I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
T a t b e s t a n d :
Der Rechtsstreit wird im Zusammenhang mit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) geführt. Es ist zwischen den Beteiligten ein Direktzahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger streitig.
Der Kläger betreibt einen Pflegedienst. Mit dem (zwischenzeitlich verstorbenen) Betreuten Herrn D. schloss er einen Vertrag über die Pflege in einer intensivbetreuten Wohngemeinschaft und nahm ihn in die Einrichtung auf. Die Abrechnung sollte - entsprechend der geschlossenen Vereinbarung - nach Zeitaufwand erfolgen.
Am 16.06.2021 beantragte der Betreuer von Herrn D. beim Beklagten im Rahmen der ambulanten Hilfe zur Pflege die Übernahme derjenigen Pflegekosten, die über den von der Kranken- und abgedeckten Anteil hinausgingen. Der Beklagte forderte beim Betreuer mehrfach die Vorlage eines Kostenvoranschlages nach Leistungskomplexen an anstatt nach Zeitaufwand. Der Pflegedienst lehnte dies jedoch ab und verwies auf die Kostenabgrenzungsrichtlinie des GKV-Spitzenverbandes vom 16.12.2016, wonach eine Abrechnung nach Zeitaufwand - und gerade nicht nach Leistungskomplexen - zu erfolgen habe.
Der Beklagte erließ nach Rücksprache mit dem Betreuer weder einen Bescheid wegen fehlender Mitwirkung, noch entschied er in der Sache über die beantragte Hilfe zur Pflege. In der Folgezeit stellte der Betreuer weder einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, noch erhob er Untätigkeitsklage. Der Kläger pflegte Herrn D. trotzdem weiter.
Am 18.01.2022 machte der Kläger beim Beklagten die direkte Zahlung von Rückständen aus dem mit Herrn D. geschlossenen Pflegevertrag geltend und forderte ihn auf, für den Zeitraum Januar 2021 bis August 2021 insgesamt 2.776,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8,12 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auszuzahlen. Diese Forderung wies der Beklagte zurück.
Am 23.05.2022 hat der Kläger beim Sozialgericht Nürnberg Leistungsklage erhoben. Er begehrt vom Beklagten die Zahlung von 2.776,05 EUR nebst gesetzlichen Zinsen. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass eine Abrechnung oder ein Angebot nach Leistungskomplexen nicht verlangt werden dürfe, weil dies seit der Neuregelung in den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes vom 16.12.2016 nicht mehr vorgesehen sei. Die rechne ebenfalls nicht nach Leistungskomplexen ab, sondern nach Minutenwerten. Es sei deshalb rechtswidrig, dass der Beklagte auf der Erstellung eines Angebotes nach Leistungskomplexen bestehe. Der Kläger habe einen Direktzahlungsanspruch gegen den Beklagten in der genannten Höhe.
Der Kläger beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.776,05 Euro zuzüglich der gesetzlichen Zinsen zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass der Pflegedienst selbst derzeit keinen eigenen einklagbaren Anspruch gegen den Beklagten habe, weil der Antrag auf Hilfe zur Pflege vom 16.06.2021 noch offen sei. Die Leistungen seien weder versagt, noch sei eine Entscheidung in der Sache getroffen worden. Im Übrigen habe er nicht die Abrechnung nach Leistungskomplexen gefordert, sondern nur die Erstellung eines Vergleichsangebotes auf Basis von Leistungskomplexen. Schließlich habe der Pflegebedürftige gemäß § 89 SGB XI ein Wahlrecht hinsichtlich der Abrechnungsmethode. Im Rahmen der Sozialhilfe sei zu prüfen, welche Abrechnungsmethode günstiger sei.
Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 23.11.2023 und 26.01.2024 die A. und die A. Krankenkasse beigeladen.
Die Leistungsakte des Beklagten ist beigezogen worden. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird hierauf verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
Gegenstand dieses Rechtsstreites ist die begehrte Direktzahlung der Rückstände aus der Pflege von Herrn D. in Höhe von 2.776,05 EUR nebst Zinsen durch den Sozialhilfeträger an den Leistungserbringer.
Die Klage ist zulässig, insbesondere statthaft als isolierte Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 SGG. Der Sozialrechtsweg ist eröffnet (vgl. BayLSG, Beschl. v. 30.03.2023, ). Die Klagebefugnis ergibt sich aus der Nichtleistung der vom Kläger geltend gemachten Direktzahlung.
Die Klage ist nicht begründet, weil der Kläger derzeit keinen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten hat.
Als Rechtsgrundlage kommen im "sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis" Ansprüche im Grundverhältnis, im Erfüllungsverhältnis sowie im Sachleistungsverschaffungsverhältnis in Betracht. Das Grundverhältnis betrifft den öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch des Leistungsberechtigten gegenüber dem Sozialhilfeträger. Das Erfüllungsverhältnis betrifft das zivilrechtliche Vertragsverhältnis zwischen Leistungsberechtigtem und Leistungserbringer. Das Sachleistungsverschaffungsverhältnis betrifft die öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer.
Ein Leistungsanspruch im Grundverhältnis scheidet schon deshalb aus, weil Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII nur Personen gewährt werden kann, die pflegebedürftig sind (§ 61 Satz 1 SGB XII). Der Kläger ist ein Pflegedienst und hat somit keinen eigenen Anspruch. Er ist hierbei auch nicht als Prozessstandschafter von Herrn D. aufgetreten. Der Rechtsstreit wird im Namen des Pflegedienstes geführt und es ist auch nicht vorgetragen, dass dieser oder sein gesetzlicher Betreuer einer Prozessstandschaft zugestimmt hat.
