L 4 SO 129/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 SO 139/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 129/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 1/23 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


Zur Schlüssigkeit des Unterkunftskonzepts im Werra-Meißner-Kreis ab Mai 2018 


Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. März 2018 aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin im Zeitraum vom 1. Mai 2018 bis 30. Juni 2018 Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII über das angenommene Teilanerkenntnis vom 8. Februar 2021 und das angenommene Teilanerkenntnis vom 4. März 2021 hinaus auf der Grundlage einer monatlichen Brutto-Kaltmiete von 343,20 Euro zu gewähren.

Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind höhere monatliche Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe (SGB XII) u. a. zur Deckung von Bedarfen für Kosten der Unterkunft (KdU) für (noch) die Zeit vom 1. Mai 2018 bis 30. Juni 2018 im Streit.

Die 1950 geborene, verheiratete und von ihrem Ehemann getrennt lebende Klägerin bezog auf der Grundlage einer Antragstellung vom 30. Dezember 2014 seit 1. Februar 2015 Leistungen nach dem Dritten, seit 1. Mai 2015 nach Vierten Kapitel SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung). Seit 1. Januar 2015 bezog die Klägerin eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Höhe von 596,60 Euro (Stand: Juli 2017). Sie lebte seit April 1999 bis Juni 2018 allein in einer 77m² großen 3-Zimmer-Wohnung in der C-Straße in A-Stadt. Die Grundmiete betrug ursprünglich 308,00 Euro, die sog. kalten Nebenkosten 60,00 Euro, die Wohnung war mit einer Gasetagenheizung beheizt, die Warmwasserbereitung erfolgte durch einen dezentralen Gasboiler (vgl. Mietbescheinigung vom 28. August 2015, Bl. 79 Verwaltungsakte des Beklagten – VA); die Heizkostenvorauszahlung betrug (zunächst) 53,00 Euro. Die Kosten wurden vom Beklagten bis zum 30. Juni 2016 in vollem Umfang bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt. 

Mit Schreiben vom 16. April 2015 (Bl. 52 VA) informierte der Beklagte die Klägerin, dass die Unterkunftskosten der Klägerin nach seiner Auffassung für einen Ein-Personen-Haushalt unangemessen hoch seien, angemessen seien Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) in Höhe von 255,32 Euro. Die Klägerin wurde auch aufgefordert, Umstände zu benennen, die Einfluss auf die Angemessenheit der Unterkunft und die Zumutbarkeit Kosten senkender Maßnahmen haben könnten. Ab Juli 2015 legte die Klägerin mehrere Mietangebote vor, die der Beklagte nicht akzeptierte, weil die nach seiner Auffassung angemessene Brutto-Kaltmiete überschritten wurde. Mit Schreiben vom 12. November 2015 (Bl. 104 VA) forderte der Beklagte die Klägerin zur Senkung ihre Unterkunftskosten bis zum 31. Mai 2016 auf, angemessen sei eine Gesamtmiethöhe von 308,32 Euro (Brutto-Kaltmiete 255,32 Euro, Kosten der Heizung 53 Euro); ab 1. Juli 2016 könnten Kosten der Unterkunft nur in angemessener Höhe von derzeit 308,32 Euro übernommen werden. Mit Bescheid vom 8. Juni 2016 (Bl. 165 VA) teilte der Beklagte der Klägerin mit, ab Juli 2016 würden nur noch 274,56 Euro für die Brutto-Kaltmiete einschließlich Nebenkosten und 47,00 Euro an Heizkosten akzeptiert. Mit weiterem Bescheid vom 8. Juni 2016 (Bl. 167 VA) erfolgte die Weiterbewilligung der Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis 30. Juni 2017 Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung lediglich der nach Auffassung des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten. Den hiergegen am 19. Juni 2016 mit der Begründung eingelegten Widerspruch, mangels eines so genannten schlüssigen Konzepts müsse der Beklagte die Unterkunftskosten der WoGG-Tabelle mit einem 10%igen Sicherheitszuschlag berücksichtigen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2016 (Bl. 194 VA) als unbegründet zurück. Die hiergegen beim Sozialgericht Kassel erhobene Klage wies das Sozialgericht mit Urteil vom 7. September (Az. S 11 SO 119/16) im Wesentlichen als unbegründet ab. 

Auf ihren Antrag vom 26. April 2017 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 30. Juni 2017 (Bl. 320 ff VA) Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII unter Anrechnung ihres Renteneinkommens in Höhe von 596,90 Euro für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018 und berücksichtigte dabei von der tatsächlichen Brutto-Kaltmiete in Höhe von nunmehr 350 Euro lediglich den nach seiner Auffassung angemessenen Betrag in Höhe von 274,56 Euro. Die Heizkosten erkannte er in der tatsächlichen Höhe von monatlich 44,00 Euro an. Hiergegen legte die Klägerin am 26. Juli 2017 (Bl. 331 ff VA) Widerspruch ein und begründete dies damit, das zugrunde gelegte Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft leide an Mängeln im Bereich der Erhebung und Auswertung der Daten über die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt. Zur Bestimmung der Angemessenheit seien daher die Tabellenwerte des § 12 WoGG zzgl. 10 % heranzuziehen. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2017 (Bl. 364 ff VA) wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe keinen höheren monatlichen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen, er habe zutreffend auf der Grundlage des von Fa. Analyse & Konzepte N-Stadt erstellten Konzepts der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis (Stand März 2014) unter Berücksichtigung einer Indexfortschreibung (Stand November 2015) die angemessenen Unterkunftskosten für einen Ein-Personen-Haushalt in A-Stadt zugrunde gelegt. Die Klägerin sei im Rahmen des bereits im April 2015 eingeleiteten Kostensenkungsverfahrens darüber informiert, dass ihre Unterkunftskosten nicht angemessen seien und dass die Referenzmiete 274,56 Euro betrage. Ihr sei unter dem 12. April 2016 eine Auswahl an angemessenen Wohnungen im Raum A-Stadt benannt worden, hierauf habe die Klägerin nicht reagiert. Bevor die Senkung der Kosten auf die angemessene Höhe umgesetzt worden sei, seien die tatsächlichen Kosten für einen Zeitraum von insgesamt eineinhalb Jahren übernommen worden, mit 350 Euro überschreite die tatsächliche Bruttokaltmiete die Angemessenheitsgrenze um 75,44 Euro. Das zugrunde gelegte Konzept zur Bestimmung der Referenzmiete in A-Stadt sei nach den Urteilen des Sozialgerichts Kassel vom 7. September 2017 (Az. S 11 SO 119/16, S 11 AY 6/16 und S 11 SO 169/16) und vom 17. März 2016 (Az. S 8 AS 447/14) für schlüssig erachtet worden. Ähnliche Konzepte hätten verschieden Landessozialgerichte bestätigt. Der Rückgriff auf die Beträge nach dem WoGG sei daher ausgeschlossen. Die angemessene Wohnfläche betrage für einen Ein-Personen-Haushalt 50m2, die Wohnung der Klägerin sei folglich bereits 27m2 zu groß, die Angemessenheitsgrenze bezüglich der Wohnraumgröße werde überschritten. Auch die Höhe des Mietzinses sei nicht im Sinne des § 35 SGB XII angemessen. Trotz Kostensenkungsaufforderung habe die Klägerin keine ernsthaften Bemühungen unternommen, die Kosten zu senken oder sich eine kostenangemessene Wohnung zu suchen. Sie habe zwar im Zeitraum August 2015 bis April 2016 Mietangebote vorgelegt, dies hätten jedoch stets die Angemessenheitsgrenze überschritten. Auf eine Auswahl an angemessenen Wohnungen, welche er ihr unter dem 12. April 2016 benannt habe, habe sie nicht reagiert. Adäquater Wohnraum sei im Werra-Meißner-Kreis vorhanden und anmietbar. Grundsätzlich könne auf Wohnraum im gesamten Kreisgebiet verwiesen werden, es beständen keine begründeten Zweifel an der Zumutbarkeit eines entsprechenden Umzugs. Ein Härtefall sei weder erkennbar noch glaubhaft gemacht.

