L 5 KR 1577/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 2493/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1577/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Geltendmachung von Ansprüchen i.S.v. § 325 SGB V a.F. (jetzt § 409 SGB V) gehört jede Form der Rechtsdurchsetzung, sowohl aktiv als auch passiv und damit nicht nur die Erhebung einer Klage, sondern auch die Aufrechnung.

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.06.2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 3.720,47 € festgesetzt.


Tatbestand


Im Streit steht die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist ein zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenes Krankenhaus. Sie behandelte die bei der Beklagten Versicherte M1 vom 17.11.2015 bis 18.11.2015 vollstationär und liquidierte die Behandlung gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 26.11.2015 in Höhe eines Betrages von 4.601,56 €. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollumfänglich, teilte der Klägerin mit Schriftsatz vom 22.12.2015 allerdings mit, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden sei. Unter Bezugnahme auf das sodann erstellte Gutachten vom 19.02.2016, wonach der Ansatz des Zusatzentgelts ZE 148.09 nicht gerechtfertigt sei, forderte die Beklagte mit Schreiben vom 24.02.2016 von der Klägerin 3.720,47 € zurück.

Am 28.12.2018 nahm die Beklagte gegenüber der Klägerin die Aufrechnung des streitgegenständlichen Betrags mit einer konkret benannten, unstreitigen Forderung der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall vor.

Am 14.06.2019 hat die Klägerin zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte sei nicht berechtigt im vorliegenden Fall eine Aufrechnung vorzunehmen. Nach der geltenden Rechtslage hätte bis zum 09.11.2018 eine gerichtliche Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs erfolgen müssen; die am 28.12.2018 vorgenommene Aufrechnung genüge dem nicht.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.06.2020 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.720,47 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.12.2018 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei im vorliegenden Falle nicht berechtigt gewesen, eine Aufrechnung der streitgegenständlichen Forderung mit unstreitigen Forderungen der Klägerin vorzunehmen.
Nach § 109 Abs. 5 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verjährten Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden seien. Dies gelte nach der durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz vom 11.12.2018 (PpSG, BGBl. 1, 2394) eingeführten Vorschrift des § 109 Abs. 5 S. 2 SGB V auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die – wie vorliegend – vor dem 01.01.2019 entstanden seien. Diese Regelung stelle eine Sondervorschrift zur allgemeinen vierjährigen sozialrechtlichen Verjährungsfrist des § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) dar. Zum Zeitpunkt der Aufrechnung am 28.12.2018 sei der vermeintliche Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der bereits im Jahr 2015 geleisteten Vergütung nach der maßgebenden Rechtslage danach bereits verjährt. Der Aufrechnung stehe auch die ebenfalls durch das PpSG eingeführte Vorschrift des § 325 SGB V entgegen, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ausgeschlossen sei, soweit diese – wie im vorliegenden Fall – vor dem 01. 01.2017 entstanden seien und bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht worden seien. Der vermeintliche Anspruch auf Rückzahlung sei durch die Beklagte bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht worden. Die – hier im Übrigen erst nach dem 09.11.2018 – vorgenommene Aufrechnung könne einer gerichtlichen Geltendmachung nicht gleichgestellt werden. Eine einschränkende Auslegung, nach der lediglich die direkte (gerichtliche) Durchsetzbarkeit der betroffenen Ansprüche ausgeschlossen sein solle, lasse sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch dem gesetzgeberischen Willen (vgl. BT-Drs. 19/5593, S. 124: „Durchsetzung entsprechender Rückzahlungsansprüche") entnehmen. Soweit die Beklagte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 325 SGB V vortrage, könne dies aufgrund der fehlenden Grundrechtsfähigkeit der Beklagten dahinstehen.