Auch im Erfüllungsverhältnis besteht kein Zahlungsanspruch zu Gunsten des Klägers. Dieses zivilrechtliche Schuldverhältnis betrifft die Vertragsbeziehung zwischen dem Leistungsberechtigten D. und dem Kläger als Leistungserbringer. Der Beklagte als Sozialhilfeträger, gegen den der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit eine Geldleistung geltend macht, ist hierbei nicht involviert.
Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Geldleistung kann somit nur der Direktzahlungsanspruch nach § 75 Abs. 6 SGB XII im sozialrechtlichen Sachleistungsverschaffungsverhältnis sein. Danach hat der Leistungserbringer gegen den Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen. Der Zahlungsanspruch ist akzessorisch zum Sozialhilfeanspruch des Leistungsberechtigten, wie er durch den im Grundverhältnis ergangenen Verwaltungsakt konkretisiert wurde (zu § 93 BSHG vgl. BVerwG v. 19.05.1994 - 5 C 33/91 - BVerwGE 96, 71, 77). Dies folgt aus § 77a Abs. 1 Satz 2 SGB XII, der die Höhe des Vergütungsanspruchs an die gegenüber dem Leistungsberechtigten ergangene Leistungsbewilligung bindet. Auch dem Grunde nach entsteht der Vergütungsanspruch damit erst mit der von § 77a Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Bezug genommenen Bewilligungsentscheidung; ein Recht, bereits die Übernahme der Vergütung an sich - und damit letztlich die Bewilligung von Sozialhilfe - zu verlangen, steht dem Leistungserbringer nicht zu. Zugleich ergibt sich aus § 77a Abs. 1 Satz 2 SGB XII, dass der unmittelbare Vergütungsanspruch frühestens mit Wirksamwerden des Bewilligungsbescheides entsteht, auf den § 77a Abs. 1 Satz 2 SGB XII abstellt, weil er erst dann auch der Höhe nach konkretisiert ist (Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 75 SGB XII, Stand: 03.11.2022, Rn. 120 sowie BeckOK SozR/Siebel-Huffmann, 69. Ed. 1.12.2021, SGB XII § 75 Rn. 80; LPK-SGB XII/Arne von Boetticher, 12. Aufl. 2020, SGB XII § 75 Rn. 45; Grube/Wahrendorf/Flint/Streichsbier, 7. Aufl. 2020, SGB XII § 75 Rn. 46 und auch Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 75 SGB XII, Stand: 01.05.2024, Rn. 121).
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen besteht im vorliegenden Fall (noch) kein Leistungsanspruch, weil gegenüber dem Pflegebedürftigen Herrn D. unstreitig noch kein Bewilligungsbescheid ergangen ist. Es fehlt damit im sozialrechtlichen Grundverhältnis an einer Bewilligung, die jedoch Voraussetzung für die Geltendmachung eines Direktzahlungsanspruches durch den Leistungserbringer wäre (Akzessorietät).
Soweit der Kläger einwendet, Herrn D. in dem guten Glauben gepflegt zu haben, dass dieser später noch Sozialhilfeleistungen erhalten werde, trifft ihn das Zahlungsausfallrisiko. Das Bundessozialgericht hat - jedenfalls zur alten Rechtslage - hierzu folgende Ausführungen gemacht (BSG, Urteil vom 23. November 2023 - B 8 SO 1/23 R, Rn. 20): "Es ist nach alledem Sache des Leistungserbringers, bei Aufnahme und in der Folge die weitere Leistungserbringung im Einzelfall davon abhängig zu machen, dass der potentiell Leistungsberechtigte gegenüber dem Träger der Sozialhilfe (ggf. durch gerichtlichen Eilrechtsschutz) auf eine baldige Entscheidung über den Leistungsanspruch hinwirkt. Sieht er die Leistungserbringung ohne einen erfolgten Schuldbeitritt nach Bewilligung von Leistungen nach seiner betriebswirtschaftlichen Kalkulation als nicht mehr hinnehmbar an, muss er die Erbringung der Hilfen einstellen und es dem Leistungsberechtigten überlassen, welche rechtlichen Schritte dieser ergreifen will." Nach Auffassung der Kammer gilt dieser Grundsatz auch nach neuer Rechtslage, wonach ein Schuldbeitritt nicht mehr erforderlich ist, sondern der Direktzahlungsanspruch mit der Bewilligungsentscheidung kraft Gesetzes entsteht. In beiden Konstellationen ist es so, dass zunächst im Grundverhältnis Sozialhilfe gewährt sein muss. § 75 Abs. 6 SGB XII ist gerade nicht dahingehend auszulegen, dass er dem Leistungserbringer über den Anspruch auf Zahlung der Vergütung hinaus auch ein Recht vermittelt, bereits die Übernahme der Vergütung an sich gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend zu machen - und damit letztlich den Sozialhilfeanspruch selbst (vgl. dazu auch Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 75 SGB XII, Stand: 01.05.2024, Rn. 119).
Im Ergebnis hatte die Klage keinen Erfolg und war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gegen dieses Urteil findet gemäß § 143 SGG die Berufung an das Bayerische Landessozialgericht nach Maßgabe der beigefügten Rechtsmittelbelehrung statt.