L 1 BA 31/23

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 BA 35/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 BA 31/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


Die Regelungen des Leistungserbringungsrechts gemäß §§ 124 f. SGB V sind bei der Statusbeurteilung eines Physiotherapeuten von besonderer Bedeutung. Hat dieser keine Zulassung als Leistungserbringer, so ist dies bei der Gewichtung der Indizien als wesentlich zu berücksichtigen.  


Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. Juni 2023 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Revision wird zugelassen. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Statusfeststellung.

Die 1959 geborene Klägerin ist ausgebildete Physiotherapeutin. Sie betrieb früher eine eigene Praxis, die sie später aus familiären Gründen verpachtete. Die Wiederaufnahme der Praxis erwies sich für sie als unwirtschaftlich. Sie war daraufhin in Altenheimen tätig. 

Der Beigeladene betreibt eine Praxis für Osteopathie und Physiotherapie und verfügt - anders als die Klägerin im streitigen Zeitraum - über eine Zulassung zur Leistungserbringung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nach § 124 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). 

Am 30.06.2020 schlossen die Klägerin (Auftragnehmer) und der Beigeladene (Auftraggeber) folgenden Dienstvertrag: 
„§ 1
Der Auftragnehmer ist Physiotherapeut und wird ab dem 01.07.2020 für den Auftraggeber nach Absprache gesetzlich- und privatversicherte Patienten aufgrund von kassen- oder privatärztlichen Heilmittelverordnungen versorgen. Es handelt sich um eine freie Mitarbeit (Dienstvertrag).

§ 2
Der Auftragnehmer ist an keine Arbeitszeit gebunden. Er ist nicht zur Annahme von Behandlungsaufträgen verpflichtet.

§ 3
Der Auftragnehmer erhält eine umsatzabhängige Vergütung. Er erhält für jede durchgeführte Therapiemaßnahme 75 % von dem Honorar, das der Auftraggeber den gesetzlichen Krankenkassen oder den Privatpatienten in Rechnung stellt. Der Auftragnehmer stellt dem Auftraggeber spätestens bis zum dritten Werktag des Folgemonats eine Rechnung der von ihm in dem vorangegangenen Monat durchgeführten Therapiemaßnahmen. Fahrtkosten werden nicht erstattet.

§ 4
Mit dem Entgelt abgegolten ist außerdem die Nutzung der in dem Behandlungsraum vorhandenen Therapieliege. Weitere Arbeitsmittel, wie Massageöle, Desinfektionsmittel, Pflegeprodukte, Gymnastikmatte, Pezziball schafft der Auftragnehmer auf eigene Kosten an.

§ 5
Die Terminierung der Behandlungen übernimmt der Auftragnehmer selbst. Er nutzt eigene Visitenkarten mit eigenen Kontaktdaten, die an die von ihm behandelten Patienten übergeben werden. Der Auftragnehmer führt eine eigene Patientenkartei, getrennt von der Patientendokumentation der Praxis. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, für jeden Behandlungsauftrag eine von seiner Patientendokumentation getrennte Verlaufsdokumentation anzufertigen. Diese hat er dem Auftraggeber zu übergeben.

§ 6
Dem Auftragnehmer wird keine Dienstkleidung gestellt. Der Auftragnehmer soll wahrnehmbar am Markt unternehmerisch auftreten.

§ 7
Der Auftragnehmer ist verpflichtet, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Er versichert dem Auftraggeber, als selbstständiger Physiotherapeut Beiträge an die gesetzliche Rentenkasse zu leisten. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, dem Auftraggeber seine Meldung als selbstständiger Physiotherapeut bei der gesetzlichen Unfallversicherung (BGW) vorzulegen.

§ 8
Der Auftragnehmer haftet für alle vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführten Körper- und/oder Vermögensschäden. Für den Fall einer Inanspruchnahme durch Dritte stellt der Auftragnehmer den Auftraggeber von allen Ansprüchen frei.

§ 9
Dieser Vertrag kann von beiden Parteien mit einer Frist von drei Wochen zum Monatsende gekündigt werden.“

Am 20.07.2020 beantragten die Klägerin und der Beigeladene bei der Beklagten eine Statusfeststellung hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin bei dem Beigeladenen als Physiotherapeutin. Die Klägerin gab an, dass sie noch zwei weitere Auftraggeber habe. Die Einnahmen aus dem Auftragsverhältnis mit dem Beigeladenen machten 40 % ihres Gesamteinkommens aus. Sie beschäftige keine Arbeitnehmer. Zu 99,9 % mache sie Hausbesuche. Bei den Patienten handele es sich um ihren Patientenstamm, den sie mitbringe. Sie besitze eine eigene Patientenkartei und Verlaufsdokumentation, von welcher der Beigeladene eine Kopie erhalte. Der Beigeladene mache keine Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise der Auftragsausführung und gebe keine Arbeitszeiten und Anwesenheitszeiten vor. Sie behandele Patienten zweier Altenheime und sei hin und wieder 1 - 2 Stunden in der Woche in der Praxis des Beigeladenen tätig. Sie sei hinsichtlich des Tätigkeitsortes nicht eingeschränkt. Auch sei sie nicht in die Praxisorganisation des Beigeladenen eingegliedert und besitze eigene Dienstkleidung. Fortbildungen lege sie selbst fest und trage die Kosten. Sie bestimme Arbeits-, Freizeit- und Urlaubszeiten. Private Verordnungen rechne sie mit eigenem Briefpapier direkt mit den Patienten ab. Sie besitze Visitenkarten und eigene Therapiegeräte. Sie sei seit 30 Jahren privat krankenversichert, zahle Beiträge zur Berufsgenossenschaft, zur eigenen Berufshaftpflichtversicherung sowie für die Mitgliedschaft im Berufsverband. Die Kosten für Auto und Büro mache sie steuerlich geltend. Anstelle eines Gehalts erhalte sie eine umsatzabhängige Vergütung.

Die Klägerin legte an den Beigeladenen gerichtete Rechnungen und als „Mitarbeiterabrechnungen“ benannte Aufstellungen der Behandlungen vor sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.09.2014. Hiermit wurde festgestellt, dass die Klägerin ab dem 01.05.2013 nach § 2 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) als selbstständig tätige Pflegepersonen in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung ist. 

