I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8. Juli 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1954 in B-Stadt/Polen geborene Klägerin arbeitete zunächst nach dem Abitur in Polen als Sachbearbeiterin. Ihr Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland erfolgte am 10. April 1979. Von 1980 bis 1984 absolvierte sie ein Studium, das sie als Diplombetriebswirtin abschloss. Als solche war sie bis 31. August 1994 rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. September 1994 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Fernmeldeassistentin ernannt und war als Beamtin bei der Deutschen Telekom tätig. Nach ihrer Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit zum 1. April 2011 nahm die Klägerin im September 2011 eine geringfügige versicherungspflichtige Beschäftigung als Alltagsbegleiterin in der mobilen Altenhilfe beim Caritasverband D. e.V. auf, zunächst mit einem Stundenumfang von 50,40 Stunden im Monat bei drei Arbeitstagen in der Woche und ab dem 1. Januar 2014 mit 10 Stunden in der Woche an fünf Arbeitstagen. Die Klägerin bezieht seit ihrer Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit eine Beamtenpension. Seit dem 1. Januar 2016 ist sie nicht mehr erwerbstätig. Sie bezieht seit dem 1. Juni 2020 eine Regelaltersrente (Bescheid vom 25. Juni 2020, monatlicher Zahlbetrag am 1. Juli 2020: 659,89 €). Das Hessische Amt für Versorgung und Soziales Wiesbaden erkannte der Klägerin mit Bescheid vom 22. Februar 2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 zu. Ab Oktober 2015 wurde der Pflegestufe 1 festgestellt.
Aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin ergeben sich durchgehend Versicherungszeiten vom 13. September 1971 bis 31. August 1994. Nach einer Beitragslücke hat die Klägerin im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Dezember 2015 Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt (versicherungspflichtige geringfügige Beschäftigung) und vom 1. Januar 2017 bis 31. Mai 2020 sind Pflichtbeitragszeiten wegen Pflegetätigkeit ersichtlich.
Ihren ersten Antrag auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 11. Juli 2011 nahm die Klägerin am 24. August 2011 zurück.
Am 22. September 2014 beantragte sie erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Zur Begründung gab sie an, dass sie sich seit 2008 wegen ihrer Sehbehinderung, einer Psychose und eines Bandscheibenvorfalls, der 1986 operiert worden sei, für erwerbsgemindert halte. Es gelangten eine Bescheinigung des Facharztes für Augenheilkunde Dr. med. C. vom 29. Oktober 2013, ein Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. E. vom 31. Juli 2014 und ein fachärztliches Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. med. F. vom 29. Oktober 2013 zur Akte. Aus den Unterlagen ging hervor, dass die Klägerin an einer beiderseitigen Makuladystrophie, einer paranoiden Schizophrenie und einem nach Operation sequestrierten Bandscheibenvorfall LWK 4/SWK 1 leide.
Die Beklagte zog von der Deutschen Telekom AG zwei gutachterliche Stellungnahmen zum Gesundheitszustand der Klägerin des Dr. med. G., Facharzt für Arbeitsmedizin/Facharzt für Allgemeinmedizin, bei. In der Stellungnahme vom 8. September 2010 empfahl er eine stufenweise Wiedereingliederung ab 8. November 2010, die nicht durchgeführt wurde. Ausweislich des hausärztlichen Attestes der Dr. med. E. vom 1. November 2010 war die Klägerin aufgrund der unveränderten Situation der Augen und einer ausgeprägten depressiven Phase hierzu nicht in der Lage. Aus der weiteren Stellungnahme des Dr. med. G. vom 24. November 2010 ergibt sich, dass er eine Leistungseinschränkung auf die Hälfte der regulären Wochenarbeitszeit eines Beamten und unterschichtig über den beamtenrechtlichen Zeitraum von sechs Monaten hinaus für vorliegend ansah. Er empfahl eine Reaktivierungsprüfung nach dem Ablauf von 12 Monaten, da sich der psychische Zustand der Klägerin nach diesem Zeitraum so weit stabilisiert haben könnte, dass eine Wiederaufnahme der Arbeit möglich sei. Beigefügt war ein fachärztliches Attest des Dr. med. F. vom 19. Mai 2011, der eine ausreichende psychische Belastbarkeit für eine erneute Berufstätigkeit sah, wenn der Klägerin eine Tätigkeit in einer anderen Organisationseinheit ihres Arbeitgebers ermöglicht würde.
Des Weiteren zog die Beklagte einen aktuellen Befundbericht des Dr. med. C. vom 4. Dezember 2014 bei, der eine Verschlechterung der Augenerkrankung seit 2011 sowie einen Visus beidseits von 0,2 mitteilte und angab, dass die Klägerin nicht reisefähig für öffentliche Verkehrsmittel sei. Überdies gelangten die Befundberichte des Dr. med. F. vom 7. Dezember 2014, der die Fortführung der seit 1. April 2011 bestehenden Berentung empfahl, und der Dr. med. E. vom 5. Dezember 2014 nebst Krankenunterlagen zur Verwaltungsakte. Aus dem beigezogenen Arztbrief des Dr. med. F., der am 2. Juli 2013 über eine Verlaufsuntersuchung der Klägerin berichtete, ging hervor, dass er mit der seelischen Verfassung der Klägerin sehr zufrieden sei, aktuell keine Psychose bestehe und Stimmung und Schlaf gut seien, so dass die bisherige antipsychotische Medikation mit Risperidon unverändert weitergeführt würde. In einem Erstgutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit der Klägerin für die Postbeamten-krankenkasse vom 7. Oktober 2013 von Dr. med. J. wurde keine (erheblich) eingeschränkte Alltagskompetenz gesehen. Es wurde ein geringer Pflegebedarf bei der Körperpflege und im Übrigen im hauswirtschaftlichen Bereich festgestellt, der nicht für die Feststellung einer Pflegestufe ausreichte.
