S 12 AS 2387/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 2387/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
  1. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach ein Umzug unter Heranziehung studentischer Umzugshelfer stets kostengünstiger wäre als die Beauftragung eines Umzugsunternehmens mit dem gesamten Umzug.

 

  1. Die Verwaltungspraxis des Jobcenters Karlsruhe, als Tageslohn für (studentische) Umzugshelfer pauschal nur 50,- € zu übernehmen, ist evident rechtswidrig, weil der Mindestlohn 12,50 € beträgt und ein regulärer Arbeitstag acht Stunden dauert, sodass die Tagespauschale mindestens doppelt so hoch sein muss.

 

  1. Der Abbau und das Entfernen der eigenen Einbauküche sind beim Auszug aus einer angemieteten Wohnung vom Mieter geschuldet und die dadurch entstehenden Kosten als wirtschaftliche Umzugskosten im Sinne von § 22 Abs. 6 SGB II anzusehen, wenn durch die Mitnahme der Einbauküche verhindert werden kann, dass in der neuen Wohnung eine neue Einbauküche zulasten der öffentlichen Hand in kostspieligerer Weise angeschafft werden muss.

 

  1. Das Jobcenter kann nicht mit Erfolg einwenden, es wäre zur Minderung der Leistungen nach § 22 SGB II regelmäßig zweckdienlich und angemessen, absichtlich einen Monat lang umzuziehen und hierfür doppelt Miete zu zahlen, anstatt die doppelte Mietzahlung für die alte und die neue Wohnung zu vermeiden und innerhalb weniger Tage zum Monatswechsel umzuziehen.

 

  1. Das Jobcenter kann nicht mit Erfolg einwenden, es wäre zur Minderung der Leistungen für Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II zweckdienlich und angemessen, sich bei der Beförderung von Umzugsgut von einem rechtsanwaltlichen Prozessbevollmächtigten unter die Arme greifen zu lassen.

 

6. Die Angemessenheit von Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II bemisst sich nicht nach dem im Einzelfall missgünstigen Sozialneid öffentlich Bediensteter.

Tenor:

  1. Der Bescheid 29. August 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. September 2022 wird aufgehoben.

 

  1. Der Beklagte zahlt der Klägerin 2.200,- €.

 

  1. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand:

Tatbestand

 

 

Die Klägerin begehrt die Übernahme von Umzugskosten im Wege eines Zuschusses.

 

Die 1980 geborene, nach eigenen Angaben schwer depressive Klägerin ist Mutter zweier Kinder, die im Jahr 2003 bzw. 2005 geboren worden sind und laut Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse seit 2021 und mindestens bis einschließlich 2022 jeweils pflegebedürftig waren mit einem Pflegegrad von 2 bzw. 3. Den drei in einer von der Klägerin angemieteten und in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen stand als Einkommen seit Jahren nur das Kindergeld für die beiden Kinder zur Verfügung, weshalb der Beklagte ihnen fortlaufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährte. Diese Leistungen waren ihnen zuletzt bewilligt worden mit Bescheid vom 07.07.2022 ab August 2022 für zwölf Monate. Dabei waren für Kosten der Unterkunft und Heizung der Stadt Karlsruhe monatliche Ausgaben der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.014,01 € als anspruchsbegründend berücksichtigt worden. Zudem hatte der Beklagte bei der Leistungsberechnung Regelbedarfsleistungen für die drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sowie einen Mehrbedarf für Alleinerziehende der Klägerin in einer Gesamthöhe von 1.238,88 € anspruchsbegründend berücksichtigt.

 

Im Juli 2022 kündigte die Klägerin ihre bisherige Mietwohnung zum 01.10.2022 und mietete eine neue Wohnung in Ettlingen mit Gesamtunterkunfts- und Heizkosten in Höhe von nur noch 887,90 € monatlich an. Wegen der Kosten für Unterkunft und Heizung der neuen Unterkunft in Ettlingen beantragte die Klägerin die Zusicherung der Übernahme beim nach dem Umzug örtlich zuständigen Jobcenter desjenigen Landkreises, in dem sich Ettlingen befindet. Wegen der Übernahme der Kosten für einen Umzug von Karlsruhe nach Ettlingen beantragte die Klägerin am 04.07.2022 einen Zuschuss beim Beklagten als bislang örtlich zuständigen Leistungsträger. Der Beklagte bat die Klägerin am 05.07.2022, den Umzugsgrund mitzuteilen. Zudem forderte er die Klägerin auf, die Umzugskosten gering zu halten und gab ihr auf, hierzu drei Kostenvoranschläge von Umzugsunternehmen einzuholen.

 

Am 07.07.2022 antwortete die Klägerin hierauf, der Grund für den Umzug bestehe darin, dass sie zwei pflegebedürftige Kinder mit Pflegegrad 2 bzw. 3 habe und selbst unter schweren Depressionen leide, weshalb sie familiäre Unterstützung benötige. Da ihre Familie in Ettlingen wohne, könne die Familie mit ihrer Unterstützung leider nicht flexibel sein, solange sie selbst in der „Nordstadt“ Karlsruhes wohne.

 

Am 07.07.2022 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er den Umzug als erforderlich ansehe, da die Klägerin aufgrund ihrer pflegebedürftigen Kinder in die Nähe ihrer Familie umziehen möchte.

 

Am 08.07.2022 holte die Klägerin drei Kostenvoranschläge von Umzugsunternehmen ein, welche jeweils kalkulierten, wie teuer es wäre, am 01.10.2022 von der Karlsruher Nordstadt nach Ettlingen umzuziehen. Inklusive Umsatzsteuer veranschlagten die drei Unternehmen hierfür 2.700,- € (inklusive 19 % Mehrwertsteuer) bzw. “2.500,- € + Mws“ bzw. 2.200,- € (inklusive 19 % Mehrwertsteuer). Diese drei Kostenvoranschläge legte die Klägerin dem Beklagten Mitte Juli 2022 mit dem Hinweis vor, dass die Umzugskosten des günstigsten Anbieters auch insofern gering seien, als dass sie mit Hilfe des Umzugsunternehmens ihre Einbauküche aus der bisherigen Wohnung mit nach Ettlingen nehmen könne, da das günstigste Umzugsunternehmen sogar deren An- und Aufbau beim Kostenvoranschlag als Zusatzleistung berücksichtigt habe.

 

Am 20.07.2022 forderte der Beklagte von der Klägerin eine Begründung, weshalb sie eine Umzugsfirma beauftragen wolle, anstatt den Umzug in Eigenregie unter Zuhilfenahme von Familie, Freunden und Bekannten oder kostengünstigen Alternativen wie z.B. studentischer Helfer oder caritativer Einrichtungen zu organisieren.

 

Mit Schreiben vom 23.07.2022 legte die Klägerin dem Beklagten eine Kündigungsbestätigung ihrer vorherigen Wohnung vor und meinte, dass sie den Umzug nicht in Eigenregie durchführen könne, weil sie zwei pflegebedürftige Kinder habe. Diesbezügliche Nachweise seien bereits bei ihrer Sachbearbeiterin hinterlegt in der Gestalt der Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse wegen der vom Beklagten gewährten Leistungen zur Bildung und Teilhabe für die pflegebedürftigen Kinder.

Am 01.08.2022 fragte der Beklagte bei der Klägerin nach, ob ihre Familie nicht beim Umzug helfen oder auf die pflegebedürftigen Kinder aufpassen könne. Es gäbe darüber hinaus noch anderweitige kostengünstiger Alternativen zur Beauftragung eines Umzugsunternehmens, z.B. könne die Hilfe von Caritasverbänden oder studentischen Hilfskräften in Anspruch genommen werden. Die Klägerin möge hierzu schriftlich Stellung nehmen und Nachweise einreichen, damit für den Beklagten ersichtlich sei, dass sie sich nach kostengünstigen Alternativen erkundigt habe.

 

Am 09.08.2022 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass ihr Bruder in Vollzeit beschäftigt und überdies alleine außerstande sei, den Umzug zu bewältigen. Ihre Mutter sei selbst pflegebedürftig und insofern nur eingeschränkt unterstützungsfähig. Sie selbst könnte wegen ihrer Kinder kaum Umzugsarbeiten eigenständig erledigen. Im Übrigen verfüge sie über keine Freunde, Bekannte oder Netzwerke, mit deren Hilfe sie die Umzugskosten reduzieren könne.