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin ferner mit, dass der Mustervertrag ohne Vermittlung zustande gekommen sei. Es sei über Honorar, Kündigungsfrist und Beginn verhandelt worden. Der Beigeladene habe sie gefragt, ob sie eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin übernehmen wolle, da es kaum möglich sei, Termine für physiotherapeutische Behandlungen in Altenheimen und zu Hause durch ortsansässige Praxen zu bekommen. Die Auftragsvergabe an sie sei wegen ihres langjährigen Umgangs mit und Behandlung von älteren Menschen sowie ihrer Bekanntheit im Altenheim erfolgt. Ihre Arbeitszeiten ergäben sich regelmäßig nach den Gegebenheiten im jeweiligen Altenheim. Es existierten für sie keine Dienst- und Raumbelegungspläne. Sie vertrete keine Mitarbeiter des Beigeladenen und arbeite mit diesen auch nicht zusammen. Bei längerem Ausfall kümmere sich der Beigeladene um eine Vertretung, während ihres Urlaubes setzten die Patienten mit der Behandlung aus. Sofern sie unerwartet verhindert sei, verlege sie den Termin auf einen späteren Zeitpunkt. Es bestehe keine Verpflichtung zur Übernahme von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen. Einen Bedarf für eine Vertretung habe es auch noch nicht gegeben. Sie trage keine typische Arbeitskleidung. Da sie vor Ort sei, habe sie Kontakt mit Bewohnern des Altenheimes. Bei einem Hausbesuch außerhalb des Altenheimes werde der Kontakt über den Beigeladenen hergestellt. Sie arbeite an je zwei Tagen in der Woche in einem der beiden Altenheime und mache dort direkt die Termine aus. Feste Uhrzeiten gäbe es nur in Ausnahmefällen, da dies im Altenheim mit so vielen Patienten gar nicht anders möglich sei. Sie führe kein Terminbuch im eigentlichen Sinne. Sie habe an jedem Tag eine bestimmte Anzahl von Patienten zu behandeln. Mit Patienten außerhalb des Altenheimes mache sie feste Termine aus. Sie behandele Patienten ausschließlich auf ärztliche Anordnung. Die Geräte wie Öle, Bälle, Säckchen, Gewichte und Seile besitze sie selbst. Nur eine Behandlungsliege werde ihr bei Bedarf vom Beigeladenen zur Verfügung gestellt. Sie sei nicht an den laufenden Kosten der Praxis beteiligt. Sie habe noch nie ein Gehalt erhalten. Die Kassenbehandlungen rechne sie mit dem Beigeladenen ab. Die Privatverordnungen rechne sie selbst ab, auch mahne sie säumige Privatpatienten. Privatpatienten des Beigeladenen behandele sie nicht. 

Der Beigeladene bestätigte die Angaben der Klägerin und führte darüber hinaus aus, dass sie von ihm die Diagnose, den Befund und die Kontaktdaten der Patienten erhalte. Es würden die Behandlungsziele und die Maßnahmen zum Erreichen dieser Ziele besprochen. Er beschäftige keine festangestellten Mitarbeiter. Bei Erkrankung der Klägerin kümmere er sich um die weitere Behandlung der Patienten. Der Erstkontakt erfolge über ihn oder über die Klägerin. Dem Patienten werde mitgeteilt, an welchem Wochentag die Klägerin sich bei ihm melde, die weiteren Termine vereinbare sie selbst mit den Patienten. 

Mit Bescheiden vom 01.12.2020 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen fest, dass die Klägerin bei diesem seit dem 01.07.2020 abhängig beschäftigt ist und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliegt. Dagegen bestehe Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung. Als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis führte die Beklagte auf, dass der Beigeladene die fachliche Verantwortung für die von der Klägerin durchgeführte Behandlung trage, die Tätigkeit in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt werde, kein gesteigertes unternehmerisches Risiko bestehe, die Klägerin über keine Kassenzulassung verfüge, die Abrechnung der Kassenpatienten über den Auftraggeber erfolge, der Klägerin Arbeitsmittel seitens des Beigeladenen zur Verfügung gestellt würden und die Klägerin im Auftrag des Beigeladenen ausschließlich gesetzlich versicherte Patienten behandele. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche, dass eine eigenständige Terminierung gegenüber den Patienten erfolge. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Klägerin müsse bei Nichttätigwerden keine Verluste hinnehmen, sodass kein unternehmerisches Risiko gegeben sei. Nur der Beigeladene trete nach außen als verantwortlicher Praxisbetreiber und gegenüber den Patienten als Heilmittelerbringer auf. Von der Klägerin werde eine eigenständige Durchführung der Therapie erwartet, sodass ihr aufgrund ihrer Qualifikation keine Weisungen erteilt würden. Dem Beigeladenen sei die Verantwortung und Entscheidung für alle physiotherapeutischen Leistungen zuzurechnen, welche in der Praxis erbracht und über sie abgerechnet würden. Die rechtliche Ausgestaltung der Beziehung sei durch die zwingende Vorgabe des Leistungserbringerrechts definiert, welches dem Auftraggeber als dem zugelassenen Leistungserbringer die Verantwortung für die von ihm abgerechneten Leistungen zuweise. Dadurch komme dem Beigeladenen eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zu. 

