Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbstständige Tätigkeit generell aus (stdge Rspr BSG, zuletzt: Urt v 19.09.2019, B 12 R 25/18 R juris, und v 29.02.2021, B 12 R 18/18 R juris).
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. August 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) umstritten, ob der Beigeladene zu 1. für die Klägerin als Geschäftsführer im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig ist und die Klägerin deshalb verpflichtet ist, im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 Beiträge zur Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung i.H.v. 44.053,68 € zu entrichten.
Die Klägerin betreibt eine Bau- und Möbeltischlerei sowie Innen-, Treppen- und Trockenausbauarbeiten in der Gesellschaftsform einer GmbH, die seit dem 22. Juni 1995 im Handelsregister eingetragen ist (HRB Nr. ... ). Mit dem zum 6. Januar 1995 geschlossenen Geschäftsführervertrag wurde der Beigeladene zu 1. zum Geschäftsführer der Klägerin, deren Gesellschafter er und sein Vater G.M. - beide Tischlermeister - mit zu diesem Zeitpunkt jeweils hälftigen Gesellschaftsanteilen à 25.000,00 DM waren, bestellt. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 des Vertrages hat der Geschäftsführer Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen, soweit Vereinbarungen in diesem Vertrag nicht entgegenstehen. Der Geschäftsführer ist gemäß § 1 Abs. 3 von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. In § 7 Abs. 1 des Vertrages ist geregelt, dass der Geschäftsführer ein festes Jahresgehalt von 72.000,00 DM erhalte und dieses in monatlichen Teilbeträgen am jeweiligen Monatsletzten ausgezahlt werde. Darüber hinaus erhalte der Geschäftsführer eine Tantieme i.H.v. 5 % des Jahresüberschusses der Handelsbilanz vor Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Körperschafts- und Gewerbesteuer (§ 7 Abs. 3 S. 1). Im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung bleibe der Gehaltsanspruch für die Dauer von sechs Monaten bestehen (§ 7 Abs. 4 S. 1). Im Falle des Versterbens des Geschäftsführers werde seinen Hinterbliebenen das feste Gehalt anteilmäßig für die Dauer von drei Monaten weitergezahlt (§ 7 Abs. 5 S. 1). Gemäß § 9 Abs. 1 des Vertrages habe der Geschäftsführer Anspruch auf 28 Arbeitstage bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr. Könne der Geschäftsführer seinen Jahresurlaub nicht nehmen, weil Interessen der Gesellschaft entgegenstünden, habe er Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs unter Zugrundelegung der Höhe des Grundgehalts. Die Abgeltung werde mit dem ersten Gehalt des folgenden Geschäftsjahres gezahlt (§ 9 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2). Der Vertrag werde auf unbestimmte Zeit geschlossen und sei mit einer Frist von 13 Wochen zum Quartalsende kündbar (§ 10 Abs. 2). Die Abberufung als Geschäftsführer sei jederzeit (nur aus wichtigem Grund) zulässig (§ 10 Abs. 7 des Vertrages). Wegen der weiteren Einzelheiten des Geschäftsführervertrages wird auf Blatt 39 bis 44 der Verwaltungsakte Teil I der Beklagten Bezug genommen.
Am 22. Dezember 2003 übertrug zunächst G.M. aufgrund von vorweggenommener Erbfolge seinen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 25.000 DM an den Beigeladenen zu 1., der wiederum im Rahmen des ebenfalls notariell beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrages seine Geschäftsanteile im Nennbetrag von insgesamt 50.000,00 DM an seine Ehefrau A.M. zum Kaufpreis von 1.000,00 € übertrug. In § 1 S. 2 der vorgenannten Verträge ist jeweils festgehalten, dass die Gesellschaft keinen Grundbesitz hat. Ausweislich des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages vom 9. März 2004 wurden von dem Stammkapital i.H.v. 26.000,00 € von A.M. zu 1. und zu 2. jeweils 13.000,00 € (§ 4 S. 1 und 2) übernommen. Das erste Geschäftsjahr habe am 31. Dezember 1995 geendet (§ 6). Die Beschlüsse der Gesellschaft seien mehrheitlich zu fassen (§ 9 S. 1), je 500,00 € Anteil ergäben eine Stimme (§ 9 S. 6). Diese letzte Änderung des Gesellschaftsvertrages wurde am 17. Mai 2004 gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) im Handelsregister - ebenfalls unter HRB Nr. ... - eingetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 29 bis 31 der Verwaltungsakte Teil I der Beklagten verwiesen.