 

Am 11.08.2022 teilte der Beklagte der Klägerin ein weiteres Mal mit, dass seines Erachtens eine kostengünstigere Alternative zu Umzugsunternehmen zu finden sei. Er verwies die Klägerin insoweit nochmal auf die Möglichkeit, studentische Hilfskräfte zu beauftragen oder sich an die Caritas zu wenden.

 

Am 15.08.2022 erläuterte der inzwischen hinzugezogene anwaltliche Bevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten, dass der Wegzug aus der vorherigen Nachbarschaft erforderlich sei wegen massiver gesundheitlicher Folgen eines Mobbings der Kinder der Klägerin. Ein Umzug mit Hilfe der Familie in Eigenregie sei für die Klägerin unmöglich, weil die Mutter krank, der Bruder voll beschäftigt und die Umzugsbewerkstelligung allein durch ihn ohnehin unmöglich wäre. Hier sei eine möblierte Drei-Zimmer-Wohnung umzuziehen, hinzu komme ein fachmännischer Ab-/Aufbau der Einbauküche, welche studentische Helfer nicht zuverlässig bewerkstelligen könnten.

 

Mit Schreiben vom 22.08.2022 meinte der Beklagte zur Klägerin, der Umzug sei mithilfe ihres Bruders möglich. Ihm sei es zuzumuten, Hilfe zu leisten. Ebenso könnten andere Angehörige helfen, derentwegen der Umzug nach Ettlingen erfolgte. Der fachgerechte Ab- und Aufbau von Möbeln könnte unter Anleitung auch seitens studentischer Helfer erfolgen. Der Betrag von 2.200,- € sei so hoch, dass Geringverdiener günstiger umziehen würden als die Klägerin. Mit Schreiben vom 23.08.2022 wies der Klägerbevollmächtigte den Beklagten darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Bruder nicht verpflichtet werden könne, gegenüber seiner Schwester Umzugshilfe zu leisten, obwohl er hierzu außerstande sei, weil er selbst am Umzugstag arbeiten müsse. Im Übrigen sei der Gesamtbetrag von 2.200,- € inklusive Umsatzsteuer nicht hoch im Vergleich mit anderen Fällen. Die Umzugskosten beliefen sich auf eine Gesamtsumme, die niedriger sei als die Bedarfe für die Alleinerziehende und die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in zwei Monaten.

 

Mit Bescheid vom 29.08.2022 lehnte der Beklagte den Antrag auf Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten ab. Die Gewährung des beantragten Zuschusses stehe gemäß § 22 Abs. 6 SGB II im Ermessen des Beklagten. Im vorliegenden Fall sei es ermessenswidrig, den Zuschuss in Höhe von 2.200,- € zu gewähren, weil dieser Betrag unangemessen hoch sei. Es bestünde eine kostengünstigere Alternative, den Umzug mithilfe studentischer Helfer zu organisieren. Es bestehe auch kein Anspruch auf Übernahme der Kosten eines fachmännischen Auf- und Abbaus von Möbeln im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Vielmehr bestehe die Obliegenheit, die Kosten zu senken durch den Auf- und Abbau in Eigenregie.

 

Den hiergegen am 05.09.2022 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte am 09.09.2022 als unbegründet zurück, weil ein gewerblich organisierter Umzug nur dann angemessen sei, wenn wegen Alter, Behinderung oder körperlicher Konstitution eine Eigenregie mit Hilfe der Familie und Freunden nicht möglich sei. Diese Angemessenheit im Einzelfall sei vorliegend nicht gegeben, da der Umzug nach Ettlingen erfolge, wo familiäre Unterstützung ausweislich der Umzugsbegründung vom 07.07.2022 vorhanden sei. Mithilfe der Familie und kostengünstiger Studenten sei der Umzug günstiger abzuwickeln als mit dem professionellen Umzugsunternehmen in Höhe von 2.200,- €.

 

Vom 29.09.2022 bis 01.10.2022 ist die Klägerin von der Nordstadt in Karlsruhe nach Ettlingen mithilfe des von ihr beauftragten Umzugsunternehmens EEEE EEEE umgezogen, an das sie hierfür 2.200,- € gezahlt hat.

 

Bereits am 20.09.2022 hatte die Klägerin das Sozialgericht Karlsruhe um Rechtsschutz ersucht. Zur Klagebegründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertieft. Ein Umzug in Eigenregie sei in ihrem Fall unmöglich gewesen. Aufgrund der familiären Belastung als alleinerziehende Mutter zweier pflegebedürftiger Kinder und ihrer eigenen Vorerkrankung habe sie in den letzten Jahren unter einem geminderten Antrieb gelitten und sich sozial so stark zurückgezogen, dass sie nunmehr außerstande sei, auf Freunde bzw. soziale Netzwerke zurückzugreifen, damit sie den Umzug mithilfe kostenloser Umzugshelfer für sich und ihre beiden Kinder bewerkstelligen könnte. Auch ihre Familienangehörigen wären außerstande gewesen, den Umzugsaufwand mit ihr gemeinsam ohne externe Hilfe zu meistern. Ihre beiden Kinder seien selbst pflegebedürftig. Die eigene Mutter sei so alt und krank, dass sie nur dadurch helfen konnte, dass sie die beiden pflegebedürftigen Kinder stundenweise beaufsichtigte während des dreitätigen Umzugs. Mit ihrem weiteren Bruder CCCC CCCC habe sie seit Jahren eine verstrittene Beziehung, so dass es sozial inadäquat gewesen wäre, ihn um Hilfe beim Umzug zu bitten. Ihre Schwester DDDD DDDD habe keinen wesentlichen Beitrag beim Umzug leisten können, weil sie ihre eigenen Kinder betreuen musste und selbst gesundheitlich eingeschränkt war; sie hätte allenfalls Hilfsdienste erbringen können. Ihr Bruder BBBB BBBB sei zwar fähig und willens, ihr und ihren Kindern beim Umzug zu helfen. Allerdings habe ihr Umzug nur stattfinden können, als die neu angemietete Wohnung bereits bezugsfertig gewesen sei und die die alte Wohnung noch nicht geräumt worden sein musste. Der Umzug musste also vom 29.09.2022 bis zum 01.10.2022 erfolgen. Damals habe BBBB BBBB nicht beim Umzug helfen können, weil er in Vollzeit beschäftigt war und an diesen Tagen auch tatsächlich in Vollzeit arbeiten musste. Im Übrigen wäre die Klägerin allein mithilfe der Unterstützung ihrer gesundheitlich eingeschränkten Schwester und ihres Bruders nicht imstande gewesen, die tatsächliche Menge an Umzugsgut von ihrer bisherigen in die neue Unterkunft zu bringen. Der Auszug in Karlsruhe sei aus dem dritten Stockwerk erfolgt und der Einzug nach Ettlingen im vierten Stockwerk bzw. bis unters Dach. Um das gesamte Umzugsgut über sieben Stockwerke zu transportieren, habe es der Arbeitskraft von fachmännischen Umzugshelfern des professionellen Umzugsunternehmens EEEE EEEE im zeitlichen Umfang von 96 Stunden bedurft. Eben dieser Umzugsaufwand musste im Wesentlichen in der Zeit vom 29.09.2022 bis zum 01.10.2022 bewerkstelligt werden. Innerhalb dieser kurzen Zeit hätte die Klägerin allein mithilfe ihrer Schwester und ihrem Bruder denselben Aufwand nicht alleine bewerkstelligen können, zumal sie zur Vermeidung eines Bedarfs für eine Neuausstattung der neuen Küche bzw. zur Reduzierung der Leistungen nach SGB II auch die in der alten Wohnung vorhandene Einbauküche abbauen, transportieren und in der neuen Wohnung wiederaufbauen lassen musste und hierbei auch ein Herd anzuschließen war. Es sei daher zwangsläufig notwendig gewesen, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das von ihr ausgewählte Angebot des professionellen Umzugsunternehmens sei hierbei günstiger gewesen als die vom Beklagten als vermeintlich kostengünstigere Alternativen vorgeschlagenen Vorgehensweisen. Soweit der Beklagte die Klägerin wiederholt an die Caritas verwiesen habe, seien diesbezügliche Nachfragen bei der Caritas ausweislich der von ihr vorgelegten E-Mails erfolglos geblieben, weil die Caritas schlechterdings keine Umzugshilfe in der Weise anbietet, wie es der Beklagte standardmäßig den Antragstellern in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich vorschlägt. Auch wäre die Hinzuziehung studentischer Umzugshelfer nicht kostengünstiger gewesen. Diese Studenten nähmen einen Mindestlohn in Anspruch. Es sei im Fall der Klägerin günstiger gewesen, alle erforderlichen Hilfsleistungen aus einer Hand von einem fachmännischen Umzugsunternehmen zu besorgen, anstatt neben den Kosten für studentische Umzugshelfer auch ein Umzugsfahrzeug anzumieten und sich die weiteren Dienstleistungen bzw. Umzugsmittel selbst zu beschaffen, auf die nicht verzichtet werden konnte. Neben dem zeitnahen Anschluss des Herdes und der Demontage sowie Montage der Einbauküche sei es erforderlich gewesen, die Anfahrtswege und Zufahrtswege an der alten und an der neuen Unterkunft abzusperren bzw. diesbezügliche Erlaubnisse einzuholen, diesbezügliche Schilder zu mieten, diese abzuholen, aufzustellen und wieder weg zu transportieren. Zudem sei es auch erforderlich gewesen, Umzugskartons und anderes Umzugsverschleißmaterial zu beschaffen und die Miete für das Umzugsfahrzeug nebst Benzin für die Fahrten zwischen Karlsruhe und Ettlingen sowie von und zur Autovermietung zu bezahlen. Soweit der Beklagte die Klägerin hier auf die lokale Autovermietung „GGGG GGGG“ verweise, sei der von dieser Firma vor allem für studentische Umzüge angebotene Transporter zu klein, um einen Umzug in der Größenordnung des Umzugs der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu bewerkstelligen. Soweit der Beklagte auf das Klägervorbringen, die Familie könne die Klägerin beim Umzug nicht unterstützen, erwidere, dass hiernach die Notwendigkeit des Umzugs abzulehnen sei, weil der vorgegebene Umzugsgrund ja gerade in der Unterstützung der Familie in Ettlingen bestanden habe, sei klarzustellen, dass sich die Klägerin vom Umzug nicht dauerhafte Unterstützung bei wiederholten Umzügen erhoffte, sondern Unterstützung dergestalt, dass die Mutter zeitweise die pflegebedürftigen Kinder beaufsichtigen könne. Der Wegzug aus Karlsruhe sei auch nötig wegen des Mobbings durch benachbarte Kinder, die im selben Haus wohnten. Insofern versichere der Klägerbevollmächtigte der Klägerin rechtsanwaltlich, dass er selbst polizeiliche Ermittlungsverfahren veranlasst habe wegen des Verdachts auf Beleidigung, Körperverletzung, Stalking und Diebstahl. Die pflegebedürftige Tochter der Klägerin habe sich wegen ihrer wiederholenden Weinkrämpfe in Therapie begeben müssen, weshalb es ihr und der Mutter nicht zumutbar gewesen wäre, länger in Karlsruhe an der bisherigen Anschrift zu wohnen. Fachkundig vertreten beantragt die Klägerin:

  1. Der Ablehnungsbescheid des Jobcenter Stadt Karlsruhe vom 29. 08 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2022 wird aufgehoben.
  2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Umzugskosten in Höhe von 2.200,- € zu erstatten.

 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Er meint, die Umzugskosten könnten schon dem Grunde nach nicht übernommen werden, da sich der Umzug entgegen der vorherigen Einschätzung im außergerichtlichen Verfahren nunmehr als wohl nicht erforderlich erweise, da am Zuzugsort keine familiäre Unterstützung gegeben sei und damit kein hinreichender Umzugsgrund bestehe. Insoweit bestreite er, dass die Tochter der Klägerin in der Karlsruher Nachbarschaft gemobbt worden sei. Jedenfalls habe die Klägerin den Umzug günstiger durchführen können, indem sie studentische Umzugshelfer beauftragt anstelle eines professionellen Umzugsunternehmens. Der Beklagte übernehme als Tageslohn für studentische Umzugshelfer pauschal 50,- €. Daneben wären nur noch die Kosten für einen Transporter der Firma „GGGG GGGG“ angefallen, die sich bei 49,- € pro Tag beliefen. Auch bestreite der Beklagte, dass es keine Freunde und keine Familienangehörigen gab, welche die Klägerin beim Umzug unterstützen konnten. Insofern sei zu beachten, dass der Umzug ohne Not innerhalb weniger Tage zum Monatswechsel erfolgt sei. Jedenfalls die Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II wären niedriger gewesen, wenn die Klägerin sich entschieden hätte, den Umzug sukzessive im Laufe eines ganzen Monats durchzuführen und hierfür gleichzeitig bzw. überlappend sowohl ihre bisherige Unterkunft in Karlsruhe als auch die neu angemietete Unterkunft in Ettlingen angemietet und bezahlt hätte. Hierdurch wäre es der Klägerin möglich gewesen, nach und nach das Umzugsgut mit einem privaten Pkw nach Ettlingen zu bringen. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten selbst sei in der Vergangenheit fünfmal umgezogen und habe kein Umzugsunternehmen einschalten müssen. Sogar während der Corona-Pandemie habe er 2022 die Umzugskosten reduziert, indem er täglich mit seinem privaten Pkw Kartons transportiert habe. Diese Vorgehensweise habe auch den Freundeskreis des Beklagtenvertreters entlastet, die nicht seinen gesamten Umzug an einem Tag mit ihm bewerkstelligen mussten. Derartige zumutbare Eigenbemühungen seien im Fall der Klägerin nicht ersichtlich. Diese habe stattdessen versucht, den Umzug aus Steuermitteln finanzieren zu lassen, anstatt sich um die Kostensenkung zu bemühen. Für fehlende Eigenbemühungen seien die Mittel des Beklagten jedoch nicht da. Seines Erachtens hätte sich die Klägerin bemühen sollen, sich zur Kostensenkung auch durch ihren rechtsanwaltlichen Bevollmächtigten vor dem Umzug helfen zu lassen beim sukzessiven Transport des Umzugsguts während der gleichzeitigen Anmietung der bisherigen und der neuen Wohnung. Dieser Rechtsanwalt habe die Klägerin seit Jahren vertreten und hätte während des Umzugsmonats auch Kisten mit ihr von Karlsruhe nach Ettlingen fahren können. Aus der Praxis des Jobcenters wisse er als Beklagtenvertreter, dass viele Umzüge in Eigenregie möglich seien. Andere Leistungsempfänger seien auch imstande, selbst eine Einbauküche abzubauen und wiederaufzubauen.

 

Das Gericht hat teilweise die Schätzgrundlagen für die Schätzung der Kosten einer hypothetischen Durchführung eines Umzugs in Eigenregie im Wege einer Internetrecherche ermittelt: Es hat hierzu entsprechende Webseiten ermittelt, Screenshots erstellt und den Beteiligten mit dem Hinweis zur Verfügung gestellt, dass es beabsichtige, die dortigen Angaben zur Grundlage der Schätzung der hypothetischen Alternativkosten zu machen. Namentlich hat das Gericht hier insbesondere drei Webseiten ermittelt, auf denen studentische Umzugshelfer in der Universitätsstadt Karlsruhe ihre kostengünstigen Hilfsdienste mit einem Stundenlohn von 12,50 € bis 14.- € anbieten. Außerdem hat das Gericht im Internet recherchiert, dass sich die Kosten für Demontage und Montage einer kleinen Küche auf jedenfalls nicht weniger als 500,- € belaufen und die Anschlusskosten für einen Herd zwischen 85,- € und 260,- € liegen, wenn dieser entsprechend der hoheitlichen Verbotsnorm für einen Selbstanschluss von Starkstromgeräten fachkundig von einem Elektriker durchgeführt wird. Zudem hat das Gericht auf der Webseite der Firma „GGGG GGGG“ ermittelt, dass der einzige dort angebotene Miettransporter die Maße von 1,20 m x 1,40m x 2,48 m hat. Schließlich hat die Internetrecherche des Gerichts gezeigt, dass ein taugliches Umzugsfahrzeug für einen Umzug der hier stattgehabten Größe in Gestalt eines Mercedes Sprinter 213 Cargo Van mit einem Ladevolumen von 10,5 m³ und einer Nutzlast von 1.000 kg für 48 Stunden in Karlsruhe eine Miete von 210,- € kostet. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Anlagen G1 bis G6 in der Prozessakte Bezug genommen.

