1. Die verglichen mit den anderen existenzsichernden Leistungssystemen reduzierten Leistungen des AsylbLG gebieten eine restriktive Auslegung der Tatbestände des § 1a AsylbLG.
2. Vor einer Anspruchseinschränkung muss die Leistungsbehörde den Ausländer konkret darauf hinweisen, welche Schritte zur Ermöglichung der Ausreise von ihm erwartet werden.
I. Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20. Juni 2022 sowie die Bescheide des Beklagten vom 30. Dezember 2019 und 6. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2021 abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis 31. Juli 2020 Grundleistungen nach Bedarfsstufe 2 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten (noch) um die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit von Januar bis Juli 2020.
Der 1974 geborene Kläger zu 1 und die 1987 geborene Klägerin zu 2 sind pakistanische Staatsangehörige, die sich gemeinsam mit ihren 2008, 2012 und 2014 geborenen Kindern seit November 2012 im Bundesgebiet aufhalten. Mit Bescheiden vom 30.12.2012 wurden sie dem Beklagten zugewiesen. Vom Beklagten erhielten sie zunächst Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und ab November 2015 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Asylanträge des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Bescheiden vom 31.03.2016 als offensichtlich unbegründet ab. Die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus wurden nicht zuerkannt. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Abschiebungsandrohung blieb beim Verwaltungsgericht Ansbach ohne Erfolg (Beschluss vom 19.04.2016 - AN 11 S 16.30386). Seit dem 21.07.2016 sind die Kläger vollziehbar ausreisepflichtig. Zum 01.03.2017 wurde ihnen als Wohnsitz die Gemeinschaftsunterkunft in A zugewiesen. Sie sind derzeit im Besitz von Duldungen für Personen mit ungeklärter Identität. Zuletzt mit Bescheid vom 20.08.2018, geändert durch Bescheid vom 19.03.2019, bewilligte der Beklagte für die gesamte Familie Leistungen gemäß § 2 AsylbLG für die Zeit von Januar bis Dezember 2019 in Höhe von monatlich 1.436,27 €.
Bereits am 27.03.2018 hatte die Ausländerbehörde dem Beklagten mitgeteilt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von den Antragstellern zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden könnten. Mit Schreiben vom 07.08.2019 belehrte die Ausländerbehörde die Kläger nochmals über ihre Mitwirkungspflichten bei Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht. Insbesondere wurden die Kläger ausdrücklich aufgefordert, einen gültigen Pass oder Passersatz sowie alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die für die Feststellung ihrer Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung seien, bis spätestens 09.08.2019 beim Ausländeramt des Beklagten vorzulegen. Sollten sie keinen Pass oder Passersatz besitzen, wurden sie aufgefordert, beim Generalkonsulat der Islamischen Republik Pakistan in Frankfurt am Main bis spätestens 16.08.2019 einen Pass zu beantragen und die Antragstellung beim Ausländeramt nachzuweisen. Bei mehreren Vorspracheterminen weigerten sich die Kläger gegenüber der Ausländerbehörde, Unterlagen für die Beschaffung von Passersatzpapieren auszufüllen und insbesondere ihre Fingerabdrücke abzugeben. Deshalb wandte sich die Ausländerbehörde an die Polizeiinspektion W, dass diese die Fingerabdrücke im Wege der Amtshilfe nehme. Das BAMF teilte der Ausländerbehörde am 13.11.2020 mit, dass eine Übersendung der dort gespeicherten Fingerabdrücke aus technischen Gründen nicht möglich sei, da es keine Schnittstelle gebe. Die Beschaffung von Passersatzpapieren im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Pakistan über die Rückübernahme von Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung (Beschluss des Europäischen Rates vom 07.10.2010 - 2010/649/EU) scheiterte daran, dass die pakistanischen Behörden zumindest den Kläger zu 1 anhand der vorliegenden Unterlagen nicht verifizieren konnten.