Im Rahmen der vom 23. Juni 2014 bis zum 9. Februar 2015 durchgeführten Betriebsprüfung gab der Beigeladene zu 1. im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung seiner Geschäftsführertätigkeit unter dem 9. Dezember 2014 an, von September 1983 bis Dezember 1984 eine abhängige Beschäftigung als Tischler ausgeübt zu haben. Er sei seit dem 1. Januar 1995 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin, vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit und verfüge als einziger über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Brachenkenntnisse. Er unterliege nicht wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht (Weisungsrecht) der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung und könne selbstständig sämtliches Personal einstellen und/oder entlassen. Er müsse sich seinen Urlaub nicht genehmigen lassen und seine Abberufung/Kündigung sei nur aus wichtigem Grund möglich. Seine Vergütung betrage inzwischen monatlich 3.700,00 €. Er habe der Klägerin ein Darlehen i.H.v. 67.000,00 € gewährt und eine Bürgschaft i.H.v. 180.000,00 € für die Klägerin übernommen. Seine Ehefrau und Gesellschafterin, die 100 % der Stammeinlagen halte, sei als Lehrerin tätig. Er könne nicht durch Sonderrechte Gesellschaftsbeschlüsse herbeiführen oder verhindern.
Nach vorheriger Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2015 in Bezug auf den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 74.823,36 € fest. Das durch die Betriebsprüfung eingeleitete sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungsverfahren habe zu dem Ergebnis geführt, dass für den Beigeladenen zu 1. seit dem 22. Dezember 2003 ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung bestehe und im Rahmen der Verjährung nach § 25 Abs. 1 S. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) für Zeiten ab dem 1. Januar 2010 nachgefordert würden. Der Beigeladene zu 1. sei seit dem 1. Januar 1995 Geschäftsführer der Klägerin. Durch den Übergang aller Gesellschafteranteile auf A.M. am 22. Dezember 2003 sei diese alleinige Gesellschafterin und der Beigeladene zu 1. als Geschäftsführer ohne Anteile am Stammkapital tätig. Ein sogenannter Fremdgeschäftsführer stehe grundsätzlich in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Der Beigeladene zu 1. erhalte ein festes Monatsgehalt. Die Ehefrau als alleinige Gesellschafterin der Klägerin habe im relevanten Zeitraum jederzeit über die Rechtsmacht verfügt, dem Beigeladenen zu 1. Weisungen zu erteilen. Es komme nicht darauf an, ob und wie sie diese Rechtsmacht wahrgenommen habe. Die familiäre Verbundenheit oder Rücksichtnahme in einer Familien-GmbH sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich nicht (mehr) geeignet, die Rechtsmacht, wie sie sich nach dem Gesellschaftsrecht ergebe, gänzlich zu negieren (Hinweis auf Urteile des BSG vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - und - B 12 R 14/10 R -). Es komme im Sinne der Rechtsprechung des BSG auch nicht mehr auf eine „faktische Machtposition“ an, wonach die zu beurteilende Person „Kopf und Seele“ der GmbH oder alleiniger Branchenkenner sei oder in der GmbH faktisch frei schalten und walten könne, wie sie wolle. Eine freie Tätigkeits- und Arbeitszeitgestaltung führe nicht automatisch zu einer selbstständigen Tätigkeit. Auch werde eine (abhängige) Beschäftigung nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand für ein Familienmitglied tätig sei (Hinweis auf Urteil des BSG vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R -). Damit komme es im vorliegenden Fall nicht darauf an, dass der Beigeladene zu 1. aufgrund seiner „faktischen Machtposition“ dem Status eines (Mit-) Inhabers gleichkomme. Denn die maßgebenden rechtlichen Rahmenbedingungen seien unverändert geblieben. Der der Tätigkeit zugrundeliegende Geschäftsführervertrag sowie das fixe monatliche Gehalt i.H.v. 3.700,00 €, vereinbarte Tantieme, Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch und die vereinbarte Kündigungsschutzfrist sprächen für arbeitnehmertypische Regelungen. Die rechtliche Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1. als Geschäftsführer sei auch nicht durch das aufgenommene Darlehen eingeschränkt oder abbedungen worden. Anders als in einem Treuhandverhältnis, in dem ein Treugeber einen Treuhänder an seine Weisungen binden könne, sei die gesellschaftsrechtliche Position der Ehefrau als alleinige Gesellschafterin, der 100 % der Gesellschaftsanteile der GmbH gehörten, in keiner Weise eingeschränkt. Auch habe der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer kein relevantes unternehmerisches Risiko getragen. Die Gewährung eines Darlehens sei zwar eine grundsätzlich für Arbeitnehmer nicht typische Übernahme von Risiken, die für sich betrachtet allerdings nur ein bloßes Haftungsrisiko, nicht aber ein Unternehmerrisiko beinhalteten, weil der Einsatz des Kapitals durch den Beigeladenen zu 1. nicht mit einer Gewinnchance verbunden sei. Ein echtes Unternehmerrisiko fehle in diesem Zusammenhang.