Auf Anforderung der Beklagten erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. H. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 31. März 2015 am 1. April 2015 ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten. Unter Berücksichtigung der Diagnosen
1. Paranoide Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, derzeit remittiert
2. Schizophrenes Residuum
3. Visusminderung
sah er das Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen der Klägerin im Rahmen eines schizophrenen Residualzustandes als so weit herabgesetzt an, dass ihre maximale Leistungsfähigkeit als Beamtin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden täglich liege. Die Klägerin sei als Beamtin in den Ruhestand versetzt worden, habe zur Wahrung ihrer Rentenansprüche nochmal einen Minijob angenommen und arbeite täglich zwei Stunden in der Altenhilfe. Eine darüber hinausgehende Tätigkeit sei ihr nicht möglich. Es sei eine adäquate psychiatrische und psychopharmakologische Therapie erfolgt, ohne dass eine Stabilisierung auf einem leistungsfähigen Niveau erreicht worden sei. Nach fachärztlichem Ermessen sei die Klägerin auf Dauer nicht mehr leistungsfähig. Angaben zu der Frage, seit wann dieses aufgehobene Leistungsvermögen bestehe, finden sich im Gutachten nicht.
Die Beratungsärztin Dr. med. K. sah unter Verweis auf die Stellungnahmen des Dr. med. G. und des Dr. med. H. in ihrer Stellungnahme vom 28. April 2015 ein unter dreistündiges Leistungsvermögen der Klägerin seit 8. September 2010 aufgrund eines chronischen Residualzustands ohne Besserungsaussicht.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. April 2015 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die Klägerin sei bereits seit dem 8. September 2010 dauerhaft voll erwerbsgemindert. Zu diesem Zeitpunkt habe es an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung gefehlt, da die Klägerin im Zeitraum vom 8. September 2005 bis 7. September 2010 keinen Monat mit Pflichtbeiträgen in ihrem Versicherungskonto habe. Auch Ausnahmetatbestände zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung lägen bei der Klägerin nicht vor.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11. Mai 2015 Widerspruch, den sie damit begründete, dass die Erwerbsminderung erst zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung aufgetreten sei. Die Stellungnahme des Dr. med. G. vom 8. September 2010 beziehe sich auf die beamtenrechtlichen Feststellungen und sei daher auf das jeweilige Amt bezogen. Überdies ergebe sich aus der genannten Stellungnahme die Möglichkeit einer Wiedereingliederung und auch in der Stellungnahme vom 24. November 2010 ginge Dr. med. G. von der Möglichkeit einer Stabilisierung aus. Ihre psychische Grunderkrankung bestehe seit Jahrzehnten und verlaufe schubweise, so dass - wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Erwerbsminderung vorgelegen habe - diese aufgrund einer damaligen Wiedergenesung wieder entfallen sei. Überdies legte sie ein fachärztliches Attest des Dr. med. von F. vom 6. August 2015 vor, wonach es sich bei ihrer psychischen Erkrankung um eine in Phasen verlaufende Erkrankung handele, bei der in Phasen von geringer oder keiner Krankheitsaktivität die Möglichkeit einer guten Leistungsfähigkeit/Dienstfähigkeit gegeben sei und in Phasen heftiger Krankheitsintensität eine aufgehobene Belastbarkeit vorliegen könne.
Nach Einholung einer Arbeitgeberauskunft des Caritasverbandes vom 8. Oktober 2015 zur ausgeübten geringfügigen Beschäftigung als Alltagsbegleiterin und nach Beiziehung einer Stellungnahme des Beratungsarztes L. vom 4. November 2015, der eine überdauernde Leistungsminderung seit September 2010 als gegeben ansah und keine objektivierbaren Belege für eine spätere Leistungsminderung zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erkennen konnte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2015 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Januar 2016 Klage bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Sie wiederholt zur Begründung im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte bei Dr. med. von F. vom 18. März 2016, Dres. med. E. vom 25. April 2016 und Dr. med. C. vom 3. Mai 2016 und 19. November 2016 beigezogen, der ergänzend insbesondere einen Bericht des Prof. Dr. med. N., Direktor der Augenklinik C-Stadt, vom 2. November 2001 und eine Bescheinigung der Augenärztin Dr. med. M. vom 17. November 2010 zur Vorlage bei dem Betriebsarzt Dr. med. G. übersandt hat. Der Bescheinigung der Dr. med. M. ist zu entnehmen, dass die Klägerin aufgrund einer Makulaerkrankung (Vesv 0,3/0,1) selbst mit allen erdenklichen vergrößernden Sehhilfen nicht in der Lage sei, an einem Bildschirmarbeitsplatz zu arbeiten. Außerdem hat das Sozialgericht von der Postbeamtenkrankenkasse die Patientenakte der Klägerin mit Diagnoseschlüsseln von 2010 bis 2016 sowie ein weiteres Pflegegutachten vom 16. Dezember 2015 beigezogen, wonach der Klägerin die Pflegestufe 1 (wöchentlicher Pflegebedarf: 105 Minuten) seit Oktober 2015 zuerkannt worden ist. Der Caritasverband D. e.V. hat mit Schreiben vom 27. Juni 2017 Angaben zu der dort bis 31. Dezember 2015 ausgeübten geringfügigen Beschäftigung der Klägerin gemacht.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. Dipl.-Psych. S. vom 10. November 2017 eingeholt. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 8. November 2017 ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin die massive Sehminderung aufgrund der Makuladegenerationserkrankung im Vordergrund des Beschwerdesyndroms stehe. Auf psychiatrischem Fachgebiet hat er eine gemischte schizoaffektive Störung in derzeit vollständiger Remission diagnostiziert. Ein schizophrener Residualzustand liege nicht vor. Die rezidivierenden psychotischen Episoden seien seit 1994 aufgetreten, die letzte manifeste massive psychotische Episode wohl 2007. Im Hinblick auf die stattgehabten rezidivierenden psychotischen Episoden sei die Klägerin unter Medikation derzeit beschwerdefrei und nicht in ihrer Leistungsfähigkeit gemindert. Die Bandscheibenbeschwerden spielten keine Rolle mehr. Bezüglich Sitzen, Stehen, Körperzwangshaltungen, Heben und Tragen sei eine wesentliche Einschränkung bei der Klägerin nicht gegeben. Schichtarbeit sei der Klägerin nicht möglich, gleiches gelte für Zeitdruck und insbesondere Publikumsverkehr. Die Klägerin sei von 2010 bis zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung ohne weiteres in der Lage gewesen, eine leichte Betreuungstätigkeit in der Altenhilfe zwischen drei und sechs Stunden zu erfüllen.