Gegen den ihr am 24. Oktober 2017 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin, am 1. November 2017 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben. Mit Bescheid vom 1. Dezember 2017 (Bl. 301 VA) hat der Beklagte zur Abwendung eines Eilantrags unter Abänderung des Bescheids vom 30. Juni 2017 ab 29. November 2017 der Klägerin vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens längstens bis zum Inkrafttreten eines neuen Konzepts zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft im Werra-Meißner-Kreis Unterkunftskosten nach den Werten der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlages von 10% (343,20 Euro/Monat) übernommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich einen Anspruch auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe der monatlichen Brutto-Kaltmiete von jetzt 350,00 Euro ab 1. Juli 2017 geltend gemacht, hilfsweise in Anlehnung an § 12 WoGG (einschließlich Sicherheitszuschlag) mindestens aber unter Zugrundelegung einer monatlichen Brutto-Kaltmiete von 343,20 Euro. Das Konzept der Firma Analyse & Konzepte vom März 2014 stelle kein vom BSG in ständiger Rechtsprechung gefordertes schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten dar. Der gesamte Werra-Meißner-Kreis werde als einziger Vergleichsraum mit zwei Wohnungsmarkttypen angenommen. Der Beklagte hat an den angefochtenen Bescheiden festgehalten. 

Mit Urteil vom 21. März 2018 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 30. Juni 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2017 abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin im Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018 ab 1. Juli 2017 Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII auf der Grundlage einer monatlichen Brutto-Kaltmiete von 343,20 Euro zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Sozialgericht hat zur Begründung Folgendes ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien - soweit sie angefochten seien - teilweise rechtswidrig Der Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2018 ab dem 1. Juli 2017 unter Anrechnung der vom Beklagten bereits in Höhe von monatlich 274,56 Euro berücksichtigten Kosten Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII auf der Grundlage einer monatlichen Brutto-Kaltmiete von 343,20 Euro zu gewähren, nicht jedoch darüber hinaus. Die vom Beklagten zugrunde gelegte Angemessenheitsobergrenze könne für die Bestimmung der hier maßgebenden Angemessenheitsgrenze nicht herangezogen werden. Das vom Beklagten verwendete Konzept/Gutachten der Firma Analyse & Konzepte, Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis, in der hier - wenn auch fortgeschriebenen - nach wie vor aber maßgeblichen, auf einer in 2013 erfolgten Datenerhebung fußenden Fassung des Endberichts vom März 2014 entspreche auch nach Überzeugung der erkennenden Kammer nicht den durch das BSG aufgestellten Vorgaben für die Festlegung einer Mietobergrenze für den streitigen, hier zu entscheidenden Rechtsstreit. 

Das Urteil ist den Beteiligten am 10. April 2018 zugestellt worden. 

Am 18. April 2018 haben die Klägerin und der Beklagte am 7. Mai 2018 Berufung (Az. L 4 SO 66/18) eingelegt. Zum 1. Juli 2018 ist die Klägerin in ihre heutige Wohnung in der A-Straße, A-Stadt, umgezogen. Mit Beschluss vom 31. Januar 2019 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens auf Antrag der Beteiligten angeordnet. Am 2. Juni 2020 ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen L 4 SO 129/20 fortgesetzt worden. Der Beklagte hat mitgeteilt, er habe auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG vom 30. Januar 2019 (Az. B 14 AS 10/18 R und B 14 AS 24/18 R u. a.) von der Möglichkeit einer Nachbesserung für die Zeit von Juli 2017 bis April 2018 Gebrauch gemacht. Der im Parallelverfahren der Beteiligten (Az. L 4 SO 81/20) durch den Beklagten vorgelegte Korrekturbericht der Fa. Analyse & Konzepte vom 20. Mai 2020 ist vom Senat mit dem dortigen Schriftsatz des Beklagten vom 2. Juni 2020 beigezogen worden. Die Klägerin hat aus einem gleichgelagerten Verfahren vor dem Sozialgericht Kassel (Az. S 12 SO 140/18) die Rohdaten für die Mietwerterhebung 2013 vorgelegt (Bl. 231 ff GA). Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2021 (Bl. 393 f GA) hat der Beklagte unter Anrechnung bereits erbrachter Zahlungen Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 343,20 Euro (§ 12 WoGG + 10%) für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30. April 2018 anerkannt und seine Berufung insoweit zurückgenommen. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und das Verfahren hinsichtlich der Zeit vom 1. Juli 2017 bis 30. April 2018 für erledigt erklärt (Bl. 395 GA). Mit Schriftsatz vom 16. November 2022 (Bl. 428 GA) hat der Beklagte klargestellt, dass er bereits mit Schriftsatz vom 4. März 2021 (Bl. 402 f GA) ein Teilanerkenntnis hinsichtlich der Gewährung weiterer 33,28 Euro monatlich für den Leistungszeitraum Mai und Juni 2018 (insgesamt 66,56 Euro) abgegeben habe. Am 17. November 2022 hat die Klägerin dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Klägerin begehrt weiterhin die tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Zwar überstiegen diese die angemessenen Kosten der Unterkunft nach § 35 SGB XI um 6,80 Euro monatlich. In Anwendung des Rechtsgedankens aus § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II und der aufgrund der niedrigeren Überdeckung entsprechenden Unzumutbarkeit des Umzugs – auch im Hinblick auf die vergleichsweise niedrigen Heizkosten – seien die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 23. März 2010 (Az. B 8 SO 24/08 R) grundsätzlich zum Ausdruck gebracht, dass Zumutbarkeitserwägungen wie in § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II geregelt in § 35 SGB XII vorgesehen seien. Dies müsse auch bei einer sehr niedrigen Überdeckung der Kosten der Unterkunft möglich sein, die vorliegend sogar dazu führen würde, dass sie bei der Berücksichtigung insbesondere angemessener Kosten der Heizung sogar eine teurere Wohnung bewohnen könne. Hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit eines Umzuges müsse auf die mündliche Verhandlung abzustellen und nicht auf das Datum der Kostensenkungsaufforderung. 
Die Klägerin trägt weiterhin ausführlich zu dem Konzept zur Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten vom März 2014 vor, insbesondere wegen der unsachgemäßen Bildung von nicht gemeinsam zu beurteilenden „Wohnorten“ nicht schlüssig sei, die Fortschreibung habe die konzeptionellen Mängel nicht beseitigen können. Konsequenz hieraus sei die Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen anhand der Werte in § 12 WoGG unter Berücksichtigung eines 10%igen Sicherheitszuschlages.
Für den hier relevanten Vergleichsraum III werde der Beklagte gebeten, die Daten der Großvermieter insoweit aufzuschlüsseln als erkennbar sei, wie viele Mietdaten stammten. Erst dann könne geprüft werden, inwieweit die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 2. April 2019 (Az. L 6 AS 467/17) auf das vorliegend streitige Gutachten ggf. unmittelbar anwendbar sei. 