Am 21. September 2015 hat die Klägerin beim Sozialgericht Magdeburg sowohl Klage gegen den Bescheid vom 8. Juli 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2015 erhoben als auch beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den vorgenannten Bescheid anzuordnen. Nachdem das Sozialgericht diesen Antrag mit Beschluss vom 18. Februar 2016 abgelehnt hat (S 43 R 546/15 ER), hat der erkennende Senat des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt unter Aufhebung dieser Entscheidung dem Antrag mit Beschluss vom 21. Dezember 2016 stattgegeben (L 3 R 126/16 B ER). Der Senat halte an seiner Auffassung fest, dass die Regelung in § 7a Abs. 7 SGB IV auch im Rahmen von Betriebsprüfungen Anwendung finde, soweit Beitragsforderungen allein aus einer streitigen Statusfeststellung resultierten und eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der aufschiebenden Wirkung nicht erkennbar sei. Hier ließen die Gesamtumstände - bereits 1995 geschlossener Geschäftsführervertrag, (erst) nachfolgende Übertragung von Gesellschaftsanteilen, öffentlich-rechtliche Verpflichtungen aufgrund der Handwerksordnung, Eigentum an sämtlichen Betriebsmitteln des Geschäftsführers - nicht erkennen, dass das Bestreiten eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Geschäftsführers durch die Klägerin hier lediglich dem Zweck gedient habe, sich einer offenkundigen Beitragspflicht zu entziehen. Es ergäben sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die Nachforderung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, da der Beigeladene zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum privat krankenversichert gewesen sei. Auch seien die Ansprüche des Beigeladenen zu 1. auf eine Direktversicherung, die Überlassung eines Kraftfahrzeuges zur privaten Nutzung und regelmäßig gewährte Tantiemen nicht von vornherein dem Begriff des „regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts“ entzogen.
Die Beklagte hat sodann aufgrund der vom 19. März bis zum 31. Mai 2018 durchgeführten Betriebsprüfung in Bezug auf den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für die versicherungspflichtige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Geschäftsführer bei ihr i.H.v. 78.991,46 € nachgefordert (Bescheid vom 1. Juni 2018). Dabei ist sie weiterhin von einer Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. (auch) in der Kranken-/Pflegeversicherung ausgegangen. Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.
Im Rahmen des anhängigen Klageverfahrens hat die Klägerin auf Aufforderung der Beklagten u.a. die Lohnkonten für die Jahre 2004 bis 2006 und 2008 bis 2012 sowie Auszüge der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2013 vorgelegt. Nach deren Auswertung hat die Beklagte unter dem 8. Januar 2019 ein (Teil-) Anerkenntnis insoweit abgegeben, als sie den angefochtenen Bescheid insofern zurückgenommen hat, als durch diesen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt wurde und von ihr diesbezügliche Sozialversicherungsbeiträge nacherhoben wurden sowie den Nachforderungsbetrag für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2010 zum 31. Dezember 2013 mit nunmehr 44.053,68 € festgesetzt.
Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis mit Schriftsatz vom 28. Februar 2019 angenommen und im Übrigen daran festgehalten, Rentenversicherungsbeiträge nicht zu schulden. Die Argumentation der Beklagten, wonach der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum „keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin und Antragstellerin geltend machen konnte“, habe mit der Realität nichts zu tun.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 7. August 2019 die Klage abgewiesen, soweit sie über das Anerkenntnis der Beklagten vom 8. Januar 2019 hinausgehe. Das Gericht sehe gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nach dem Teilanerkenntnis vom 8. Januar 2019 voll und ganz der Rechtslage entspreche. Zur weiteren Begründung werde auf den Beschluss vom 18. Februar 2016 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 43 R 546/15 ER) verwiesen. Entscheidend für die Beurteilung sei die tatsächlich zustehende Rechtsmacht, ob sie nun ausgeübt werde oder nicht. Danach liege die tatsächlich zustehende Rechtsmacht allein bei der Ehefrau des Geschäftsführers.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 15. August 2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 30. August 2019 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. Es bestünden bereits Zweifel, ob überhaupt Entscheidungsgründe i.S. von § 131 Abs. 1 Nr. 6 SGG vorlägen; mit den Entscheidungsgründen lasse sich isoliert so gut wie nichts anfangen. Die allgemeine Aussage zur vermeintlich „tatsächlichen Rechtsmacht“ lasse keine substantielle Auseinandersetzung mit dem Streitfall erkennen, obwohl das LSG - nach ihrem Verständnis - im Beschwerdeverfahren L 3 R 126/16 B ER die Frage offengelassen habe, ob im Streitfall ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Qualifizierung des Anstellungsverhältnisses von Geschäftsführern sei trotz (vermeintlich oder tatsächlich gefestigter) Rechtsprechung des BSG noch nicht abgeschlossen. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin aus den Entscheidungen des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (L 8 R 1031/17) und Bayerischen LSG (L 14 R 5104/16) sowie aus einem Aufsatz von Lau in der NZS auszugsweise zitiert und auf zwei vom LSG für das Land Nordrhein-Westfalen bzw. LSG Rheinland-Pfalz zugelassene Revisionen, denen Fallkonstellationen mit einer Treuhandabrede bzw. einem Treuhandvertrag zugrunde lägen, Bezug genommen. Ferner hat sie auf Auszüge aus Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) für die Feststellung einer Ehegatteninnengesellschaft (XII ZR 29/13) und des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (8 U 34/00) verwiesen. Insoweit hat sie Bezug genommen auf eine Anlage zum Schreiben vom 12. April 2018 - das nicht aktenkundig ist - und den - erstmals vorgelegten - „Gesellschaftsvertrag der M. U. -GbR“, unterzeichnet unter dem 11. März 2015 durch A.M. und den Beigeladenen zu 1. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 237 der Gerichtsakte verwiesen. Hier sei evident, dass der Beigeladene zu 1. die Person sei, die den „maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft“ ausübe. Dieser habe im Unterschied zu seiner Ehefrau als einziger die fachlichen und öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen, sei Eigentümer des Betriebsgrundstückes, ohne dessen Belastung eine Finanzierung des laufenden Geschäftsbetriebs der Gesellschaft gerade in der zurückliegenden Phase der wirtschaftlichen Krise nicht möglich gewesen wäre. Die als Lehrerin tätige Ehefrau sei nur aus steuerlichen Gründen und zum symbolischen Kaufpreis von „einem Euro“ Inhaber der Geschäftsanteile geworden. Wesentlich sei auch der vom LSG Sachsen-Anhalt in dem Beschluss vom 21. Dezember 2016 aufgeführte Aspekt, ob der im Rahmen einer unstreitig als selbstständig zu bewertenden Geschäftsführertätigkeit geschlossene Geschäftsführervertrag des Beigeladenen zu 1. allein durch die nachfolgende Übertragung von Gesellschaftsanteilen seine Rechtsnatur habe ändern können. Die Übertragung von Geschäftsanteilen an die Ehefrau sei ausschließlich steuerlich motiviert gewesen; an den tatsächlichen Verhältnissen habe sich nichts geändert. Der damals schon bestehende Geschäftsführer-Anstellungsvertrag habe schon vor der Übertragung nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen. Denn die ohnehin formularmäßigen Regelungen des Anstellungsvertrages, die isoliert betrachtet als Indizien für eine abhängige