Bei der Geltendmachung eines Erstattungsanspruch (§ 4 S 1 SodEG) ist das notwendig auszuübende Entschließungsermessen zu beachten.
Gericht: |
Sozialgericht Heilbronn |
Datum: |
13.12.2023 |
Aktenzeichen: |
Entscheidungsart: |
Urteil |
Normenkette: |
§ 4 S 1 SodEG; §§ 2, 3 SodEG |
Titelzeile: |
Ermessenausübung bei Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs |
Leitsatz: |
Bei der Geltendmachung eines Erstattungsanspruch (§ 4 S 1 SodEG) ist das notwendig auszuübende Entschließungsermessen zu beachten. |
Tenor: |
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Der Erstattungsbescheid vom 3. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2022 wird aufgehoben, soweit dieser einen Betrag 150.181, 49€ übersteigt.
Die Klägerin hat 70 Prozent und die Beklagte 30 Prozent der Verfahrenskosten zu tragen.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 215.790, 62€.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten im Rahmen der Durchführung der Schlussabrechnung des Zuschusses nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) geforderte Erstattung.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) eine Fahrschule und bietet unter anderem Führerschein-Ausbildungen im Bereich Auto, Zweirad, Lkw, Bus und Traktor sowie zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten an. Die Ausbildung der Fahrschüler erfolgt in Theorie und Praxis. Die Vermittlung der theoretischen Kenntnisse erfolgt durch Präsenzunterricht. Onlineunterricht ist entsprechend den gesetzlichen Regelungen nicht erlaubt. Der fahrpraktische Teil erfolgt durch Übungsstunden, im Wesentlichen durch die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr, wobei die Klägerin coronabedingt aufgrund behördlicher infektionsschutzrechtlicher Anordnung ihren Betrieb vom 16. März bis 10. Mai 2020 komplett schließen musste und ab 11. Mai 2020 nur unter infektionsschutzbedingten Abstands- und Hygienemaßnahmen fortführen durfte.
Mit amtlichem Vordruck vom 22. April 2020 beantragte die Klägerin einen Zuschuss nach dem SodEG im Rechtskreis des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III).
Mit Bescheid vom 2. Juli 2022 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 16. März 2020 einen Zuschuss nach dem SodEG. Die Bewilligung gelte, solange die Voraussetzungen hierfür vorlägen und die Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz andauerten, längstens jedoch bis zum 30. September 2020. Der SodEG-Zuschuss betrage für jeden vollen Monat 22.635,38 €. Für den Teilmonat vom 16. bis 31. März 2020 betrage der Zuschuss 12.072,20 €.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2020 verlängerte die Beklagte die Bewilligung des SodEG-Zuschusses bis 31. Dezember 2020 auf Grundlage der im Bescheid vom 2. Juli 2020 festgelegten Konditionen für jeden vollen Monat i.H.v. 22.635,38 €.