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), 

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 21. März 2018 den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Mai 2018 bis 30. Juni 2018 monatlich weitere 6,80 Euro für die Kosten der Unterkunft zu gewähren und

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. März 2018 abzuändern, soweit er verurteilt wurde, der Klägerin im Zeitraum vom 1. Mai 2018 bis 30. Juni 2018 Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII über das angenommene Teilanerkenntnis vom 8. Februar 2021 und das angenommene Teilanerkenntnis vom 4. März 2021 hinaus auf der Grundlage einer monatlichen Brutto-Kaltmiete von 343,20 Euro zu gewähren, und die Klage auch insoweit abzuweisen sowie

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt ausführlich zu dem Konzept zur Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten vom März 2014 und der Indexfortschreibung vom November 2015 vor. Die Angemessenheitsgrenze für die Monate Mai und Juni 2018 richte sich nach dem neuen Konzept für einen Ein-Personen-Haushalt im Mittelzentrum A-Stadt, dieses sei im Sinne der BSG-Rechtsprechung schlüssig. Es sei selbstverständlich, dass bei der Leistungsberechnung für die Monate Mai und Juni 2018 sich der Angemessenheitsrichtwert für die Kosten der Unterkunft (Brutto-Kaltmiete) für einen Ein-Personen-Haushalt im Vergleichsraum III in Höhe von 307,84 Euro zugrunde zu legen sei. Er werde der Klägerin entsprechend seines Teilanerkenntnisses vom 4. März 2021, dementsprechend für die Monate Mai und Juni 2018, unter Anrechnung der für diesen Zeitraum bereits berücksichtigten Zahlungen, Unterkunftskosten auf der Grundlage einer Brutto-Kaltmiete in Höhe von 307,84 Euro gewähren. Soweit der Klägerin in den streitgegenständlichen Bescheiden lediglich ein Betrag von monatlich 274,56 Euro bewilligt worden sei, wären ihr sodann endgültig weitere 33,28 Euro monatlich für Mai und Juni 2018, insgesamt 66,56 Euro nachträglich zu bewilligen. Mit 307,84 Euro habe das neue Konzept noch nicht den Höchstbetrag nach der Wohngeldtabelle erreicht, der in der Mietstufe 1 bei 312,00 Euro liege, geschweige denn den vorgenommenen 10%igen Aufschlag. Die Brutto-Kaltmiete, die das Sozialgericht aufgrund der Annahme eines völligen Erkenntnisausfalls für einen Ein-Personen-Haushalt in A-Stadt für angemessen erachte, liege um ca. 36 Euro über dem Betrag nach dem neuen Konzept. Das Sozialgericht habe aber prüfen müssen, ob für die aus seiner Sicht in Betracht kommenden Vergleichsräume ausreichend Datenmaterial vorhanden sei, um angemessene Unterkunftskosten für die einzelnen Vergleichsräume festlegen zu können. In dem neuen Konzept seien für das Kreisgebiet vier Vergleichsräume gebildet worden. Die Mittelzentren im Kreis mit den ihnen zugeordneten Gemeinden bildeten jeweils einen Vergleichsraum. Für dieses Konzept seien zum Stichtag 1. November 2017 Mietdaten erhoben worden. 
Unter Vorlage einer Stellungnahme der Fa. Analyse und Konzepte S. GmBH vom 5. Oktober 2020 (Bl. 385 f GA) trägt der Beklagte weiter vor, Analyse und Konzepte habe im Rahmen der Mietwerterhebung 2017 insgesamt 13 große Vermieter identifiziert, wobei sich fünf an der Erhebung beteiligt hätten. Für den Vergleichsraum III seien insgesamt 887 Daten von institutionellen Vermietern berücksichtigt; davon 251 Datensätze der Dr. E. AG, 520 Datensätze der Gemeinnützigen A-Stadter Wohnungsgenossenschaft und 116 der G. Das Bundessozialgericht habe lediglich die Berücksichtigung von Mieten verschiedener Vermietergruppen gefordert, um dem jeweiligen Wohnungsmarkt gerecht zu werden. Eine marktgleiche Verteilung im Datensatz werde indessen nicht gefordert.

Mit Schriftsatz vom 16. November 2022 (Bl. 428 GA) haben der Beklagte und die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. November 2022 (Bl. 419 GA) jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt. 


Entscheidungsgründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2017, soweit der Beklagte damit Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Monate Mai und Juni 2018 gewährt hat. Durch das angenommene Teilanerkenntnis des Beklagten vom 8. Februar 2021 und seine Erklärung der (Teil-)Rücknahme der Berufung bzw. der Erledigungserklärung der Klägerin, welche als (Teil-)Rücknahme ihrer Berufung insoweit zu werten ist, ist der Rechtsstreit bezüglich des Zeitraums 1. Juli 2017 bis 30. April 2018 in der Hauptsache erledigt. Durch die Annahme des weiteren Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 4. März 2021 hat sich weiterhin der Rechtsstreit in der Hauptsache auch hinsichtlich des Leistungszeitraums Mai und Juni 2018 in Höhe weiterer 33,28 Euro monatlich erledigt, da sich der Beklagte nunmehr bereit erklärt hat, unter Anrechnung der für diesen Zeitraum bereits berücksichtigten Zahlungen Unterkunftskosten auf der Grundlage einer Brutto-Kaltmiete in Höhe von 307,84 Euro zu gewähren. Im Streit sind somit aufgrund der Berufung des Beklagten die Differenz zwischen der nunmehr anerkannten Brutto-Kaltmiete in Höhe von 307,84 Euro monatlich nach dem „Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft“ vom 18. Mai 2018 (Anlage zu Bl. 124 GA) und 343,20 Euro monatlich nach dem mit der Berufung angefochtenen Urteil, mithin 35,36 Euro monatlich, bzw. aufgrund der Berufung der Klägerin die Differenz zwischen 343,20 Euro monatlich nach dem mit der Berufung angefochtenen Urteil und der tatsächlichen Brutto-Kaltmiete in Höhe von 350 Euro monatlich, mithin 6,80 Euro monatlich.

Die vom Sozialgericht zugelassenen Berufungen (§ 144 Abs. 3 SGG) der Beteiligten sind zulässig. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet, soweit er über die angenommenen Teilanerkenntnisse hinaus verurteilt wurde, der Klägerin Leistungen unter Berücksichtigung einer Brutto-Kaltmiete in Höhe von 343,20 Euro zu bewilligen. Die Berufung der Klägerin ist dagegen unbegründet, denn sie hat keinen Anspruch auf die Berücksichtigung der tatsächlichen Brutto-Kaltmiete bei der Berechnung ihrer Grundsicherungsleistungen. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2017 in der Fassung der angenommenen Teilanerkenntnisse vom 8. Februar 2021 und 4. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen ist § 41 Abs. 1 SGB XII (i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften vom 21. Dezember 2015, BGBl. I 2557 m. W. v. 1. Januar 2016) wonach leistungsberechtigt nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ältere und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland sind, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 SGB XII bestreiten können.

Die 1950 geborene Klägerin war im Mai und Juni 2018 dem Grunde nach gemäß § 41 Abs. 1 SGB XII berechtigt, Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu beziehen, denn sie hatte die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht und bezog seit 1. Januar 2015 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Höhe von 596,60 Euro monatlich. Diese Rente reichte nicht aus, ihren Grundsicherungsbedarf voll zu decken; zugleich verfügte die Klägerin über kein einsatzpflichtiges Vermögen i. S. v. § 43 SGB XII (i.d.F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016, BGBl. I 3159, m. W. v. 1. Juli 2017).

Die Bedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII umfassen gem. § 42 SGB XII (i.d.F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016, BGBl. I 3159, m. W. v. 1. Juli 2017): 

1. die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28; § 27a Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 und 2 ist anzuwenden; § 29 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 bis 5 ist nicht anzuwenden,
2. die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels,
3. die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach dem Dritten Abschnitt des Dritten Kapitels, ausgenommen die Bedarfe nach § 34 Absatz 7,
4. Bedarfe für Unterkunft und Heizung 
a) bei Leistungsberechtigten außerhalb von Einrichtungen nach § 42a,
b) bei Leistungsberechtigten, deren notwendiger Lebensunterhalt sich nach § 27b bestimmt, in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes im Bereich des nach § 46b zuständigen Trägers,
5. ergänzende Darlehen nach § 37 Absatz 1 und Darlehen bei am Monatsende fälligen Einkommen nach § 37a.

Die Bemessung der Bedarfe gem. § 42 Nr. 1 bis 3 und 5 SGB XII durch den Beklagten im streitgegenständlichen Verwaltungsakt begegnen – was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist und insbesondere auch von der Klägerin nicht geltend gemacht wird – keinen Bedenken. 

Streitig sind allein die Bemessung der Bedarfe für Unterkunft bei Leistungsberechtigten außerhalb von Einrichtungen nach §§ 42 Nr. 4, 42a Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 35 SGB XII (i.d.F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016, BGBl. I 3159, m. W. v. 1. Juli 2017; a. F.). Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII a.F. werden Bedarfe für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie nach § 35 Abs. 2 SGB XII a.F. insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Absatz 2 zu berücksichtigen sind, anzuerkennen (Satz 1). Dies gilt so lange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2). 

Die Klägerin hat, nachdem der Beklagte unter Zugrundlegung des „Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft“ vom 18. Mai 2018 für den noch streitgegenständlichen Leistungszeitraum Mai und Juni 2018 die Berücksichtigung einer Brutto-Kaltmiete von 307,84 Euro monatlich für die Berechnung der Kosten der Unterkunft anerkannt hat, keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Deckung der Bedarfe für ihre Unterkunft. Denn ihre tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 350 Euro monatlicher Brutto-Kaltmiete sind abstrakt und konkret unangemessen hoch. Weiterhin hat der Beklagte ein ordnungsgemäßes Kostensenkungsverfahren durchgeführt.

Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (siehe nur BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R Rn. 19; s. auch BSG, Urteil vom 17. September 2020 - B 4 AS 22/20 R Rn. 23 ff. m.w.N.) in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln. Sodann ist die konkrete Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen - insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen einschließlich eines Umzugs - zu prüfen. Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der sog. Produkttheorie (Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen. Zunächst ist die (abstrakt) angemessene Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en) zu bestimmen, sodann der angemessene Wohnungsstandard. Anschließend ist die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept unter Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten zu ermitteln (BSG, Urteil vom 17. September 2020 - B 4 AS 22/20 R Rn. 24 m.w.N.).