Beschäftigung hätten gelten können, hätten im Streitfall deshalb überhaupt keine Relevanz gehabt. Tatsächlich sei auch unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG nicht von einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. auszugehen. Hätte die Ehefrau des Beigeladenen zu 1. diesem Weisungen erteilt, die er nicht hätte akzeptieren wollen, hätte dieser sofort die Geschäftsführung niederlegen können, was der Klägerin schon wegen der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen die Fortführung der handwerklichen Tätigkeit faktisch unmöglich gemacht hätte. Der Beigeladene zu 1. hätte dann ein Konkurrenzunternehmen gründen und jederzeit durch Kündigung von Darlehen oder Kreditsicherheiten die Insolvenz der Klägerin herbeiführen können. In 2018 sei es dann auch zu einer Änderung in den Beteiligungsverhältnissen der Klägerin gekommen. Die Ehefrau des Beigeladenen zu 1. habe ihre Anteile ohne Zahlung eines Kaufpreises hälftig an den Beigeladenen zu 1. und den gemeinsamen Sohn übertragen. Schließlich überschreite das BSG seine Befugnisse in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise, wenn es die Rolle eines „Ersatzgesetzgebers“ übernehme und der eigenen Rechtsprechung widerspreche, indem es den „Obersatz“ aufrechterhalten wolle, dass es auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommen solle, um diese faktisch zu ignorieren, indem auf vielfach nur formale Kriterien wie eine überhaupt nicht „gelebte“ GmbH-Satzung und eine rein theoretische „Rechtsmacht“ abgestellt werde.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 12. September 2019 in Ausführung des Teilanerkenntnisses vom 8. Januar 2019 den Bescheid vom 9. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2015 teilweise aufgehoben und die sich aus der Betriebsprüfung ergebende Nachforderung mit 44.053,68 € festgesetzt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. August 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2015 und des Bescheides vom 12. September 2019 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. August 2019 zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für rechtmäßig. Die zahlreichen Verweise auf Entscheidungen verschiedener Landessozialgerichte gingen mangels Vergleichbarkeit mit dem vorliegenden Fall fehl. Die Urteile des Bayerischen LSG zum Az. L 14 R 5104/16, des Hessischen LSG zum Az. L 8 KR 303/17, des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen zum Az. L 8 BA 31/18 und des LSG Rheinland-Pfalz zum Az. L 4 R 556/13 beträfen sämtlich Fallgestaltungen, in denen die versicherungsrechtliche Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern strittig gewesen sei, also von solchen Geschäftsführern, die zugleich am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt gewesen seien. Hier sei der Beigeladene zu 1. als Fremdgeschäftsführer nicht am Gesellschaftskapital der Klägerin beteiligt. Zudem existierten vorliegend auch weder Poolvereinbarungen noch Treuhandabreden, deren Auswirkungen auf die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung zu erörtern wären. Ferner sei die Revision gegen das von der Klägerin ebenfalls für ihre Rechtsauffassung angeführte Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Oktober 2018 - L 8 R 1031/17 - mit dem Urteil des BSG vom 19. September 2019 in dem Verfahren B 12 R 7/19 R zurückgewiesen worden. In diesem Urteil habe das BSG klargestellt, dass ein Vertrauensschutz aufgrund einer Änderung der sog. Kopf und Seele-Rechtsprechung ausscheide, zumal eine gefestigte und langjährige „Kopf-und- Seele“-Rechtsprechung, die hätte geändert werden können, bereits nicht bestanden habe. Auch der vorgelegte Gesellschaftsvertrag der M.-U.-GbR vom 11. März 2015 ändere an der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Beigeladenen zu 1. nichts, da nach der ständigen Rechtsprechung des BSG für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung eines GmbH-Geschäftsführers ausschließlich solche Rechte von Belang seien, welche im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden sind. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende Vereinbarungen oder Beziehungen könnten die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung verschieben, da sie nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände genügten. Abgesehen davon datiere der vorgenannte Gesellschaftsvertrag vom 11. März 2015 und könne für den streitbefangenen Zeitraum auch aus diesem Grund keine Wirkung entfalten.
