Sozialgericht Düsseldorf
Az.: S 31 R 2502/14
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Verkündet am: 29.10.2021
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Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
……
Kläger
Proz.-Bev.: ……
gegen
……
Beklagte
Beigeladen: ……
hat die 31. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29.10.2021 durch den Vorsitzenden, den Richter ……, sowie den ehrenamtlichen Richter, …… und den ehrenamtlichen Richter …… für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, für den Kläger rückwirkend Kindererziehungszeiten sowie Kinderberücksichtigungszeiten für die Erziehung seiner am 13.08.2010 geborenen Zwillinge …… und …… innerhalb der ersten drei Lebensmonate vorzumerken.
Der Kläger und die Beigeladene sind die leiblichen Eltern der am 13.08.2010 in Deutschland geborenen Kinder …… und …... Bereits am 27.07.2010 stellten die Kindseltern gegenüber der Kreisverwaltung …… einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Auf den jeweils von beiden Elternteilen unterschriebenen Antragsformularen legten diese den Bezugszeitraum des Elterngeldes für die ersten drei Lebensmonate zugunsten des Kindsvaters und für den anschließenden Zeitraum vom vierten bis vierzehnten Lebensmonat zugunsten der Kindsmutter fest. Mit Bescheid vom 10.09.2010 wurde dem Kläger die Zahlung Elterngeld für beide Kinder betreffend den Zeitraum 13.08.2010 – 12.11.2010 bewilligt. Im Bewilligungszeitraum unterbrach der Kläger im Zuge der von ihm in Anspruch genommenen Elternzeit seine berufliche Tätigkeit, welche er ab dem 13.11.2010 fortsetzte.
Am 15.08.2011 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Kontoklärung, in Zuge dessen er unter dem 23.12.2010 zwei Anträge auf Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die beiden leiblichen Kinder vorlegte. In den allein von ihm unterschriebenen Anträgen beantwortete er jeweils unter Punkt 5 des Antragsvordruckes V805 die Frage „Die Erziehung erfolgte gemeinsam mit dem anderen Elternteil“ mit der Angabe „13.08.2010“. Auf die Frage „Wurde das Kind während der gemeinsamen Erziehung überwiegend von einem Elternteil erzogen“ antwortete der Kläger „Nein“. Unter Punkt 6.1 des Antragsvordruckes gab er weiter an, gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV KBS) sei eine übereinstimmende Erklärung für das jeweilige Kind abgegeben worden.
Im laufenden Verwaltungsverfahren wandte sich das Amtsgericht …… an die Beklagte und begehrte Auskünfte über Versorgungsanrechte des Klägers im Hinblick auf die mit der Beigeladenen geführten Ehezeit vom 01.12.2006 bis 28.02.2013.
Mit Bescheid vom 29.05.2013 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf bis zum 31.12.2006 enthaltenen Versicherungszeiten verbindlich fest, traf darüber hinaus jedoch keine Entscheidung über die Vormerkung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten. Im beigefügten Versicherungsverlauf waren entsprechende Zeiten ebenfalls nicht vermerkt. Mit Mitteilung vom gleichen Tage übersandte die Beklagte dem Amtsgericht …… eine Auskunft der bis zum 28.02.2013 im Versicherungskonto gespeicherten Versicherungszeiten.
Mit Schreiben vom 06.06.2013 erhob der Kläger Widerspruch gegen den vorgenannten Feststellungsbescheid und wendete sich zunächst ausschließlich gegen den Ausschluss von – nicht streitgegenständlichen – Versicherungszeiten. Nachdem die Beklagte dem Widerspruch hinsichtlich der übrigen Versicherungszeiten abhalf, begehrte der Kläger letztlich noch die Anerkennung der Zeit vom 13.08.2010 bis 12.11.2010 als Erziehungszeit. Er habe genauso wie die Mutter der Kinder an der Erziehung der Kinder bis zur Trennung im November 2011 teilgenommen.