Die von der Klägerin und dem Beigeladenen erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 22.06.2021 zurück. Es lägen zwar Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit vor, die Gesamtwürdigung spreche jedoch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Klägerin erbringe als Auftragnehmerin die Tätigkeit in einer fremden, zur Leistungserbringung nach § 124 SGB V zugelassenen Praxis. Nur der Beigeladene trete nach außen als verantwortlicher Praxisbetreiber auf und rechne mit der jeweiligen Krankenkasse ab. Zwar sei die Abgabe von Heilmitteln durch freie Mitarbeiter eines zugelassenen Leistungserbringers zulässig. Dies sei jedoch nicht maßgeblich für die Frage des sozialversicherungsrechtlichen Status. Die rechtlichen Bindungen, die nach dem Zulassungsrecht zu beachten seien, könnten ein Indiz dafür sein, wie die Beziehungen zu den in der Praxis tätigen Mitarbeiter zu regeln seien. Sie sollen nur dann keine Bedeutung haben, wenn die geschlossenen Verträge und ihre tatsächliche Abwicklung keine Zweifel über die gewollte Gestaltung der Beziehung zuließen. Die Vorgaben des Leistungserbringerrechts als rechtlich relevante Umstände können somit nicht außer Acht gelassen werden. Nach § 124 Abs. 1 SGB V dürften Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden, nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Zuzulassen sei, wer die erforderliche Berufsausbildung, die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung besitze, über eine entsprechende Praxisausstattung verfüge, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleiste und die für den Versicherten geltende Vereinbarungen anerkenne. Die zugelassenen Leistungserbringer träten gegenüber Patienten als Heilmittelerbringer der jeweiligen Krankenkassen auf, rechneten die erbrachten Heilmittel diesen gegenüber ab und träten nach außen als verantwortliche Praxisbetreiber auf. Diese Leistungserbringer trügen das Risiko des wirtschaftlichen Praxisbetriebes. Einzelheiten seien in den Rahmenempfehlungen und Verträgen nach § 125 SGB V geregelt. Dem Beigeladenen seien aufgrund dieser Regelungen die Verantwortung und Entscheidung für alle physiotherapeutischen Leistungen, die für seine Praxis erbracht und über ihn abgerechnet würden, zuzurechnen. Die rechtliche Ausgestaltung sei durch die zwingenden Vorgaben des Leistungserbringerrechts dergestalt vorgegeben, dass dem Beigeladenen als Auftraggeber die Verantwortung für die abgerechneten Leistungen zukomme. Dementsprechend komme dem Beigeladenen eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zu, sodass die Klägerin dadurch in die vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert sei. Soweit die Klägerin darüber hinaus mit ihren Privatpatienten eigene Verträge abschließe und selbst abrechne, sei das nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen, da es sich nicht um seine Patienten handele. Die Klägerin unterhalte kein eigenes Inkasso. Sie erhalte eine prozentuale Vergütung für geleistete Therapiestunden. Die pauschale Abgeltung der benannten Kostenbeteiligung in Höhe von 25 Prozent der Behandlungsvergütung stelle kein unternehmerisches Risiko dar, da sie nur fällig werde, wenn die Klägerin tatsächlich tätig werde. Das unternehmerische Risiko liege im Wesentlichen bei dem Beigeladenen, welcher die Unterhaltskosten für die Praxis zu tragen habe. Zudem seien die Angaben der Klägerin hinsichtlich des eigenen Kundenstammes nicht schlüssig. Sie hätte selbst bestätigt, dass der Beigeladene auf sie zugekommen sei, um anstehende Hausbesuche zu übernehmen. Auch dieser habe bestätigt, dass die Klägerin von ihm die Kontaktdaten der Patienten inkl. der Diagnose erhalten und Maßnahmen vorher mit ihm abgesprochen habe. Dass die Klägerin hinsichtlich der therapeutischen Maßnahmen keine Weisungen erhalten habe, diese auf ärztliche Anordnung erbracht würden und bereits aus diesem Grunde festgelegt seien, trete bei der Gesamtabwägung zurück. Zudem kämen einem Behandler im Bereich der medizinischen Berufe gewisse Spielräume zu. Bei qualifizierten und anspruchsvollen Tätigkeiten sei es geradezu typisch, dass den Mitarbeitern ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit zukomme, da diese bei der Durchführung der Arbeiten selbstständig über den Einsatz der erforderlichen Maßnahmen in der jeweiligen Situation entscheiden müssten und nicht aufgrund ständiger Einzelanweisungen tätig würden. Eine detaillierte Anweisung bedürfe es bei qualifizierten Tätigkeiten regelmäßig nicht. Soweit der Klägerin die Entscheidung hinsichtlich der Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit überlassen sei, unterscheide sie sich nicht von angestellten Mitarbeitern mit gleicher Qualifikation. 

Am 06.07.2021 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Sie sei gegenüber dem Beigeladenen weder weisungsgebunden noch in dessen Praxisorganisation eingebunden. Sie sei nur einige Mal in der Praxis gewesen und habe schon vorher ihren Kundenstamm in zwei Pflegeeinrichtungen gehabt. Sie bekomme die Patienten nicht von der Praxis zugewiesen. Diese kämen vielmehr - bis auf einen einzigen Fall - direkt auf ärztliche Verordnung und Empfehlung von Ärzten, Betreuern in den Altenheimen oder in der Sozialstation. Durch die Corona-Pandemie habe sie drei Monate nicht in einer Pflegeeinrichtung arbeiten dürfen. Zudem seien in dieser Zeit fünf Patienten an den Folgen von Corona verstorben. 

Die von ihr durchgeführten Behandlungen von gesetzlich krankenversicherten Patienten würden zwar über die Praxis des Beigeladenen abgerechnet. Daraus ergebe sich aber keine abhängige Beschäftigung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 24.03.2016 (B 12 KR 20/14 R) entschieden, dass die fehlende Zulassung und die deshalb erfolgte Abrechnung über eine zugelassene Praxis gerade kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung darstelle. 

Sie entscheide selbst, ob und welche Patienten sie annehme. Die ärztlichen Verordnungen händigten ihr die Mitarbeiter oder Patienten in der Einrichtung aus. Sie vereinbare selbstständig Behandlungstermine. Sie behandele an vier Tagen in der Woche eine bestimmte Anzahl von Patienten in der jeweiligen Einrichtung; eine feste Uhrzeit bestehe dabei nicht. Die Behandlung richte sich nach den Bedürfnissen und dem Tagesablauf der Patienten. Ihr sei bisher nur eine Patientin von dem Beigeladenen empfohlen worden. Sie sei langjährig als selbstständige Psychotherapeutin tätig, habe viele Kontakte und sei bekannt, so dass sie nicht nur von Ärzten und andere Physiotherapie-Praxen empfohlen werde. Vielmehr würden sich Patienten und Patientinnen auch direkt an sie wenden oder sie weiterempfehlen. Sie trete durch die Verteilung eigener Visitenkarten werbend am Markt auf. Zudem spreche sie die Behandlungsziele und Maßnahmen nicht mit dem Beigeladenen ab. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche ferner, dass sie bei Absagen keine Patienten der Praxis behandele und dazu auch nicht verpflichtet sei. Auch habe sie eine eigene Patientendatei, auf die der Beigeladene keinen Zugriff habe. In die Praxis des Beigeladenen komme sie nur, um Rezepte und Rechnungen für die Abrechnungen mit den gesetzlichen Krankenkassen abzugeben. Der Beigeladene stelle ihr keine Arbeitsmittel, auch keine Behandlungsliege zur Verfügung; bei Bedarf habe sie eine eigene mobile Behandlungsliege. Bei Verschleiß und Verbrauch von Arbeitsmitteln trage sie die Kosten. Sie benutze ein Auto hauptsächlich für die berufliche Tätigkeit; die erforderlichen Leasingraten und Spritkosten mache sie steuerlich als Ausgaben der selbstständigen Tätigkeit geltend. Sie trage ein Verlustrisiko, wenn Behandlungstermine aufgrund von Absagen nicht zustande kämen, weil sie kurzfristig keine anderen Behandlungen durchführen könne. Auch trage sie das Risiko, dass Krankenkassen Rezepte nicht anerkennen oder Kürzungen vornehmen. Ihre Tätigkeit richte sich nicht nach der Auftragslage des Beigeladenen, da sie ihre eigenen Patienten habe. Es spreche zudem für eine selbstständige Tätigkeit, dass sie bestimmen könne, Patienten nur einer bestimmten Krankenkassengruppe - nämlich die Primärkassen (§§ 143 ff. SGB V) - über den Beigeladenen abzurechnen. Die Abrechnung gegenüber den Ersatzkassen rechne sie über eine andere Physiotherapeutenpraxis ab. Die Abrechnungspraxis über zwei Physiotherapeutenpraxen sei für ihre Ordnung wichtig.