Der Senat hat mit den Beschlüssen vom 18. Februar und 25. Mai 2021 die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen vorgenommen. Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Auf Veranlassung des Senats haben die Beklagte die ihr von der Klägerin im November 2018 übersandten Einkommensteuerbescheide des Beigeladenen zu 1. und seiner Ehefrau für die Jahre 2010 bis 2013 auszugsweise und die Klägerin die Eintragungsbekanntmachung gemäß § 55 Grundbuchordnung (GBO) des Amtsgerichts S. - Grundbuchamt - vom 12. November 2015 übersandt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 322 bis 324 und Blatt 349 der Gerichtsakte verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten des erledigten Verfahrens L 3 R 126/16 B ER, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG) zulässige Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2015 und des Bescheides vom 12. September 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
Die Beklagte ist zu Recht von einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 und einer daraus resultierenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ausgegangen. Sie hat zu Recht Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von zuletzt 44.053,68 € von der Klägerin gefordert.
Im Rahmen der Betriebsprüfung konnte die Beklagte gemäß § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV über die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Klägerin durch Verwaltungsakt entscheiden.
Die Klägerin hat die für die Beitragspflicht maßgebende Arbeitgeberstellung. Denn Arbeitgeber ist derjenige, dem der Anspruch auf die von einem Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist (BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 KR 10/09 R - juris, RdNr. 18).
Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sind insbesondere Arbeiter und Angestellte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI]; § 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [Arbeitsförderung - SGB III]).
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel" handelt. Auf der Grundlage des festgestellten (wahren) Inhalts der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R -, juris, RdNr. 16 f., m.w.N.).
Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag des Beigeladenen zu 1. ist zum 6. Januar 1995 mit der Klägerin, die seit dem 22. Juni 1995 ohne Unterbrechung im Handelsregister unter der Registernummer „HRB Nr. ...“ eingetragen ist, geschlossen und seitdem - trotz der vollständigen Änderung der Personen der Gesellschafter - nicht geändert bzw. angepasst worden. Er enthält zahlreiche Regelungen, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen (feste, monatlich gezahlte Vergütung in gleichbleibender Höhe zuzüglich Weihnachtsgeld - § 7 Abs. 1, 2; Anspruch auf eine Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung für die Dauer von sechs Monaten - § 7 Abs. 4; auf bezahlten Urlaub - § 9 Abs. 1; Pflicht, seine volle Arbeitskraft und alle Fähigkeiten und Kenntnisse in den Dienst der Klägerin zu stellen - § 4 Abs. 1; Genehmigung von Nebentätigkeiten - § 6 Abs. 1; Wettbewerbsverbot - § 6 Abs. 2 ff. und Reisekostenerstattung - § 8). Die rechtliche Einordnung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beigeladene zu 1. an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden ist (§ 4 Abs. 2). Diese gelockerte Weisungsdichte ist bei Personen, die Dienste höherer Art verrichten, üblich. Das gilt auch für die finanzielle Abgeltung nicht genommenen Urlaubs (§ 9 Abs. 2). Dass der Beigeladene zu 1. vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit ist (§ 1 Abs. 3), spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer wiederholt entschieden hat - nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R -, juris, RdNr. 18 m.w.N.). Auch die Übernahme von Darlehen und Bürgschaften begründet für sich kein für eine selbstständige Tätigkeit sprechen des Unternehmerrisiko. Das hat das BSG für die Darlehensgewährung ausdrücklich entschieden (Urteil vom 19. August 2015 - B 12 KR 9/14 R -, juris, RdNr. 33), dieser Auffassung schließt der Senat sich an.
Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich die Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. in dem umstrittenen Zeitraum nicht unter dem Gesichtspunkt bejahen, dass es ihm jederzeit möglich gewesen wäre, ihm nicht genehme Weisungen nicht zu befolgen, da (nur) er aufgrund seiner Ausbildung zum Tischlermeister über die für die Ausübung des Tischlerhandwerks erforderliche Qualifikation verfügte und die erforderlichen Betriebsmittel in seinem Eigentum standen.