Mit Bescheid vom 3. November 2021 forderte die Beklagte von der Klägerin für den Zeitraum vom 16. März bis 31. Dezember 2020 die Erstattung von 215.790,62 € im Rahmen der aufgrund der Bescheide vom 2. Juli 2020 und 20. Oktober 2020 gewährten SodEG-Leistungen durchgeführten Schlussabrechnung. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Bewilligung der Zuschüsse nach dem SodEG unter dem Vorbehalt der Erstattung nach § 4 SodEG gestanden habe. Im Rahmen der Schlussabrechnung seien die Zuschusshöhe, die Anspruchsdauer und tatsächlich anzurechnende vorrangige Mittel, die der Klägerin im Bewilligungszeitraum zugeflossen seien, geprüft worden. Um zu vermeiden, dass der Klägerin vorrangige Mittel mehrfach von verschiedenen Leistungsträgern angerechnet würden, seien die Angaben der Klägerin zu anderen Leistungsträgern, von denen sie einen Zuschuss nach dem SodEG erhalten habe, berücksichtigt worden. Aus den mitgeteilten Monatsdurchschnittsbeträgen im Sinne von § 3 S. 2 SodEG (ohne Abzug vorrangiger Mittel) aller Leistungsträger sei eine Gesamtsumme gebildet und daraus der SodEG-Anteil der Agentur für Arbeit XXX ermittelt worden. Die vorrangigen Mittel, die mehrere Leistungsträger beträfen, seien von der Agentur für Arbeit XXX nur zu diesem errechneten Teil angerechnet (Grundwertmethode). Vorrangige Mittel aus Rechtsverhältnissen mit der Agentur für Arbeit XXX würden grundsätzlich zu 100 Prozent von der Agentur für Arbeit angerechnet. In den Vergütungen für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen seien auch sogenannte teilnehmerbezogene Kosten enthalten, die der soziale Dienstleister an die teilnehmenden weiterreiche, wie beispielsweise Fahrkosten oder Kinderbetreuungskosten. Für die teilnehmerbezogenen Kosten erfolge ein pauschaler Abzugsbetrag i.H.v. 15 Prozent. Damit würden der Klägerin vorrangige Mittel nach § 4 S. 1 Nr. 1 SodEG nur noch zu 85 Prozent angerechnet.
Die Beklagte stellte ihre Berechnung wie folgt dar:
Grundwertmethode:
Gesamtsumme aller maßgeblichen Monatsdurchschnittsbeträge i. S. v. § 3 S. 2 SodEG ohne Abzug vorrangiger Mittel aller relevanten Leistungsträgerinklusive der Agentur für Arbeit:
→ 61.712,32 €
Maßgeblicher Monatsdurchschnittsbetrag i. S. v. § 3 Satz 2 SodEG (ohne Abzug vorrangiger Mittel) der Agentur für Arbeit:
→ 35.693,03 €
Anteil, zu dem die Agentur für Arbeit vorrangige Mittel, die nicht nur von der Agentur für Arbeit angerechnet werden dürfen, anrechnen darf:
→ 57,84 Prozent
Anrechnung vorrangiger Mittel:
Aus Rechtsverhältnissen (§ 4 S. 1 Nr. 1 SodEG) mit der Agentur für Arbeit sind Ihnen während des BewilIigungszeitraumes vorrangige Mittel in Höhe von 592.720,95 € zugeflossen.
Diese darf nur die Agentur für Arbeit anrechnen. Unter Berücksichtigung des Abzuges von 15 Prozent für durchlaufende Posten sind somit anzurechnen:
→ 503.812,81 €
Leistungen für den Verbleib in Beschäftigung nach dem Sechsten Abschnitt des Dritten Kapitels des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (§ 4 S. 1 Nr. 3 SodEG) - Kurzarbeitergeld/Transferleistungen – i.H.v. 80.871,85 € werden zu einem Anteil von 57,84 Prozent von der Agentur für Arbeit angerechnet:
→ 46.774,48 €
Zuschüsse des Bundes und der Länder an soziale Dienstleister auf Grundlage gesetzlicher Regelungen (§ 4 S. 1 Nr. 4 SodEG) in Höhe von 30.000,00 € werden zu einem Anteil von 57,84 Prozent von der Agentur für Arbeit angerechnet:
→ 17.351,33 €
Somit sind von der Agentur für Arbeit insgesamt vorrangige Mittel auf die SodEG-Zuschüsse anzurechnen i.H.v:
→ 567.938,62 €
Ergebnis der Schlussabrechnung:
1. In den BewiIIigungszeiträumen wurden Ihnen Zuschüsse nach dem SodEG ausgezahlt in Höhe von insgesamt:
→ 215.790,62 €
2. Berechnung der Gesamtsumme, auf die tatsächlich ein Anspruch besteht.
Grundsätzlich hat sich ein SodEG-Anspruch ohne Abzug vorrangiger Mittel ergeben in Höhe von insgesamt:
→ 26.769,77 €
Davon sind vorrangige Mittel abzuziehen in Höhe von:
→ 567.938,62 €
Daraus ergibt sich der tatsächliche Anspruch auf SodEG-Zuschüsse in Höhe von:
→ - 312.733,48 €
3. Erstattungsanspruch oder Anspruch auf Nachzahlung:
Ist die Summe der ausgezahlten SodEG-Zuschüsse höher als der unter Punkt 2 errechnete Betrag, besteht ein Erstattungsanspruch (Rückforderung).