Der Beigeladene hat ergänzend mitgeteilt, dass die Klägerin aufgrund ihres eigenen Patientenstamms keine weiteren Patienten von ihm habe annehmen können. 

Das Sozialgericht hat die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 75 Abs. 2b S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag benachrichtigt.

Mit Urteil vom 05.06.2023 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2021 festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen im Zeitraum seit dem 01.07.2020 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig ist und keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. 

Im Rahmen einer Gesamtabwägung überwögen die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit. Zunächst spreche das Leistungserbringerrecht nach §§ 124 ff. SGB V nicht für das Bestehen eines fachlichen Weisungsrechtes. Zwar seien im Rahmen der Gesamtabwägung nicht nur einzelvertragliche Weisungsrechte zu berücksichtigen. Vielmehr seien auch berufsrechtlich vorgegebene Weisungsrechte nicht vom Begriff der „Weisungen“ i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ausgenommen. Denn bei der Gesamtabwägung seien auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften vorgegeben seien oder auf sonstige Weise „in der Natur der Sache“ lägen (BSG, Urteil vom 27.04.2021, B 12 KR 27/19 R, juris, Rn. 15). Das BSG habe allerdings bereits 1995 festgestellt, dass die Erbringung von Heilmitteln durch freie Mitarbeiter zugelassener Leistungserbringer derselben Fachrichtung zulässig sei (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.1995, 3 RK 33/94, juris, Rn. 16). Das BSG habe im Jahre 2016 diese Rechtsprechung ausdrücklich bekräftigt und weiterentwickelt. Danach könne die Annahme von Beschäftigung nicht darauf gestützt werden, dass die rechtliche Ausgestaltung der Beziehung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen durch "zwingende" Vorgaben des Leistungserbringerrechts der gesetzlichen Krankenkasse definiert bzw. determiniert sei. Es könne nicht angenommen werden, dass dem Beigeladenen dadurch auch eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zukomme, weswegen die Klägerin in die von ihm vorgegebene Arbeitsorganisation notwendig eingegliedert sei. Zwar dürften die Vorgaben des Leistungserbringerrechts der gesetzlichen Krankenversicherung nicht außer Acht gelassen werden. Nach § 124 Abs. 1 SGB V dürften Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben würden, insbesondere Leistungen der physikalischen Therapie, der Sprachtherapie oder der Ergotherapie, an Versicherte der GKV nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Diese Regelungen beträfen jedoch ausschließlich das Verhältnis zwischen Krankenkassen und (zugelassenem) Leistungserbringer, vorliegend also das gesetzlich vorgegebene und nach diesen Vorgaben vertraglich konkretisierte Verhältnis des Beigeladenen zu den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Regelung des Leistungserbringungsrechts in § 124 Abs. 1 SGB V fehle demgegenüber eine über das Leistungs- und Leistungserbringerrecht der GKV hinausgehende Beteiligung des Beigeladenen am Umsatz der Klägerin. Die dafür erbrachte Leistung „Abrechnung gegenüber den Krankenkassen“ berühre weder die Zeit, den Ort noch die Art und Weise der Leistungserbringung. Insofern sei das Gericht der Auffassung, soweit Abrechnungsbestimmungen durch diese Vereinbarung in das Verhältnis zwischen Klägerin und Beigeladenen implementiert worden seien, dies keine Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung gewinne, insbesondere weder auf ein fachliches Weisungsrecht des Beigeladenen noch auf eine Eingliederung der Klägerin in dessen betriebliche Organisation geschlossen werden könne. Aus dieser Implementierung des Abrechnungsrechtes könne somit weder auf eine selbstständige Tätigkeit noch auf eine abhängige Beschäftigung geschlossen werden.

Aus dem Dienstvertrag ergäben sich keine Aspekte, die für eine sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung Bedeutung gewinnen könnten. Soweit die Beteiligten vereinbart hätten, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin tätig werde (§ 1 des Vertrages), weder an eine Arbeitszeit gebunden sei, noch zur Annahme von Behandlungsaufträgen verpflichtet sei (§ 2 des Vertrages), seien dies keine ausschlaggebenden Aspekte. Dem in einem Vertrag zum Ausdruck gebrachten Willen der Vertragspartner komme bei der Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung nur dann entscheidende Bedeutung zu, wenn bei der Beurteilung des gesamten Bildes der Tätigkeit ebenso viele (und gleichwertige) Kriterien für das eine oder das andere sprächen (BSG, Beschluss vom 11.05.1993, 12 BK 62/91, juris, Rn. 3; BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, juris, Rn. 26). Im Umkehrschluss habe der Wille der Beteiligten keinerlei Bedeutung, sofern die weiteren Merkmale entweder eindeutig für eine abhängige Beschäftigung oder - wie hier - eine selbstständige Tätigkeit sprächen. Die Verpflichtung der Klägerin, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abzuführen und bei der gesetzlichen Unfallversicherung als selbstständige Physiotherapeutin gemeldet zu sein (§ 7 des Vertrages), lasse ebenfalls keinen Rückschluss auf den sozialversicherungsrechtlichen Status zu. Vielmehr setzten die entsprechenden Beiträge bzw. Meldungen eine Beurteilung als selbstständige Tätigkeit voraus. Aus ihnen könne aber nicht konstitutiv auf das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit geschlossen werden. Aus der Umsatzbeteiligung der Klägerin von 75 % bzw. des Einbehalts von 25 % durch den Beigeladenen lasse sich ebenfalls nicht auf den sozialversicherungsrechtlichen Status schließen (§ 3 des Vertrages). Bei dem Einbehalt des Beigeladenen handele es sich rechtlich gesehen um die Gegenleistung für seine Abrechnungstätigkeit. Rückschlüsse auf den sozialversicherungsrechtlichen Status ließen sich daraus nicht ziehen. Soweit mit dem Entgelt auch die Nutzung in dem Behandlungsraum vorhandenen Therapieliege abgegolten sei (§ 4 Satz 1 des Vertrages), hätten die Klägerin und der Beigeladene übereinstimmend erklärt, dass der Beigeladene der Klägerin keine Therapieliege zur Verfügung gestellt habe. Damit entfalte dieser Teil der Vereinbarung keine Wirkung für den sozialversicherungsrechtlichen Status, da die tatsächlichen Verhältnisse dieser Vereinbarung vorangingen. 