Dem Beklagten teilte die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 09.10.2019 erneut mit, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von den Klägern zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden könnten. Dieser wies die Kläger jeweils mit Schreiben vom 28.10.2019 darauf hin, dass beabsichtigt sei, die laufenden Leistungen nach dem AsylbLG ab dem 01.12.2019 zu kürzen. Nach Mitteilung des Ausländeramtes hätten es die Kläger selbst zu vertreten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Ihnen werde Gelegenheit bis 13.11.2019 gegeben, sich zu der Kürzung zu äußern. Dazu teilten die Kläger mit, dass die gesamte Familie im September in der pakistanischen Botschaft in Frankfurt gewesen sei, um Reisepässe zu beantragen. Nach telefonischer Auskunft der Ausländerbehörde (Telefonnotiz vom 18.11.2019) hätten die Kläger jedoch keine Reisepässe beantragt und auch kein entsprechendes "NICOP (National Identity Card for Overseas Pakistanis)-Verfahren" eingeleitet. Die Kläger räumten in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 5 AY 47/19 ER) später ein, dass es sich tatsächlich nur um einen "Besuch" bei der Botschaft gehandelt habe und Pass- oder Passersatzanträge nicht gestellt worden seien.
Mit Bescheid vom 19.11.2019 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung vom 19.03.2019 auf und bewilligte für die Zeit ab 01.12.2019 bis zum 31.05.2020 für die ganze Familie nur noch eingeschränkte Leistungen gemäß § 1a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AsylbLG in Höhe von monatlich insgesamt 1.057,76 €. Davon wurden 857,76 € als Geldleistungen und 200 € als Sachleistungen gewährt. Die Kläger hätten bei der Beschaffung der erforderlichen Heimreisedokumente nicht mitgewirkt und seien ihrer Mitwirkungspflicht nach § 82 des Aufenthaltsgesetztes (AufenthG) nicht nachgekommen. Mit Bescheid vom 05.12.2019 passte der Beklagte die Leistungshöhe ab dem 01.01.2020 an und gewährte eingeschränkte Leistungen in Höhe von monatlich 1.077,20 €, davon 877,20 € als Geldleistung. Im Rahmen des Eilverfahrens S 5 AY 47/19 ER beim Sozialgericht Nürnberg (SG) nahm der Beklagte die Bescheide wieder zurück und bewilligte für die drei Kinder der Kläger ab Dezember 2019 Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von zunächst 783,71 € bzw. ab Januar 2020 in Höhe von monatlich 800,71 €. Für die Kläger erließ der Beklagte am 30.12.2019 ebenfalls einen neuen Bescheid über gekürzte Leistungen entsprechend § 1a Abs. 3 AsylbLG für die Zeit vom 01.12.2019 bis zum 31.05.2020. Bewilligt wurden für Dezember 2019 Leistungen in Höhe von 307,76 € und von Januar bis Juni 2020 in Höhe von je 313,20 €, davon jeweils 200 € als Sachleistungen. Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das SG daraufhin mit Beschluss vom 30.01.2020 ab. In diesem Verfahren hatten die Kläger außerdem geltend gemacht, dass die Klägerin zu 2 an einer schwerwiegenden posttraumatischen Belastungsstörung leide. Auch der älteste Sohn sei psychisch erheblich belastet und leide unter gewaltsamen Ereignissen im Herkunftsland. Die behandelnden Ärzte und Therapeuten könnten für den Fall der Rückkehr nach Pakistan eine erhöhte psychische Instabilität bis hin zur akuten Suizidalität nicht ausschließen.