Mit Schreiben vom 20.06.2013 wandte sich die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See an die Beklagte und bat diese um Mitteilung der im Versicherungskonto des Klägers vorgemerkten Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten. Die Beigeladene habe angegeben, im Dezember 2011 eine übereinstimmende Erklärung über die Zuordnung der Erziehungszeiten zu einem anderen Elternteil abgegeben zu haben. Demnach sollen die Erziehungszeiten für die beiden Kinder vom 13.08.2010 bis 12.11.2010 beim Kläger zugeordnet worden sein. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See mit, eine Vormerkung von Kindererziehungszeiten habe noch nicht stattgefunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch, soweit sie ihm nicht bereits abgeholfen hat, zurück. Zur Begründung führte sie aus, dem Kläger stünde kein Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für den Zeitraum 13.08.2010 – 12.11.2010 zu. Eine übereinstimmende Erklärung sei nicht abgegeben worden. Auch habe er als Kindsvater die Kinder nicht überwiegend erzogen. Es sei aufgrund der bis 05.11.2010 geltenden gesetzlichen Mutterschutzfrist davon auszugehen, dass lediglich eine gleichgewichtige Erziehung durch beide Elternteile vorgelegen habe, was das Vorliegen einer überwiegenden Erziehung durch den Kläger ausschließe. In diesem Falle sei daher die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeit im Versicherungskonto der Kindsmutter vorzumerken.
Mit seinem am 01.12.2014 eingegangenem Schreiben hat der Kläger vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Ihm stünden für die ersten drei Lebensmonate der leiblichen Kinder die geltend gemachten Versicherungszeiten zu, da er mit der Kindsmutter die Zuteilung von Elterngeld und Elternzeit für diesen Zeitraum vereinbart habe. Er habe erst im Laufe des Jahres 2011 von der Beklagten Antragsunterlagen erhalten, sodass er erst zu diesem Zeitpunkt entsprechende Erklärungen habe abgeben können. Beide Elternteile haben im maßgeblichen Zeitraum jeweils ein Kind betreut, sodass beide auch einen Anspruch auf Anerkennung der Versicherungszeiten wegen Kindererziehung haben. Im weiteren Verlauf führte der Kläger indes aus, er habe die beiden Kinder überwiegend erzogen, wobei hinsichtlich der genaueren Schilderungen auf Blatt 72 – 75 der Gerichtsakte verwiesen wird. Letztlich bestünde der Anspruch bereits aufgrund der übereinstimmenden Erklärung mit der Kindsmutter, indem diese im Antrag auf Elterngeld einvernehmlich die Zuordnung von Erziehungszeiten für die ersten drei Lebensmonate der Kinder zugunsten des Klägers angegeben habe. Auch indiziere seine Inanspruchnahme des Elterngeldes das Vorliegen einer überwiegenden Erziehung.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2014 verpflichtet ist, zu seinen Gunsten Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten für die am 13.08.2010 geborenen Zwillinge nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die ersten drei Lebensmonate anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vormerkung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach §§ 149 Abs.5; 56; 57 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) betreffend der ersten drei Lebensmonate der am 13.08.2010 geborenen Kinder Astrid und Gertrud.
Gemäß § 123 SGG war der Antrag dem wahren Interesse des Klägers folgend danach auszulegen, dass dieser zunächst die Anerkennung einer Kindererziehungszeit im Sinne des § 56 SGB VI bezüglich eines Kindes für den Zeitraum 01.09.2010 bis 30.11.2010 sowie die Anerkennung eines weiteren Zeitraums für das zweite Kind vom 01.09.2013 bis 30.11.2013 begehrt. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die von dem Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Dabei hat das Gericht das klägerische Begehren unter Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden zu ermitteln und herauszustellen, welches konkrete Ziel der Kläger mit seiner Klage verfolgt, wobei im Zweifel nach dem sog. Meistbegünstigungsgrundsatz die für den Kläger beste Möglichkeit der Durchsetzung ihrer mit der Klage verfolgten Interessen zu ermitteln sind. Dies zugrunde gelegt richtet sich das wahre Interesse des Klägers auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten für beide seiner am gleichen Tag geborenen Kinder. Legt man den Wortlaut des klägerischen Antrags zugrunde, so begehrt er die Anerkennung von zwei Kindererziehungszeiten für den Zeitraum 13.08.2010 bis 12.11.2010. Hierbei ist zunächst die Vorschrift des § 56 Abs. 5 Satz 1 SGB VI zu berücksichtigen, wonach die Anerkennung von Kindererziehungszeiten nach dem Ablauf des