 

Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat der Kammervorsitzende zunächst (allein) angeordnet, dass durch die Kammer Familienangehörige der Klägerin als Zeugen zu vernehmen seien, um dahingehend Beweis zu erheben, ob der Umzug der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin von Karlsruhe nach Ettlingen mit der Hilfe von Freunden und/oder Familienangehörigen hätte kostengünstiger bewerkstelligt werden können. Hiervon abweichend hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die Kammer unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entschieden, die geladenen Zeugen nicht zu vernehmen, weil sie in ihrer vollen Besetzung die Zeugenvernehmungen für entbehrlich gehalten hat, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt bereits aufgeklärt und das pauschale Bestreiten des Beklagten ohne jede Substanz sei, soweit dieser die detailreichen, schlüssigen, in sich widerspruchsfreien, lebensnahen Angaben aus dem eigenen persönlichen Lebensbereich der Klägerin durch substanzlose Pauschalbehauptungen ins Blaue hinein bestreite, ohne Anhaltspunkte für seine eigenen Annahmen darzulegen, zumal der Beklagte auch unglaubwürdig sei, da er nachweislich auch unwahre Behauptungen zulasten der Klägerin aufgestellt habe wegen vermeintlich verfügbarer Umzugshelferangebote der Caritas, wegen des vermeintlich üblichen Stundenlohns studentischer Umzugshelfer, wegen der Mietkosten eines vermeintlich geeigneten Umzugsfahrzeugs und wegen der vermeintlichen Wirtschaftlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit Umzugsdienstleistungen.

 

Wegen des weiteren Vorbringens und Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und den Inhalt der Prozessakte des Gerichts verwiesen.

 

     

 

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

 

I. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig und begründet.

 

1.) Die Klage ist zulässig.

 

Über die von dem Beklagten in den angefochtenen Bescheiden verneinte Frage, ob zu den übernahmefähigen Kosten bei einem aufgrund einer Zusicherung gemäß § 22 Abs. 6 SGB II durchgeführten Umzug auch die Kosten für die Beauftragung des Umzugsunternehmens „EEEE EEEE“ von Herrn FFFF FFFF zu übernehmen sind, kann isoliert entschieden werden. Die Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 6 SGB II stellen einen eigenständigen abtrennbaren Streitgegenstand dar (BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, Rn. 11).

 

Insofern ist über den betroffenen Streitgegenstand in den Bescheiden vom 29.08.2022 und 09.09.2022 eine isoliert anfechtbare Regelung getroffen worden.

 

2.) Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist auch begründet.

 

Die Klägerin kann die gerichtliche Aufhebung der angefochtenen Bescheide des Beklagten und die Erstattung ihrer Umzugskosten durch den Beklagten beanspruchen.

 

In einen Kostenerstattungsanspruch hat sich der originäre Anspruch der Klägerin auf die Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten aus § 22 Abs. 6 SGB II umgewandelt, da sie den Umzug durchgeführt, die hierdurch entstandenen Kosten selbst übernommen und der Beklagte ihren vorher gestellten Antrag auf Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten rechtswidrig abgelehnt hatte (vgl. Piepenstock/Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 03.07.2024), Rn. 243, m.w.N.; Krauß in: Hauck/Noftz SGB II, § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung Rn 346). Rechtswidrig war der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 29.08.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2022, weil der Beklagte durch dessen Erlass klägereigene Rechte verletzte, da er zur Zusicherung der Übernahme jener Umzugskosten, welche der Klägerin durch die Beauftragung der Firma EEEE EEEE entstanden sind, verpflichtet gewesen wäre gemäß § 22 Abs. 6 SGB II. Denn nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Eine solche Zusicherung hätte der Beklagte der Klägerin wegen der Angemessenheit ihrer Umzugskosten erteilen müssen. Im Einzelnen:

 

a) Gemessen an der oben zitierten Rechtsgrundlage ist im Verfahren S 12 AS 2387/22 der Beklagte der richtige Klagegegner. Denn als bis zum Umzug örtlich zuständiger kommunaler Träger hatte er der Klägerin bis einschließlich September 2022 (auch) Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt und war demgemäß auch zuständig für die Übernahme von Umzugskosten von Karlsruhe an einen anderen Ort.

 

b) Die gemäß § 22 Abs. 6 SGB II für die Kostenübernahme erforderliche schriftliche Zusicherung hatte die Klägerin beim Beklagten auch rechtzeitig vor dem tatsächlichen Umzug (vom 29.09.2022 bis 01.10.2022) bereits Anfang Juli 2022 beantragt, indem sie die Kosten für ihren Umzug aus Karlsruhe nach Ettlingen mit 2.200,- € beziffert sowie den Zeitpunkt des Umzugs und die Anschriften des Wegzugs- und Umzugsorts mitgeteilt hatte.

 

c) Der Umzug der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin von Karlsruhe-Nordstadt nach Ettlingen war nach den Feststellungen des angerufenen Gerichts Ende September 2022 / Anfang Oktober 2022 auch notwendig.

 

Durch den Umzug minderten die drei Grundsicherungsleistungsberechtigten die öffentlichen Grundsicherungsleistungen für ihre Kosten für Unterkunft und Heizung um 126,11 € monatlich von 1.014,01 € in Karlsruhe auf angemessene 887,90 € in Ettlingen.

 

Überdies war es zum Schutze der psychischen Gesundheit der pflegebedürftigen Tochter der Klägerin erforderlich, aus dem in Karlsruhe-Nordstadt bewohnten Mehrfamilienmietshaus wegzuziehen, weil sie unter dortigen Streitigkeiten mit Nachbarskindern dermaßen litt, dass polizeiliche Ermittlungen wegen Beleidigung, Körperverletzung, Diebstahl und Stalking rechtsanwaltlich eingeleitet und eine therapeutische Behandlung der seelischen Folgen veranlasst worden war.

 

Schließlich war ein Zuzug nach Ettlingen besonders zweckförderlich, weil die hier wohnhafte Großmutter der Kinder der Klägerin zeitweilig unterstützend deren Aufsicht und Betreuung (zum Beispiel auch stundenweise während des Umzugs vom 29.09.2022 bis zum 01.10.2022) übernehmen konnte.

 

Der familiären Unterstützung der Bedarfsgemeinschaft in Ettlingen bei der Aufsicht, Betreuung und Erziehung der pflegebedürftigen Kinder steht nach der richterlichen Überzeugung nicht entgegen, dass deren Großmutter zu alt und kränklich war, um die Klägerin in Ettlingen auch körperlich zu unterstützen beim Tragen von Umzugsgut vom Umzugsfahrzeug in das 4. Obergeschoss der neu angemieteten Wohnung. Es ist nämlich nicht widersprüchlich, sondern lebensnah, dass eine Großmutter bereits 17 bzw. 19 Jahre alter Enkelkinder zwar noch geistig, seelisch und körperlich bestens imstande ist, die Aufsicht über betreuungsbedürftige Personen stundenweise zu übernehmen, obwohl sie alters-, geschlechts- und krankheitsbedingt inzwischen nicht mehr stundenlang Umzugsgut bis unters Dach tragen kann.

 

d) Alle von der Klägerin geltend gemachten Positionen der Gesamtumzugskosten sind nach § 22 Abs. 6 SGB II abstrakt erstattungsfähig.