Nach Beiziehung von Auszügen aus den Patientenkarteien des Dr. med. F. von 2010 bis 2017, des Dr. med. C. vom 2011 bis 2017 mit Refraktionswerten und der Dres. med. E. von 2010 bis April 2018 hat das Sozialgericht von Amts wegen ein augenfachärztliches Gutachten bei dem Augenarzt Prof. Dr. med. R., Direktor der Universitätsaugenklinik D-Stadt, eingeholt. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 27. November 2018 ist er in seinem Gutachten vom 13. Februar 2019 unter Berücksichtigung der Diagnose
Makuladegeneration bei juxtafovealen Teleangiektasien mit zentralen Gesichtsfeldausfällen und verminderter zentraler Sehschärfe
auf augenfachärztlichen Gebiet zu der Einschätzung gelangt, dass eine Beeinträchtigung der Sehfunktion durch eine reduzierte Sehschärfe und zentrale Gesichtsfeldausfälle vorliege. Die relevante Sehminderung der Klägerin bestehe seit 2001. Im aktenkundig dokumentierten Zeitraum von 2010 bis Dezember 2017 hätten die Werte der Sehschärfe geschwankt, im gesamten Verlauf sei insgesamt eine Verschlechterung zu beobachten. Bei der Klägerin liege eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vor, die jedoch bei rentenversicherungsrechtlichen Fragestellungen nicht herangezogen werden könne. Die „mögliche Arbeitszeit pro Tag“ als Maßstab im Rentenrecht finde keine rechte Entsprechung. Der Klägerin sei es aufgrund des eingeschränkten Sehvermögens und des zentralen Gesichtsfelddefekts nicht erlaubt, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln stelle wegen der nicht ausreichenden Sehfähigkeit zum Erkennen der Fahrpläne ohne vergrößernde Sehhilfe keine Alternative dar. Eine besondere Einschränkung liege für den Weg zur Arbeitsstätte sowie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel vor. Es bestehe ein erhöhtes Unfall- und Sturzrisiko aufgrund der beeinträchtigten Sehfunktion.
Durch Urteil vom 8. Juli 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin trotz der widersprüchlichen Diagnosen und Aussagen zu ihrem Leistungsvermögen zur Überzeugung des Gerichts bereits vor dem 2. August 2014 - dem Zeitpunkt des Wiedervorliegens der gesetzlich erforderlichen Vorversicherungszeit - außerstande gewesen sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Einschätzung folge nicht bereits unmittelbar daraus, dass die Klägerin im Pensionierungsverfahren als dienstunfähig eingestuft worden sei, da die Dienstunfähigkeit nicht mit der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleichzusetzen sei. In einer Gesamtschau, in die auch die gutachterlichen Stellungnahmen zum Gesundheitszustand der Klägerin vom 8. September 2010 und vom 24. November 2010 eingeflossen seien, sei davon auszugehen, dass die Klägerin bei retrospektiver Betrachtung spätestens seit dem 17. November 2010 voll erwerbsgemindert gewesen sei. Dies folge maßgeblich aus den durch die Augenerkrankung der Klägerin verursachten Leistungsbehinderungen unter Berücksichtigung der durch das Rückenleiden und die psychische Erkrankung verursachten Einschränkungen. Nach dem Attest des Augenarztes (wohl: Augenärztin) Dr. med. M. vom 17. November 2010 habe bei der Klägerin noch ein Sehvermögen von 0,3 rechts und 0,1 links bestanden. Augenärztlich sei der Klägerin bescheinigt worden, dass sie nicht mehr in der Lage sei, am Bildschirmarbeitsplatz zu arbeiten, selbst mit allen erdenklichen vergrößernden Sehhilfen. Im weiteren Verlauf sei die Sehschärfe leicht schwankend, aber dauerhaft auf ähnlichem Niveau verblieben, zuletzt dokumentiert durch die Untersuchung des Sachverständigen Prof. Dr. med. R. am 27. November 2018. Zwar hätten die Visuswerte der Klägerin im zeitlichen Verlauf leicht geschwankt, sie hätten sich jedoch stets in einem Bereich, der nach den Vorgaben der Versorgungsmedizinverordnung zur Annahme einer Schwerbehinderung mit einem GdB von 50 bewertet ist, bewegt und seien nach Pape in die Stufe III der Sehbeeinträchtigung („Sehbehinderung“) einzuordnen. Bei einer derartigen Sehbehinderung sei von einer so schweren spezifischen Leistungsbehinderung auszugehen, dass es in der Regel nicht mehr möglich sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin selbst habe in ihrem Rentenantrag angegeben, sich seit 2008 für erwerbsgemindert zu halten. Erst nach dem Ablehnungsbescheid der Beklagten sei sie in ihrer Argumentation dahingehend umgeschwenkt, dass die Erwerbsminderung erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sei. Die Tatsache, dass die Klägerin trotz ihrer Behinderung bis zum 1. Januar 2016 einer Beschäftigung im Umfang von zwei Stunden arbeitstäglich nachgegangen sei, könne nicht als Beleg gegen die Annahme einer Erwerbsminderung herangezogen werden, da es sich um eine geringfügige Beschäftigung gehandelt habe. Überdies lägen keine objektiven Befundunterlagen vor, die eine Verschlechterung erst ab dem Jahr 2014 belegen würden. Die augenärztlichen Befunde zeigten keine messbare Verschlechterung in diesem Zeitraum. Auch eine Verschlechterung der psychischen Verfassung der Klägerin seit dem Jahr 2014 werde durch die vorliegenden Befunde und Gutachten nicht gestützt. Zwar habe das Pflegegutachten vom 16. Dezember 2015 den Gesundheitszustand der Klägerin schlechter als das Vorgutachten vom 7. Oktober 2013 eingestuft. Das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Dr. med. Dipl.-Psych. S. bescheinige der Klägerin aber einen weitgehend beschwerdefreien Zustand. Die unterschiedlichen Einschätzungen des Dr. med. H. und des Sachverständigen Dr. med. Dipl.-Psych. S., in welchem Ausmaß sich die psychische Erkrankung der Klägerin erwerbsmindernd auswirke, sei wahrscheinlich dem schwankenden Verlauf der seit langem bestehenden psychischen Erkrankung geschuldet. Diese Unklarheiten könnten aber dahinstehen, weil sich die volle Erwerbsminderung der Klägerin seit November 2010 bereits aus der Sehbehinderung ergebe und außerdem keine maßgebliche Verschlechterung der chronischen psychischen Erkrankung seit August 2010 ersichtlich sei. Eine Verschlechterung der orthopädischen Leiden im Bereich der Wirbelsäule seit dem Jahr 2014 sei ebenfalls nicht ersichtlich. Ginge man also in Übereinstimmung mit der Klägerin davon aus, dass sie bis zum 2. August 2014 trotz ihrer Sehbehinderung noch (teilweise) erwerbsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gewesen sei, so müsse man unterstellen, dass dies bis zum Tag der mündlichen Verhandlung der Fall gewesen sei.