Nachdem das Bayer. Staatsministerium des Innern am 26.03.2020 darauf hingewiesen hatte, dass es an der geforderten Ursächlichkeit des Verhaltens fehle, sofern eine Ausreise aufgrund von Corona-Maßnahmen faktisch nicht möglich sei, hob der Beklagte mit Bescheid vom 06.04.2020 seinen Bescheid vom 30.12.2019 ab dem 01.05.2020 auf und bewilligte den Klägern für die Zeit vom 01.05.2020 bis zum 28.02.2021 Grundleistungen in Höhe von monatlich 632 €. Laut Auskunft der Ausländerbehörde seien Einreisen nach Pakistan ab August 2020 wieder möglich und die Voraussetzungen für eine Leistungskürzung weiterhin gegeben gewesen; daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29.07.2020 für die Zeit ab 01.08.2020 erneut nur noch nach § 1a Abs. 3 AsylbLG eingeschränkte Leistungen.
Den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 19.11.2019 in der Fassung des Bescheids vom 30.12.2019 wies die Regierung von Mittelfranken als Widerspruchsbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2021 als unbegründet zurück. Die Kläger seien ihren Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten nicht nachgekommen. Die geltend gemachte psychische Belastung der Klägerin zu 2 bewirke keine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung. Die dazu eingereichten medizinischen Unterlagen seien nicht geeignet, einen Abschiebeschutz zu begründen.
Dagegen haben die Kläger am 18.02.2021 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben mit dem Ziel, die Bescheide des Beklagten vom 19.11.2019, 05.12.2019 und 30.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2021 abzuändern und den Klägern Analogleistungen gem. § 2 AsylbLG zu gewähren. In ihrer Begründung haben die Kläger später ausgeführt, dass Gegenstand die Leistungsbewilligung von Dezember 2019 bis Dezember 2021 sei. In keiner der drei angefochtenen Entscheidungen seien Ermessenserwägungen bezogen auf den konkreten Einzelfall angestellt worden. Seitens des Beklagten seien den Klägern zu keinem Zeitpunkt konkrete Mitwirkungshandlungen auferlegt worden, sondern der Beklagte habe lediglich auf die Mitteilungen der Ausländerbehörde verwiesen. Bloße Hinweise auf ausländerrechtliche Pflichten ersetzten jedoch nicht konkrete Handlungsaufforderungen. Die Klägerin zu 2 leide an einer schwerwiegenden posttraumatischen Belastungsstörung. Auch das älteste Kind sei psychisch erheblich belastet. Zudem sei die Regelung des § 1a AsylbLG, insbesondere die Kürzung des gesamten Barbetrags, verfassungswidrig. In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger zuletzt Leistungen gemäß § 2 AsylbLG für den Zeitraum vom 01.12.2019 bis zum 31.07.2020 beantragt. Dabei haben die Beteiligten zu Protokoll erklärt, dass der Ausgang dieses Verfahrens in seinen rechtlichen Aspekten auch für den Zeitraum 01.08.2020 bis 31.07.2022 maßgeblich sein solle.
Mit der Klage vorgelegt worden ist außerdem ein Befundbericht des Dipl. Psych. H vom 28.11.2019, der als Diagnosen bei der Klägerin zu 2 eine posttraumatische Belastungsstörung und eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome nennt. Bei einem Verzicht auf die spezifische Traumabehandlung und die Behandlung der Depression sei mit einer Chronifizierung der Beschwerden zu rechnen.