 

Übernommen werden nach § 22 Abs. 6 SGB II die Kosten für den Umzug. Umzugskosten sind nur solche Kosten, die unmittelbar durch den Umzug verursacht werden und nicht solche, die damit lediglich in Zusammenhang stehen (BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 16, Rn. 14). Die Umzugskosten im Sinne der Vorschrift sind zu begrenzen auf die eigentlichen Kosten des Umzugs, wie die Kosten für Transport, Hilfskräfte, erforderliche Versicherungen, Benzin, Verpackungsmaterial usw. Die Aufwendungen für die Einzugsrenovierung gehören daher nicht zu den Kosten im Sinne der Vorschrift. Als notwendige Umzugskosten zu übernehmen sind insbesondere Aufwendungen für einen Transportwagen, Benzin, die Anmietung von Umzugskartons, die Kosten für Verpackungsmaterial, etwa erforderliche Versicherungen, Sperrmüllentsorgung und die üblichen Kosten für die Versorgung der Mithelfer (Piepenstock/Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 03.07.2024), Rn. 249). Gegebenenfalls stellen auch Aufwendungen für einen gewerblich organisierten Umzug berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 6 SGB II dar, über deren Übernahme der Grundsicherungsträger ggfs. ermessensgerecht zu entscheiden hat (BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, Rn. 19).

 

Unter Zugrundelegung dessen stellen die im Klageverfahren S 12 AS 2387/22 streitbefangenen Kosten in Höhe von 2.200,- € vollumfänglich erstattungsfähige Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II dar. Denn diesen Betrag hat die Umzugsfirma EEEE EEEE abgerechnet für „Arbeitsleistung, Material, Sprit-/An-/Anfahrtskosten, Beladen, Transport, Entladen, Erfahrendes Personal, Abbauen, Aufbauen, Sicherungsmaterial/Decken/Stretchfolie, Umzugskartons, Küchenmontage, Möbelmontage, Möbelentsorgung, Möbel transportieren“.

 

e) Diese erstattungsfähigen Umzugskosten hat die Klägerin auch selbst übernommen, weil die Firma EEEE EEEE ihren Umzug von Karlsruhe nach Ettlingen vom 29.09.2022 bis 01.10.2022 im Auftrag der Klägerin vertragsgemäß durchgeführt hat.

 

f) Die Erstattung der hierdurch angefallenen Umzugskosten kann die Klägerin von dem Beklagten beanspruchen, weil sich ihr Anspruch auf Zusicherung aus § 22 Abs. 6 SGB II in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelt hat, da der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Kostenübernahme mit den angefochtenen Bescheiden zuzusichern.

 

Die Gewährung von Leistungen für einen Umzug wird durch § 22 Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB II zwar unter einen Zusicherungsvorbehalt und in das Ermessen des kommunalen Trägers gestellt. Das Ermessen des kommunalen Trägers zur Erteilung der Zusicherung ist danach aber in den Fällen eingeschränkt, in denen der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder – wie hier (s. o.) – aus anderen Gründen notwendig ist. Im Falle eines notwendigen Umzugs kann die Zusicherung der Kostenübernahme nur in atypischen Fällen versagt werden, wobei insbesondere die Angemessenheit der anfallenden Kosten zu berücksichtigen ist (vgl. Piepenstock/Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 03.07.2024), Rn. 241).

 

Generell besteht die Obliegenheit der im Grundsicherungsbezug Umziehenden, die Umzugskosten möglichst gering zu halten (Piepenstock/Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 03.07.2024), Rn. 249). Soweit möglich und zumutbar, kann der Grundsicherungsträger Hilfebedürftige auf Selbsthilfeleistungen (z.B. Einpacken der Möbel und Transport des Umzugsgutes mit Helfern im eigenen Auto) verweisen (Piepenstock/Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 03.07.2024), Rn. 249). Es ist sogar in Kreisen mit mittleren und höheren Einkommensverhältnissen üblich, mit Hilfe von Freunden und Bekannten umzuziehen. (Piepenstock/Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 03.07.2024), Rn. 249).

 

Sind Eigenbemühungen aber wegen Alter, Krankheit oder Behinderung nicht zumutbar, müssen die Kosten für ein Umzugsunternehmen übernommen werden (Piepenstock/Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 03.07.2024), Rn. 249). Denn für den Fall, dass der Leistungsberechtigte den Umzug wegen einer Behinderung nicht selbst vornehmen oder durchführen kann, stellen auch Aufwendungen für einen gewerblich organisierten Umzug berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 6 SGB II dar (BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, Rn. 19). Hierbei darf der Leistungsträger die Vorlage von Kostenvoranschlägen mehrerer Umzugsunternehmer fordern und das günstigste Angebot auswählen (Piepenstock/Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22 (Stand: 03.07.2024), Rn. 249).

 

Gemessen an diesen Beurteilungsmaßstäben war das Entschließungsermessen des Beklagten bei seiner Entscheidung über die Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten der Klägerin durch die Beauftragung der Firma EEEE EEEE auf Null reduziert. Jede andere als eine dem Zusicherungsantrag stattgebende Verwaltungsentscheidung des Beklagten wäre ermessensfehlerhaft gewesen. Denn die Umzugskosten waren mit 2.200,- € angemessen hoch und der Umzug von Karlsruhe-Nordstadt nach Ettlingen notwendig zur Senkung der laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung, zum Schutz der pflegebedürftigen Tochter vor Auseinandersetzungen mit Nachbarn am Wegzugsort sowie zur Erleichterung regelmäßiger familiärer Unterstützung bei der Aufsicht und Betreuung der beiden pflegebedürftigen Kinder der Klägerin seitens ihrer (Groß-)Mutter am Zuzugsort (s. o.).

 

Die Prüfung der Angemessenheit der Umzugskosten von 2.200,- € hält sowohl einer absoluten als auch einer relativen Betrachtungsweise stand:

 

1.1.) Der Höhe nach handelte es sich bei dem Betrag 2.200,- € um einmalige Aufwendungen, die sich im Fall der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zugunsten der öffentlichen Hand bereits nach 17,4 Monaten amortisierten, weil die monatlichen Einsparungen für (öffentliche Leistungen für) Unterkunft und Heizung der Bedarfsgemeinschaft durch den Umzug um 126,11 € monatlich sanken und die umzugsbedingte Gesamtersparnis der öffentlichen Hand schon nach 18 Monaten 2.269,18 € betrug.

 

Überdies handelte es sich bei der Gesamtsumme von 2.200,- € auch deshalb nicht um einen absolut unangemessen hohen Betrag, weil er in Anbetracht der im Fall der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin von der öffentlichen Hand monatlich durch Kindergeld und Grundsicherungsgeldleistungen zu deckenden Regel- und Mehrbedarfe (für Alleinerziehende) in Höhe von (rechnerisch 449,- € + 360,- € + 376,- € + 53,88 €) insgesamt 1.238,88 € gering ist. Denn bereits für zwei Bewilligungsmonate fallen für die Klägerin und die Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft Regel- und Mehrbedarfe in Höhe von insgesamt 2.477,76 € an, welche die einmaligen Umzugskosten in Höhe von 2.200,- € übersteigen.

 

2.2.) Auch relativ betrachtet sind die Umzugskosten in Höhe von 2.200,- € angemessen hoch. Verglichen mit den übrigen, von der Klägerin eingeholten Angeboten anderer professioneller Umzugsunternehmen stellte das der von ihr beauftragten Umzugsfirma das preisgünstigste Angebot dar. Die anderen Angebote lagen bei 3.743,74 € (inklusive Mehrwertsteuer), bei 2.700,- € (inklusive Mehrwertsteuer) bzw. bei „2.500 + Mws“, wobei „2500 + Mws“ zu verstehen ist als 2.500,- € zzgl. Mehrwertsteuer in Höhe von 19 %, was rechnerisch Umzugskosten von 2.618,- € bedeutet hätte. Überdies umfasste das von der Klägerin ausgewählte, kostengünstigste Angebot über nur 2.200,- € als einziges ausdrücklich auch die kostspielige „Küche Montage“ in der neu bezogenen Wohnung.

 

3.3.) Zur vollen Überzeugung des Gerichts war es im vorliegenden Einzelfall für die Klägerin auch unmöglich, den notwendigen Umzug von ihrer Wohnung in Karlsruhe Nordstadt nach Ettlingen anderweitig kostengünstiger durchzuführen. Unter den im Einzelfall gegebenen Umständen war es der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin wegen der Pflegebedürftigkeit der beiden Kinder der Klägerin (mit einem Pflegegrad von 2 bzw. 3) insbesondere nicht möglich, den Umzug kostengünstiger in Eigenregie durchzuführen ohne die Beauftragung irgendeiner professionellen Umzugsfirma.