Gegen das ihr am 16. Juli 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Juli 2019 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Sie ist der Auffassung, dass aus den eingeholten Gutachten nicht hervorgehe, dass sie bereits ab November 2010 erwerbsgemindert gewesen sei. So habe der Sachverständige Prof. Dr. med. R. festgestellt, dass sie im Zeitraum von 2011 bis 2014 bei der Caritas im Bereich der Altenhilfe gearbeitet habe und damit erwerbsfähig gewesen sei. Auch Dr. med. Dipl.-Psych. S. habe bestätigt, dass eindeutig ein gewisses Leistungsvermögen bestanden habe, weil sie bei der Caritas habe arbeiten können. Der Sachverständige habe auch geäußert, dass die dort geminderte Stundenzahl nicht etwa einer Leistungsminderung, sondern rechtlichen Gegebenheiten geschuldet gewesen sei. Sie sei durchaus in der Lage gewesen, weitaus mehr als nur geringfügig beschäftigt zu arbeiten. Dies stehe dann auch der Argumentation des Sozialgerichts entgegen, das zwar auf den höheren Beweiswert der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung hinweise, jedoch ausführe, dass die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung auf eine mehr als nur geringfügige Beschäftigung abstelle. Dr. med. Dipl.-Psych. S. sei von einem Leistungsvermögen zwischen drei bis sechs Stunden von 2010 bis zur Rentenantragstellung ausgegangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8. Juli 2019 sowie den Bescheid vom 29. April 2015 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vom 1. September 2014 bis 31. Mai 2020 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie geht weiterhin davon aus, dass der Leistungsfall ihrerseits zutreffend auf den 8. September 2010 datiert worden sei.
Am 26. September 2022 hat ein Erörterungstermin mit der Berichterstatterin stattgefunden. Die Klägerin hat auf gerichtliche Anforderung sodann Pflegegutachten des MDK betreffend ihren Ehemann, als dessen Pflegeperson die Klägerin seit 1. Januar 2017 Pflichtbeiträge für Pflegetätigkeit in ihr Versicherungskonto erhalten hat, vom 30. Mai 2017, 14. Oktober 2019 und 2. Dezember 2019 zur Akte gereicht. Dem Ehemann der Klägerin wurde der Pflegegrad 3 ab April 2017 zuerkannt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Rentenakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG).
Sie ist aber unbegründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8. Juli 2019 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung hat. Der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2015 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig ergangen und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch
1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Darüber hinaus gehört zur Erwerbsfähigkeit neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle von der Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1980, 1 RJ 32/79, juris Rdnr. 23; Urteil vom 14. März 2002, B 13 RJ 25/01 R, juris Rdnr. 20 m.w.N.). Da ein Minimum an Mobilität zur Ausübung einer Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs, die in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich ist, erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90 = SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; Urteil vom 9. August 2001, B 10 LW 18/00 R = SozR 3-5864 § 13 Nr. 1), gehört zur Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auch die Fähigkeit des Versicherten, viermal am Tag Wegstrecken von (mehr als) 500 m Länge mit zumutbarem Zeitaufwand, d.h. jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90 = SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90 = SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Dazu gehört z.B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1965, 4 RJ 101/62 = SozR Nr. 56 zu § 1246 RVO).
Hiervon ausgehend hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Gemessen an den beschriebenen Kriterien ist sie bereits aufgrund ihrer erheblichen Visusminderung zur Überzeugung des Senats seit 17. November 2010 nicht wegefähig im dargelegten Sinne.
