1. Hat ein Bevollmächtigter im Widerspruchsverfahren seine Vollmacht auf Verlangen des Leistungsträgers innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nachgewiesen, kann der Widerspruch als unzulässig verworfen werden.
2. Der Mangel der Vollmacht im Widerspruchsverfahren kann nicht durch die nachträgliche Vorlage einer Vollmacht im Klageverfahren geheilt werden.
3. Die Anforderung des Nachweises der Vollmacht muss regelmäßig mit einer angemessenen Frist und dem Hinweis verbunden sein, dass anderenfalls der Widerspruch als unzulässig verworfen wird.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. August 2022 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die Klägerin ab September 2020 ihr Einkommen im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) einzusetzen hat. Insbesondere streiten die Beteiligten über die Zulässigkeit des Widerspruchs der Klägerin.
Die 1941 geborene Klägerin bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die ab Juli 2020 in Höhe von 1.207,11 € ausgezahlt wurde, sowie eine Rente aus einer betrieblichen Altersvorsorge in Höhe von monatlich 133,20 € (Stand Juli 2020). Sie ist in Pflegegrad 3 eingestuft mit einem Anspruch auf Pflegesachleistungen bis zu 1.298 € pro Monat. Bis zum 30.06.2018 erhielt die Klägerin Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII vom Landkreis N als örtlichem Sozialhilfeträger. Zum 01.07.2018 wechselte die Zuständigkeit zum Beklagten. Dieser bewilligte mit Bescheid vom 20.11.2018 Pflegegeld nach Pflegegrad 3 unter Berücksichtigung einer Eigenbeteiligung aus dem Einkommen.
Im Mai 2019 beantragte die Tochter der Klägerin unter Vorlage einer umfassenden Vollmacht ihrer Mutter für diese die Weitergewährung der Hilfe zur Pflege. Mit Bescheid vom 06.09.2019 bewilligte der Beklagte Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege in Form von häuslicher Pflegehilfe durch den ambulanten Pflegedienst A KG für die Zeit vom 01.07.2019 bis zum 30.06.2023 sowie ein 2/3 gekürztes Pflegegeld. Eine Eigenbeteiligung aus dem Einkommen wurde in Höhe von monatlich 110 € gefordert und bei der Auszahlung des Pflegegeldes in Abzug gebracht. Wegen der Rentenerhöhung zum 01.07.2020 berechnete der Beklagte die Höhe der Eigenbeteiligung neu und änderte diese mit Bescheid vom 20.08.2020 ab 01.07.2020 auf monatlich 124 €.
Mit Bescheid vom 16.10.2020 hob der Beklagte den Bescheid vom 06.09.2019 mit Wirkung zum 01.04.2020 auf und erhöhte ab dem 01.04.2020 bis auf Weiteres die Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege in Form von häuslicher Pflegehilfe durch den Ambulanten Pflegedienst A KG. Eine Erhöhung des Umfangs der Pflegeleistungen sei erforderlich geworden, weil die Klägerin aufgrund der Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie nicht mehr wie bisher zweimal wöchentlich eine Tagespflegeeinrichtung besuchen könne. Die Gewährung der Pflegesachleistungen erfolge unter Abzug der Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegegrad 3 sowie der Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Außerdem wurde ein um 2/3 gekürztes Pflegegeld bewilligt. Unter Ziffer 6. des Bescheids forderte der Beklagte eine Eigenbeteiligung aus dem Einkommen vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 in Höhe von monatlich 98 € (Buchst. a) und vom 01.07.2020 bis auf Weiteres in Höhe von monatlich 124 € (Buchst. b). Die Eigenbeteiligung aus dem Einkommen werde bei der Auszahlung des Pflegegeldes in Abzug gebracht. Eine Eigenbeteiligung aus Vermögen werde nicht gefordert.
Aufgrund einer Nachberechnung der gesetzlichen Rente ab dem ursprünglichen Rentenbeginn am 01.01.2002 erhielt die Klägerin von der Rentenversicherung eine Nachzahlung von 8.011,21 €. Die laufende Rente erhöhte sich ab dem 01.09.2020 auf einen Zahlbetrag von 1.238,98 € (Bescheid der Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 11.08.2020). Im Wege der Kostenerstattung machte der Landkreis N einen Betrag in Höhe von 1.299,33 € geltend, den die Rentenversicherung an das Landratsamt auszahlte. Am 14.01.2021 wurde das verbleibende Guthaben in Höhe von 6.223,06 € an die Klägerin überwiesen.