Das SG hat mit Urteil vom 20.06.2022 den Bescheid des Beklagten vom 19.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2021 für Dezember 2019 aufgehoben, die Klage im Übrigen abgewiesen und für die Kläger die Berufung zugelassen. Für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 19.03.2019 für den Monat Dezember 2019 hätten die Voraussetzungen nicht vorgelegen. Der Bewilligungsbescheid sei bereits bei seinem Erlass rechtswidrig gewesen, so dass sich die Rücknahme an § 45 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) messe. Der Bescheid des Beklagten setze sich aber weder mit den Voraussetzungen des § 45 SGB X auseinander noch lasse er eine Ermessensausübung erkennen. Für den Zeitraum von Januar bis Juli 2020 seien die Voraussetzungen des § 1a Abs. 3 AsylbLG erfüllt. Die Kläger seien im Rahmen der ausländerrechtlichen Vorschriften verpflichtet, an der Beschaffung von Pass- bzw. Heimreisedokumenten mitzuwirken. Die Kläger hätten Mitwirkungshandlungen zwar behauptet, tatsächlich aber weder Pässe noch Passersatzpapiere beantragt. Zur Mitwirkung seien sie durch die Ausländerbehörde konkret und mit Fristsetzung aufgefordert worden, deshalb habe der Beklagte keine zusätzliche detaillierte Belehrung mehr vornehmen müssen. Den Klägern sei es auch zumutbar gewesen, einen Pass oder Passersatz zu beantragen. Das gelte unabhängig von den Gesundheitsstörungen der Klägerin zu 2 und des ältesten Sohnes. Die Verfahrensweise der Kläger, durch die Verletzung ausländerrechtlicher Mitwirkungsverpflichtungen die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland so lange wie möglich auszudehnen, sei zwar menschlich verständlich aber im Ergebnis nicht hinnehmbar. Insbesondere stehe den Klägern kein eigenes Recht zur Prüfung zu, ob beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen der Aufenthalt nicht beendet werden könne und sie deshalb keine Heimreisedokumente zu beantragen bräuchten. Im Übrigen seien die vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht geeignet, die ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten entfallen zu lassen oder gar einen Abschiebeschutz zu begründen. Die Kürzung der den Klägern gewährten Leistungen auf das Mindestmaß sei somit im Rahmen des geltenden Rechts erfolgt. Eine Leistungsabsenkung unter das Leistungsniveau des soziokulturellen Minimums sei unbedenklich, wenn es der Betroffene selbst in der Hand habe, sein pflichtwidriges Verhalten abzustellen. Auch ein Anhörungsfehler liege im konkreten Fall nicht vor. Die Anhörungsschreiben des Beklagten vom 28.10.2019 seien zwar sehr allgemein gehalten; die Kläger hätten aber positive Kenntnis davon gehabt, welches Verhalten der Beklagte in Bezug genommen habe, denn sie hätten in Reaktion auf das Anhörungsschreiben dem Beklagten - wahrheitswidrig - mitgeteilt, sie seien mit der ganzen Familie am 21.08.2019 in der pakistanischen Botschaft in Frankfurt gewesen, um Reisepässe zu beantragen. Einer konkretisierten oder erneuten Anhörung bedürfe es daher nicht. Schließlich begegne die Höhe der in der Folge gemäß § 1a Abs. 1 AsylbLG gewährten Leistungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 14.07.2022 entsprechend dem Urteil des SG den Bescheid vom 19.11.2019 für Dezember 2019 zurückgenommen und den Klägern für Dezember Leistungen in Höhe von 544,80 € gewährt.