Gegen den ihr am 19.06.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 29.06.2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie macht geltend, zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (28.12.2018) sei der erst am 01.01.2019 in Kraft getretene § 325 SGB V noch kein wirksames Recht gewesen und habe daher einen Anspruch ihrerseits nicht ausschließen können. Wegen ihres bestehenden fälligen Erstattungsanspruchs habe sie somit wirksam aufrechnen können. Rechtsfolge der Aufrechnung sei gemäß § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Erlöschen des Anspruchs der Klägerin, gegen den aufgerechnet werde. § 325 SGB V stehe der Aufrechnung auch nicht rückwirkend entgegen. Weder Wortlaut noch Systematik oder Zweck der Vorschrift ließen darauf schließen, dass mit Inkrafttreten der Norm zuvor bereits erloschene Ansprüche wiederauflebten. Ein Wiederaufleben erloschener Forderungen wäre rechtsdogmatisch auch nicht begründbar. Zudem begründe § 325 SGB V schlicht ein Verbot der aktiven Durchsetzung einer Forderung durch die Krankenkasse, habe also im Hinblick auf die Existenz oder Nichtexistenz einer Forderung des Krankenhauses keine Relevanz. Bereits mittels Aufrechnung durchgesetzte und nach § 389 BGB erloschene Ansprüche bedürften naturgemäß auch keiner weiteren „Geltendmachung" vor Gericht.
§ 325 SGB V schließe nur die gerichtliche Durchsetzung aus, nicht aber die Aufrechnung. Dies sei in der Literatur streitig. Sie schließe sich den Ausführungen von Ricken: „Neue Verjährungsregelungen bei Krankenhausentgelten" (NZS 2019, 241, 246) an. Der äußerst knappe Hinweis des SG auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot gehe fehl. Selbstverständlich könnten sich auch gesetzliche Krankenkassen hierauf berufen. Durchaus zutreffend habe die Kammer zwar festgestellt, dass Krankenkassen zwar tatsächlich Körperschaften des öffentlichen Rechts und als solche nicht grundrechtsfähig seien, allerdings werde das Rückwirkungsverbot nicht aus den Grundrechten hergeleitet. Es gelte der Vorrang der Verfassung: Der Gesetzgeber sei nach Art. 20 Abs. 3 GG an die „verfassungsmäßige Ordnung", d.h. an den gesamten Normbestand des Grundgesetzes (GG) gebunden, also mitnichten nur an die Grundrechte. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sage sogar explizit, dass sich rückwirkende Regelungen „vorrangig an den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit messen lassen" müssten. Maßstab auch für § 325 SGBV sei selbstverständlich das gesamte Grundgesetz und damit auch und an vorderster Stelle das in Art. 20 Abs. 3 GG verortete Rechtsstaatsprinzip. Die Grundsätze über die Rückwirkung von Gesetzen gölten als objektiv-rechtliche Prinzipien unabhängig von individuellen Rechtspositionen. Das BVerfG leite sie daher auch nicht vorrangig aus den Grundrechten ab, sondern betone stets und nach wie vor ihre Grundlage im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). § 325 SGB V verstoße gegen das Rückwirkungsverbot und könne somit keine rechtlichen Wirkungen entfalten.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.06.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Mit Beschluss vom 29.01.2021 hat der Senat vor dem Hintergrund des beim Bundessozialgericht (BSG) mit Az. B 1 KR 40/20 R anhängigen Revisionsverfahrens zum Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 03.11.2020 (L 11 KR 2249/20) mit Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach zwischenzeitlicher Rücknahme der Revision hat das Verfahren mit Blick auf das Verfahren mit Az. B 1 KR 5/23 R, das zur selben Rechtsfrage beim BSG anhängig war, weitergeruht. Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.04.2024 mitgeteilt hat, dass auch dieses Verfahren mit einer Rücknahme der Revision geendet habe, und die Beklagte am 23.05.2024 mitgeteilt hat, sie nehme die Berufung nicht zurück, weil über die maßgebliche Rechtsfrage bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden sei, wurde das Verfahren fortgeführt.


Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 2, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, aber in der Sache unbegründet.

Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 3.720,47 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.12.2018.

Der mit der erhobenen Leistungsklage verfolgte Vergütungsanspruch der Klägerin aus einer späteren Krankenhausbehandlung eines anderen Versicherten der Beklagten ist unstreitig. Darauf, welchen Vergütungsanspruch die Klägerin auf Grund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht, kommt es nicht an (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KR 33/12 R -, in juris, Rn. 10), sodass insoweit keine nähere Prüfung durch den Senat erforderlich ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R -, in juris Rn. 8; BSG, Urteil vom 26.05.2020 - B 1 KR 26/18 R -, in juris Rn. 11).