Mit Bescheid vom 17.02.2021 hob der Beklagte Ziffer 6. b) des Bescheids vom 16.10.2020 auf und setzte die Eigenbeteiligung ab dem 01.07.2020 neu fest. Vom 01.07.2020 bis 31.08.2020 forderte der Beklagte eine monatliche Eigenbeteiligung von 124 €, vom 01.09.2020 bis 30.11.2020 in Höhe von 143 €, für Dezember 2020 in Höhe von 71 €, vom 01.01.2021 bis 31.12.2021 in Höhe von 332 € und vom 01.01.2022 bis auf weiteres in Höhe von 55 €. Die Eigenbeteiligung aus dem Einkommen und das im Bescheid vom 16.10.2020 bewilligte Pflegegeld würden miteinander verrechnet.
Dagegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin am 16.03.2021 im Namen der Tochter der Klägerin Widerspruch ein, der im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Verteilung der Rentennachzahlung auf zwölf Monate im Jahr 2021 rechtswidrig sei. Die Nachzahlung sei für einen Zeitraum von 2002 bis 2020 erfolgt; Überleitungsansprüche des Beklagten wären zum Großteil verjährt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass ursprünglich das Landratsamt N Leistungen erbracht habe. Soweit Nachzahlungsansprüche nicht auf dieses übergegangen seien, stehe der Restbetrag der Klägerin zu.
Mit Schreiben vom 12.04.2021 bestätigte der Beklagte den Eingang des Widerspruchs und bat um Übersendung einer Vollmacht; am 10.05.2021 erinnerte der Beklagte an die Vorlage der Vollmacht. Mit einem weiteren Schreiben vom 26.05.2021 gab der Beklagte dem Bevollmächtigten letztmalig die Möglichkeit, seine anwaltliche Bevollmächtigung bis zum 11.06.2021 nachzuweisen. Sollte die Vollmacht nicht fristgerecht vorgelegt werden, werde über den Widerspruch nach Aktenlage entschieden und der Widerspruch als unzulässig an die Widerspruchsbehörde abgegeben. Nachdem auch bis zum Ablauf dieser Frist keine Vollmacht beim Beklagten einging, übersandte der Beklagte den Widerspruch mit Schreiben vom 07.07.2021 zur Entscheidung an die Widerspruchsbehörde mit dem Hinweis, dass der Beklagte den Widerspruch für unzulässig und unbegründet halte.
Die Regierung von Schwaben als Widerspruchsbehörde wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.02.2021 mit an den Bevollmächtigten adressiertem Widerspruchsbescheid vom 23.08.2021 als unzulässig zurück. Die Vollmacht unterliege keinem Form-erfordernis. Allerdings habe der Bevollmächtigte auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Geschehe dies nicht, sei der durch ihn erhobene Widerspruch unzulässig. Eine Vollmacht liege bis heute nicht vor.
Dagegen hat der Bevollmächtigte namens und im Auftrag der Klägerin am 23.08.2021 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben mit dem Ziel, den Bescheid des Beklagten vom 17.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2021 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Beklagten zurückzuverweisen. Vor Erlass des Widerspruchsbescheids sei nicht angedroht worden, dass dieser als unzulässig verworfen werden könnte. Vielmehr sei angekündigt worden, nach Aktenlage zu entscheiden, also eine Sachentscheidung zu treffen. Daher dürfe der Widerspruch nicht als unzulässig zurückgewiesen werden. Eine Vollmacht zur Prozessführung für alle Instanzen und Gerichtsbarkeiten, die von der Tochter der Klägerin ohne Angabe eines Datums unterschrieben worden ist, ist dem SG nach Aufforderung am 16.10.2021 vorgelegt worden.