Gegen das Urteil haben die Kläger am 18.07.2022 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Leistungskürzung ab 01.01.2020 sei formell fehlerhaft erfolgt. Eine Anhörung fehle, konkrete Mitwirkungshandlungen seien ihnen durch den Beklagten nicht aufgegeben worden. Ein gesonderter Kürzungsbescheid sei nicht erlassen worden. Im Übrigen sei die Regelung des § 1a AsylbLG verfassungswidrig. Auch sei die Wartezeit des § 2 AsylbLG erfüllt und die Aufenthaltsdauer nicht einzig aufgrund des Verhaltens der Kläger verlängert worden. Beim Besuch des Konsulats in Frankfurt sei ein Passantrag deshalb nicht gestellt worden, weil vor der Beantragung ein "NICOP-Verfahren" durchzuführen gewesen sei. Dies sei jedoch nicht möglich gewesen, weil das Verfahren nur online durchgeführt werden könne und die Kläger über keine Kreditkarte verfügten. Ende Oktober 2022 sei schließlich ein NICOP-Antrag über eine Agentur gestellt worden. Im Übrigen bestehe zwischen Pakistan und der Europäischen Union ein Rücknahmeabkommen, wonach die Ausländerbehörde eine Rückführung auch ohne die Passbeschaffung seitens der Kläger hätte veranlassen können. Fingerabdrücke, die letzte bekannte Adresse in Pakistan und die Namen der Eltern seien im Asylverfahren mitgeteilt worden. Die Dauer des Aufenthalts sei daher auch durch die Inaktivität der Ausländerbehörde beeinflusst worden. Außerdem seien im März 2020 Abschiebungen nach Pakistan ausgesetzt worden. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Leben gerade zu Beginn der Pandemie sei es den Klägern nicht möglich gewesen, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.06.2022 sowie die Bescheide des Beklagten vom 30.12.2019 und vom 06.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2021 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für die Zeit von 01.01.2020 bis zum 31.07.2020 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Die Berufung der Kläger ist unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, da sie vom SG im Tenor des Urteils vom 20.06.2022 zugelassen worden ist.
Die Berufung hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg. Streitgegenstand ist gemäß dem in der mündlichen Verhandlung zuletzt gestellten Antrag das Begehren der Kläger, für den Zeitraum von Januar bis Juli 2020 höhere Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten. Den streitigen Zeitraum hat der Beklagte zuletzt mit Bescheiden vom 30.12.2019 und 06.04.2020, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2021 geregelt. Den früheren Bescheid vom 19.11.2019 in der Fassung des Bescheids vom 05.12.2019 hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 30.12.2019 zurückgenommen, so dass dieser keine Regelungswirkung mehr entfalten kann. Soweit die Kläger mit ihrer Klage zunächst auch für Dezember 2019 Leistungen gemäß § 2 AsylbLG beantragt hatten, ist ihre Beschwer mit der Entscheidung des SG entfallen. Höhere Leistungen für Dezember werden daher nicht mehr beantragt. Ihr Rechtsschutzziel verfolgen die Kläger zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG), die auch im Höhenstreit auf ein Grundurteil gerichtet sein kann (vgl. BSG vom 24.06.2021 - B 7 AY 2/20 R - juris).
Die zulässige Klage ist in der Sache insoweit begründet, als die vom Beklagten (noch) für die Zeit von Januar bis April 2020 verfügte Anspruchseinschränkung rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt. Die Kläger haben im streitigen Zeitraum jedoch keinen Anspruch auf sog. Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII.
Für die vorliegend geltend gemachten Geldleistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII ist der Beklagte örtlich gemäß § 10a Abs. 1 AsylbLG zuständig, da die Kläger zur Wohnsitznahme in A im Landkreis N verpflichtet sind; die sachliche Zuständigkeit des Beklagten als örtlichem Träger folgt aus § 10 Satz 1 AsylbLG i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 2 und § 18 Satz 1 der bayer. Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl - in der Fassung vom 16.08.2016, GVBl S. 258).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG (in der seit 01.01.2020 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.12.2016 - BGBl I S. 3234) sind abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII und Teil 2 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten (bzw. vorliegend aufgrund der Übergangsvorschrift des § 15 AsylbLG seit 15 Monaten) ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Kläger, die sich seit November 2012 durchgehend im Bundesgebiet aufhalten und damit die Wartefrist erfüllen, gehören zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 AsylbLG. Einem Anspruch auf Analogleistungen steht für die Zeit von 01.01.2020 bis 30.04.2020 zwar nicht die vom Beklagten mit Bescheid vom 30.12.2019 verfügte Anspruchseinschränkung entgegen (dazu 1.). Jedoch erfüllen die Kläger die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nicht, weil sie die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (dazu 2.).
1.