Der anderweitige Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung erlosch nicht dadurch, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 BGB wirksam die Aufrechnung erklärte (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2015 - B 1 KR 26/14 R -, in juris, Rn. 33 m.w.N.). Denn die Beklagte konnte am 28.12.2018 nicht mehr wirksam mit der geltend gemachten Erstattungsforderung aus dem Jahr 2015 aufrechnen. Ob ein Erstattungsanspruch in der Sache bestand, bedarf daher keiner Entscheidung.

Der Ausschluss der Aufrechnungsbefugnis ergibt sich aus dem zum 01.01.2019 durch das PpSG eingeführten § 325 SGB V, später § 412 SGB V, jetzt § 409 SGB V. Danach ist die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ausgeschlossen, soweit diese vor dem 01.01.2017 entstanden sind und bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden. Durch diese Norm wurde mit Rückwirkung eine von Amts wegen zu beachtende „gesetzliche Ausschlussfrist“ (vgl. BT-Drs. 19/5593 S. 124) eingeführt, die über den Charakter einer bloßen Übergangsvorschrift hinausgeht. Der Wortlaut der Norm ist erfüllt. Der Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Vergütung ist vor dem 01.01.2017 (nämlich 2015) entstanden und bis 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht worden. Damit ist die Geltendmachung des Anspruchs ausgeschlossen. Zur Geltendmachung gehört jede Form der Rechtsdurchsetzung, sowohl aktiv als auch passiv und damit nicht nur die gerichtliche Klageerhebung, sondern auch die Aufrechnung. Von ihrer Konzeption her enthält die Vorschrift tatbestandliche Voraussetzungen (Anspruch vor dem 01.01.2017 entstanden und bis 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht) und eine Rechtsfolge, den Ausschluss der Geltendmachung des Anspruchs. Ausgehend von dieser Systematik gibt es keine Grundlage für ein einschränkendes Verständnis, wonach mit Geltendmachung des Anspruchs auf der Rechtsfolgenseite nur die aktive Geltendmachung durch Klageerhebung gemeint sein soll. Vielmehr ist jegliche Durchsetzung der Ansprüche aus der Zeit vor dem 01.01.2017 ausgeschlossen, die bis 09.11.2018 nicht eingeklagt waren (ebenso Bockholdt in Hauck/Noftz SGB V § 409 Rn. 16; Gerlach in BeckOK KHR SGB V § 39 Rn. 173; Penner in BeckOK SGB V § 409 Rn. 5; a.A. Ricken, NZS 2019, 241, 245). Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung folgender Begründung des 11. Senats des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 03.11.2020 an (L 11 KR 2249/20, in juris; zur Verfassungsmäßigkeit der Norm vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.01.2023 - L 10 KR 173/22 KH -, in juris; offen gelassen von BSG, Urteil vom 12.12.2023 - B 1 KR 32/22 R -, in juris):

„Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers. Die Neuregelung der Verjährung in § 109 Abs. 5 SGB V und die flankierende Regelung des § 325 SGB V a.F./§ 412 SGB V n.F. sind insoweit gemeinsam zu betrachten. Das PpSG soll der Entlastung der Sozialgerichte und der Durchsetzung des Rechtsfriedens dienen. Nach der Gesetzesbegründung soll die neue spezifische Verjährungsfrist für die Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und für Rückforderungsansprüche der Krankenkassen die Belastungen der Krankenhäuser verringern und zu einer schnelleren Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten beitragen. Die Vermeidung der durch Rückforderungsansprüche hervorgerufenen Rechtsunsicherheit trage einem Anliegen des Bundesrats Rechnung. Die Verkürzung der Verjährungsfrist führe auch zu einer Angleichung der für Krankenhäuser und Krankenkassen geltenden Rechtslage. Auch vor Ablauf der Verjährungsfrist seien nachträgliche Rechnungskorrekturen der Krankenhäuser nach der Rechtsprechung nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn sie nach Ablauf eines vollständigen Kalenderjahres nach Erteilung der ersten Schlussrechnung erfolgen, d.h. nach Ende des auf die erste Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres. Gegenwärtig könnten die Krankenkassen daher vier Jahre lang Erstattungsansprüche geltend machen. Nachträgliche Rechnungskorrekturen der Krankenhäuser seien aber bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt ausgeschlossen. Die Verkürzung der Verjährungsfrist sei den Beteiligten auch zumutbar, da Krankenhäuser und Krankenkassen als versierte Teilnehmer am Wirtschaftsleben über eine ständige professionelle Zusammenarbeit aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens verbunden und daher für die Geltendmachung ihrer wechselseitigen Ansprüche nicht auf eine vierjährige Verjährungsfrist angewiesen seien. Aufgrund der Regelung in Satz 2 gelte die verkürzte Verjährungsfrist auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von zu Unrecht geleisteten Vergütungen, die vor dem 01.01.2019 entstanden seien. Andernfalls könnte das Ziel der Regelung nur unvollkommen erreicht werden. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts wäre die verkürzte Verjährungsfrist mangels anderweitiger Übergangsregelungen erst ab dem Inkrafttreten des PpSG zu berechnen. Wenn die verkürzte Verjährungsfrist erst am 01.01.2019 zu laufen begänne, könnte eine umfassende Befriedung abgeschlossener Abrechnungsfälle nicht erreicht werden, denn bereits auf im Jahr 2016 entstandene Ansprüche hätte auch die verkürzte Verjährungsfrist keine Auswirkung mehr. Diese würden sowohl nach der bisherigen vierjährigen Verjährungsfrist als auch nach der neuen zweijährigen Verjährungsfrist erst am 31.12.2020 verjähren. Vor diesem Hintergrund regele Satz 2 in Abweichung von den Grundsätzen des intertemporalen Rechts, dass die Regelung zur Dauer und zum Beginn der verkürzten Verjährungsfrist auf Rückforderungen der Krankenkassen anwendbar sei, die vor dem 01.01.2019 entstanden, nach alter Rechtslage aber noch nicht verjährt seien. Eine unzulässige Rückwirkung sei hierin nicht zu erblicken, da die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsfähig seien. Hinsichtlich der Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen beschränke Satz 3 den Anwendungsbereich der verkürzten Verjährungsfrist auf solche Forderungen, die ab dem 01.01.2019 entstünden. Hierdurch werde zugunsten der Planungssicherheit der Krankenhäuser vermieden, dass bereits entstandene Forderungen der Krankenhäuser früher als bislang verjährten, und gewährleistet, dass die Krankenhäuser ihr Forderungsmanagement auf die zweijährige Verjährungsfrist einstellen könnten (vgl. BT-Drs. 19/5593, S 115 f). § 325 SGB V enthalte eine gesetzliche Ausschlussfrist für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung geleisteter Vergütungen, die vor dem 01.01.2017 entstanden seien, die aber bis zum Tag der zweiten und dritten Lesung des PpSG nicht gerichtlich geltend gemacht worden seien. Die Regelung ziele auf die Entlastung der Sozialgerichte und die Durchsetzung des Rechtsfriedens, der mit der rückwirkenden Einführung der verkürzten Verjährungsfrist beabsichtigt sei. Verhindert werden solle, dass die Krankenkassen zum Ende des Jahres 2018 zahlreiche gerichtliche Verfahren einleiteten, um die Verjährung vermeintlicher Rückzahlungsansprüche aus vormals abgeschlossenen Abrechnungsvorgängen zu hemmen. Vor diesem Hintergrund werde die Durchsetzung entsprechender Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen, die eine solche Vorgehensweise bereits angekündigt hätten, ausgeschlossen. Rückzahlungsansprüche, die nach dem 01.01.2017 entstanden seien, könnten nach der Einführung der zweijährigen Verjährungsfrist noch bis zum Ende des Jahres 2019 geltend gemacht werden (vgl. BT-Drs 19/5593, S 124). Gerade das Ziel der Entlastung der Sozialgerichte – angesichts der Klagewelle Ende 2018 allerdings ohnehin verfehlt (vgl. Roller, DRiZ 2018, 406) – spricht für ein wortlautgetreues Verständnis der Norm, denn ließe man die Aufrechnung weiter zu, führte das lediglich zu einem Rollentausch (das Krankenhaus muss den Vergütungsanspruch einklagen, gegen den aufgerechnet wurde), nicht aber zu einer Verringerung der Anzahl der Verfahren.