Die Klägerin habe in ihrer Tätigkeit einem eigenen unternehmerischen Risiko unterlegen. Ein solches Risiko sei gegeben, wenn eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt werde, somit der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel ungewiss sei (BSG, Urteil vom 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, juris, Rn. 23). Die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, sowie das Tätigwerden der Klägerin für mehrere Auftraggeber wiesen auf das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit hin. Die Klägerin habe bereits im Statusfeststellungsantrag angegeben, dass sie für insgesamt drei Auftraggeber tätig sei. Der Möglichkeit, Aufträge abzulehnen als auch für andere Auftraggeber tätig zu werden, komme allerdings regelmäßig kein hohes Gewicht zu. Die Situation sei insoweit mit einem Arbeitsuchenden vergleichbar, dem es freistehe, eine ihm angebotene Arbeitsgelegenheit anzunehmen. Teilzeitbeschäftigte hätten die Möglichkeit in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssten angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschnitten oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht seien. Gewicht erhalte die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber bzw. die Möglichkeit, die Durchführung von Aufträgen abzulehnen, erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen (BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, juris, Rn. 28). Vorliegend trete die Klägerin werbend am Markt auf. Dazu habe sie Visitenkarten verteilt. Zudem erhalte sie Aufträge über Mundpropaganda. Die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber und die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, besitze durchaus Gewicht, sodass diese Merkmale über den Regelfall hinaus Bedeutung erlangten. Dies stimme im Übrigen mit der vertraglichen Regelung in § 6 Satz 2 des Vertrages überein, wonach die Klägerin wahrnehmbar am Markt unternehmerisch auftreten solle. Die (sicherlich geringen) Kosten für das Drucken der Visitenkarte stellten eine Investition der Klägerin dar, welche bei fehlendem Erfolg auch in einen Verlust münden könnten. Zudem spreche für eine selbstständige Tätigkeit, dass die Klägerin sowohl ihre Arbeitsmittel als auch ihre Dienstkleidung ohne finanzielle Beteiligung des Beigeladenen angeschafft habe. Zudem habe der Beigeladene ebenfalls in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er ihr keine eigenen Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt habe. Dies stimme im Übrigen auch mit der vertraglichen Regelung in § 4 Satz 2 des Vertrages überein. Insofern müsse die Klägerin sich diese Arbeitsmittel bereits vorher oder während der Vertragslaufzeit angeschafft haben. Auch diesbezüglich trage die Klägerin ein Verlustrisiko. Dies gelte gleichermaßen für die Fortbildungskosten der Klägerin (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris, Rn. 26). Hinsichtlich des von der Klägerin genutzte eigene Fahrzeug gelte, dass angesichts der untergeordneten Bedeutung der Hausbesuche diese die Tätigkeit der Klägerin nicht so wesentlich geprägt, sodass daraus nicht zwingend auf das Bestehen eines unternehmerischen Risikos zu schließen sei. Im Hinblick auf die Einrichtung und den Unterhalt eines eigenen Büros gelte, dass auch Arbeitnehmer häufig zu Hause über einen eingerichteten Arbeitsplatz mit Computer und Drucker für private und berufliche Zwecke verfügten, so dass sich daraus nicht auf den sozialversicherungsrechtlichen Status schließen lasse. Aus dem Bestehen einer Inkasso-Tätigkeit für die Abrechnung der privaten ärztlichen Verordnungen könne ebenfalls nicht auf das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit geschlossen werden, da nur die Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen Gegenstand dieses Verfahrens sei.

Für das Bestehen eines unternehmerischen Risikos spreche, dass die Klägerin ihren eigenen Patientenstamm mitgebracht habe bzw. selbst Klienten akquiriere. Auch bestehe bei der Klägerin ein Verlustrisiko. Die Klägerin sei - wie die Corona-Pandemie gezeigt habe - darauf angewiesen, ihre Tätigkeit in den Pflegeheimen überhaupt ausüben zu können. Sofern diese pandemiebedingt teilweise oder ganz geschlossen gewesen seien, sei es der Klägerin auch nicht möglich gewesen, Aufträge anzunehmen und damit ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. 

Vorliegend sei die Klägerin auch nicht in den Betrieb des Beigeladenen eingegliedert. Die Klägerin habe ihre Patientendokumentation nicht mit dem Beigeladenen geteilt. Dies entspreche der vertraglichen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 des Vertrages. Es spreche auch nicht für eine Eingliederung, dass die Klägerin verpflichtet sei, für jeden Behandlungsauftrag eine von seiner Patientendokumentation getrennte Verlaufsdokumentation anzufertigen, welche sie dem Beigeladenen zu übergeben habe (§ 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Vertrages). In der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin allerdings ausgesagt, dass dem Beigeladenen die Verlaufsdokumentation bisher noch nicht übergeben worden sei. Eine Übergabe solle nach ihrer Aussage erst dann stattfinden, wenn eine Kassenprüfung in der Praxis des Beigeladenen erfolge bzw. eine solche angekündigt werde. Dies halte das Gericht für glaubhaft und nachvollziehbar. Das tatsächlich gelebte Vertragsverhältnis gehe insoweit dem Vertragsrecht vor. 