Denn der Beigeladene zu 1. verfügte im hier maßgebenden Zeitraum aufgrund des Verkaufs und der Abtretung seiner Gesellschaftsanteile an A.M. am 22. Dezember 2003 nicht mehr über Anteile am Kapital der Klägerin. Ihm fehlten jegliche rechtlichen Möglichkeiten, Entscheidungen der Gesellschafterversammlung nach seinem Willen zu bestimmen. Ausweislich des Gesellschaftsvertrages vom 9. März 2004, der im Handelsregister eingetragen und in der Folgezeit jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum nicht geändert wurde, hält A.M. allein die Anteile an der Gesellschaft und ist damit allein entscheidungsbefugt.
Die Frage, ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung im Rahmen der insoweit zu treffenden Abwägung aller Umstände, beurteilt sich ohne strikte „Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungsrechtlichen - Kontext des § 7 Abs. 1 SGB IV (BSG, Urteil vom 11. November 2015 a.a.O., juris, RdNr. 27). Es liegt im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, die Frage der Versicherungspflicht bzw. fehlender Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann. Gerade dieses Postulat der Vorhersehbarkeit ist es, das das Recht der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung prägt (BSG, Urteil vom 11. November 2015 a.a.O., juris, RdNr. 31).
Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbstständige Tätigkeit generell aus (st. Rspr. BSG, Urteile vom 19. September 2019 - B 12 R 25/18 R -, juris, RdNr. 15 m.w.N. und vom 23. Februar 2021 - B 12 R 18/18 R -, juris, RdNr. 15 m.w.N.). Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist dagegen regelmäßig abhängig beschäftigt (BSG, Urteil vom 19. September 2019, a.a.O., Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 13/17 R -, BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R -, alle juris).
Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze geben die Umstände des Einzelfalls hier entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Anlass, die Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin als eine selbstständige Tätigkeit zu qualifizieren.
Die von der Klägerin aufgeführten LSG-Entscheidungen können - worauf die Beklagte bereits zutreffend hingewiesen hat - zur Stützung ihrer Argumentation nicht herangezogen werden. Denn die genannten Entscheidungen betreffen - mit Ausnahme des Verfahrens L 8 R 1031/17 - nicht die vorliegende Fallkonstellation eines Fremdgeschäftsführers, sondern den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Gesellschafter-Geschäftsführers. Aber auch soweit das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen in dem Verfahren L 8 R 1031/17 und das Bayerische LSG in dem Verfahren L 14 R 5104/16 jeweils das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des (Gesellschafter-) Geschäftsführers bejaht haben, ist dies vom BSG in den Verfahren B 12 R 7/19 R und B 12 KR 17/18 R bestätigt worden.
Sofern die Klägerin geltend macht, der schriftlich abgeschlossene Geschäftsführervertrag sei tatsächlich so nicht gelebt worden, stützen die Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren dies nicht. Denn nach den vorgelegten Lohnkonten und Auszügen aus den Einkommensteuerbescheiden bezog der Beigeladene zu 1. regelmäßig von der Klägerin Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in gleichbleibender Höhe von 3.895,21 € monatlich sowie einen Zuschuss zur Altersversorgung i.H.v. 1.752,00 € monatlich. Insbesondere einen an die jeweilige wirtschaftliche Situation der Klägerin angepassten Gehaltsverzicht hat es im streitigen Zeitraum nicht gegeben. Weitere Einkünfte des Beigeladenen zu 1. aus nichtselbstständiger oder selbstständiger Arbeit lassen sich den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden nicht entnehmen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Beigeladene zu 1. seine Arbeitskraft voll umfänglich (nur) der Klägerin zur Verfügung gestellt hat. Soweit die Klägerin zudem vorgetragen hat, dass der Beigeladene zu 1. ihr - der Klägerin - die von dieser genutzten Betriebsgrundstücke vermietet/verpachtet hat, trifft dies für den hier maßgebenden Zeitraum ausweislich des im Berufungsverfahren vorgelegten Auszugs aus dem Grundbuch bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu.
Auch das Vorbringen der Klägerin, die gesellschaftsrechtliche Gestaltung sei vorliegend aus Gründen der Steuerersparnis gewählt worden, ändert nichts an ihrer Maßgeblichkeit auch für die sozialversicherungsrechtliche Versicherungspflicht. Die von der Klägerin bzw. ihrer Gesellschafterin gewählte Konstruktion ist rechtswirksam, weshalb sich die Klägerin an ihr festhalten lassen muss (BSG, Urteil vom 19. September 2019, a.a.O., RdNr. 18).