 

Nach den Feststellungen des Gerichts konnte die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin den Umzug nicht selbst durchführen und weniger aufwenden, indem sie anstelle des gewerblich organisierten Umzugs auf die Unterstützung von Caritasverbänden, Freunden, Familienangehörigen und studentischen Umzugshelfern zurückgreift und mit deren Hilfe das Umzugsgut unter Nutzung eines hierfür angemieteten Umzugsfahrzeugs selbst transportiert. Die Klägerin und ihre Kinder verfügten nicht über ausreichend freiwillige Umzugshelfer, um den im Einzelfall hohen Umzugsaufwand alleine mit Hilfe ihrer Freunde, Familie und kostengünstig organisierten Hilfspersonen zu stemmen.

 

aa) In zeitlicher Hinsicht betrug der zeitliche Gesamtaufwand für körperlich anspruchsvolle Umzugsdienstleistungen nämlich ca. 96 Arbeitsstunden. Dies folgert das Gericht erstens aus dem (weiteren) Kostenvoranschlag der Firma HHHH HHHH vom 02.09.2022. Diese Umzugsfirma prognostizierte, dass allein der Transport des bereits durch die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin in Eigenregie transportfähig verpackten Hausrats einen zeitlichen Arbeitsaufwand von 96,00 Stunden durch acht kräftige Männer verursachen würde, wobei diese jeweils 12 Stunden arbeiten müssten, ohne hierbei die Einbauküche der Bedarfsgemeinschaft aufzubauen (vgl. S. 33 der Prozessakte).

 

Zweitens beruht die gerichtliche Feststellung des zeitlichen Gesamtaufwands mit 96 Arbeitsstunden auf den inhaltlich zum Kostenvoranschlag der Firma HHHH HHHH korrespondierenden Angaben der Klägerin im Gerichtsverfahren über den tatsächlichen Personaleinsatz seitens der beauftragten Firma EEEE EEEE, wonach deren Bedienstete zwischen dem 29.09.2022 und dem 01.10.2022 tatsächlich insgesamt 96 Arbeitsstunden lang tätig waren, um den Umzug der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin auftragsgemäß durchzuführen.

 

Das zeitliche Ausmaß der für den Umzug erforderlichen Arbeitsstunden von insgesamt 96 Arbeitsstunden durch kräftige Männer sieht das Gericht als glaubhaft an. Es ist im vorliegenden Einzelfall lebensnah, dass für den Umzug der 42-jährigen Klägerin und ihrer beiden 19 bzw. 17 Jahre alten, pflegebedürftigen Kinder ein Gesamtarbeitsaufwand allein für den Transport der bereits selbst in Eigenleistung transportfähig verpackten Hausrats von insgesamt 96 Arbeitsstunden seitens männlicher bzw. körperlich stark belastbarer Umzugshelfer nötig war. Bei realitätsgerechter Betrachtung verfügten die drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft über entsprechend viel Umzugsgut, weil sie viele Jahre lang in ihrer Karlsruher Drei-Zimmer-Wohnung gelebt hatten und der Hausrat erfahrungsgemäß mit zunehmender Verweildauer insbesondere bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden beständig zunimmt. Zudem war der körperlich zu verrichtende Umzugsaufwand hoch, weil beim Auszug in Karlsruhe drei Stockwerke und beim Einzug in Ettlingen vier Stockwerke zu überwinden waren, was einen enormen Kraftaufwand der Umzugshelfer beim Überwinden der Treppen bedeutet, wenn zur Senkung der Umzugskosten – wie hier – auf technische Hilfsmittel wie einen Möbellift verzichtet wird.

 

bb) Für den demgemäß zeit- und kraftaufwändigen Umzug in Eigenregie konnte die Klägerin nach den Feststellungen des Gerichts in der für den Umzug verfügbaren Zeit nicht so viele kostenlose Hilfspersonen mobilisieren, dass sodann insgesamt 96 Arbeitsstunden unentgeltlich geleistet worden und die Beauftragung eines gewerblichen Umzugsunternehmens entbehrlich gewesen wäre.

 

Das Gericht kann sich hier der Rechtsauffassung des Beklagten nicht anschließen, soweit er meint, die Klägerin habe es insofern verschuldet, dass ihr für den Umzug nur diejenige Zeit zur Verfügung gestanden habe, die zwischen der Bezugsfertigkeit der neuen Wohnung (am 29.09.2022) und dem Ablauf der durch den bisherigen Vermieter eingeräumten Räumungsfrist (am 01.01.2022) lag. Das Gericht teilt die Wirtschaftlichkeitsauffassung des Beklagten nicht. Das Jobcenter kann nicht mit Erfolg einwenden, es wäre zur Minderung der Leistungen nach § 22 SGB II regelmäßig zweckdienlich und angemessen, absichtlich einen Monat lang umzuziehen und hierfür doppelt Miete zu zahlen, anstatt die doppelte Mietzahlung für die alte und die neue Wohnung zu vermeiden und innerhalb weniger Tage zum Monatswechsel umzuziehen. Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach sich die Kosten der doppelten Mietzahlung dadurch amortisieren ließen, dass ein Umzug im Wesentlichen sukzessive mit einem eigenen Pkw abgewickelt wird und hierdurch die Kosten für Umzugshelfer und Umzugsfahrzeug dermaßen gesenkt würden, dass die Einsparungen die Mehrkosten durch die Doppelmietzahlungen zumindest deckten. Insbesondere bei größeren Haushalten mit mehreren (nahezu) erwachsenen Haushaltsangehörigen sind im Falle eines mehrjährigen Zusammenlebens regelmäßig so viele Möbel, Fahrräder, Anhänger, Teppiche, Lampen, etc. gegeben, dass die Nutzung eines hinreichend großen Umzugsfahrzeugs unumgänglich und auch wirtschaftlicher ist, weil bei einer konzentrierten Aktion nebst Mitnahme vergleichsweise geräumiger Umzugskartons der logistische, zeitliche und finanzielle Gesamtaufwand viel geringer ist als bei einem wochenlagen Hin und Her im Pkw nebst letztlich unausweichlichem Möbeltransport mit einem Transporter.

 

Zur vollen richterlichen Überzeugung hätte die vom Beklagtenvertreter nach eigenen Angaben selbst praktizierte und auch im Einzelfall des Verfahrens S 12 AS 2387/22 von der Klägerin abverlangte Vorgehensweise nicht zur Senkung ihrer Umzugskosten geführt. Die Anmietung eines Umzugsfahrzeugs wäre im Fall der Klägerin und ihrer beiden Kinder zum Transport deren Möbel nämlich ebenso unumgänglich gewesen wie die Inanspruchnahme kostenpflichtiger Umzugshelfer in erheblichem Umfang. Deren zeitlicher Arbeitsaufwand hängt gerichtsbekanntermaßen unwesentlich von der Anzahl der Umzugskartons ab. Diese lassen sich wegen ihrer Größe, ihrer Form und ihrem Gewicht durch Umzugshelfer einfach und schnell tragen und bestens stapeln. Die Mitnahme von Umzugskartons im Transporter erleichtert Umzugshelfern lebenspraktisch sogar den Transport der viel schwieriger und nur langsamer in Treppenhäusern transportierbarer Möbel, die sich mithilfe von Umzugskartons im Transporter sogar besser, schneller und leichter stapeln lassen als ohne derartige „Puffer“.

 

cc) Den nach alldem erforderlichen Umzugsaufwand von ca. 96 Stunden körperlich schwerer Umzugsarbeiten hätten die von der Klägerin kostenlos mobilisierbaren familiären Umzugshelfer zur Überzeugung des Gerichts nicht verrichten können. Die (Groß-) Mutter der (Kinder der) Klägerin, Frau AAAA AAAA, war zu alt und zu krank, um selbst stundenlang wenigstens leichte Umzugskartons oder kleinen Hausrat aus dem dritten Stock zum Umzugsfahrzeug oder von dort bis ins vierte Stockwerk hochzutragen. Der Bruder BBBB BBBB musste an den Tagen des Umzugs vom 29.09.2022 bis zum 01.10.2022 in Vollzeit arbeiten. Zu dem weiteren Bruder CCCC CCCC hatte die Klägerin vor dem Umzug im Jahr 2022 bereits seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt, sodass es sozial inadäquat gewesen wäre, ihm um Umzugshilfe zu bitten. Die Schwester der Klägerin, DDDD DDDD, hätte zwar ihre Kinder anderweitig betreuen lassen können, aber aufgrund ihrer körperlichen Konstitution und ihrem Lebensalter als mehrfache Mutter nicht ohne Gefahr für die eigene Gesundheit den ganzen Tag lang über sieben Stockwerke Kartons und sonstiges Umzugsgut tragen, sondern hierbei allenfalls körperlich leichte Hilfsdienste verrichten, können.

