen Tätigkeit bestritten haben soll, erst recht nicht wesentlich daraus.
Der Senat hat keinerlei Zweifel, dass der Kläger, der nach eigenen Angaben allein für den Unterhalt und die Pflege seines Sohnes monatlich „mindestens 3.000 €“ aufzuwenden sowie Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu tragen hatte, seinen Lebensunterhalt vielmehr aus Erspartem bestritt, weil in Ermangelung anderer Einkünfte (s. dazu noch sogleich) alles andere schlicht ausgeschlossen ist. Demgemäß bestehen auch keine Zweifel, dass der Kläger dies (Lebensunterhalt „allein“ durch Erspartes) freimütig und seinerzeit vor anwaltlicher Beratung in Unkenntnis der rechtlichen Tragweite dieser Einlassung gegenüber der Beklagten in dem Telefonat Anfang Februar 2019 einräumte. Das pauschale „Bestreiten“ des Prozessbevollmächtigten, dass der Kläger „in einem Telefonat vom 1. Februar 2019“ angegeben habe, von Januar bis Mai 2018 „keinerlei Einkommen erzielt“ zu haben (Anwaltsschriftsatz vom 06.05.2022, mithin über drei Jahre danach), geht schon am eigentlichen Thema vorbei, weil mit bloßem „Bestreiten“ gerade nicht positiv feststellbar ist, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt wesentlich aus der selbstständigen Tätigkeit bestritt. Ohnehin erfolgte dieses „Bestreiten“ erst nachdem das SG gemeint hatte, es benötige den Aktenvermerk der Beklagten über jenes Telefonat und nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, dass der Vermerk selbst nicht archiviert worden sei. Indes führte die Beklagte das Telefonat vom 01.02.2019 und die dortige Einlassung des Klägers („allein von Erspartem gelebt“) ausdrücklich sowohl im Schreiben an den Kläger vom 01.04.2019 als auch im Widerspruchsbescheid vom 13.12.2019 an und stützte ihre Entscheidung maßgeblich darauf (s. Widerspruchsbescheid, der dem Ausgangsbescheid seine Gestalt gegeben hat). Weder im Widerspruchsverfahren, noch im Klageverfahren bis zum o.a. Anwaltsschriftsatz hat der Kläger selbst (Klageerhebung und -begründung sind noch ohne anwaltliche Vertretung erfolgt, diese erst ab August 2021) das Stattfinden dieses Telefonats und die Richtigkeit seiner von der Beklagten wiedergegebenen Einlassung auch nur andeutungsweise in Zweifel gezogen oder gar „bestritten“. Der Senat wertet das Anwaltsvorbringen damit als bloßen interessengeleiteten und angepassten Prozessvortrag unter Verstoß gegen § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 138 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Kläger hatte unmittelbar vor dem Arbeitsunfall ersichtlich auch keinen Anspruch auf eine der in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII aufgeführten Erwerbsersatzeinkommensleistungen; Derartiges hat er auch nicht einmal nur behauptet, zumal er nach eigener Angabe im Anschluss an seine im Oktober 2017 wegen der Kindsbetreuung aufgegebene Beschäftigung bei der A1 GmbH (S. 86 VerwA) insbesondere nicht mit einem Anspruch auf Krankengeld krankenversichert gewesen ist (s. Angabe S. 31 VerwA). Soweit er eine „Familienpflegezeit“ thematisiert hat, liegt dies - unabhängig davon, dass er keinerlei konkrete Angaben dazu gemacht hat - schon deshalb gänzlich neben der Sache, weil es sich dabei (genauer: der teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung bzw. einem zinslosen Darlehen nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Familienpflegezeitgesetz [FPfZG]), schon nicht um eine der in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII (abschließend, s. dazu nur Feddern in BeckOGK, § 45 SGB VII Rn. 13, Stand 15.05.2024; Westermann in jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 45 Rn. 37, Stand 08.05.2024; Schur in Hauck/Noftz, a.a.O. Rn. 14, alle m.w.N., auch zur Rspr.; allg. Meinung) aufgeführten Entgeltersatzleistungen handelt. Ohnehin betrifft das FPfZG nur Beschäftigte (s. nur § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5, § 3 Abs. 1 Satz 1 FPfZG), also Arbeitnehmer, zur Berufsausbildung Beschäftigte sowie arbeitnehmerähnliche Personen (§ 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 7 Abs. 1 Pflegezeitgesetz [PflegeZG]), zu denen der Kläger im Zeitraum von Anfang Oktober 2017 bis Ende August 2019 offenkundig nicht gehörte. Entsprechendes gilt hinsichtlich eines - ebenfalls schon nicht konkret geltend gemachten - Anspruchs auf Pflegeunterstützungsgeld nach § 44a Abs. 3 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI).
Soweit der Kläger ferner noch diverse Vorwürfe gegen die Beklagte, auch im Zusammenhang mit der Unfallverursachung bzw. einem Vorgehen gegen den Verkehrssicherungspflichtigen, erhoben und auf seine wirtschaftliche respektive persönliche/familiäre Situation mit Betreuung seines Sohnes verwiesen hat, ist dies alles für den geltend gemachten Anspruch auf VzG von Rechts wegen ohne jegliche Bedeutung.
Unter Zugrundelegung all dessen lässt sich damit ein Anspruch des Klägers auf VzG wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 01.06.2018 im streitigen Zeitraum vom 02.06.2018 bis 31.08.2019 nicht begründen und zwar nicht einmal ansatzweise. Damit gehen auch die Ausführungen des Klägers zur Höhe von VzG von vornherein ins Leere.
Ausgehend davon hat das SG im angefochtenen Urteil ferner zutreffend ausgeführt und begründet, dass auch die von der Beklagten verfügte Rückforderung des an den Kläger gezahlten VzG-Vorschusses i.H.v. 15.000 € entsprechend § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I rechtmäßig ist und dass der Kläger der Beklagten diesen Betrag zu erstatten hat. Auch insoweit wird die Berufung unter Absehen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe als unbegründet zurückgewiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Lediglich ergänzend merkt der Senat noch an, dass die Bewilligung des Vorschusses entsprechend der obigen Ausführungen im Wesentlichen durch die unzutreffenden Angaben des Klägers sowohl zum Inhalt seiner konkreten selbstständigen Tätigkeit als auch hinsichtlich seiner Lebensunterhaltssituation vor dem Arbeitsunfall veranlasst worden ist und dass der Anwendung des § 42 SGB I nicht entgegensteht, dass sich die bei der Bewilligung des Vorschusses (zu Gunsten des Versicherten) zugrunde gelegte Auffassung des Versicherungsträgers über die Sach- und Rechtslage nachträglich - wie vorliegend - als unrichtig herausstellt (BSG 26.06.2007, B 2 U 5/06 R, a.a.O. Rn. 20 m.w.N.); steht die Leistung danach dem Versicherten endgültig nicht zu und zwar gänzlich nicht („0 €- Leistung“), ist der Vorschuss vollständig zu erstatten (BSG a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.