Die Bescheide vom 19.11.2019 und 30.12.2019 sind nicht bereits wegen eines Anhörungsfehlers rechtswidrig. Nach Art. 28 Abs. 1 des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) ist den Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in ihre Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Nach dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG besteht die Anhörungspflicht für alle entscheidungserheblichen Tatsachen, vorliegend also insbesondere zu den von den Klägern zu vertretenden Gründen für den Nichtvollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Diesen Anforderungen genügen die Schreiben des Beklagten vom 28.10.2019 gerade noch. Spätestens im Widerspruchsbescheid hat sich die Behörde auch mit den von den Klägern vorgebrachten Gesichtspunkten auseinandergesetzt und damit die Heilung eines möglichen Anhörungsmangels herbeigeführt (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl., § 45 Rn.27).
Für die Zeit ab 01.01.2020 lagen jedoch die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung nicht vor. Nach § 1a Abs. 3 AsylbLG (in der seit 01.09.2019 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15.08.2019) erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 AsylbLG, bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, ab dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder Vollziehbarkeit einer Abschiebungsanordnung folgenden Tag nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG. Diese Vorschrift bestimmt ihrerseits, dass kein Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG besteht und nur noch Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt werden. § 1a Abs. 3 AsylbLG knüpft für Geduldete und Ausreisepflichtige die Leistungsabsenkung an ein selbst zu vertretendes Verhalten, das dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegensteht. Das Verhalten muss also geeignet sein, die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu verhindern; die Gründe der Nichtvollziehbarkeit müssen von den Leistungsberechtigten zu vertreten sein. Hiervon ist auszugehen, wenn Ausländer durch ein in ihrem freien Willen stehendes Verhalten die gegen sie gerichteten aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen tatsächlich verhindern oder verzögern. Erforderlich ist außerdem eine alleinige Kausalität des Verhaltens für die Nichtvollziehbarkeit (Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl., § 1a AsylbLG Rn. 63 m.w.N.).
Zwar konnten die vollziehbar ausreisepflichtigen Kläger vorliegend nicht in ihr Heimatland Pakistan abgeschoben werden, weil sie weder über gültige Pässe noch sonstige Identitätsnachweise verfügten. Sie haben damit gegen die in § 48 Abs. 3 AufenthG (in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 25.2.2008, BGBl I 162) normierte Pflicht eines Ausländers ohne gültigen Pass oder Passersatz verstoßen, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Diese fehlende Mitwirkung stellt ein vom Gesetzgeber als typisch ins Auge gefasstes leistungsmissbräuchliches Verhalten dar (vgl. BT-Drucks 13/10155 S. 5 <zu § 1a Nr. 2>). Ab März 2020 fehlte es wegen der coronabedingten Unmöglichkeit von Rückführungen nach Pakistan jedoch bereits an der erforderlichen alleinigen Kausalität zwischen dem Verhalten der Kläger und dem Nichtvollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Da das Bayer. Staatsministerium des Innern bereits am 26.03.2020 mitgeteilt hat, dass Rückführungen nach Pakistan nur noch mit Einschränkungen möglich seien, geht der Senat davon aus, dass eine Abschiebung der Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt - und nicht erst wie vom Beklagten angenommen ab Mai 2020 - nicht mehr beabsichtigt war.
Darüber hinaus gebieten das Grundrecht auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der verglichen mit anderen existenzsichernden Leistungssystemen reduzierten Leistungen des AsylbLG nach der Rechtsprechung des Senats eine restriktive Auslegung aller Tatbestände des § 1a AsylbLG (vgl. Beschlüsse vom 28.10.2022 - L 8 AY 66/22 B ER und vom 17.09.2018 - L 8 AY 13/18 B ER - juris; Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 7). Die Anwendung des § 1a AsylbLG ist nur dann unbedenklich, wenn es der Leistungsberechtigte in der Hand hat, durch sein Verhalten die Leistungsvoraussetzungen zu erfüllen und eine Kürzung zu vermeiden. Insoweit ist zumindest ein persönliches (im Sinne von: eigenes) Fehlverhalten des Leistungsberechtigten zu verlangen (BSG vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris Rn. 17). Nach § 1a AsylbLG zu "sanktionieren" ist nur ein bestimmtes Verhalten, wenn nämlich der Betreffende eine konkrete, zumutbare und erfüllbare Mitwirkungshandlung nicht vornimmt. Nur eine solche einschränkende Auslegung wird der erheblichen Beeinträchtigung gerecht, die mit der Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG verbunden ist (SG München vom 31.01.2017 - S 51 AY 122/16 ER - juris Rn. 40; Oppermann in jurisPK-SGB XII, Stand 27.02.2023, § 1a AsylbLG Rn. 81).