Auf augenärztlichem Fachgebiet hat Prof. Dr. med. R. in seinem Gutachten vom 13. Februar 2019 festgestellt, dass die Klägerin an einer Makuladegeneration bei juxtafovealen Teleangiektasien mit zentralen Gesichtsfeldausfällen und verminderter zentraler Sehschärfe leidet. Ein vermindertes quantitatives Leistungsvermögen stellt er aufgrund dieser Erkrankungen jedoch nicht fest. Er verweist insoweit darauf, dass die anlässlich seiner ambulanten Untersuchung festgestellte herabgesetzte Sehschärfe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50% im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung bedingen würde, aber sich im Rentenversicherungsrecht für das Sehvermögen bei dem geltenden Maßstab der „möglichen Arbeitszeit pro Tag“ keine Entsprechung finde. Die von dem Sachverständigen beschriebenen erheblichen Einschränkungen bedingen jedoch zur Überzeugung des Senats eine aufgehobene Wegefähigkeit der Klägerin. So führt der Sachverständige in seinem Gutachten aus, dass die Klägerin aufgrund der erheblichen Sehbehinderung kein Kraftfahrzeug führen kann. Darüber hinaus ist es ihr nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch objektiv nicht zumutbar, viermal am Tag Wegstrecken von (mehr als) 500 m Länge ohne Gefahr für ihre Gesundheit mit zumutbarem Zeitaufwand, d.h. jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Inwieweit das von dem Sachverständigen gesehene Hindernis für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne des Erfordernisses von vergrößernden Sehhilfen, um Fahrpläne zu erkennen, durch Hilfsmittel hätte ausgeglichen werden können, bedarf vorliegend keiner weiteren Vertiefung. Denn der Sachverständige sieht generell eine besondere Einschränkung für den Weg zur Arbeitsstätte und verweist auf ein erhöhtes Unfall- und Sturzrisiko aufgrund der beeinträchtigten Sehfunktion.
Die dieser Einschätzung zugrundeliegende Visusminderung besteht zur Überzeugung des Senats bereits mindestens seit 17. November 2010. Die im medizinischen Berichtswesen dokumentierten Anknüpfungstatsachen lassen sich bis zu diesem Zeitpunkt engmaschig zurückverfolgen. Während die Visuswerte der Klägerin bei erstmaliger aktenkundiger Dokumentation der Augenerkrankung ausweislich des Arztbriefs der Augenklink C-Stadt vom 2. November 2001 noch bei 0,5 rechts und 0,4 links lagen, attestierte Dr. med. M. am 17. November 2010 nur noch eine Sehschärfe von 0,3 rechts und 0,1 links. Die von Dr. med. C. ab 20. Juni 2011 dokumentierten Visuswerte schwanken, lagen aber beispielsweise 2013 bei 0,1 rechts und 0,25/0,20 links. Überdies ist am 25. Juni 2013 eine Besprechung wegen Blindengeld dokumentiert. Wenn auch im Juni 2014 einmalig ein Visus mit 0,3 rechts und 0,4 links angegeben wurde, lag der dokumentierte Visus am 1. Juli 2014 bei 0,25 rechts und 0,32 links und am 2. Dezember 2014 bei 0,2 beidseits. Folglich kann weder von einer überdauernden Verbesserung noch von einer - wie von der Klägerin vorgetragenen - seit der Rentenantragstellung am 22. September 2014 eingetretenen Verschlechterung gesprochen werden. Eine solche lässt sich anhand der dokumentierten Werte seit 2010 nicht objektivieren und dies korrespondiert im Übrigen auch mit den ursprünglichen Angaben der Klägerin bei Rentenantragstellung, wonach sie sich bereits seit 2008 unter anderem wegen der Augenerkrankung für erwerbsgemindert hält. Auch wenn der Krankheitsprozess mit Schwankungen progredient verlaufen ist, lässt sich bereits aufgrund der Angabe der Dr. med. M. in ihrem Attest vom 17. November 2010 feststellen, dass die von Prof. Dr. med. R. beschriebenen Einschränkungen hinsichtlich der Wegefähigkeit bereits zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen haben. Dies wird auch durch den Befundbericht des Dr. med. C. vom 4. Dezember 2014 im Verwaltungsverfahren bestätigt, der der Klägerin eine Reiseunfähigkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln bescheinigt. Auch während des sozialgerichtlichen Verfahrens hat die Klägerin mit Schreiben vom 14. September 2017 bzw. 27. Juli 2018 aufgrund ihrer erheblichen Sehbehinderung die Genehmigung eines Taxis für die Fahrt zur Untersuchung bei Dr. med. Dipl.-Psych. S. bzw. bei Prof. Dr. med. R. mit der Begründung beantragt, dass sie im Straßenverkehr und in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zurechtkomme. Die Klägerin geht folglich selbst davon aus, dass sie aufgrund ihrer erheblichen Visusminderung nicht mehr in der Lage gewesen ist, Wegstrecken im Sinne der rentenrelevanten Wegefähigkeit gefahrlos zurückzulegen. Wenn sich aber zurückverfolgbar bis 17. November 2010 die Visuswerte auf einem annähernd gleichbleibenden Niveau bewegt haben, ist eine andere Beurteilung der Wegefähigkeit für die Zeit vor dem 2. August 2014 gänzlich unplausibel. Dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 8. Juli 2019 zu Protokoll erklärt hat, dass sie ihre Einsatzorte im Rahmen ihrer Tätigkeit als Alltagshelferin mit dem Bus erreicht habe, ändert hieran nichts. Wenn sie trotz ihrer auch schon damals bestehenden erheblichen Sehbehinderung - offensichtlich in Kenntnis der entsprechenden Fahrpläne und örtlichen Gegebenheiten - die Fahrten durchgeführt hat, war ihr dies unter Anlegung von objektiven rentenrechtlichen Kriterien zur Überzeugung des Senats nicht zumutbar. Ist die Klägerin dennoch subjektiv das Risiko von Unfällen und Stürzen beim Erreichen ihrer Einsatzorte während ihrer Tätigkeit als Alltagshelferin eingegangen, kann dies nicht dazu führen, dass eine objektiv-abstrakt zu bestimmende Wegefähigkeit vorliegt. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die geeignet gewesen wären, eine ausreichende Mobilität herzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 1997, 5 RJ 16/97 = SozR 3-2600, § 44 Nr. 10; BSG, Urteil vom 14. März 2002, B 13 RJ 25/01 R; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, B 13 RJ 79/11 R = BSGE 110, 1-8), hat die Klägerin weder beantragt noch standen ihr solche tatsächlich im Zeitraum vom 2. August 2014 bis zum Eintritt in die Regelaltersrente zur Verfügung. Sie können auch nachträglich nicht bewilligt werden. Damit liegt eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit zur Überzeugung des Senats nachweislich ab 17. November 2010 vor.