Die Prüfung der Angemessenheit setzt dabei eine im Streitfall gerichtlich voll zu überprüfende Einzelfallentscheidung voraus, die in mehreren Schritten erfolgt. Kernstück der Prüfung ist die auf Grundlage der Produkttheorie erfolgte Festlegung einer abstrakt angemessenen Mietobergrenze, d. h. des im Vergleichsraum zur Existenzsicherung ausreichenden Referenzwerts, die eine Auswertung der vorliegenden Daten über die marktüblichen Wohnungsmieten zur Bestimmung des zur Existenzsicherung ausreichenden Betrags im Wege eines planmäßigen Vorgehens des Trägers erfordert (sog. „schlüssiges Konzept“; BSG, Urteil vom 2. September 2021 – B 8 SO 13/19 R – juris, Rn. 17; vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263). Die abstrakte Angemessenheitsprüfung von Kosten der Unterkunft und Kosten der Heizung erfolgt dabei voneinander getrennt (stRspr seit BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41). Auch dies gilt im Anwendungsbereich des § 35 SGB XII in gleicher Weise (BSG, Urteil vom 2. September 2021 – B 8 SO 13/19 R – juris, Rn. 17). Der Bestimmung der abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft muss ein Konzept zugrunde liegen, das sich auf die regionalen Besonderheiten des Vergleichsraums bezieht. Die Erstellung eines solchen Konzepts, das - insbesondere was die Auswahl der zugrundeliegenden Daten betrifft - aus unterschiedlichen methodischen Ansätzen heraus erarbeitet werden kann, obliegt nach der Rechtsprechung des BSG dem kommunalen Träger, nicht dem Gericht. Gerichte sind zwar zur Herstellung der Spruchreife der Sache verpflichtet, aber nicht befugt, ihrerseits ein schlüssiges Konzept - ggf. mit Hilfe von Sachverständigen - zu erstellen (grundlegend: BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R - BSGE 127, 214; vgl. auch BSG, Urteil vom 2. September 2021 – B 8 SO 13/19 R – juris, Rn. 18).

Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße beträgt für die in Hessen alleinlebende Klägerin 50 m². Für die abstrakt angemessene Wohnungsgröße ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr.; vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254; BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 45/14 R –, Rn. 15, juris). In Ermangelung anderweitiger Erkenntnisquellen richten sich die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau grundsätzlich nach § 10 WoFG i.V.m. den Ausführungsbestimmungen der Länder über die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, und zwar aus den im streitigen Zeitraum gültigen Bestimmungen (vgl. zum Maßstab BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 73/08 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 34, Rn. 22; Hessisches LSG, Urteil vom 16. Dezember 2011 – L 7 AS 110/08 –, Rn. 42, juris). Nach der Anlage 1 zum Erlass „Ausstellung von Bescheinigungen über die Wohnberechtigung nach § 5 des Hessischen Wohnungsbindungsgesetzes (HWoBindG) beziehungsweise nach § 17 des Hessischen Wohnraumfördergesetzes (HWoFG) sowie von Berechtigungsbescheinigungen zum Bezug von Wohnungen der Vereinbarten Förderung (§§ 88d und 88e des Zweiten Wohnungsbaugesetzes)“ des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 22. Juli 2014 (Staatsanzeiger für das Land Hessen Nr. 32/2014 S. 645, 647) beträgt für Hessen die angemessene Wohnungsgröße für eine Person bis 50 m2. Dass nach dem hier streitgegenständlichen „Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft“ vom 18. Mai 2018, welches der Beklagte nunmehr nach angenommenen Teilanerkenntnis vom 4. März 2021 zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze zugrunde legt, die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für einen Ein-Personen-Haushalt aufgrund der regionalen Wohnungsgrößenstruktur auf 52m2 angehoben wurde, begegnet keinen Bedenken, da es die Klägerin begünstigt und darüber hinaus sachlich nachvollziehbar damit begründet wurde, dass sich damit der Anteil relevanter Wohnungen (der Größe bis 52m2) im Kreisgebiet des Beklagten auf 20% erhöht (vgl. Anlage 1, Abb. 3 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018).

Dabei hat der Beklagte den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum unter Berücksichtigung der ihm zustehenden Methodenwahl in seinem Konzept vom 18. Mai 2018 in nicht zu beanstandender Weise ermittelt. Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist. Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (stRspr.; BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, BSGE 127, 214, juris Rn. 22). Soweit in der Rechtsprechung des BSG für Großstädte insbesondere zur Vermeidung einer sozialen Segregation das gesamte Stadtgebiet als ein Vergleichsraum angesehen wurde, ist dies auf Flächenlandkreise nicht ohne Weiteres übertragbar. Gleiches gilt für die Rechtsprechung zu kleineren, aber kreisfreien Städten mit ca. 35 000 Einwohnern (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, BSGE 127, 214, juris Rn. 32). Dabei bildet zunächst das Zuständigkeitsgebiet eines Sozialhilfeträgers einen Vergleichsraum, der indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen sein kann, für die jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmt werden können. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen, sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveau in Betracht (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, BSGE 127, 214, juris Rn. 23).