Im umgekehrten Fall haben Sie einen Anspruch auf Nachzahlung.
Endsumme: 215.790,62 €
Somit ergebe sich eine Rückforderung i.H.v. 215.790,62 €.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2022 zurückwies. Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, dass allein die Zahlungen aus Rechtsverhältnissen (§ 4 S. 1 Nr. 1 SodEG) mit der Agentur für Arbeit XXX unter Abzug von 15 Prozent durchlaufender Posten im Bewilligungszeitraum 503.812,81 € betrage. Bereits dieser Betrag übersteige den theoretisch möglichen SodEG-Zuschuss ohne Abzug vorrangiger Mittel i.H.v. 255.205,14 € für 9,53 Monate so erheblich, dass der ausgezahlte SodEG-Zuschuss i.H.v. 215.790,62 € vollständig zurückzuerstatten sei. Folglich führe eine Berücksichtigung von Leistungen zum Verbleib in Beschäftigung und von Zuschüssen des Bundes und der Länder nicht zu einem anderen Ergebnis. Die weiterhin erzielten Einnahmen aus Rechtsverhältnissen mit der Agentur für Arbeit XXX führten bereits zu einem vollständigen Erstattungsanspruch. Der Erstattungsbetrag sei im Bescheid vom 3. November 2021 zutreffend beziffert. Der Widerspruch könne daher keinen Erfolg haben.
Der Klägervertreter trägt zuletzt unter anderem vor, dass die Klägerin letztendlich von der Beklagten eine Abrechnung der geleisteten Zahlungen begehre, die dem Sinn und Zweck des SodEG entspreche. Dienstleister sollten während des Lockdowns finanziell so gestellt werden, dass die Fortführung des Betriebes sichergestellt gewesen sei, damit die Dienstleistungen nach Ende des Lockdowns unverzüglich wieder hätten aufgenommen werden können. Soweit die Beklagte vortrage, es dürfe nicht zu einer Überkompensation kommen und die Klägerin habe in dem Jahr sowieso mehr Einnahmen gehabt, könne diese Argumentation nicht durchgreifen. Diese rückblickende Betrachtungsweise sei nach Auffassung der Klägerin nicht zulässig. Der Gesetzgeber habe vermeiden wollen, dass die sozialen Dienstleister aufgrund der unsicheren Sachlage ihre Dienste einstellen und diese danach nicht mehr aufnehmen könnten, weil sie die Tätigkeit aufgegeben hätten und kurzfristig nicht wieder aufnehmen könnten. Wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass die Dienstleister überlebt hätten, könne dies nicht zu einer Rückzahlung führen. Die Klägerin habe ihren diesbezüglichen Geschäftsbetrieb nur deshalb aufrechterhalten, weil sie für diesen Zeitraum habe kompensiert werden sollen. Hinsichtlich der konkreten Höhe des aus Sicht der Klägerin zurückzuzahlenden SodEG-Zuschusses legt er eine Berechnung des Steuerberaters vom 27. Juli 2021 vor, auf welche verwiesen wird (Bl. 71/72 d. A.)
Ursprünglich hat der Klägervertreter beantragt, den Bescheid vom 3. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2022 aufzuheben (Bl. 19 d.A.).
Er beantragt nunmehr (Bl. 68 d.A.), teils sinngemäß gefasst,
den Bescheid vom 3. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2022 aufzuheben, soweit dieser einen Rückforderungsbetrag von 150.181,49 € übersteigt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
Das Gericht hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung vom 31. August 2022 erörtert.