Überdies ist ein quantitativ dauerhaft herabgesetztes oder aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin zu einem Zeitpunkt ab 2. August 2014, zu dem die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wieder vorgelegen haben, bis zum Beginn ihrer Regelaltersrente nicht nachgewiesen.
Anhand der erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten und des medizinischen Berichtswesens und der übrigen beigezogenen Unterlagen lässt sich zur Überzeugung des Senats gerade kein konkreter Zeitpunkt bestimmen, ab dem das Leistungsvermögen der Klägerin nachweislich unumkehrbar im Sinne eines rentenrelevanten Dauereinflusses aufgehoben oder gemindert gewesen ist. Ein solcher Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ist nämlich nur dann erbracht, wenn die behauptete Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt, also ohne dass vernünftige Zweifel hieran bestehen. Das ist dann der Fall, wenn für das Vorliegen der rentenerheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. hierzu schon: BSG, Urteil vom 28. November 1957, 4 RJ 186/56 = BSGE 6, 144). Kann der Vollbeweis nicht erbracht werden, geht dies nach den allgemeinen Regeln des Beweisrechts zulasten desjenigen, der aus der zu beweisenden Tatsache eine für sich günstige Rechtsposition in Anspruch nimmt.
Auf psychiatrischem Fachgebiet leidet die Klägerin nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der die Klägerin behandelnden Ärzte und der gehörten Gutachter und Sachverständigen an einer paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und einem schizophrenen Residuum.
Anhand der vorliegenden Unterlagen lässt sich lediglich ein wechselhafter Verlauf der psychiatrischen Erkrankung nachvollziehen, nicht aber ein dauerhaft aufgehobenes Leistungsvermögen seit dem 8. September 2010 – wie die Beklagte meint.
Aus den beigezogenen gutachterlichen Stellungnahmen des Dr. med. G. vom 8. September 2010 und vom 24. November 2010, die dieser im Verfahren zur Frage der beamtenrechtlichen Dienstunfähigkeit der Klägerin abgegeben hat, ergibt sich zum damaligen Zeitpunkt ein sicherlich eingeschränktes Leistungsvermögen für die damals ausgeübte Tätigkeit als Fernmeldeassistentin. Dr. med. G. beschreibt in beiden Stellungnahmen wortgleich eine Minderbelastbarkeit der Klägerin mit häufigem Ermüden, Аlptгäumеn, Antriebshemmung, Schlafstörung, Stimmungslabilität mit verminderter Stresstoleranz, Konzentrationsstörungen, ausgeprägten Arbeitsstörungen, Schweißausbrüchen, Zittern, Angstzuständen und Unruhe, ohne dass allerdings ersichtlich ist, ob es sich hierbei um die Angaben der Klägerin handelt und in welcher Weise er deren Konsistenz geprüft hat. Er beurteilte das damalige Leistungsvermögen der Klägerin quantitativ und qualitativ als im Wesentlichen nicht mehr vorhanden. Am 24. November 2010 ging er von einer vorübergehenden Dauer der Einschränkungen aus und empfahl eine Reaktivierungsprüfung nach dem Ablauf von 12 Monaten. Eine solche hat zwar offensichtlich nicht stattgefunden. Die weiteren Unterlagen belegen jedoch, dass die Klägerin im weiteren Verlauf auf psychiatrischem Fachgebiet nicht dauerhaft wie 2010 beschrieben eingeschränkt gewesen ist. Bereits am 19. Mai 2011 bescheinigte der Neurologe und Psychiater Dr. med. von F. der Klägerin, dass die mangelnde Belastbarkeit auf einen Arbeitsplatzkonflikt zurückzuführen gewesen sei und er davon ausgehe, dass bei einer Umsetzung in eine andere Organisationseinheit die psychische wie psychische (wohl: physische) Belastbarkeit der Klägerin ausreichend wäre, um den an sie gestellten Anforderungen zu entsprechen. Auch in seinem Arztbrief vom 2. Juli 2013 an die Hausärzte der Klägerin, Dres. med. E., berichtete Dr. med. F. bei Angabe eines Residuums einer paranoiden Schizophrenie, dass er mit der seelischen Verfassung der Klägerin sehr zufrieden sei. Es habe zum damaligen Zeitpunkt keine Psychose bestanden. Er berichtete überdies von einer guten Stimmung und gutem Schlaf. Die medikamentöse Therapie mit Risperidon führte er unverändert weiter. Erneut im fachärztlichen Attest vom 6. August 2015 bescheinigte der Neurologe und Psychiater Dr. med. F. nochmals den phasenhaften Verlauf der Erkrankung mit Phasen von geringer Krankheitsaktivität und guter Leistungs- und Dienstfähigkeit. Dies wird auch durch die Behandlungsdokumentation des Dr. med. F. gestützt. Vom 3. Juli 2011 bis 29. Oktober 2013 ergibt sich eine Behandlungspause, die auf eine fehlende Beschwerdesymptomatik und Behandlungsbedürftigkeit schließen lässt. Am 29. Oktober 2013 ist unter anderem vermerkt, dass keine Psychose bestand. Beim nächsten Kontakt am 6. Mai 2014 bestand wiederum kein Wahn, der Kontakt wird als gut herstellbar beschrieben. Zwar wird am 29. September 2014 die Klägerin zitiert, dass der Mini-Job bei der Caritas aufgrund der Sehbehinderung, der Psyche und der Lendenwirbelsäule nur zwei Stunden pro Tag klappe, am 21. Oktober 2014 wird dann aber wiederum berichtet, dass keine Psychose besteht, die Klägerin euthym sei und gut im Kontakt. Beim nächsten Kontakt, der nicht zur Ausstellung eines Attests erfolgte, am 25. März 2015 berichtete die Klägerin von der bevorstehenden Begutachtung durch Dr. med. H. im Rentenverfahren. Dr. med. F. vermerkte unter diesem Datum, dass die Klägerin nicht gut belastbar sei und viel Ruhe brauche. Mit Ausnahme des Termins am 7. Dezember 2015, in dem die Klägerin sich im Alltag als „träge und adynam“ beschrieben hat, ist den Eintragungen für die übrigen Folgetermine am 28. September 2015, 5. April 2016, 2. Juli 2016, 17. Oktober 2016, 10. April 2017 und 9. November 2017 insbesondere zu entnehmen, dass keine Psychose festgestellt werden konnte. Teilweise wird von einem stabilen Zustand, einer Zufriedenheit mit der Medikation, die sie regelmäßig nehme, und von einer guten Kontaktaufnahme berichtet. Es ist also festzuhalten, dass den Behandlungsunterlagen - außer im März und September 2015 leichte Beeinträchtigungen - überwiegend keine wesentlichen Einschränkungen zu entnehmen sind. Dies deckt sich auch mit der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 31. März 2015 durch Dr. med. H. und der - allerdings durch die Klägerin und ihren Ehemann beschriebenen Situation - während der Pflegebegutachtung am 16. Dezember 2015. Eine überdauernde quantitative Leistungsminderung ist aber aufgrund der zwischenzeitlich offensichtlich beschwerdefreien Phasen damit nicht im Vollbeweis belegt. Dem Gutachten des Dr. med. H. lässt sich eine Auswertung der Behandlungsunterlagen nicht entnehmen.