Ziel der Vorschrift des § 1a AsylbLG ist es, auf den Ausländer einzuwirken, ein von ihm zu vertretendes Verhalten zu unterlassen bzw. ein Handeln vorzunehmen. Dazu gehört es, dass die Behörde den Leistungsberechtigten konkret darauf hinweist, welche Schritte zur Ermöglichung der Ausreise von ihm erwartet werden. Vorliegend hat der Beklagte sowohl in seinen Anhörungsschreiben als auch in den Bescheiden vom 19.11.2019 und 30.12.2019 jedoch nur allgemein darauf hingewiesen, dass es die Kläger selbst zu vertreten hätten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten, bzw. auf nicht näher bezeichnete Verstöße gegen Mitwirkungspflichten hingewiesen. Immerhin sind die Kläger der Aufforderung der Ausländerbehörde, sich zum Generalkonsulat nach Frankfurt zu begeben und dort einen Pass zu beantragen, mit ihrem Besuch beim Konsulat in Frankfurt zumindest teilweise nachgekommen. Um den Klägern die leistungsrechtlichen Konsequenzen bewusst zu machen, hätte der Beklagte ihnen aufzeigen müssen, welches weitere Verhalten oder Unterlassen er verlangt, damit die Kläger die Anspruchseinschränkung abwenden können. Der bloße Verweis auf Mitteilungen der Ausländerbehörde reicht insoweit nicht aus. Zugleich hätte er den Klägern eine Frist zur Nachholung ihrer Mitwirkung einräumen müssen. Ohne einen Hinweis auf das von den Klägern erwartete Verhalten sind weder die Anhörungsschreiben noch die Bescheide geeignet, ein vorwerfbares Verhalten oder Unterlassen zu begründen. Mangels einer konkreten Aufforderung durch den Beklagten fehlt es daher vorliegend an einem "zu sanktionierenden" Verhalten der Kläger.
Die Bescheide vom 19.11.2019 und 30.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2021 sind daher insoweit rechtswidrig und abzuändern.
2.
Allerdings haben die Kläger im streitigen Zeitraum keinen höheren als den vom Beklagten für die Zeit ab Mai 2020 bereits anerkannten Anspruch auf Grundleistungen entsprechend §§ 3, 3a AsylbLG, weil sie die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG).
Der Begriff des Rechtsmissbrauchs wird im AsylbLG an keiner Stelle definiert. Er wurzelt in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Als vorwerfbares Fehlverhalten beinhaltet er eine objektive - den Missbrauchstatbestand - und eine subjektive Komponente - das Verschulden. Der Vorschrift des § 2 AsylbLG und damit dem der Beeinflussung der Aufenthaltsdauer dienenden Rechtsmissbrauch liegt der Gedanke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen darf, die er selbst treuwidrig herbeigeführt hat. Demgegenüber genügt - anders als bei § 1a AsylbLG - nicht, dass die Dauer des Aufenthalts auf Gründen beruht, die in der Verantwortungssphäre des Hilfesuchenden liegen (BSG vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 32).