Die Unterteilung des Werra-Meißner-Kreises in vier kleinere Vergleichsräume ist als solches danach vor dem Hintergrund der im angefochtenen Urteil beschriebenen inhomogenen Lebens-, Wohn- und Infrastrukturverhältnisse im Landkreis nicht zu beanstanden. Die weiterhin im „Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft“ vom 18. Mai 2018 für die Bildung der vier Vergleichsräume im Landkreis im Landkreis angewendeten Maßstäbe sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Beklagte hat die Mittelbereiche im Werra-Meißner-Kreis als Vergleichsräume definiert, welche sich zusammensetzen aus den jeweiligen Mittelzentren (C-Stadt, D-Stadt, A-Stadt und E-Stadt) und den im dazu gehörigen Mittelbereich gelegenen Kommunen – im Fall des hier relevanten Mittelzentrums A-Stadt die Gemeinden F-Stadt, G-Stadt, H-Stadt, I-Stadt, J-Stadt, K-Stadt und die Städte L-Stadt und M-Stadt. Die vier Vergleichsräume entsprechen den vom Bundesinstitut für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) definierten Mittelbereichen für die politische Regionalplanung. Es handelt sich dabei um die Verflechtungsbereiche um ein Mittelzentrum herum im Hinblick auf die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, der Infrastrukturen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge sowie der beruflichen Mobilität. Für das Land Hessen sind die Mittelzentren im Landesentwicklungsplan 2000 (LEP 2000) bestimmt worden. Entsprechend ihrer jeweiligen Lage im Raum können danach sog. zentrale Orte unterschiedliche Funktionen wahrnehmen. Im Ordnungsraum sind sie insbesondere Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung und Gliederung der polyzentralen Siedlungsstruktur nach dem Grundsatz der „dezentralen Konzentration“. In den ländlichen Räumen sind sie als Zentren städtischen Lebens und als Arbeitsmarktschwerpunkte für eine nachhaltige Entwicklung des Raumes und zur Erhaltung der Kulturlandschaft besonders bedeutsam (LEP 2000 Ziff. 4.2.3). Mittelzentren haben danach mittelstädtischen Charakter und weisen möglichst 7.000 Einwohner im zentralen Ortsteil auf. Sie sind Standorte für gehobene Einrichtungen im wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und politischen Bereich, sowie für weitere private Dienstleistungen. Sie sind Verknüpfungspunkte der öffentlichen Nahverkehrsbedienung. Der Mittelbereich umfasst mind. 40.000 Einwohner und unterschreitet im ländlichen Raum nicht die Zahl von 20.000 Einwohnern (LEP 2000 Ziff. 4.2.2.2.). Mittelzentren können auf Grund ihrer Größe, regionalen Bedeutung und Ausstattung mit oberzentralen Einrichtungen in Teilbereichen Versorgungsaufgaben für den Oberbereich erfüllen. Sie sind gekennzeichnet durch Einrichtungen zur Deckung des periodischen Bedarfs; sie weisen beispielhaft folgende Infrastruktur auf: Kultur u. Bildung (Studienqualifizierende Bildungsgänge, Berufsqualifizierende Bildungsgänge, Sonderpädagogische Beratungs- und Förderzentren, öffentliche Bibliothek mit hauptberuflicher Leitung, regional bedeutsames Museum), Soziales u. Sport (Krankenhaus d. Zentral-/Regional-/Grundversorgung, umfassende Facharztversorgung, soziale Beratungsstellen, Frauenhaus, regional bedeutsame Sportstätten), Verkehr (Haltepunkt im schienengebundenen Regionalverkehr mit Verknüpfung zum straßengebundenen ÖPNV, Stadtbussystem), Verwaltung und Gerichte (Behörden der unteren Verwaltungsebene, Gerichte der unteren Instanz). Im ländlichen Raum erfüllen manche zentralen Orte nur in Teilbereichen mittelzentrale Funktionen und ergänzen so die Versorgungsaufgabe der voll entwickelten Mittelzentren (LEP 2000 Ziff. 4.2 Begründung). Mittelzentren sollen ferner von den im Mittelbereich wohnenden Einwohnern bei mehrfachen Hin- und Rückfahrgelegenheiten innerhalb einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein (LEP 2000 Ziff. 4.2 Begründung). Die um die Mittelzentren des Werra-Meißner-Kreises in die jeweiligen Vergleichsräume einbezogenen Städte und Gemeinden des jeweiligen Mittelbereiches erfüllen insbesondere das Kriterium der verkehrstechnischen Erreichbarkeit, denn jede Kommune kann ihr nach der Raumplanung zugehöriges Mittelzentrum innerhalb von maximal 51 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden (S. 12 und S. 13, Tab. 3 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018), die Stadt A-Stadt als Mittelzentrum des Vergleichsraums III innerhalb von maximal 47 Minuten (S. 13 Tab. 3 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Damit sind auch die für erwerbstätige Pendler nach § 140 Abs. 4 Satz 2 SGB III (i. d. F. des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, BGBl. I 2854 m. W. 1. April 2012) zumutbaren Zeiten von zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 42, juris Rn. 24) eingehalten. 

Weiterhin wurden die angemessenen Unterkunftskosten hinsichtlich der Bruttokaltmiete nach einem schlüssigen Konzept ermittelt. 

Ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Netto- oder Bruttokaltmiete erfordert ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum unter Beachtung von mehreren, von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Mindestvoraussetzungen, die auch die Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung betreffen (BSG, Urteil vom 17. September 2020 - B 4 AS 22/20 R - juris Rn. 27 m.w.N.). Das schlüssige Konzept soll die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von „Brennpunkten“ durch soziale Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt wird (BSG, Urteil vom 17. September 2020 - B 4 AS 22/20 R - juris Rn. 28 m.w.N.; BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R –, BSGE 127, 214, juris Rn. 24). Ob diese generellen Anforderungen in Bezug auf ein bestimmtes Konzept erfüllt sind, ist eine Frage tatrichterlicher Beweiswürdigung. Die gerichtliche Kontrolle von Konzepten zu den Wohnkosten ist dabei eine nachvollziehende im Sinne einer Verfahrenskontrolle; die Methodenauswahl ist dem Leistungsträger vorbehalten, und es ist nicht Aufgabe des Gerichts, ein unschlüssiges Konzept (ggf. mit sachverständiger Hilfe) schlüssig zu machen. Einer ins Einzelne gehenden Überprüfung bestimmter Detailfragen (etwa Einzelheiten der Repräsentativität und Validität der dem konkreten Konzept zugrunde gelegten Daten) bedarf es daher erst dann, wenn fundierte Einwände erhoben werden, die insbesondere über ein Bestreiten der Stimmigkeit bestimmter Daten hinausgehen müssen (BSG, Urteil vom 17. September 2020 - B 4 AS 22/20 R – juris Rn. 29 f; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. November 2021 – L 20 SO 266/18 – juris Rn. 80).

Die methodische und empirische Bestimmung der angemessenen Wohnungskosten im vorliegend zu überprüfenden Konzept ist unter Berücksichtigung dieses Maßstabs nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat auch gegen die Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten im von dem Beklagten verwendeten Konzept von Analyse & Konzepte vom 18. Mai 2018 keinerlei Einwände benannt; es hätte jedoch fundierter Einwände bedurft, um Detailfragen näher zu überprüfen.  