Diese Beurteilung stützt auch das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. med. Dipl.-Psych. S., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 10. November 2017. Der Sachverständige beschreibt die Klägerin zum Zeitpunkt seiner Untersuchung am 8. November 2017 als bewusstseinsklar und voll orientiert. Die Stimmungslage sei ausgeglichen, die Patientin sehr gut affektiv schwingungsfähig. Es ließen sich keine Hinweise für eine Auflockerung des Denkens im Sinne einer formalen Denkstörung feststellen. Auch inhaltliche Störungen mit Wahnbildungen lagen zum damaligen Zeitpunkt nach Ausführung des Sachverständigen nicht vor. Die Klägerin sei nicht in ihrem Kontaktverhalten beeinträchtigt und auch in der Lage, geordnet ihren gesamten Lebensgang wiederzugeben, so dass eine relevante kognitive Beeinträchtigung und Beeinträchtigung der Fähigkeiten aufgrund des psychotischen Geschehens eindeutig zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung nicht vorlägen. Die Klägerin sei nach stattgehabten rezidivierenden psychotischen Episoden unter der Medikation derzeit beschwerdefrei. Eine Leistungsminderung werde nicht hervorgerufen. Die als gemischte schizoaffektive Störung einzustufende Erkrankung befinde sich derzeit in vollständiger Remission. Ein schizophrener Residualzustand stelle sich derzeit nicht dar. lm Vordergrund des Beschwerdesyndroms stehe die massive Sehminderung aufgrund der bestehenden Makuladegenerationserkrankung. Die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung des Sachverständigen, dass die Klägerin ohne weiteres die leichte Betreuungstätigkeit in der Altenhilfe zwischen drei und sechs Stunden von 2010 bis zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung habe erfüllen können, entbehrt aber für den Senat einer plausiblen Begründung. Es ist nicht nachvollziehbar, woraus sich eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens ergeben könnte. Nicht nur, dass die Klägerin die Tätigkeit als Altenhelferin von September 2011 bis Dezember 2015 ausgeübt hat. Es ist den Ausführungen des Sachverständigen auch nicht zu entnehmen, woraus sich seine Einschätzung herleitet. Soweit er im Wesentlichen auf die tatsächliche Ausführung der Tätigkeit als Alltagsbegleiterin verweist und meint, dass sie lediglich aus rechtlichen Gründen in geringfügigem Umfang ausgeübt worden sei, stimmt dies zum einen nicht mit den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts am 8. Juli 2019 überein, in der sie ausgeführt hat, dass ihr der Umfang von zwei Stunden täglich gereicht habe. Überdies fließt offensichtlich im Wesentlichen die Beeinträchtigung der Sehbehinderung in die Leistungsbeurteilung ein, die der Sachverständige gänzlich fachfremd beurteilt. Selbst wenn man aber seiner Einschätzung folgen wollte, war die Klägerin offensichtlich nicht in ihrem Leistungsvermögen rentenrelevant eingeschränkt, denn er bescheinigt der Kläger ein solches zwischen drei und sechs Stunden. Bei einem Leistungsvermögen von sechs Stunden liegt aber genau genommen keine Erwerbsminderung vor, § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 SGB VI.
Ein Fortbestehen einer gewissen Leistungsfähigkeit hat die Klägerin auch insoweit dokumentiert, als sie beginnend ab 1. April 2017 in nicht unerheblichem Umfang als private Pflegeperson ihren Ehemann in häuslicher Umgebung gepflegt hat. Aus den vorgelegten Gutachten des MDK vom 30. Mai 2017, 14. Oktober 2019 und 12. Dezember 2019 geht ein Pflegeaufwand von 21 Stunden bzw. 42 Stunden pro Woche bei Pflegegrad 3, den die Klägerin erbringt, hervor.
Auf augenärztlichem Fachgebiet hat Prof. Dr. med. R. in seinem Gutachten vom 13. Februar 2019 - wie bereits dargelegt - keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin festgestellt.
Auch ist das Vorbringen der Klägerin, dass sie an Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich im maßgeblichen Zeitraum gelitten habe, nicht geeignet, den Nachweis einer rentenrelevanten Leistungsminderung im maßgeblichen Zeitraum zu erbringen. Zwar findet sich ein Beschwerdevortrag in der Behandlungsdokumentation des Dr. med. F. im September und Oktober 2014. Eine fachärztliche Behandlung ist jedoch weder von der Klägerin vorgetragen noch anderweitig ersichtlich und Dr. med. Dipl.-Psych. S. sieht in diesem Bereich keine Einschränkungen, so dass auch insoweit keine überdauernde Leistungsminderung vollbeweislich belegt ist.