Monats der Geburt beginnt und in Kalendermonaten zu bemessen ist. Insoweit entspricht es nicht dem Interesse des Klägers, die Vormerkung der Kindererziehungszeiten bereits ab dem 13.08.2010 zu erwirken, da sein Vorbringen in erster Linie auf die Anerkennung von Versicherungszeiten für die ersten drei Lebensmonate abzielt. Unter Berücksichtigung dessen ist der Beginn der Anerkennung von Kindererziehungszeiten auf den 01.09.2010 zu bestimmen ist. Weiterhin ist das klägerische Begehrten dahingehend auszulegen, dass dieser nicht die Anerkennung von zwei parallel verlaufenden Kindererziehungszeiten für den Zeitraum 01.09.2010 bis 30.11.2010, sondern die Berücksichtigung von einer Kindererziehungszeit für diesen Zeitraum und die Anerkennung eines weiteren Zeitraums von drei Kalendermonaten nach § 56 Abs. 5 Satz 2 SGB VI. Nach dieser Vorschrift wird die Kindererziehungszeit um jeden Monat der gleichzeitigen Erziehung mehrerer Kinder verlängert, wenn vom erziehenden Elternteil im anerkennungsfähigen Zeitraum ein weiteres Kind erzogen wird, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist. Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Erziehungstätigkeit für beide am 13.08.2010 geborenen Kinder für die ersten drei Monate. Unter Anwendung der vorzitierten Norm ist der Klageantrag nur dahingehend zu verstehen, dass er der Kläger auch die Anerkennung der ersten drei Monate, um die sich die Kindererziehungszeit aufgrund der Erziehung mehrerer Kinder verlängert, begehrt. Einer weiteren Auslegung des Antrages hinsichtlich der von den Kindererziehungszeiten abzugrenzenden Kinderberücksichtigungszeiten bedarf es nicht, da gemäß § 57 Satz 1 SGB VI die Berücksichtigungszeit bereits ab dem Tag der Geburt anerkannt wird und eine Verlängerung dieser Zeit wegen Mehrfacherziehung über zehn Jahre hinaus nicht stattfindet. Der Wortlaut des Klageantrages, wonach der Kläger neben der Kindererziehungszeit auch die Berücksichtigungszeiten für den Zeitraum vom 13.08.2010 bis 12.11.2010 begehrt, entspricht dem wahren Willen des Klägers.
Unter Berücksichtigung des ausgelegten Klageantrages hat der Kläger keinen Anspruch auf die Anerkennung der begehrten Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten gemäß §§ 149 Abs.5; 56; 57 SGB VI. Dabei kann bereits offenbleiben, ob im hiesigen Verfahren überhaupt eine Anerkennung der Kindererziehungszeit vom 01.09.2013 – 30.11.2013 in Betracht kommen kann. Jedenfalls liegen auch für diesen Zeitraum die materiellen Voraussetzungen zur Vormerkung der Kindererziehungszeit im Versicherungskonto des Klägers nicht vor.
Nach § 149 Abs. 5 SGB VI stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest, wenn das Versicherungskonto geklärt ist oder der Versicherte dem Inhalt des Versicherungsverlaufs innerhalb von sechs Monaten nach dessen Versendung nicht widersprochen hat. Der Versicherungsträger ist dabei befugt, auf Antrag auch solche geklärten Daten durch Bescheid festzustellen, die noch keine sechs Jahre zurückliegen. Denn die Beschränkung der Feststellungspflicht soll ihm lediglich ermöglichen, im Versicherungsverlauf enthaltene, aber noch nicht durch Verwaltungsakt festgestellte Daten ohne Bindungen durch Vertrauensschutzerwägungen erleichtert zu berichtigen (siehe hierzu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011, Az. B 5 R 22/10R mit weiteren Nachweisen auf gleichlautende Rechtsprechung). Zu diesen nach § 149 Abs. 1 Satz 2 SGB VI festzustellenden und vorzumerkenden Daten zählen in besonderer Weise die berücksichtigungsfähigen rentenrechtlichen Zeiten im Sinne des § 54 SGB VI, wozu nach §§ 54 Abs. 1 Nr. 1; 55 Abs. 1 Satz 2 sowohl Kindererziehungszeiten im Sinne des § 56 SGB VI als auch nach § 54 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI Kinderberücksichtigungszeiten im Sinne des § 57 SGB VI zählen. Vorliegend hat die Beklagte auf den ausdrücklichen Antrag des Klägers auf Vormerkung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für die ersten drei Monate betreffend der am 13.08.2010 geborenen Zwillinge mit Bescheid vom 29.05.2013 abgelehnt. Dem steht nicht entgegen, dass im zugrundeliegenden Bescheid keine explizite Erwähnung der unterlassenen Vormerkung erfolgte. Mit der Nichtberücksichtigung der vom Kläger beantragten Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten im zum Bestandteil des angegriffenen Bescheids gewordenen Versicherungsverlauf traf die Beklagte eine entsprechende Sachentscheidung. Die insoweit zunächst unterbliebene Begründung wurde durch die Ausführungen des Widerspruchsbescheides gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geheilt.