Laut den Angaben im Verwaltungsverfahren habe der Beigeladene Diagnose, Befund und Kontaktdaten an die Klägerin weitergegeben, mit ihr Behandlungsziele und Maßnahmen besprochen sowie für sie den Erstkontakt hergestellt. Im Rahmen der von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung sowie in der mündlichen Verhandlung habe der Beigeladene jedoch erklärt, dass diese Angaben nicht stimmten. Er habe sie fachlich nicht beraten, ihr keine Diagnosen von Patienten mitgeteilt und keine Rücksprache mit der Klägerin über Therapien, deren Planung und Umsetzung getroffen. Der Beigeladene habe nachvollziehbar erläutert, dass er die abweichenden Angaben im Verwaltungsverfahren gemacht habe, weil er gedacht habe, berufsrechtlich dazu verpflichtet zu sein, mit der Klägerin zu kooperieren. Das Gericht halte vor diesem Hintergrund auch seine Aussage, dass es nie zu einer fachlichen Kooperation mit der Klägerin gekommen sei, da die Klägerin ausreichend eigene Patienten gehabt habe, für glaubhaft. Zudem sei der Erstkontakt für einen neuen Klienten nicht über die Praxis des Beigeladenen hergestellt worden. Vielmehr sei die Klägerin entweder unmittelbar in den Altenheimen angesprochen worden und habe dort ihre Klienten behandelt oder diese hätten sie über ihre Handynummer, welche sich aus ihrer Visitenkarte ergebe, unmittelbar kontaktiert. Ein solche zufällige Kontaktvermittlung könne aber den sozialversicherungsrechtlichen Status nicht begründen. Im Ergebnis lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin in einer von dem Beigeladenen vorgegebene Ordnung fremdbestimmte Arbeit geleistet habe. Es sei insbesondere nicht feststellbar, dass sie mit Hilfe sächlicher oder sonstiger Mittel zusammen mit dem Beigeladenen bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt habe. Sie sei somit nicht in den Betrieb des Beigeladenen eingegliedert gewesen. Dies werde insoweit noch dadurch bestärkt, dass die Klägerin keine Privatpatienten des Beigeladenen behandelt habe. 

Die Klägerin sei jedoch verpflichtet gewesen, ihre Dienstleistungen höchstpersönlich zu erbringen; das spreche für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Weiterhin spreche für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung, dass sich nicht die Klägerin, sondern der Beigeladene um eine Vertretung für die Klägerin im Verhinderungsfall habe kümmern müssen. Weiterhin habe auch kein Weisungsrecht des Beigeladenen gegenüber der Klägerin bestanden. Er habe ihr keine Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes sowie der Art und Weise der Auftragsausführung gemacht. 

Die Beklagte hat gegen das ihr am 11.07.2023 zugestellte Urteil am 17.07.2023 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass die seitens des Beigeladenen zu beachtenden regulatorischen Rahmenbedingungen - insbesondere auch im Hinblick auf eine dadurch vorgeschriebene Eingliederung des Beauftragten in seine betriebliche Organisation - bei der Gesamtwürdigung der Indizien mit besonderem Gewicht zu würdigen seien (BSG, Urteil vom 19.10.2021, B 12 R 17/19 R). Bei der Gewichtung der Indizien sei daher wesentlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst keine Zulassung als Leistungserbringer habe, sondern allein der Beigeladene. Nur dieser sei berechtigt, unter Einhaltung organisatorischer und personeller Voraussetzungen die erbrachten Leistungen gegenüber den Leistungsträgern abzurechnen und damit zu erbringen. Insoweit seien in den Rahmenbedingungen gemäß § 125 Abs. 1 SGB V Strukturen festgelegt und erforderlich. Ein Tätigwerden außerhalb dieser Strukturen wäre unzulässig und könnte zum Verlust der Zulassung führen. Innerhalb dieser Struktur, die einem Qualitätsmanagement unterliege, erbringe die Klägerin ihre Leistung für den Beigeladenen. Sie sei daher für die Ausübung ihrer Tätigkeit auf die Eingliederung in die Betriebsorganisation des Beigeladenen angewiesen. Insoweit nutze die Klägerin die Strukturen des Leistungserbringerrechts und sei in die betriebliche Organisation des Beigeladenen eingegliedert.

Eine dienende Teilhabe am Arbeitsprozess im Sinne abhängiger Beschäftigung liege in der Regel vor, wenn das Arbeitsziel und der betriebliche Rahmen - wie auch hier - vom Arbeitgeber gestellt oder auf seine Rechnung organisiert würden. Sie könne selbst dann noch gegeben sein, wenn lediglich der Geschäfts- oder Betriebszweck vorgegeben und es dem Beschäftigten überlassen werde, welche Mittel er zur Erreichung der Ziele einsetze (vgl. Segebrecht, in: jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7 Rdnr. 87 ff. m.w.N.). Die Klägerin erbringe die physiotherapeutischen Leistungen mit der Zielrichtung, dass diese von dem Beigeladenen als in seinem Unternehmen erbrachte Leistungen gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden können. Entgegen der Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts spreche die Umsatzbeteiligung der Klägerin für die Eingliederung in den Betrieb des Beigeladenen. Indem die Klägerin prozentual an den von dem Beigeladenen den Kassen in Rechnung gestellten Vergütungen partizipiere, sei sie auch in dessen Abrechnungsstruktur eingebunden (vgl. LSG Niedersachen-Bremen, Urteil vom 17.03.2023, L 2 BA 39/22).

Die Klägerin habe (ganz überwiegend) keine Termine direkt mit den Patienten, sondern vielmehr Zeiträume mit den Altenheimen vereinbart, in denen sie mehrere Patienten physiotherapeutisch behandele. Aber selbst bei dieser eigenen Terminverwaltung handele es sich um Patienten des Beigeladenen. Eine echte Akquise im eigenen Namen komme für die Klägerin nicht in Betracht. Eine eigenverantwortliche im eigenen Namen der Klägerin zu erbringende Leistung wäre gegenüber den Krankenkassen nicht abrechnungsfähig. Eine Einbindung des Handelnden in die Kundenakquise stelle nur dann ein für die Selbstständigkeit ihrer Tätigkeit sprechendes Indiz dar, wenn die Kunden für das eigene Unternehmen der Beauftragten geworben werden sollten. Dies umfasse auch die Abrechnung der Leistungen im eigenen Namen. Vorliegend gebe es aber mangels erforderlicher Zulassung kein eigenes Unternehmen der Klägerin, welches die Leistungen für von ihr akquirierten Kunden gegenüber den Krankenkassen abrechnen könnte. Entsprechende Akquisebemühungen der Klägerin seien damit schon im Ausgangspunkt auf die Gewinnung von „Kunden“ für die Praxis des Beigeladenen gerichtet. Eine Akquise für den Beigeladenen spreche aber für eine abhängige Beschäftigung (s. LSG Niedersachen-Bremen, Urteil vom 17.03.2023, L 2 BA 39/22).