Nachvollziehbar für den Senat ist sicher ein nicht geradlinig verlaufener Krankheitsprozess - sowohl auf psychiatrischem als auch auf augenärztlichem Fachgebiet -, ohne dass sich jedoch ein rentenrelevant herabgesetztes quantitatives Leistungsvermögen der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ab dem 2. August 2014 nachweislich ergibt. Auch wenn es durchaus denkbar und auch möglich erscheinen mag, dass bei der Klägerin nach diesem Zeitpunkt ein quantitativ herabgesetztes Leistungsvermögen in rentenberechtigendem Ausmaß eingetreten sein könnte, kommt es darauf nicht an. Entscheidend für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist nämlich, dass der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises für ein weniger als sechsstündiges bzw. weniger als dreistündiges Leistungsvermögen erbracht ist.
Es ergeben sich zur Überzeugung des Senats keine Anhaltspunkte für zielgerichtete weitere medizinische Ermittlungen. Der Senat hat sich insbesondere nicht gedrängt fühlen müssen, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Denn das Gericht ist in der Würdigung von Sachverständigengutachten grundsätzlich frei und kann auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von ihnen abweichen (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Dezember 1989, 2 BU 146/89, juris Rdnr. 5 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 23. Mai 2006, B 13 RJ 272/05 B, juris Rdnr. 5 m.w.N.). Es ist dann lediglich gehalten, sich mit den gutachtlichen Ausführungen auseinander zu setzen, denen es nicht folgt. Vorliegend ist aber auch von einem weiteren Sachverständigengutachten keine weiterführende Aufklärung des Sachverhalts in der Vergangenheit zu erwarten. Das umfänglich beigezogene medizinische Berichtswesen ist bereits ausgewertet worden. Neue Erkenntnisquellen sind weder ersichtlich noch sind solche von der Klägerin im Berufungsverfahren benannt worden.
Nach dem Vorgesagten kann dahinstehen, ob - wovon das Sozialgericht in seinem Urteil vom 8. Juli 2019 ausgegangen ist - bei der Klägerin besondere Umstände insbesondere in Form einer spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 = SozR 2200 § 1246 Nr. 117 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82 = SozR 2200 § 1246 Nr. 104) aufgrund der erheblichen Sehbehinderung vorgelegen haben, welche die Ausübung einer leichten Erwerbstätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschweren und die im Falle eines Fehlens einer zumutbaren Verweisungstätigkeit zur Annahme einer Erwerbsminderung führen würden.
Ausgehend von einer aus der Wegeunfähigkeit der Klägerin folgenden vollen Erwerbsminderung der Kläger ab 17. November 2010 scheitert ihr Rentenbegehren daran, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt sind. Denn bei Eintritt des Leistungsfalles am 17. November 2010 ist weder die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erforderliche Vorversicherungszeit (drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) noch einer der gesetzlich zugelassenen Ausnahmetatbestände gegeben.
Der für den Nachweis der sogenannten Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI maßgebliche Fünfjahreszeitraum verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI und § 241 Abs. 1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sogenannten Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungszeiten und Ersatzzeiten). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53 SGB VI zufolge vorzeitig erfüllt ist (z.B. wegen eines Arbeitsunfalls). Nach der Sonderregelung des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.
Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von fünf Jahren zurückgelegt ist.
Aus dem unbestrittenen Versicherungsverlauf vom 25. Juni 2020, der Bestandteil des Rentenbescheids vom selben Tag ist, ergibt sich, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum vom 17. November 2005 bis 16. November 2010 keinen Pflichtbeitrag erbracht hat. Ihr Versicherungsverlauf weist vom 1. September 1994 bis 1. September 2011 aufgrund ihrer Beamtentätigkeit eine Lücke auf. Auch Verlängerungstatbestände im Sinne von § 43 Abs. 4 SGB VI liegen nicht vor. Dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab dem 2. August 2014 wieder vorgelegen haben, da das Versicherungskonto ab 1. September 2011 wieder Pflichtbeiträge aufweist und somit unter Zugrundelegung eines Vorbelegungszeitraums vom 1. September 2009 bis 2. August 2014 36 Monate mit Pflichtbeiträgen vorhanden sind, ist unerheblich, da Versicherungsfall und versicherungsrechtliche Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.
Auf den Nachweis der für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich erforderlichen Vorversicherungszeit nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI kann im vorliegenden Fall auch nicht verzichtet werden, weil die Voraussetzungen der einschlägigen Ausnahmebestimmungen nicht erfüllt sind. So ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei der Klägerin infolge einer der in § 43 Abs. 5 i. V. m. § 53 SGB VI angesprochenen Fallkonstellation (Arbeitsunfall oder dergleichen) eingetreten sein könnte. Des Weiteren gehört die Klägerin nicht zu denjenigen Versicherten, welche die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Maßgabe des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erfüllen können. Denn nach dem Versicherungsverlauf vom 25. Juni 2020 ist zwar die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) vor dem 1. Januar 1984 erfüllt. Allerdings ist aufgrund der Lücke ab 1. September 1994 nicht jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung, also Oktober 2010, mit Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne von § 241 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 SGB VI belegt. Die Erwerbsminderung der Klägerin ist im Übrigen auch nicht vor dem 1. Januar 1984 eingetreten. Ebenso wenig ist schließlich die Ausnahmevorschrift des § 43 Abs. 6 SGB VI erfüllt, da die Klägerin nicht bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert gewesen ist.
Die 1954 geborene Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Zwar ist sie vor dem 2. Januar 1961 geboren. Entsprechend den bereits dargelegten Gründen hat sie aber bei einem Leistungsfall am 17. November 2010 auch keinen Anspruch auf eine solche Rente.
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.