Der Ausschlusswirkung des § 325 SGB V aF/§ 412 SGB V nF auf die am 04.12.2018 vorgenommene Aufrechnung steht auch nicht entgegen, dass diese Vorschrift erst am 01.01.2019 in Kraft getreten ist und damit zum Zeitpunkt der Aufrechnung noch nicht galt (ebenso Bockholdt, aaO; SG Nürnberg,
aaO [08.11.2019 – S 21 KR 2172/18]). Zwar erlöschen sich gegenüberstehende Forderungen durch die Aufrechnung nach § 389 BGB mit Rückwirkung vom Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage. Auch diese Wirkung kann jedoch rückwirkend beseitigt werden. Dies kommt beispielsweise in Betracht bei auflösend bedingter Haupt- oder Gegenforderung – die zunächst wirksame Aufrechnung wird mit Eintritt der Bedingung gegenstandslos (Bundesgerichtshof <BGH> 22.09.2010, VIII ZR 285/09, NJW 2001, 143). Ebenso entfällt die Erlöschenswirkung, wenn durch Anfechtung eine der Forderungen rückwirkend eliminiert wird (vgl. Gursky in Staudinger, BGB, § 389 Rn. 10). In gleicher Weise ist im vorliegenden Fall durch die rückwirkend geltende Gesetzesänderung die Aufrechenbarkeit mit Rückwirkung entfallen. Eine Forderung, die nicht mehr geltend gemacht werden kann, ist nicht vollwirksam, durchsetzbar und erzwingbar iSv §§ 387 ff BGB. Insoweit verbietet § 325 SGB V a.F./§ 412 n.F. als speziellere Regelung den Rückgriff auf § 215 BGB.

Schließlich ist der Senat auch nicht von der Verfassungswidrigkeit der rechtspolitisch umstrittenen Vorschrift des § 325 SGB V a.F./§ 412 n.F. überzeugt (vgl. auch Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527 ff; Bockholdt aaO Rn. 8; zweifelnd Estelmann, NZS 2018, 961, 965 Fn. 41: „auf den Fransen des Verfassungsteppichs“; a.A. Kingreen, SGb 2019, 449; Ricken, NZS 2019, 241; Wahl in juris-PK-SGB V, § 109 Rn. 197.2). In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/5593, S 124) wird die Regelung des § 325 SGB V statt als Übergangsregelung zutreffender als Ausschlussfrist bezeichnet. Krankenkassen müssen durch § 325 SGB V für Erstattungsansprüche, die vor dem 01.01.2017 entstanden sind, zusätzlich zu der Verkürzung der Verjährungsfrist des § 109 Abs. 5 SGB V die Einhaltung einer Ausschlussfrist beachten. Mit dem dargelegten Regelungsgehalt verstößt § 325 SGB V a.F./§ 412 SGB V n.F. weder abstrakt noch konkret gegen höherrangiges Recht. Durch diese Regelung werden die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechtes mit Selbstverwaltung belastet, indem ihnen bestehende Ansprüche auf Rückzahlung von Krankenhausvergütungen genommen werden. Ein Verstoß gegen Grundrechte kommt nicht in Betracht, denn Krankenkassen sind als Träger mittelbarer Staatsverwaltung unter Beachtung der Rechtsprechung des BVerfG nicht grundrechtsfähig (vgl. BVerfG 31.01.2008, 1 BvR 2156/02; BVerfG 09.06.2004, 2 BvR 1248/03 mwN; BVerfG 07.06.1991, 1 BvR 1707/88; BVerfG 09.04.1975, 2 BvR 879/73, BVerfGE 39, 302; DOK 1975, 901 Anm. Krauskopf; SGb 1976, 56 Anm Schroeter).