Zunächst ergibt sich eine Datenerhebung im gesamten Kreisgebiet. Im streitgegenständlichen Bericht „Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft“ vom 18. Mai 2018 wird nachvollziehbar ausgeführt, dass eine eigenständige Datenerhebung – die sog. Mietwerterhebung – über den gesamten Vergleichsraum, nämlich die Mittelbereiche im Werra-Meißner-Kreis, erfolgt ist, die sowohl Bestands- als auch Neuvertrags- und Angebotsmieten umfasst (S. 2 „Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft“ vom 18. Mai 2018). Das Konzept macht transparent, dass das untere Marktsegment über die Mietpreise abgebildet wurde, dass und warum deshalb bestimmte Wohnungen in die Auswertungen einbezogen bzw. nicht einbezogen worden seien. Dabei orientiert sich das Konzept z. T. ausdrücklich an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Herausnahme von Wohnungen des Luxussegments, die explizit als solche vermarktet bzw. erkennbar gewesen seien (z.B. mit Sauna oder Penthouse- und Maisonette-Wohnungen) wird nachvollziehbar damit erläutert, dass solche Wohnungen üblicherweise zu deutlich höheren Mieten vermarktet werden. Die Nichtberücksichtigung von Einfamilienhäusern, von Wohnungen in Wohn- und Pflegeheimen, von (teil-)gewerblich genutzten Wohnungen mit Gewerbemietvertrag, von mietpreisreduzierten Werkswohnungen sowie von Wohnungen, die für Freundschaftspreise vermietet werden, sind ebenfalls unbedenklich, denn solche Wohnungen unterliegen kalkulatorischen Besonderheiten, so dass eine Einbeziehung das Risiko der Verfälschung der zu erhebenden Werte mit sich bringen würde. Dies gilt auch für die Herausnahme möblierter Wohnungen, da dort eine Unterscheidung zwischen Netto-Kaltmiete und Zahlungen für Möblierung nicht möglich ist (vgl. ebenso LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 6. September 2021 – L 20 SO 308/18, juris Rn. 42 und vom 24. April 2017 – L 20 SO 418/14 – juris Rn. 77). Die Einbeziehung nicht nur von Angebots-, sondern auch von Bestandsmieten entspricht dabei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R juris Rn. 24). 

Der Bericht „Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft“ vom 18. Mai 2018 stellt auch den Beobachtungszeitraum hinreichend dar. Die Datenerhebung der Bestandsmieten hat von November 2017 bis Januar 2018 unabhängig vom Erhebungsdatum jeweils zum Stichtag 1. November 2017 stattgefunden (S. 19 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018), die Angebotsmieten wurden im Zeitraum August 2017 bis Januar 2018 erfasst (S. 21 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Ferner wird im Einzelnen die Art und Weise sowie den Umfang der Erhebung dargestellt (S. 18 bis 23 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Damit ist die Erhebung valide. Dies ist dann der Fall, wenn wirklich das gemessen worden ist, was habe gemessen werden sollen, bzw. wenn die erhobenen Daten auch tatsächlich die Fragen beschreiben, die erforscht werden sollen. Für die Schlüssigkeit der Ermittlung angemessener Unterkunftskosten heißt dies, dass ein breites Spektrum der Mietwohnungen in die Datenerhebung Eingang gefunden haben muss, wobei Wohnraum, der keinen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten gebe, unberücksichtigt zu bleiben hat (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. April 2017 – L 20 SO 418/14 –, Rn. 81, juris). Die Erhebung durch die vom Beklagten beauftragte Fa. Analyse & Konzepte hat diese Anforderungen beachtet. Das Konzept macht deutlich, dass die Erhebung ihrem definierten Gegenstand nach sachgerecht durchgeführt worden ist. Wohnungen in Wohn- und Pflegeheimen, gewerblich oder teilgewerblich genutzte Wohnungen, mietpreisreduzierte Werkswohnungen, Wohnungen mit Freundschaftsmieten, möblierte Wohnungen und Ferienwohnungen sind über sog. Filterfragen ausgeschlossen worden (S. 17 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Darüber hinaus ist die Erhebung breit gefächert nicht nur bei größeren Vermietungs- und Verwaltungsgesellschaften, sondern auch bei kleineren Vermietern und einer Vielzahl von Mieterhaushalten durchgeführt worden, wofür Adressdaten von den Abfallbewirtschaftungsbetrieben des Landkreises zur Verfügung gestellt wurden. Aus diesen sind diejenigen Adressen identifiziert und ausgeschlossen worden, für die von den größeren Vermietern und Verwaltern Mietdaten bereits zur Verfügung gestellt wurden. Insgesamt wurden sodann rund 3.500 kleinere Vermieter zufällig ausgewählt, angeschrieben und um eine freiwillige Teilnahme an der Befragung gebeten (S. 17 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Ergänzend wurden Mieten aus dem SGB II-Datensatz des örtlichen Jobcenters bereinigt um Wohnungen mit unvollständigen Angaben, Eigentumswohnungen und Wohnungen, die bereits erfasst waren, ausgewertet, was im Ergebnis zur Erhebung von 5.941 Mietwerten im Kreisgebiet führte, von denen 3.169 auf den Vergleichsraum III entfielen (S. 19 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Inhaltlich sind Daten zur Wohnungsgröße, Nettokaltmiete, ferner zu kalten Betriebs- sowie Heiz- und Warmwasserkosten (jeweils Vorauszahlungsbetrag) erhoben worden; dies entspricht den nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Festlegung einer abstrakten Angemessenheitsgrenze notwendigen Informationen. Ferner wurden 505 Angebotsmieten ermittelt, insgesamt lagen damit der Datenerhebung 6446 Mieten zugrunde. Die erhobenen Daten wurden zur Erstellung einer einheitlichen Datenbasis u. a. auf die Netto-Kaltmiete pro Quadratmeter umgerechnet und den jeweiligen Vergleichsräumen und Wohnungsgrößenklassen zugeordnet. Von den tabellenrelevanten Mieten ist zur Eliminierung sog. Ausreißer innerhalb der einzelnen Tabellenfelder (Wohnungsgrößen) in Anwendung des wissenschaftlich gebräuchlichen 95-%-Konfidenzintervalls eine Extremwertkappung vorgenommen worden (S. 20 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Verblieben sind nach der Extremwertkappung 2.884 Mieten, die (für das Kreisgebiet) Eingang in die Auswertung gefunden haben. Damit entspricht der Datensatz ausgehend von den nach dem Bericht (S. 17 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018) 18.893 zu Wohnzwecken genutzten Wohnungen rund 15% des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes und ist als repräsentativ einzustufen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R –, Rn. 16, juris). Ausweislich des Berichts vom 15. Mai 2018 sind zudem die Fallzahlen für die einzelnen Tabellenfelder mit 34 bis 493 Mietwerten noch hinreichend groß, um etwa einem qualifizierten Mietspiegel zu Grunde gelegt zu werden (S. 21 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018), sie sind damit auch hinreichend repräsentativ (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. April 2017 – L 20 SO 418/14 –, Rn. 86, juris).