Klägervertreter und Beklagte haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten das hierzu erforderliche Einverständnis erteilt haben.
Die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG) ist begründet.
Der Bescheid vom 3. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2022 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage des von der Beklagten gegenüber der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 4 S. 1 SodEG.
Hiernach haben die Leistungsträger einen nachträglichen Erstattungsanspruch gegenüber sozialen Dienstleistern, soweit den sozialen Dienstleistern im Zeitraum der Zuschussgewährung vorrangige Mittel aus 1. Rechtsverhältnissen nach § 2 S. 2, die vorbehaltlich der hoheitlichen Entscheidung im Sinne von § 2 S. 3 weiterhin möglich sind, 2. Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz, 3. Leistungen für den Verbleib in Beschäftigung nach dem Sechsten Abschnitt des Dritten Kapitels des Dritten Buches Sozialgesetzbuch, 4. Zuschüssen des Bundes und der Länder an soziale Dienstleister auf Grundlage gesetzlicher Regelungen und 5. Versicherungsleistungen, die aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach dem Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes an soziale Dienstleister für den Zeitraum der Zuschussgewährung gezahlt werden (Betriebsschließung- oder Allgefahrenversicherungen), abzüglich der in den zwölf Monaten vor Beginn des Versicherungsfalls für diese Versicherungen geleisteten Beiträge tatsächlich geflossen sind (bereite Mittel).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da die Beklagte das bei der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs notwendig auszuübende Entschließungsermessen nicht beachtet hat und damit ein nicht nachholbarer Ermessensausfall vorliegt (vgl. allg. zu Ermessenentscheidungen Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt SGG/Keller, 14. Aufl. 2023, SGG § 54 Rn. 25; Schütze/Schütze, 9. Aufl. 2020, SGB X § 45 Rn. 106 ff. ).
Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass § 4 SodEG ausschließlich regelt, dass dem jeweiligen Leistungsträger ein Erstattungsanspruch zusteht. Unabhängig hiervon ist die Frage zu behandeln, ob der Berechtigte des Erstattungsanspruchs diesen auch geltend macht. Dies wird schon durch den Wortlaut von § 4 S. 1 SodEG verdeutlicht, der lediglich beschreibt, dass der Leistungsträger einen Erstattungsanspruch „hat“, was davon zu unterscheiden ist, ob der Leistungsträger diesen auch geltend zu machen hat. Hätte der Gesetzgeber bei der Konstellation einer rein rechnerisch erfolgten Überzahlung der SodEG-Leistungen eine – wie von der Beklagten praktizierte – zwingende Rückzahlung der SodEG-Leistungen gewollt, so hätte er dies mit einem entsprechenden Wortlaut deutlich gemacht, wie dies etwa bei der Erstattung vorläufig erbrachter Leistungen nach § 328 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) der Fall ist („Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten; …“).
Besonders deutlich wird das Erfordernis zwingend auszuübenden Ermessens auch durch Sinn und Zweck des SodEG.
Die entsprechende Bereitschaftserklärung und nachfolgend ggf. der tatsächliche Einsatz der angebotenen Ressourcen des sozialen Dienstleisters ist Tatbestandsvoraussetzung für Zuschüsse der Leistungsträger. Die Zuschüsse (zu deren Höhe vgl. § 3 SodEG) haben den Zweck, die zur Erbringung sozialer Dienstleistungen erforderliche Infrastruktur des sozialen Dienstleisters zu gewährleisten und damit letztlich auch den Dienstleister selbst in seiner Existenz zu sichern. Die Bereitschaftserklärung ist auf der anderen Seite gleichsam eine Gegenleistung für die beantragten Zuschüsse, indem Sozialdienstleister ihre personellen und sächlichen Ressourcen für einen außerplanmäßigen Einsatz zur Aufrechterhaltung sozialer Dienste in der Corona-Krise zur Verfügung stellen (Schlegel/Meßling/Bockholdt, Corona-Gesetzgebung, § 16 Sozialdienstleister-Einsatzgesetz Sicherstellungsauftrag und Rettungsschirm Rn. 11, beck-online).