Das SG hat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 09.08.2022 bestimmt und dem Bevollmächtigten den Termin mit Schreiben vom 08.06.2022 mitgeteilt. Die Terminsmitteilung ist dem Bevollmächtigten noch am selben Tag zugegangen. Am 05.08.2022, dem Freitag vor dem Augsburger Friedensfest am 08.08.2022 (einem auf das Augsburger Stadtgebiet beschränkten gesetzlichen Feiertag), hat der Bevollmächtigte Verhandlung per Videokonferenz beantragt, was das SG mit Beschluss vom 09.08.2022 abgelehnt hat.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung, zu der weder die Klägerin noch ihr Bevollmächtigter erschienen ist, hat das SG die Klage mit Urteil vom 09.08.2022 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet, weil der Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen worden sei. Trotz mehrmaliger Aufforderung habe der Bevollmächtigte seine ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht nachgewiesen. Das Gericht folge der Begründung des rechtmäßigen Bescheides vom 17.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2021. Im Übrigen habe der Beklagte - entgegen der Einlassung des Klägerbevollmächtigten in seiner Klageschrift vom 23.08.2021 - sehr wohl im Schreiben vom 26.05.2021 auch darauf hingewiesen, dass der Widerspruch als unzulässig an die Widerspruchsbehörde abgegeben würde, sofern die Vollmacht nicht fristgerecht nachgewiesen werde. Auch könne der Nachweis der schriftlichen Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren nach der Entscheidung über die Verwerfung des Widerspruchs in einem nachfolgenden Klageverfahren nicht mit heilender Wirkung für das Widerspruchsverfahren erfolgen. Diese Wertung sei aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für die Behörde nötig, die zuvor ausdrücklich auf den Nachweis der Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren gedrängt habe.
Hiergegen hat der Bevollmächtigte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zunächst eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt. Der Antrag auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz sei aus unzureichenden Gründen abgelehnt worden. Der Gehörsverstoß setze sich fort, da das SG nur auf den Widerspruchsbescheid Bezug nehme, ohne sich mit den Argumenten der Klägerin auseinanderzusetzen. Die ersten Vollmachtsanforderungen enthielten keine Androhung von Konsequenzen für den Fall der Nichtvorlage einer Vollmacht. Auch in der letzten Anforderung vom 20.05.2021 sei gerade nicht eindeutig und unmissverständlich angedroht worden, dass der Widerspruch als unzulässig verworfen werde. Im Übrigen habe der Beklagte offensichtlich keinerlei Zweifel an der Bevollmächtigung gehabt, sonst hätte er im Widerspruchsbescheid nicht zu den persönlichen Verhältnissen der Klägerin ausführen dürfen.
Zu einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 06.06.2024 ist für die Klägerin - ohne Angabe von Gründen - niemand erschienen. Mit Schreiben vom 09.08.2024, dem Bevollmächtigten am selben Tag zugegangen, ist der Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.09.2024 mitgeteilt worden. Zum Termin sind erneut weder der Bevollmächtigte noch die Klägerin erschienen.
Für die Klägerin ist schriftsätzlich beantragt worden,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.08.2022 aufzuheben sowie den Widerspruchsbescheid vom 23.08.2021 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung in der Sache über den Bescheid vom 17.02.2021 an den Beklagten zurückzuverweisen,
hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.08.2022 aufzuheben sowie den Bescheid vom 17.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2024 in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, da ihrem Bevollmächtigten der Termin gegen Empfangsbekenntnis vom 09.08.2024 ordnungsgemäß mitgeteilt worden und in der Terminsmitteilung darauf hingewiesen worden ist, dass im Falle eines Ausbleibens ein Urteil nach Lage der Akten ergehen könne (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Sie ist statthaft, da der Beschwerdewert 750 € übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Streitig ist die Höhe der Eigenbeteiligung zu den Pflegekosten für die Zeit ab Juli 2020. Allein für die Zeit vom 01.01.2021 bis 31.12.2021 beträgt die Differenz zwischen der zunächst festgesetzten und der mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.02.2021 geforderten Eigenbeteiligung monatlich 208 € und damit die Beschwer der Klägerin insgesamt mindestens 2.496 €.