Nicht zu beanstanden und nachvollziehbar dargestellt ist, dass zur Bestimmung des angemessenen Marktsegments das untere Wohnungsmarktsegment aus den örtlichen Verhältnissen abgeleitet wurde, um eine Versorgung der Bedarfsgemeinschaften mit Wohnraum im unteren Wohnungsmarktsegment sicherzustellen und eine räumliche Konzentration von Leistungsempfängern zu verhindern (S. 24). Dabei wurden unter Heranziehung statistischer Daten der Bundesagentur für Arbeit, des Hessischen Statistischen Landesamtes, des Statistischen Bundesamtes und des Zensus konkurrierende Nachfragergruppen, die auf den gleichen preiswerten Wohnraum angewiesen sind, insbesondere Wohngeldempfänger, Geringverdiener ohne Leistungsbezug und Leistungsbezieher nach dem AsylbLG berücksichtigt (S. 24 und S. 25 Tab. 9 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018) dem Angebot – getrennt für jede Haushaltsgröße - gegenübergestellt (S. 26 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Mit einem iterativen (Annäherungs-)Verfahren wurde der Umfang des zur Verfügung stehenden Wohnungsangebotes an die Nachfrage der Leistungsempfänger im unteren Wohnungsmarktsegment an die Nachfrage der Leistungsempfänger im unteren Wohnungsmarktsegment angepasst, um den Wohnungsmarkt durch die Höhe der Transferleistungen so gering wie möglich zu beeinflussen, gleichzeitig aber auch ein ausreichendes Wohnungsangebot für die Leistungsempfänger zu gewährleisten (S. 27 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Hierzu wurden Bestandsmieten, Neuvertrags- und Angebotsmieten iterativ zueinander in Beziehung gesetzt (S. 28 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018) und aus der Verteilung der Bestandsmieten ein Perzentil definiert, das die Ausgangssituation bestimmt. Soweit die Anteile der erfassten Wohnungsangebote, die zu den auf Basis der Bestandmieten abgeleiteten Perzentilen in den jeweiligen Wohnungsmarkt verfügbar waren, zu hoch oder zu niedrig lagen, wurden solange erhöhte oder reduzierte Perzentile iterativ geprüft, bis die Angebotsanteile als ausreichend unter den aktuellen Marktbedingungen bewertet werden konnten. Dieser Wert wurde nochmals zu den Neuvertragsmieten in Beziehung gesetzt, und anhand der SGB II-Daten überprüft (S. 28 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Diese Auswertung der erhobenen Daten erscheint sachgerecht und plausibel unter Anwendung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze. Die angesetzte Perzentilgrenzen wurden überdies in 5er-Schritten zur Verringerung von Fehlerbreiten aufgerundet. Die – zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar hergeleiteten – Perzentilgrenzen wurden sodann für jede Wohnungsgrößenklasse und jeden Vergleichsraum auf die erhobenen Bestandsmieten zur Berechnung der Netto-Kaltmieten je Quadratmeter angewandt. Logische oder mathematisch-rechnerische Fehler sind dabei nicht erkennbar und wurden insbesondere auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Das iterative (Annäherungs-)Verfahren ist von der Methodenfreiheit der Sozialhilfeträger gedeckt und daher auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 5. August 2021 – B 4 AS 82/20 R – juris Rn. 37).

Zur Ausweisung der Brutto-Kaltmiete wurden die so ermittelten Netto-Kaltmieten sodann um die durchschnittlichen kalten Betriebskosten ergänzt, welche im Rahmen der Datenerhebung erfasst wurden, sowie eine Auswertung der tatsächlichen Betriebskostenvorauszahlungen der SGB II-Leistungsempfänger durchgeführt (S. 30 des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom 18. Mai 2018). Hierfür wurden nach dem Bericht vom 18. Mai 2018 die Mittelwerte (Mediane) aller Betriebskostenwerte nach Wohnungsgrößenklasse und Vergleichsraum ermittelt, da der jeweils höhere Betriebskostenwert zur Vermeidung von Schlechterstellungen herangezogen wurde, ist auch dies nicht zu beanstanden. Die weiter erfolgte Addition zur Berechnung der Brutto-Kaltmiete pro Quadratmeter erfolgte mathematisch korrekt, ebenso die Berechnung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen. 

Die von dem Beklagten aufgrund des Teilanerkenntnisses vom 4. März 2021 nunmehr zugrunde gelegte abstrakt angemessene Brutto-Kaltmiete in Höhe von 307,84 Euro monatlich ist für die Klägerin zugleich auch konkret angemessen. 

Während im Rahmen der abstrakten Angemessenheit der Bedarf von Leistungsberechtigten „ohne persönliche Besonderheiten“ anhand abstrakter Kriterien (wohnungsmarktbezogen) ermittelt wird, finden im Rahmen der konkreten Angemessenheit personenbezogene Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung. Relevante persönliche Besonderheiten des Leistungsberechtigten können den abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarf modifizieren. Anknüpfungspunkt für die konkrete Angemessenheit ist § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, soweit dieser bestimmt, dass Aufwendungen, die den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf – jedoch zeitlich begrenzt durch die Regelfrist des § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII – anzuerkennen sind (Löcken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 35 SGB XII [Stand: 25. Mai 2021], Rn. 117). 

Solche individuellen Umstände des Einzelfalles hat die Klägerin indessen nicht dargetan und sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin die Heranziehung des Rechtsgedankens nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden muss, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre, wegen der Geringfügigkeit der Überschreitung der abstrakten Angemessenheitsgrenze begehrt, kann die Anwendbarkeit der Regelung für den Leistungsbereich des SGB XII schon deshalb offen bleiben, weil keine lediglich geringfügige Überschreitung vorliegt. Die Differenz zwischen der abstrakt angemessenen und der tatsächlichen Brutto-Kaltmiete beträgt 42,16 Euro (350 Euro – 307,84 Euro), dies stellt eine Überschreitung der angemessenen Kosten der Unterkunft von gut 13% dar.

Die konkrete Angemessenheit des Unterkunftskostenbetrages scheitert schließlich auch nicht daran, dass es an einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung des Beklagten gefehlt hätte. Denn die Kostensenkungsaufforderung vom 8. Juli 2016 erfüllt die Anforderungen an die erforderliche Angabe des aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Mietpreises (Bruttokaltmiete und Heizkosten sowie Warmwasser) und enthält weiterhin einen Hinweis auf die Rechtslage. 

Da zwischen den Beteiligten kein Streit über die Kosten der Heizung besteht, welche im streitgegenständlichen Zeitraum in tatsächlicher Höhe im Rahmen der Leistungsgewährung übernommen worden sind, kann die Klägerin höhere Grundsicherungsleistungen für Mai und Juni 2018 nicht mit Erfolg beanspruchen.

Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin im Verfahren wesentlich obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
 

Rechtskraft
Aus
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