Zudem trage der Beigeladene als zugelassener Heilmittelerbringer eine Gesamtverantwortung für die fachgerechte Durchführung der von seinem Betrieb zu erbringenden Heilmittel. Nur er dürfe nach Maßgabe der Verträge zwischen den Krankenkassen bzw. Verbänden abrechnen. Er müsse die von ihm eingesetzten Mitarbeiter insoweit beaufsichtigen, damit er den in den Verträgen der Krankenkassen mit den Verbänden verankerte Gewährleistungsverpflichtung effektiv zu genügen vermag. Nur auf einer solchen Basis dürfe der Beigeladene physiotherapeutische Leistungen abrechnen. Insoweit sei es unerheblich, dass die Klägerin eine eigene Patientendokumentation unterhalte. Vertraglich sei die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen die Verlaufsdokumentation auszufertigen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass bisher noch keine Übergabe erfolgt sei. Zum einen bestehe hier seitens des Beigeladenen die Rechtsmacht, die Übergabe der Verlaufsdokumentation einzufordern. Zum anderen sei unstreitig, dass eine Übergabe (spätestens) dann stattfinde, wenn eine Kassenprüfung in der Praxis des Beigeladenen erfolge bzw. eine solche angekündigt werde. Dieses Erfordernis zeige deutlich, dass es sich hier um Patienten des Beigeladenen handele und damit eine Eingliederung der Klägerin in den Betrieb des Beigeladenen vorliege.

Entgegen der Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts sei die Klägerin auch keinem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt. Sie erhalte auf der Basis der vertraglich vereinbarten Quotierung einen festen Anteil an den von Seiten der Krankenkasse zu erbringenden Vergütungen für die von ihr erbrachten therapeutischen Leistungen. Für sie habe keine Chance bestanden, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folge schon im Ausgangspunkt kein Unternehmerrisiko (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2021, B 12 R 17/19 R). Auch die seitens der Klägerin eingesetzten eigenen Arbeitsmittel und eigene Dienstkleidung begründeten aufgrund des dafür überschaubaren finanziellen Aufwands kein ins Gewicht fallendes Verlustrisiko. Der Einsatz von Fortbildungskosten könne keine selbstständige Tätigkeit begründen. Die Fortbildung auf eigene Kosten sei auch bei abhängig Beschäftigten anzutreffen, sei es zur Erlangung oder zur Sicherung des Arbeitsplatzes, und damit Ausdruck der (heutzutage) auf dem Arbeitsmarkt vorherrschenden Flexibilität.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 05.06.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Der Frage der Zulassung zur Abrechnung komme nicht mehr Gewicht zu, als allen anderen Umständen, die im Rahmen der Gesamtwürdigung zu beachten seien (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.2015, L 4 R 3874/14; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2018, L 7 R 1319/17; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2022, L 4 BA 3707/20; Bayerisches LSG, Urteil vom 30.09.2020, L 6 BA 76/18; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.03.2023, L 1 BA 67/20; Hess. LSG, Urteil vom 05.03.2020, L 1 BA 14/18). Gemäß der Entscheidung des Hessischen LSG vom 05.03.2020 gelte, dass die Annahme einer Beschäftigung nicht auf zwingende Vorgaben des Leistungserbringungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung gestützt werden könne. Aus der Regelung des § 124 Abs. 1 SGB V gehe keine determinierende Wirkung in Bezug auf die zu entscheidende Frage des Vorliegens von Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV hervor. Jedenfalls trete die Frage der Abrechnungsbefugnis der Klägerin im vorliegenden Fall ersichtlich hinter die zahlreichen Umstände zurück, die für eine Selbstständigkeit sprächen. Im Übrigen gelte, dass die Physiotherapie in Altenheimen nicht mittels fester Termine vergeben werden könne, da die Therapiefähigkeit der Bewohner sich von Tag zu Tag ändere und insoweit der Bedarf nach der jeweiligen Tagesform festgestellt bzw. die Bewohner schlicht erst einmal gefunden werden müssten. 

Warum die Beklagte für die Klägerin eigene Akquise-Möglichkeiten ausschließe, sei unverständlich. Die Beklagte mache dies einzig an der Abrechnungsfähigkeit gegenüber der Krankenkasse fest. Dies verkürze die Darstellung schon deshalb, da die Klägerin neben gesetzlich Versicherten auch privat versicherte Patienten versorge. Das LSG Niedersachen-Bremen vertrete mit Urteil vom 17.03.2023 (L 2 BA 39/22) eine sachlich unzutreffende, der Rechtsprechung des BSG nicht hinreichend Rechnung tragende Sondermeinung. Bei der Kooperationsform zwischen Physiotherapeuten mit und ohne Abrechnungszulassung gegenüber gesetzlichen Krankenversicherungen handele es sich aufgrund der Erfordernisse an sachliche und personelle Infrastrukturen zur Erreichung einer Abrechnungszulassung um völlig übliche Formen der Zusammenarbeit von Selbstständigen, bei der die Rolle der zugelassenen Physiotherapeuten sich allein darauf beschränke, als Abrechnungsstelle zu fungieren. Selbstverständlich hätten auch nicht zugelassene Physiotherapeuten insoweit auf fachliche Qualität zu achten und müssten diese sicherstellen.

Dem Urteil des Hessischen LSG vom 31.10.2019 (L 1 BA 38/18) liege ein maßgeblich anderer Sachverhalt zugrunde. So führe die Klägerin im hiesigen Verfahren eine eigene Patienten-Kartei neben einem eigenen Terminbuch und werde nicht in den Praxisräumlichkeiten des Beigeladenen tätig. Die Klägerin müsse ihre Unterlagen bezüglich ihrer Patienten dem Beigeladenen nicht zugänglich aufbewahren. Die Klägerin versorge mit Ausnahme einer einzigen Person ausschließlich Patienten, die sie unabhängig von der Praxis des Beigeladenen angenommen habe. Eigener Betriebsräumlichkeiten bedürfe es nicht. Dies sei auch der Grund, warum die Klägerin keine eigene Zulassung mehr führe.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Zu Recht hat die Beklagte mit Bescheid vom 01.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2021 festgestellt, dass die Klägerin bei dem Beigeladenen seit dem 01.07.2020 abhängig beschäftigt ist und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliegt.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch <SGB III>). Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 19.10.2021, B 12 R 17/19 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 63, Rn. 17).

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (stRspr; vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 07.06.2019, B 12 R 6/18 R, BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 44, RdNr. 13 f m.w.N.). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie z.B. vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person - als selbstständig oder beschäftigt - allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (BSG, Urteil vom 19.10.2021, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.).

Bei Vertragsgestaltungen, in denen - wie hier - die Übernahme einzelner Dienste individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2021, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.).