Die Ausführungen der Klägerin zum Bestehen einer Ehegatteninnengesellschaft zwischen ihrer alleinigen Gesellschafterin A.M. und dem Beigeladenen zu 1. sind als außerhalb des Gesellschaftsvertrages zustande gekommene Vereinbarungen bei der Bewertung der Rechtsmachtverhältnisse nicht zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 13/17 R -, juris, Leitsätze 2. bis 4.).
Die Auffassung der Klägerin, der Beigeladene zu 1. habe jederzeit bei ihm nicht genehmen Weisungen der alleinigen Gesellschafterin A.M. und/oder einem Zerwürfnis mit dieser sie - die Klägerin - verlassen und ein Konkurrenzunternehmen eröffnen können, sind nicht mit der Sach- und Rechtslage in Einklang zu bringen. Denn in § 6 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages hat sich der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für die Dauer des Vertrags und die darauffolgenden zwei Jahre nach dessen Beendigung ohne Zustimmung der Gesellschaft in keiner Weise für ein Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft oder ein mit diesem verbundenen Unternehmen tätig zu werden oder sich mittelbar oder unmittelbar an einem solchen zu beteiligen sowie Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung auf dem Arbeitsgebiet der Gesellschaft zu machen.
Die Klägerin ihrerseits hätte jedoch ohne Verstoß gegen den geschlossenen Geschäftsführervertrag diesen aus - bei einem Zerwürfnis anzunehmendem - wichtigen Grund kündigen und einen Fremdgeschäftsführer mit einer vergleichbaren Qualifikation einstellen können. Die Grundstücke, auf denen die Klägerin ihr Gewerbe im hier maßgeblichen Zeitraum betrieb, standen - entgegen des Vorbringens der Klägerin - im hier maßgeblichen Zeitraum nicht im Eigentum des Beigeladenen zu 1., sondern im Eigentum des inzwischen verstorbenen Vaters des Beigeladenen zu 1., des G.M. Unabhängig davon hätte die Klägerin zudem entweder ihre Betriebsstätte verlegen müssen oder - wie auch schon zuvor - Pacht an den Vater des Beigeladenen zu 1. entrichtet.
Zudem war der Beigeladene zu 1. gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 des Geschäftsführervertrages verpflichtet, Weisungen der Gesellschafterversammlung - und damit der alleinigen Gesellschafterin A.M. - zu befolgen (§ 37 Abs. 1 GmbHG).
Schließlich kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. auch nicht unter Berücksichtigung der sogenannten „Kopf und Seele“- Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 -, juris) angenommen werden. Denn einen Leit- oder Obersatz, nach dem bei familiären Bindungen regelmäßig keine (abhängige) Beschäftigung des Geschäftsführers vorgelegen hätte, hat das BSG nie gebildet (so auch Urteil des BSG vom 19. September 2019, a.a.O., RdNr. 23). Für Familiengesellschaften hat es bereits 2001 offengelassen, ob es von dem Grundsatz, dass Fremdgeschäftsführer wegen fehlender Rechtsmacht versicherungspflichtig beschäftigt sind, Ausnahmen gibt (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R -, juris). Vielmehr hat der 12. Senat insoweit ausdrücklich klargestellt, dass es nicht zur Disposition der Vertragsparteien stehe, die Wirkungen eines aus steuer- bzw. haftungsrechtlichen Gründen abgeschlossenen wirksamen Vertrages nach Maßgabe der Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG, Urteil vom 19. September 2019, a.a.O. RdNr. 24 m.w.N.). Vorliegend hat die Klägerin auch keine besonderen Umstände genannt, aufgrund derer sich ein Vertrauensschutz in die vorgenannte „Kopf und Seele“-Rechtsprechung hätte ergeben können. Soweit sie vorträgt, durch das Begleichen der erheblichen Beitragsrückstände in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, ist dieses Vorbringen nicht im Rahmen dieses Rechtsstreits zu prüfen, sondern ihm ist gegebenenfalls durch Stundung, Erlass oder Niederschlagung der Forderung zu begegnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten sind den Beigeladenen, die keine eigenen Anträge gestellt und sich damit auch nicht in ein Kostenrisiko begeben haben, nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht zu erstatten.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.