 

dd) Über Freunde oder anderweitige Netzwerke, welche am Umzugstag stundenlang unentgeltlich teils schwere Gegenstände für die Klägerin und deren Kindern runter- und hochtragen, verfügte die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts Ende September 2022 bzw. Anfang Oktober 2022 nicht, weil sie sich aufgrund der jahrelange Pflege ihrer pflegebedürftigen Kinder und ihrer angeblichen depressiven Folgeerkrankung aus dem Berufs- und Sozialleben dermaßen zurückgezogen hatte, dass es sozial inadäquat gewesen wäre, ihr persönlich bekannte Personen außerhalb des Familienkreises um einen so großen Gefallen zu bitten, den sie in Anbetracht ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ihrerseits bei Bedarf hätte erwidern können.

 

ee) Soweit der Beklagte die Klägerin immer wieder auch schriftlich auf den Caritasverband verwiesen hat, hat der Caritasverband der Klägerin bestätigt, dass er keine Umzugshilfe anbietet, auch wenn das Jobcenter der Stadt Karlsruhe dergleichen behauptet.

 

ff) Das Jobcenter kann nicht mit Erfolg einwenden, es wäre zur Minderung der Leistungen für Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II zweckdienlich und angemessen, sich bei der Beförderung von Umzugsgut von einem rechtsanwaltlichen Prozessbevollmächtigten unter die Arme greifen zu lassen. Die der Klägerin vom Beklagten hier dergestalt abverlangte Kostensenkungsobliegenheit erscheint dem angerufenen Sozialgericht gänzlich ungeeignet. Ein Rechtsanwalt stellt regelmäßig einen dreistelligen Stundensatz als Honorar in Rechnung. Er ist damit zwar um ein Vielfaches teurer als Beschäftigte eines Umzugsunternehmers oder sonst übliche Umzugshelfer, aber nicht denknotwendig auch entsprechend effektiver beim Transportieren von Hausrat. Denn weder das juristische Studium noch der juristische Vorbereitungsdienst ertüchtigen den künftigen Rechtsanwalt dazu, besser oder schneller als andere Menschen Umzugsgut zu befördern.

 

gg) Soweit der Beklagtenvertreter meint, die Klägerin hätte ihren Umzug so in Eigenregie bewerkstelligen sollen, wie er es persönlich zuletzt während der Corona-Pandemie im Jahr 2022 geschafft habe, verkennt der Beklagtenvertreter den rechtlichen Prüfungsmaßstab. Die Angemessenheit von Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II bemisst sich nicht nach dem im Einzelfall missgünstigen Sozialneid öffentlich Bediensteter. Bei der behördlichen Ermessensausübung nach § 22 Abs. 6 SGB II kommt es nicht darauf an, ob Mitarbeiter des zuständigen Jobcenters Menschen im Grundsicherungsbezug generell keine Geldleistungen gönnen, die Jobcenterbeschäftigte ihrerseits als nicht hilfebedürfte Erwerbstätige nicht ebenfalls von der öffentlichen Hand beanspruchen können; maßgeblich sind allein die Möglichkeiten zur Selbst- und Fremdhilfe der betroffenen Menschen in existentieller Not und nicht diesbezügliche persönliche Selbsthilfemöglichkeiten der behördlichen Entscheidungsträger in vergleichbaren Lebenslagen (s. o.). 

 

hh) Allein mithilfe ihrer Schwester und ihrer Mutter hätte die Klägerin nicht diejenige Umzugsarbeit verrichten können, welche wegen ihrer besonders kräftigen Konstitution bei einem Umzugsunternehmen angestellte Männer 96 Stunden lang verrichten mussten, um den gesamten Umzug vom 29.09.2022 bis zum 01.10.2022 abzuwickeln.

 

ii) Nach den Feststellungen des Gerichts verweist der Beklagte die Klägerin auch zu Unrecht darauf, dass sie die Umzugskosten senken können hätte, indem sie anstelle eines Umzugsunternehmens nur studentische Hilfskräfte für ihre Arbeitskraft bezahlt und im Übrigen die tatkräftige unentgeltliche Unterstützung von Familienangehörigen und Freunden beansprucht hätte. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach ein Umzug unter Heranziehung studentischer Umzugshelfer stets kostengünstiger wäre als die Beauftragung eines Umzugsunternehmens mit dem gesamten Umzug (a. A. SG Hamburg, Urteil vom 22.08.2022, S 62 AS 1988/19; LSG Hamburg, Urteil vom 22.12.2022, L 4 AS 202/22 D).

 

Vielmehr ist eine Einzelfallbetrachtung notwendig, da Umzugsunternehmer ihren Betrieb auch so einrichten können, dass ein Umzug mit ihnen im Einzelfall günstiger sein kann als ein Umzug in Eigenregie mit studentischen Umzugshelfern. Dies folgt schon daraus, dass Umzugsunternehmen viele Leistungen im günstigen Gesamtpaket anbieten können, weil sie persönliche und sachliche Mittel für eine Vielzahl von Umzügen beschaffen und vorhalten, die im Falle einer einmaligen Selbstbeschaffung durch Umziehende kostspieliger waren. Insbesondere sind unter Umständen die Kosten effektiv niedriger (bei der Beauftragung eines Umzugsunternehmers im Vergleich zu einem Umzug in Eigenregie) für das Umzugsfahrzeug, für die Umzugshilfsmittel, für die Halteverbotszonen und für umzugsbedinge Dienstleistungen wie den Abbau- und Einbau einer Einbauküche, den hierin geübtes Firmenpersonal mitunter günstiger verrichtet als hierin ungeübte studentische Gelegenheitshelfer.

 

So hätten im vorliegenden Einzelfall studentische Hilfskräfte den Elektroherd in der neuen Küche der Klägerin schon nicht ohne eine unzumutbare Selbst- und Fremdgefährdung an den häuslichen Starkstromanschluss anschließen können, weshalb insofern ein Umzug in Eigenregie im vorliegenden Einzelfall der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin höhere Kosten verursacht hätte als der Auftrag an EEEE EEEE.

 

Anders als die Firma EEEE EEEE hätten studentische Umzugshelfer auch das Aufstellen und Abbauen der Umzugsschilder nicht kostengünstig übernehmen können, weil diese Verrichtungen nicht erst bzw. schon am Umzugstag erfolgen, sondern Wochen zuvor bzw. frühestens am ersten Werktag nach dem eigentlichen Umzugstag (hier: Dienstag, der 04.10.2022), wobei hier jeweils an anderen als den eigentlichen Umzugstagen (hier: 29.09.2022 bis 01.10.2022) für den Transport von zwei 2,40 m langen Parkverbotsschildern und sechs jeweils 30 Kg schweren Fußplatten zur Befestigung der Parkverbotsschilder zwei Mal ein Transporter anzumieten und Verwaltungsgebühren, Mietkosten sowie Benzinkosten zu bezahlen gewesen wären, während die von der Klägerin tatsächlich beauftragte professionelle Umzugsfirma EEEE EEEE ersichtlich diesbezügliche Synergieeffekte bzw. eigene Schilder und/oder Transporter zur Zeit- bzw. Kostenreduzierung nutzen und die Halteverbotszonen vergleichsweise kostengünstiger einrichten und beseitigen konnte als dies bei einem hypothetischen Umzug in Eigenregie (ohne eigenes Umzugsfahrzeug, eigene Verkehrsschilder und weiterer Synergieeffekte aufgrund mehrerer parallel professionell erledigter Umzugsaufträge) der Fall gewesen wäre.