In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Der Ausländer soll danach von Analogleistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich also nicht auf einen Umstand (hier die Aufenthaltsdauer von mehr als 15 Monaten) berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat. Angesichts des Sanktionscharakters des § 2 AsylbLG genügt nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten. Art, Ausmaß und Folgen der Pflichtverletzung wiegen für den Ausländer so schwer, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen muss.
Daher führt nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls, der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist, zum Ausschluss von Analogleistungen (BSG vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 32; BSG vom 24.06.2021 - B 7 AY 4/20 R - juris Rn. 15). Die Gesetzesbegründung führt insoweit beispielhaft die Vernichtung des Passes und Angabe einer falschen Identität (BT-Drucks 15/420, S 121) als typische Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs an, es sei denn, sie wären ihrerseits eine Reaktion auf oder eine vorbeugende Maßnahme gegen objektiv zu erwartendes Fehlverhalten des Staates, bei dem um Asyl nachgesucht wird, wie etwa eine rechtswidrige Zurückweisung bei der Einreise oder eine rechtswidrige Verweigerung der Einreise.
Ausgehend von diesem Maßstab ist für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht schon die zur Aufenthaltsverlängerung führende Nutzung der Rechtsposition ausreichend, die der Ausländer durch eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, wenn es ihm möglich und zumutbar wäre, auszureisen. Ist die Abschiebung ausgesetzt, bleibt nach dem AufenthG die Ausreisepflicht zwar unberührt (§ 60a AufenthG). Eine Pflicht im eigentliche Sinn kann damit aber mangels Vollziehbarkeit der Abschiebung nicht verbunden sein. Es wäre widersprüchlich, den Aufenthalt des Ausländers vorübergehend zu dulden und ihm gleichzeitig den Aufenthalt als Rechtsmissbrauch vorzuwerfen, obwohl der Staat selbst zeitweise darauf verzichtet, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Damit liegt allein in der Nichtausreise der Kläger trotz formaler Ausreisepflicht noch kein Rechtsmissbrauch. In die Betrachtung einzubeziehen sind jedoch auch die Gründe, die dazu geführt haben. Hat der Ausländer diese Gründe zu vertreten, hat er also insoweit selbst Einfluss auf das Geschehen genommen, kann nur deshalb, nicht aber wegen bestehender Ausreisepflicht, ein Rechtsmissbrauch bejaht werden (BSG vom 17.06.2008, aaO, Rn. 35). Vorliegend haben die Kläger die von den Ausländerbehörden betriebene Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland dadurch verzögert, dass sie jegliche Mitwirkung verweigert haben. Weder haben sie sich selbst um die erforderlichen Reisedokumente bemüht, noch haben sie an der Beschaffung von Passersatzpapieren durch die Ausländerbehörde mitgewirkt. So haben sie das Ausfüllen von Dokumenten verweigert und Fingerabdrücke erst abgegeben, als die Polizei eingeschaltet wurde. Durch die Fahrt zum Konsulat im September 2019 haben sie eine Bereitschaft zur Mitwirkung vorgetäuscht, die letztlich jedoch nur darauf ausgerichtet war, Maßnahmen der Behörden zur Aufenthaltsbeendigung weiter zu verzögern. Diese fortdauernde Verweigerung der erforderlichen Mitwirkungshandlungen ist ausschließlich darauf ausgerichtet, den Aufenthalt in der Bundesrepublik zu verlängern, und stellte damit ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten dar.
Der Beklagte hat damit den Anspruch der Kläger ab Mai 2020 zutreffend gemäß § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 AsylbLG (i.V.m. der Bekanntmachung des BMAS vom 01.10.2019 - BGBl. I 2019, 1429) auf jeweils 316 € festgesetzt. Da die verfügte Anspruchseinschränkung rechtswidrig war, sind den Klägern unter Abänderung des Urteils des SG und Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 19.11.2019 und 30.12.2019 auch für die Zeit von Januar bis April 2020 Leistungen in Höhe von 632 € unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen zu gewähren. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.