Auch wenn § 325 SGB V a.F./§ 412 SGB V n.F. in Bezug auf vor dem 01.01.2017 entstandene Ansprüche Rückwirkung zukommt, so können sich die Krankenkassen auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot indes nicht berufen. Der Senat geht davon aus, dass der gesetzlichen Regelung der Verkürzung der Verjährungsfrist (für die Krankenkassen rückwirkend) kombiniert mit einer Ausschlussfrist im Sinne der Terminologie des BVerfG echte Rückwirkung zukommt, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar ist, und nicht lediglich eine unechte Rückwirkung vorliegt, die grundsätzlich zulässig ist (s hierzu BVerfG 17.12.2013, 1 BvL 5/08, juris Rn. 40 mwN). Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift, eine unechte Rückwirkung dann, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. BVerfG 10.10.2012, 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, 318 mwN; BSG 19.02.2014, B 6 KA 10/13 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 79 Rn. 44). Bei dieser Abgrenzung ist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe (Verkündung) der Norm abzustellen (vgl. BVerfG 10.10.2012, aaO; BSG 02.11.2005, B 6 KA 63/04 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 11, Rn 46), frühestens auf den Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses, denn bis zu diesem Zeitpunkt ist das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage jedenfalls noch geschützt (vgl. Kingreen, SGb 2019, 449, 453). Verkündet wurde das PpSG am 11.12.2018, die Beschlussfassung im Bundestag erfolgte am 09.11.2018. Für den hier maßgeblichen Sachverhalt – ein vor dem 01.01.2017 entstandener Anspruch der Krankenkasse auf Rückzahlung von Krankenhausvergütung, der bis 09.11.2018 noch nicht geltend gemacht war – kommt § 325 SGB V a.F./§ 412 SGB V n.F. echte Rückwirkung zu. Die Vorschrift schließt die Geltendmachung des noch nicht verjährten Erstattungsanspruches im verbleibenden Zeitraum bis zum Jahresende aus und vernichtet damit rückwirkend Ansprüche (ebenso Kingreen, SGb 2019, 449, 453 ff).