 

Die Klägerin hätte ohne die Beauftragung der Firma EEEE EEEE auch zusätzliche Kosten aufwenden müssen, um ihre Einbauküche in der alten Wohnung abzubauen, zu transportieren und in der neuen Wohnung aufzubauen. Der Abbau und das Entfernen der eigenen Einbauküche sind beim Auszug aus einer angemieteten Wohnung vom Mieter geschuldet und die dadurch entstehenden Kosten als wirtschaftliche Umzugskosten im Sinne von § 22 Abs. 6 SGB II anzusehen, wenn durch die Mitnahme der Einbauküche verhindert werden kann, dass in der neuen Wohnung eine neue Einbauküche zulasten der öffentlichen Hand in kostspieligerer Weise angeschafft werden muss.

 

Im Zusammenhang mit der Einbauküche konnte die Klägerin hier auch nicht auf den Vorrang der Selbsthilfe verwiesen werden. Der Ausbau und Einbau einer Einbauküche erfordert weitergehende handwerkliche Kenntnisse, die im Normalfall weder von einem Leistungsberechtigten noch von dessen freiwilligen oder studentischen Gelegenheitshelfern erwartet werden können. Vielmehr bedarf es insoweit in der Regel eines professionellen Umzugsunternehmens oder anderer vergleichbarer Anbieter. Vor dem Hintergrund, dass Umzugsunternehmen den Ab- und Aufbau von Einbauküchen stets nur zusammen mit einem Transport der jeweiligen Einbauküche anbieten, war die Klägerin auch nicht verpflichtet, den Transport der Einbauküche wiederum ohne Hinzuziehung eines professionellen Umzugsunternehmens zu organisieren (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 22. August 2022 – S 62 AS 1988/19 –, Rn. 38, juris).

 

Als alleinerziehende Mutter zweier pflegebedürftiger Kinder im eigenen Haushalt musste die Klägerin vielmehr hier ihre Einbauküche nicht selbst abbauen, transportieren und aufbauen, sondern durfte insofern die Firma EEEE EEEE auf Kosten des Grundsicherungsträgers beauftragen.

 

Zudem hätte die Klägerin Verschleißmaterial nebst wiederverwendbaren Umzugshilfsmitteln separat auf eigene Kosten beschaffen müssen, wenn diese nicht von dem beauftragten Umzugsunternehmen EEEE EEEE vorgehalten, vom 29.09.2022 bis 01.10.2022 zur Verfügung gestellt sowie anschließend für andere Umzüge mitgenommen und damit viel kosteneffizienter genutzt worden wären als im Falle einer hypothetischen Selbstbeschaffung für nur einen Umzug durch die Klägerin selbst.

 

Weiter hätte die Klägerin ohne den Umzugsauftrag an die Firma EEEE EEEE und deren Umzugsfahrzeug selbst ein anderweitiges Umzugsfahrzeug anmieten, abholen und betanken müssen, welches größer sein müssen hätte als das vom Beklagten hierfür vorgeschlagene, für einen Umzug mit Möbeln ungeeignete Transportahrzeug der Firma „GGGG GGGG“, welches nachweislich nur 1,20 m breit und 1,40 m hoch ist.

 

Schließlich hätte die Klägerin im Falle eines Umzugs in Eigenregie auch studentische Umzugshelfer entlohnen und verpflegen sowie anweisen und koordinieren müssen, wobei es keinen Erfahrungssatz gibt,  wonach die im Wege der täglichen Ausübung für Umzugsleistungen höher qualifizierten Beschäftigten eines Umzugsunternehmens tatsächlich einen höheren Lohn als jenen Mindestlohn in Höhe von 12,50 € verdienen, den studentische Umzugshelfer nach den Erkenntnissen des angerufenen Gerichts für Hilfsdienste bei Umzügen im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten ausweislich der recherchierten Onlineangebote mindestens beanspruchen.

 

Indes hat der Beklagte künftig zu beachten: Die Verwaltungspraxis des Jobcenters Karlsruhe, als Tageslohn für (studentische) Umzugshelfer pauschal nur 50,- € zu übernehmen, ist evident rechtswidrig, weil der Mindestlohn 12,50 € beträgt und ein regulärer Arbeitstag acht Stunden dauert, sodass die Tagespauschale mindestens doppelt so hoch sein muss.

 

Die hypothetisch angefallenen Gesamtkosten hätten für einen Umzug in Eigenregie unter Einschaltung studentischer Umzugshelfer im Fall der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin nach den Schätzungen des Gerichts nach alldem nicht unter dem von der Klägerin angenommene Angebt der Firma EEEE EEEE von Herrn FFFF FFFF von insgesamt 2.200,- € gelegen. Vielmehr hätte die Klägerin mindestens 2.450,- € bzw. deutlich mehr aufwenden müssen, wenn sie sich die Leistungen des Umzugsunternehmens in Eigenregie selbst anderweitig beschafft hätte.

 

Dieser Gesamtbetrag ist gemäß § 202 in Verbindung mit § 278 ZPO durch das Gericht geschätzt worden und ergibt sich rechnerisch aus der Schätzung der hypothetischen Einzelpositionen im Falle eines Umzugs in Eigenregie wie folgt:

 

Umzugsfahrzeug

Anmietung Mercedes Sprinter 213 Cargo Van für 48 Stunden

 

210,- €

Einbauküche

Demontage, Transport, Montage

 

mindestens 500,- €

Benzin

2 – 4 Touren bzw. 4 – 8 Fahrten zwischen Karlsruhe und Ettlingen

 

20,- €

Herdanschluss

durch Elektriker

 

100,- €

Halteverbotszone

Einrichten und Beseitigen (Gebühren, Miete und Transportkosten)

 

200,- €

Stundenlohn Studentischer Umzugshelfer

6 Helfer an 2 Tagen für jeweils 8 Stunden mit Stundenlohn von 12,50 €

 

1.200,- €

Umzugsmittel

Miete für Kartons; Ankauf Stretchfolie, Sicherungsmaterial, etc.

 

100,- €

Verpflegung Umzugshelfer

6 Helfer an 2 Tagen für jeweils 8 Stunden mit Verpflegungskosten von 10,- € pro Person

 

120,- €

GESAMT

 

mindestens 2.450,- €

 

 

Weit über 3.000,- € hätte die Klägerin hypothetisch aufwenden müssen, wenn sie dem unwirtschaftlichen Ansinnen des Beklagten entsprechend zwar die tatsächlichen Kosten für den ganztägigen Einsatz eines Umzugshelfers am Umzugstag gespart hätte, der all jene Umzugskartons transportiert hat, welche die Klägerin hypothetisch im Falle einer doppelten Mietzinszahlung für die alte und die neue Wohnung im Laufe eines Monats sukzessive mit ihrem Pkw von Karlsruhe nach Ettlingen bringen können hätte, wenn sie hierzu zusätzliche Kosten für Unterkunft und Heizung in ihrer bisherigen Wohnung in Karlsruhe in Höhe von 1.014,01 € nebst Benzinkosten in dreistelliger Höhe aufgewandt hätte, was der Beklagte zu Unrecht als „angemessen“ bzw. wirtschaftlich ansieht (s.o.).

 

Nach alldem war das Übernahmeermessen des Beklagten wegen der angemessenen Kosten der Klägerin für ihren notwendigen Umzug nach § 22 Abs. 6 S. 1 SGB II auf Null reduziert. Also ist er zur Erstattung ihrer ausnahmslos unausweichlichen Aufwendungen für das Umzugsunternehmen EEEE EEEE verpflichtet.

 

g) Die Höhe der nach § 22 Abs. 6 SGB II behördlich zu übernehmenden Umzugsleistungen hängt nicht davon ab, in welcher Höhe der Klägerin im Übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II im Umzugsmonat zustanden.

 

Der mögliche Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Umzugskosten hängt vielmehr allein davon ab, dass der Klägerin überhaupt dem Grunde nach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen (vgl. BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R - aaO, Rn. 11).

 

An dieser Voraussetzung bestehen im vorliegenden Fall indes aufgrund des unanfechtbaren Bewilligungsbescheides des Beklagten vom 07.07.2022 (in der Fassung seines Änderungsbescheides vom 11.08.2022) keine Zweifel.

 

Unter Berücksichtigung all dessen muss der Beklagte der Klägerin die Aufwendungen für den Umzug durch die Firma EEEE EEEE in Höhe von 2.200,- € vollständig erstatten.

 

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und dem Ausgang des Verfahrens.

 

 

Rechtskraft
Aus
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