Die Berufung ist jedoch weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag begründet. Das SG hat die Klage zu Recht ohne Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vom 17.02.2021 abgewiesen. Der vom Bevollmächtigten der Klägerin eingelegte Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.02.2021 war wegen fehlendem Nachweis der Vollmacht für das Widerspruchsverfahren unzulässig; der Widerspruchsbescheid vom 23.08.2021 ist rechtmäßig. Der Mangel ist auch nicht durch die nachträgliche Vorlage einer Vollmacht geheilt worden. Die im Klageverfahren auf Anforderung des SG übersandte Vollmacht bezieht sich nur auf gerichtliche Verfahren und enthält im Übrigen kein Unterzeichnungsdatum, so dass völlig unklar bleibt, wann sie erteilt worden ist.
Die Widerspruchsbehörde hat den Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen, weil der Bevollmächtigte der Klägerin auf Verlangen des Beklagten seine Vollmacht nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist schriftlich nachgewiesen hat. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) können Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X hat der Bevollmächtigte auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Die Regelungen des § 13 SGB X gelten gemäß § 62, 2. Halbs. SGB X auch für das Vorverfahren, da das SGG insofern keine Regelung trifft. § 73 SGG betrifft hingegen zwar nicht nach seiner systematischen Stellung, wohl aber nach seinem Wortlaut nur das gerichtliche Verfahren (LSG Baden-Württemberg vom 23.06.2015 - L 4 R 3235/14 - juris Rn. 23). Wird die Vollmacht nicht innerhalb einer dafür gesetzten Frist beigebracht, so sind die bisherigen Verfahrenshandlungen unwirksam (Roller in Schütze, SGB X, 9. Aufl., § 13 Rn. 12). Dies zieht zwingend die Verwerfung des (an sich schon nicht wirksam erhobenen) Widerspruchs als unzulässig nach sich (LSG Rheinland-Pfalz vom 30.04.2013 - L 3 AS 98/13 - juris Rn. 16).
Vorliegend hat der Bevollmächtigte trotz mehrfacher Aufforderung durch den Beklagten seine Vollmacht nicht schriftlich nachgewiesen. Dabei war der Beklagte berechtigt, einen schriftlichen Nachweis für die Bevollmächtigung zu verlangen. Ob die Behörde von ihrer Befugnis, einen schriftlichen Nachweis der Vollmacht zu verlangen, Gebrauch macht, liegt in ihrem Ermessen. Es handelt sich um ein Verfahrensermessen, das keiner Begründung bedarf und gerichtlich nur dahingehend überprüfbar ist, ob ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften vorliegt (Pitz in jurisPK-SGB X, Stand 08.12.2023, § 13 Rn. 8; Roller in Schütze, SGB X, 9. Aufl, § 13 Rn. 6a m.w.N.; a.A. Sächsisches LSG vom 05.06.2015 - L 3 AL 150/13 B PKH). Im Hinblick darauf, dass gegenüber dem Bevollmächtigten regelmäßig Sozialdaten des Vertretenen offenbart werden, kann bei Beachtung der Vorschriften des § 67b SGB X in der Regel nicht auf den schriftlichen Nachweis der Vollmacht verzichtet werden. Unschädlich ist nach dem oben Gesagten, dass der Beklagte seine dazu angestellten Erwägungen nicht mitgeteilt hat. Eine Darlegung der Gründe, die den Beklagten zum Verlangen des Nachweises bewogen haben, wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass wegen besonderer Umstände eine andere Form des Nachweises angemessen war (LSG Rheinland-Pfalz vom 30.04.2013 - L 3 AS 98/13 - juris Rn. 17; im Ergebnis ebenso LSG Baden-Württemberg vom 23.06.2015 - L 4 R 3235/14 - juris Rn. 26). Hierfür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Auch war dem Beklagten das Bestehen einer Vollmacht nicht bereits aus anderen Gründen positiv bekannt.
Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil ein Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter aufgetreten ist. Im Rahmen des § 13 SGB X genießen Rechtsanwälte keine Privilegien. Die Grundsätze des sozialgerichtlichen Verfahrens aus § 73 SGG können nicht auf das Verwaltungsverfahren übertragen werden. Insbesondere findet die Vorschrift des § 73 Abs. 6 SGG im Widerspruchsverfahren keine unmittelbare Anwendung, da sie auf ein dreiseitiges Prozessrechtsverhältnis zugeschnitten ist. Im Widerspruchsverfahren würde die Regelung allein deshalb leerlaufen, weil niemand die erforderliche Rüge erheben könnte. Der Rechtsgedanke des § 73 Abs. 6 SGG ist vielmehr im Rahmen der Ausübung des Verfahrensermessens zu berücksichtigen (Pitz in jurisPK-SGB X, Stand 09.08.2021, § 13 Rn. 9). Auch im Hinblick auf die bereits genannte datenschutzrechtliche Vorschrift des § 67b SGB X, die für das gerichtliche Verfahren nicht gilt, kann die Behörde im Verwaltungsverfahren nicht generell gegenüber Rechtsanwälten vom Nachweis der Vollmacht absehen. Es ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Regelung bewusst nicht in das SGB X aufgenommen wurde, weil das Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit von anderen Grundgedanken (Prinzip der Mündlichkeit, Verpflichtung des Gerichts, auf die Abstellung von Verfahrensmängeln hinzuwirken) bestimmt und deshalb anders geregelt ist als das Verwaltungsverfahren (LSG Rheinland-Pfalz vom 30.04.2013 - L 3 AS 98/13 - juris Rn. 18).
Die Anforderung des Nachweises der Vollmacht muss regelmäßig mit einer angemessenen Frist und dem Hinweis verbunden sein, dass anderenfalls der Widerspruch als unzulässig verworfen wird (für den Fall des Fehlens einer Prozessvollmacht im gerichtlichen Verfahren BSG vom 13.12.2000 - B 6 KA 29/00 R - juris Rn 16; für das Verwaltungsverfahren LSG Schleswig-Holstein vom 04.11.2008 - L 4 KA 3/07 - juris Rn 27). Der Hinweis hat im Verhältnis zu dem vollmachtlos auftretenden Vertreter Anhörungs- und Warnfunk-tion. Daraus, dass im Verwaltungsverfahren eine Vollmacht nur "auf Verlangen" schriftlich nachzuweisen ist, folgt, dass die Behörde einen vollmachtlosen Vertreter einstweilen zulassen kann. Die Gebote der Klarheit und der Fairness des Verfahrens erfordern eine eindeutige Aussage der Verwaltung, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, wie lange die Zulassung gelten soll und dass sie bei Nichtvorlage der Vollmacht beabsichtigt, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen. Bei der Auslegung der von der Behörde erteilten Hinweise ist ein konkret-individueller Maßstab anzulegen. Abzustellen ist darauf, ob der Bevollmächtigte die Folgen des Fehlens des Nachweises einer Vollmacht kannte und ob er in der konkreten Situation die behördlichen Hinweise dahin verstehen musste, dass keine Sachentscheidung ergehen, sondern sein Widerspruch als unzulässig verworfen würde (LSG Rheinland-Pfalz vom 30.04.2013 - L 3 AS 98/13 - juris Rn. 19).
Hier hat der Beklagte den Bevollmächtigten der Klägerin zweimal zur Vorlage einer Vollmacht aufgefordert, bevor er mit Schreiben vom 26.05.2021 angekündigt hat, den Widerspruch nach Aktenlage als unzulässig an die Widerspruchsbehörde abzugeben. Damit hat der Beklagte aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten unter Setzung einer angemessenen Frist von zwei Wochen hinreichend deutlich angekündigt, dass eine Entscheidung dahin zu erwarten war, dass der Widerspruch als unzulässig verworfen würde.
Eine Heilung des fehlenden Nachweises der Vollmacht war nach Erlass des Widerspruchsbescheids nicht mehr möglich. Zwar kann nach allgemeinen Grundsätzen das Handeln eines vollmachtlosen Vertreters auch im Widerspruchsverfahren rückwirkend genehmigt werden (§§ 177, 184 des Bürgerlichen Gesetzbuchs <BGB>, § 89 der Zivilprozessordnung <ZPO>). Dies ist jedoch nur während des Widerspruchsverfahrens vor Erlass eines Widerspruchsbescheids möglich. Anders verhält es sich, wenn der Widerspruch bereits wegen der fehlenden Vollmacht als unzulässig verworfen wurde.