Demnach hat die Beklagte bei der Frage, ob sie die rein rechnerisch ermittelte tatsächliche Überzahlung beim sozialen Dienstleister geltend macht, zwingend die Abwägung anzustellen, ob der soziale Dienstleister durch die Rückforderung in seiner Existenz bedroht wird oder in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Hierbei müsste die Beklagte bei ihrer Entscheidung Parameter wie Jahresumsatz, Jahresgewinn, Personalsituation und bestehende Verbindlichkeiten berücksichtigen, sodass sichergestellt wird, dass soziale Dienstleister nicht dem Gesetzeszweck entgegen nachträglich durch Rückforderungen in wirtschaftliche Bedrängnis geraten.
Dem genügt die Beklagte nicht, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – sich alleine auf die rechnerische Ermittlung der Überzahlung bezieht. Diese Erwägungen muss die Beklagte für den Adressaten und das Gericht nachvollziehbar im jeweiligen Rückforderungsbescheid darstellen und nicht reflexartig und automatisch davon ausgehen, dass nur aufgrund einer rein tatsächlich erfolgten Überzahlung auch eine Erstattung zu erfolgen hat.
Parameter wie Jahresumsatz, Jahresgewinn, Personalsituation und bestehende Verbindlichkeiten hat die Beklagte nicht bei ihrer Entscheidung berücksichtigt.
Auch aus der Gesetzesbegründung zu §§ 3 und 4 SodEG wird deutlich, dass es sich bei dem Erstattungsanspruch gemäß § 4 SodEG um eine Entscheidung handelt, bei welcher die Beklagte Ermessen auszuüben hat (BT-Drucksache 19/118107, S. 37). Zunächst wird in der Gesetzesbegründung zu § 3 SodEG ausgeführt, dass nach § 3 der besondere Sicherstellungsauftrag in Form von nicht rückzahlbaren Zuschusszahlungen wahrgenommen wird. In der Begründung zu § 4 SodEG wird weiter ausgeführt, dass die nach § 3 gewährten Zuschüsse nicht zurückzuzahlen und deshalb mit verlorenen Zuschüssen vergleichbar seien. Schon dies spricht gegen den von der Beklagten praktizierten Rückzahlungsautomatismus. Weiter wird zu § 4 ausgeführt, dass dennoch eine ungerechtfertigte Bereicherung der Empfänger von Zuschüssen vermieden werden solle und daher der tatsächliche Zufluss von vorrangigen Mitteln geprüft werde. Der tatsächliche Mittelzufluss aus vorrangigen Mitteln sei rein rechnerisch darstellbar und ohne großen Bewertungsaufwand festzustellen.
Genau diese Abgrenzung von verlorenem Zuschuss, der rein rechnerisch ermittelten Überzahlung von Mitteln und der Rückforderung genau dieser Mittel, ist durch die Beklagte bei der Frage, ob tatsächlich auch zurückgefordert wird, im jeweiligen Einzelfall durch die oben ausgeführten Parameter abzuwägen, was im vorliegenden Fall nicht geschehen ist.
Dem Klageantrag war daher wie tenoriert zu entsprechen.
Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Mit der im Schriftsatz vom 3. April 2023 erfolgten nachträglichen Beschränkung des Klageantrags geht eine teilweise Rücknahme der ursprünglich unbeschränkt erhobenen Anfechtungsklage einher, weshalb die Klägerin den Anteil der Verfahrenskosten, welcher dem zurückgenommenen Teil entspricht, zu tragen hat. Im Übrigen fallen die Verfahrenskosten der Beklagten zur Last (vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. März 2022 – L 4 SO 119/21 –, Rn. 50, juris).
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und war in Höhe der geltend gemachten Erstattungsforderung festzusetzen.