Nach § 56 Abs. 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. § 56 Abs. 2 SGB VI konkretisiert weiter, dass demjenigen Elternteil die Kindererziehungszeit zuzuordnen ist, der sein Kind erzogen hat, wobei im Falle gleichzeitiger Erziehung durch mehrere Elternteile eine Zuordnung nur bei einem Elternteil erfolgt. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter. Dies gilt auch dann, wenn sich im Falle einer gemeinsamen Erziehung eine überwiegende Erziehung nicht feststellen lässt (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. April 2013 – L 33 R 369/12). Dies zugrunde gelegt hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten für die ersten drei Lebensmonate der am 13.08.2010 geborenen Zwillinge.
Eine gemeinsame übereinstimme Erklärung der die beiden Kinder (unstreitig) in den ersten drei Monaten gemeinsam erziehenden Elternteile im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 4-6 SGB VI liegt nicht vor. Danach ist die die Abgabe einer übereinstimmenden Erklärung der gemeinsam erziehenden Eltern grundsätzlich nur mit Wirkung für künftige Kalendermonate und nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung vorgesehen. Eine solche Erklärung haben der Kläger und die Beigeladene nicht abgegeben. Die im Kontoklärungsverfahren am 23.12.2011 eingereichte Antragsvordrucke V800 und V805 enthalten bereits keine Erklärung seitens der Beigeladenen, sodass es hier bereits an der Übereinstimmung zweier Erklärungen fehlt. Hinzu kommt, dass selbst bei wirksamer Erklärung zu diesem Zeitpunkt die Erklärung über die ersten drei Monate der Kindererziehungszeiten bereits verspätet wäre. Soweit der Kläger in diesem Antrag weiter angab, es sei bereits gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See eine übereinstimmende Erklärung abgegeben worden, so ließ sich dies im Ergebnis nicht ermitteln. Dies folgt für die Kammer bereits aus dem Schreiben vom 20.06.2013, mit welchem diese das Vorliegen einer übereinstimmenden Erklärung gerade nicht bestätigt, sondern bei der Beklagten wiederum nach dem Vorliegen einer solchen anfragte.
Auch der im Juli 2010 gegenüber der Kreisverwaltung …… abgegebene Antrag auf Leistungen nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz stellt keine übereinstimmende Erklärung im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI dar. Unter einer übereinstimmenden Erklärung der Eltern ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung mit rechtsgestaltender Wirkung zu verstehen. Nach § 9 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedarf die Erklärung keiner bestimmten Form, sondern kann etwa schriftlich, mündlich oder durch konkludentes Verhalten abgegeben werden. Es ist zur Wirksamkeit der Erklärung jedoch erforderlich, dass die Kindseltern gemäß § 56 Abs. 2 Satz 7 SGB VI i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) die Erklärung gegenüber dem zuständigen Leistungsträger abgeben, mithin gemäß § 125 Abs. 1 SGB VI gegenüber der Beklagten als zuständigen Rentenversicherungsträger. Die Erklärung muss überdies den zumindest durch Auslegung ermittelbaren Willen der Kindseltern zum Ausdruck bringen, dass die Anerkennung rentenversicherungsrechtlich relevanter Kindererziehungszeiten zugunsten des einen oder anderen Elternteils erfolgen solle. Dies ist hier jedoch nach Überzeugung der Kammer gerade nicht der Fall. Der mit Antragstellung im Juli 2010 hervorgebrachte Wille war ausschließlich auf die Beantragung von Leistungen nach dem BEEG gerichtet. Es sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar und denkbar, dass damit eine parallele Erklärung über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen sollte. Überdies wäre die gegenüber der Kreisverwaltung Heinsberg abgegebene Erklärung auch an den unzuständigen Leistungsträger gerichtet worden. Auch die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I würde der Erklärung nicht zur Wirksamkeit gegenüber der Beklagten verhelfen, da ihr Regelungsgehalt nur die Entgegennahme und Weiterleitung von Willenserklärungen, die gegenüber anderen Sozialleistungsträgern abzugeben sind, umfasst. Dies ist hier gerade nicht der Fall, da die Kindseltern ausdrücklich nur gegenüber der Kreisverwaltung Heinsberg eine Willenserklärung abgeben wollten.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er und die Beigeladene eine übereinstimmende Erklärung nicht haben (rechtzeitig) abgeben können, da die Beklagte ihn über diese Gestaltungsmöglichkeit nicht informierte. Als Grundlage für diesen Anspruch könnte der Kläger allein auf den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen der Rechtsfortbildung entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zurückgreifen. Durch dieses Rechtsinstitut kann ein Versicherter in bestimmten Fällen trotz Fehlens einer gesetzlichen Voraussetzung verlangen, so gestellt zu werden, als läge diese gesetzliche Voraussetzung vor, wenn es sich um Gestaltungen handelt, die gesetzlich zulässig sind. Rechtssystematisch wird der Herstellungsanspruch, neben dem Staatshaftungsrecht gemäß Art. 34 Grundgesetz (GG) i.V.m § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), auch noch auf Parallelen zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 27 SGB X gestützt. Verfassungsrechtlich ist der Herstellungsanspruch aus dem Grundsatz rechtmäßigen Handels der Verwaltung und der Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 2. HS GG herzuleiten. Tatbestandlich setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch unter anderem voraus, dass der Sozialleistungsträger eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Vorliegend scheitert der Anspruch des Klägers bereits daran, dass die Beklagte keine ihr gesetzlich aufgegebene Auskunfts- und Beratungspflicht verletzt hat. Sie war nicht verpflichtet, den Kläger ohne vernünftigen Anlass über die Möglichkeit der Abgabe einer übereinstimmenden Erklärung aufzuklären oder zu beraten (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. April 2016 – L 33 R 851/13 –, Rn. 44, juris). So ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte überhaupt Kenntnis von der Geburt der beiden Töchter des Klägers hatte, was eine vom Kläger behauptete Aufklärung hätte auslösen können.
Der Kläger hat die beiden Kinder zur Überzeugung der Kammer auch nicht überwiegend erzogen, sodass die streitigen Kindererziehungszeiten zugunsten der Mutter zu berücksichtigen sind. Das Vorliegen einer überwiegenden Erziehung bemisst sich nach objektiven Kriterien. Erheblich ist insoweit, in wessen Haushalt das Kind aufgenommen ist und wer sich in zeitlich größerem Umfang dem Kind widme; nicht erheblich hingegen, welcher Elternteil erzieherisch den größeren Einfluss ausübe (BSG, Urteil vom 17. April 2008 – B 13 R 131/07 R –, SozR 4-2600 § 56 Nr. 5). Die Verwaltungsbehörde bzw. sodann das Gericht hat zur Beurteilung dessen eine umfassende Würdigung des Einzelfalls vorzunehmen und sich ein eigenes, auf Tatsachen basierendes Gesamtbild von den Erziehungsanteilen der jeweiligen Elternteile zu machen.
Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Erziehung durch den Kläger nicht vorgelegen hat, sondern eine im Kern gemeinsame Erziehung der beiden neugeborenen Kinder stattgefunden hat. Zugunsten einer überwiegenden Erziehung spricht der Umstand, dass der Kläger in der Zeit vom 13.08.2010 bis 12.11.2010 keine Berufstätigkeit ausübte, sondern Elternzeit in Anspruch nahm. Er lebte in diesem Zeitraum mit der Kindsmutter und den beiden Kindern in einem gemeinsamen Haushalt und kümmerte sich zur Überzeugung der Kammer auch in nicht unwesentlichen Teilen um die Versorgung der beiden Zwillinge. Gegen eine überwiegende Erziehung durch den Kläger spricht hingegen der bereits aus dem Klagevortrag ergebene Sachverhalt. Der Kläger hat sowohl in seinem schriftlichen Sachvortrag als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die im maßgeblichen Zeitraum ebenfalls im gemeinsamen Haushalt lebende Kindsmutter auch in nicht unerheblichen Teilen an der Erziehung der Kinder beteiligt war. So habe diese in den Nachmittags- und Nachtstunden ebenfalls die Versorgung der Kinder übernommen, indem sie sich um diese kümmerte, sie wickelte und ihnen die Flasche gab. Bereits aus diesen Ausführungen wird zur Überzeugung der Kammer deutlich, dass beide Elternteile sich in annähernd gleichem Maße zu unterschiedlichen Zeiten um die beiden Kinder gekümmert haben. Hiermit im Einklang stehen auch die Angaben des Klägers auf den Antragsvordrucken V 800 und V 805, in welchen dieser bereits im Dezember 2011 angab, dass eine gemeinsame Erziehung mit dem anderen Elternteil stattfand, in dessen Folge er die Frage nach dem Vorliegen einer überwiegenden Erziehung auch verneinte. Weiterhin spricht der Umstand, dass sich die Kindsmutter bis zum Ablauf der Mutterschutzfrist am 05.11.2010 in einem Beschäftigungsverbot befand, gegen das Vorliegen einer überwiegenden Erziehung. In Rechtsprechung und Literatur ist insoweit anerkannt, dass insbesondere während der Mutterschutzfristen, in denen ein Arbeitsverbot besteht, in der Regel davon auszugehen ist, dass eine überwiegende Erziehung durch den Vater nicht vorlag (vgl. nur Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. April 2013 – L 33 R 369/12 mit weiteren Nachweisen auf vorhandene Literatur). Die Kammer macht sich die Ausführungen nach eigener Würdigung insoweit zu eigen. Dem Kläger ist es auch nicht gelungen, diese Regelvermutung durch seinen Vortrag zu widerlegen. Vielmehr spricht dieser wie gezeigt bereits für eine gleichgewichtete Erziehung der beiden Kinder. Dem Kläger sind daher für den Zeitraum 01.09.2010 – 30.11.2010 keine Kindererziehungszeiten anzuerkennen. Dabei hat die Kammer ebenfalls beachtet, dass der gesetzliche Mutterschutz für die Beigeladene am 05.11.2010 endete und der Kläger erst unter dem 13.11.2010 wieder seiner Berufstätigkeit nachging. Dies führt gleichwohl nicht dazu, für den Kalendermonat November 2010 eine Kindererziehungszeit beim Kläger anzunehmen. Trotz des zeitweisen Nichtbestehens des Mutterschutzes und der zeitgleichen Elternzeit des Klägers ist auch für diesen Zwischenzeitraum aufgrund des für die Kammer feststehenden Sachverhaltes von einer gemeinsamen Erziehung beider Elternteile auszugehen, zumal wegen der Wertung des § 56 Abs. 5 Satz 1 SGB VI eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten jeweils nur für volle Kalendermonate erfolgt.
Aufgrund des vorgenannten Klägervortrages hielt die Kammer eine weitere Sachaufklärung im Sinne der §§ 103, 106 SGG nicht für erforderlich. Insbesondere sah die Kammer keine Veranlassung, die Beigeladene persönlich anzuhören, da wie dargelegt bereits aufgrund des Klägervortrages die Anerkennung von Kindererziehungszeiten ausscheidet.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung der Zeit vom 13.08.2010 bis 12.11.2010 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung gemäß § 57 Satz 1 SGB VI. Danach ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit anzuerkennen, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da wie dargelegt die Voraussetzung einer Kindererziehungszeit nach § 56 SGB VI für diesen Zeitraum nicht gegeben sind.
Auch die Inanspruchnahme der Erziehungszeit einschließlich des Bezuges von Elterngeld begründet keine rentenrechtliche Zeit im Sinne des § 54 SGB VI. Der bloße Bezug von Elterngeld begründet keine Versicherungspflicht im Sinne der §§ 1-3 SGB VI. Auch die Anerkennung als sonstige Versicherungszeit scheidet aus. Für die Zeiten der Kindererziehung unter Inanspruchnahme des Elterngeldes hat der Gesetzgeber die Anerkennung von Versicherungszeiten insoweit abschließend in den §§ 56; 57 SGB VI geregelt. Die Anerkennung anderweitiger Versicherungszeiten scheidet daher mangels Rechtsgrundlage aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Düsseldorf schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.