Gleichwohl kann sich die Beklagte nicht mit der Argumentation auf das Rückwirkungsverbot berufen, dass dieses nicht allein aus Grundrechten, sondern auch dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet wird. Die Annahme, dass aus der Geltung des Rechtsstaatsprinzips grundsätzlich für "jedermann" (vgl. z.B. 07.07.1992, 2 BvR 1631/90 u.a., BVerfGE 87, 48, 63, mwN: "Die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, die für jedermann gelten ...") zugleich folge, dass sich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts hierauf berufen können, geht fehl. In Bezug auf die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden hat das BVerfG ausdrücklich klargestellt, dass unter dem gemäß Art 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde berechtigten "jedermann" nur derjenige zu verstehen ist, der Träger von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten - also grundrechtsfähig - ist (BVerfG 21.12.2009, 1 BvR 2738/08, BVerfGK 16, 449, 454 f = juris Rn. 17; BSG 22.10.2014, B 6 KA 3/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 48). Das BVerfG leitet das Rückwirkungsverbot nicht allein aus Art 20 Abs. 3 GG ab, sondern konkret aus "den aus Art 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs 3 GG herzuleitenden" rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfG 10.04.2018, 1 BvR 1236/11, BStBl II 2018, 303, Rn. 132; BVerfG 02.11.2015, 1 BvR 1530/15; BVerfG 05.03.2013, 1 BvR 2457/08, BVerfGE 133, 143). Der Gedanke des Vertrauensschutzes macht insoweit den Kern des Rückwirkungsverbots aus (BVerfG 17.12.2013, 1 BvL 5/08 R, BVerfGE 135, 1, 20 f: "Die Verfassungsmäßigkeit eines rückwirkenden Gesetzes ist nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt"). Diese Ableitung des grundsätzlichen Verbots rückwirkender belastender Gesetze durch das BVerfG u.a. aus Art 2 Abs. 1 GG, d.h. aus einem materiellen Grundrecht, schließt einen verfassungsrechtlich beachtlichen Verstoß von § 325 SGB V a.F./§ 412 SGB V n.F. als lediglich die nicht grundrechtsfähige Beklagte benachteiligende Norm aus (BSG 22.10.2014, B 6 KA 3/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 48, Rn. 30 ff). Abgesehen davon stellt sich die rückwirkende Beschneidung der Forderungen der gesetzlichen Krankenkassen aus Sicht der (je nach Trägerschaft) grundrechtsberechtigten Krankenhäuser als begünstigende Rückwirkung dar, die als solche grundsätzlich nicht als problematisch angesehen und der auch kein objektivrechtliches Gebot der Rechtssicherheit im Rahmen einer Abwägung gegenübergestellt wird (vgl. Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527, 530 mwN). Ob ein aus dem Rechtsstaatsgebot folgendes objektivrechtliches Gebot der Rechtssicherheit und -kontinuität anerkannt werden kann, ist zumindest problematisch. Es würde zu einer Beschränkung demokratischer Gestaltungsmöglichkeiten führen (vgl. Lepsius, Jura 2018, 695). Auch wenn die gesetzlichen Krankenkassen Körperschaften mit dem Recht zur Selbstverwaltung sind, können sie sich auf Schutzwirkungen eines angenommenen objektivrechtlichen Rückwirkungsverbots nicht berufen. Zum einen ist ihnen anders als Hochschulen oder Rundfunkanstalten kein grundrechtlich geschützter Eigenbereich zugewiesen, zum anderen ist ihr Selbstverwaltungsrecht nicht verfassungsrechtlich garantiert (vgl. Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527, 529). Ein schutzwürdiges Bedürfnis der Krankenkassen nach Rechtssicherheit kann daher nur in den engen Grenzen des aus Art 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Willkürverbots bestehen, das als Prinzip einer rechtsstaatlichen Ordnung auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts zu beachten ist, ungeachtet dessen, dass diese nicht Träger des Grundrechts aus Art 3 Abs. 1 GG sind (vgl. BVerfG 01.07.1987, 1 BvL 21/82, BVerfGE 76, 130, 139; BVerfG 14.04.1987, 1 BvR 775/84, BVerfGE 75, 192, 200 f; BVerfG 19.06.1973, 1 BvL 39/69 u.a., BVerfGE 35, 263, 271 f; BVerfG 02.05.1967, 1 BvR 578/63, BVerfGE 21, 362, 372: vgl. auch Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527, 531: "... kann sich ....lediglich auf einen Residualbestand rechtsstaatlicher Prinzipien beziehen, der erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit und die koordinierte Aufgabenwahrnehmung eines Trägers der öffentlichen Gewalt sicherzustellen"). Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt indes nur vor, wenn die staatliche Entscheidung von sachfremden Erwägungen geleitet ist (vgl. BVerfG 16.12.2014, 2 BvE 2/14, BVerfGE 138, 102, 116; BVerfG 25.01.2005, 2 BvR 656/99, BVerfGE 112, 185, 215 f; BVerfG 17.12.2001, 2 BvE 2/00, BVerfGE 104, 310, 325). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Nach der Gesetzesbegründung dienen die umstrittenen Regelungen der schnelleren Herstellung von Rechtsfrieden bei Abrechnungsstreitigkeiten. Die zweijährige Verjährungsfrist soll verhindern, dass – sich ggf. auch ändernde – höchstrichterliche Rechtsprechung zu abrechnungsrelevanten Vorschriften und Fragestellungen zur Wiederaufnahme bereits abgeschlossener Abrechnungsverfahren führt. Insoweit sind die vom Gesetzgeber getroffenen Maßnahmen jedenfalls nicht unvertretbar (vgl. auch ausführlich Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527, 532 f).“

Der Anspruch der Klägerin auf Verzinsung ergibt sich aus § 19 Abs. 3 des hier maßgeblichen Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 S. 1 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichts-ordnung (VwGO).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Die Festsetzung des Streitwerts in Höhe von
3.720,47 € folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3 sowie § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Zinsen wirken sich nicht streitwerterhöhend aus, da es sich insofern um Nebenforderungen handelt (§ 43 Abs. 1 GKG).



 

Rechtskraft
Aus
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