Für das gerichtliche Verfahren hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) entschieden, dass der Mangel der Vollmacht im Berufungsverfahren nicht dadurch rückwirkend geheilt wird, dass im Revisionsverfahren eine Prozessvollmacht erteilt und dadurch die bisherige Prozessführung rückwirkend genehmigt wird (Beschluss vom 17.04.1984 - GmS-OGB 2/83 - juris). Eine solche Bevollmächtigung kann nur noch für die Zukunft wirken. Solange ein Prozessurteil in der Berufungsinstanz nicht ergangen ist, ist das Rechtsmittel, das ohne Vollmacht eingelegt worden ist, schwebend unwirksam, weil das Gericht den vollmachtlosen Vertreter einstweilen zulassen und der Vertretene die bisherige Prozessführung genehmigen und damit wirksam machen kann. Setzt das Berufungsgericht eine Frist zur Beibringung der schriftlichen Vollmacht und wird diese Vollmacht bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung nicht beigebracht, so wird die schwebende Unwirksamkeit des Rechtsmittels mit dem Erlass des Prozessurteils beendet. Der vollmachtlose Vertreter ist dann zurückgewiesen worden. Das Rechtsmittel ist endgültig unzulässig. Eine nunmehr in der Revisionsinstanz erteilte Genehmigung kann nicht mehr zur Zulässigkeit des Rechtsmittels führen, weil mit dem Erlass des Prozessurteils in der Berufungsinstanz eine genehmigungsfähige Rechtslage nicht mehr besteht. Da der Vertreter die Prozesshandlung ohne Vollmacht vorgenommen hat und sie nun mit Vollmacht nicht mehr vornehmen kann, würde jetzt eine nachträgliche Genehmigung nicht den Mangel der Vollmacht beseitigen, sondern nur dem richtigen Prozessurteil die Grundlage entziehen. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 13.12.2000 (B 6 KA 29/00 R - juris) entschieden, dass ein Bevollmächtigter, der im Klageverfahren vor dem SG auf die mit Fristsetzung versehene Aufforderung zur Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht reagiert hat, im Berufungsverfahren nicht mehr damit gehört werden kann, die ihm für das Widerspruchsverfahren erteilte und zu den Akten gelangte Vollmacht habe auch für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren gegolten. Danach ist dem Bevollmächtigten aus prozessrechtlichen Gründen der Nachweis einer im Klageverfahren bestehenden Vollmacht spätestens nach Erlass eines Prozessurteils, das die Klage wegen fehlender Vollmacht abweist, abgeschnitten. Es bleibt bei der Unzulässigkeit der Klage. Das Berufungsgericht muss zu der Behauptung, die Bevollmächtigung für das Klageverfahren habe bestanden, keinen Beweis erheben.
Diese Grundsätze gelten nach Ansicht des Senats auch für das Widerspruchsverfahren. Wird ein Widerspruch als unzulässig verworfen, weil der als Bevollmächtigter auftretende Rechtsanwalt seine Vollmacht auf ein berechtigtes Verlangen der Widerspruchsbehörde innerhalb der ihm gesetzten angemessenen Frist nicht nachgewiesen hat, kann der Mangel im anschließenden gerichtlichen Verfahren nicht mehr geheilt werden, weder durch nachträgliche Genehmigung durch den Vertretenen noch durch nachträgliche Vorlage einer schon vor Erlass des Widerspruchsbescheids erteilten schriftlichen Vollmacht oder einen anderweitigen Nachweis der vorbestehenden Vollmacht. Daher kommt es vorliegend nicht mehr darauf an, dass bis heute keine Vollmacht für das Widerspruchsverfahren nachgewiesen worden ist.
Da der Bevollmächtigte der Klägerin einen schriftlichen Nachweis der Vollmacht i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X im Widerspruchsverfahren jedenfalls nicht vorgelegt hat, ist der Widerspruch von der Widerspruchsbehörde zu Recht als unzulässig verworfen worden. Die Berufung ist nach alldem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.