Die Tätigkeit als Physiotherapeut kann sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden. Hat ein Physiotherapeut selbst keine Zulassung als Leistungserbringer und erfolgt die Abrechnung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen über eine Physiotherapiepraxis mit entsprechender Zulassung, so spricht dies allerdings indiziell für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Das BSG hat hinsichtlich der Tätigkeit eines Physiotherapeuten in einer Praxis ausgeführt, dass die insoweit maßgebenden Regelungen des Leistungserbringungsrechts zwar keine zwingende, übergeordnete oder determinierende Wirkung besitzen. Gleichwohl können sie nicht außer Acht gelassen werden, sondern sind bei der Gesamtabwägung „mit in den Blick“ zu nehmen (BSG, Urteil vom 24.03.2016, B 12 KR 20/14 R, juris Rn. 26 ff.; s.a. Hess. LSG, Urteil vom 05.03.2020, L 1 BA 14/18). 

Im Fall der Leistungserbringung durch Krankenhäuser hat das BSG darüber hinaus klargestellt, dass insoweit die regulatorischen Rahmenbedingungen im Regelfall die Eingliederung des Personals in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses bedingen (vgl. BSG, Urteile vom 04.06.2019, B 12 R 11/18 R, vom 07.06.2019, B 12 R 6/18 R und vom 20.07.2023, B 12 BA 1/23 R). Aufgrund des Regel-Ausnahmeverhältnisses ist daher in diesen Bereichen von einer selbstständigen Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nur noch ausnahmsweise auszugehen. 

Zwar unterscheiden sich die im Krankenhausbereich geltenden regulatorischen Rahmenbedingungen von den Regelungen des Leistungserbringungsrechts gemäß §§ 124 f. SGB V schon deshalb, weil letzteren eine über das Leistungserbringungsrecht der GKV hinausgehende „übergeordnete“ Wirkung fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2016, a.a.O., Rn. 28). Für den erkennenden Senat sind diese Regelungen des Leistungserbringungsrechts der GKV dennoch von besonderer Bedeutung im Rahmen der Statusfeststellung. Bei der Gewichtung der Indizien ist als wesentlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin - in der streitigen Zeit - vorliegend selbst keine Zulassung als Leistungserbringerin hatte, sondern allein der Beigeladene über eine solche Zulassung verfügte. Nur dieser war berechtigt, unter Einhaltung organisatorischer und personeller Voraussetzungen die erbrachten Leistungen gegenüber den Leistungsträgern abzurechnen und damit zu erbringen. Ein Tätigwerden außerhalb der Strukturen gemäß § 125 SGB V wäre unzulässig und könnte zum Verlust der Zulassung führen. Innerhalb dieser Struktur, die einem detaillierten Qualitätsmanagement unterliegt, hat die Klägerin ihre Leistungen für den Beigeladenen erbracht. Sie war daher für die Ausübung ihrer Tätigkeit auf die Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation, wie sie der Beigeladene vorhält, angewiesen. Insoweit hat die Klägerin die Strukturen des Leistungserbringers genutzt und war in die betriebliche Organisation des Beigeladenen funktionsgerecht dienend eingegliedert (vgl. Bayerisches LSG, Urteile vom 30.09.2020, L 6 BA 76/18, juris, Rn. 31 und vom 14.10.2020, L 6 BA 113/19, juris, Rn. 26; s.a. Segebrecht in: jurisPK § 7 SGB IV Rn. 212). Die vom abrechnenden physiotherapeutischen Unternehmen übernommene Gesamtverantwortung für die fach- und vertragsgerechte Leistungserbringung spricht indiziell für eine funktionsgerecht dienende Einbindung der herangezogenen Physiotherapeuten in den Arbeitsprozess und damit für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung (ausführlich LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.03.2023, L 2 BA 39/22, juris, Leitsatz; s.a. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.12.2022, L 8 BA 159/19, juris, Rn. 99; a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 20.05.2022, L 4 BA 3707/20 und vom 15.03.2024, L 8 BA 2524/23, juris). 

Zudem ist die aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringende „Rechtsmacht“ zur Erteilung von Weisungen zu berücksichtigen. Soweit der Inhaber einer Physiotherapiepraxis als abrechnender Leistungserbringer angibt, dass der Physiotherapeut keinerlei Weisungen unterlag, widerspricht dies den rechtlichen Vorgaben, die eine Abrechnung von physiotherapeutischen Leistungen verbieten, auf deren Erbringer der zugelassene Heilmittelerbringer keinerlei Einfluss hat nehmen können. Gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrages nach § 125 Absatz 1 SGB V für Physiotherapie zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den Verbänden der Physiotherapeuten (im Folgenden: Vertrag nach § 125 SGB V) kann der zugelassene Leistungserbringer, soweit er die Leistung nicht persönlich erbringt, diese durch seine qualifizierten Leistungserbringer durchführen lassen. Dabei trägt der zugelassene Heilmittelerbringer die Verantwortung für die Erfüllung der mit der Zulassung einhergehenden Verpflichtung. Er hat eine qualifizierte Durchführung der Behandlung der Anspruchsberechtigten in seiner Praxis sicherzustellen. Dies gilt auch bei - gemäß § 4 des Vertrages nach § 125 SGB V zulässigen - Behandlungen im Rahmen von Hausbesuchen. Insoweit hat er insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass im Verhandlungsverlauf das (Zwischen-)Ergebnis der Heilmittelbehandlung anhand der Therapieziele regelmäßig überprüft wird (Vertrag nach § 125 SGB V mit Anlagen; hierzu ausf. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.03.2023, L 2 BA 39/22, juris, Rn. 61 ff.). Mit der Anerkenntniserklärung nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 6 Satz 1 SGB V verpflichtet sich der Praxisinhaber, „den von ihm eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bestimmung des Vertrages zur Kenntnis zu bringen und deren Beachtung durch sie in geeigneter Weise sicherzustellen“ (Anlage 6 zum Vertrag nach § 125 Absatz 1 SGB V). Vor diesem Hintergrund ist die Tätigkeit eines Physiotherapeuten ohne Zulassung als Leistungserbringer daher nur dann als selbstständige Tätigkeit zu bewerten, wenn gewichtige Indizien für eine Selbstständigkeit vorliegen.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist von einer Beschäftigung der Klägerin hinsichtlich ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen auszugehen. Wie das Sozialgericht bereits ausgeführt hat, sprechen vorliegend die meisten Umstände weder für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin noch für eine selbstständige Tätigkeit. Insoweit wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe im angegriffenen Urteil verwiesen. 

Der sozialgerichtlichen Annahme eines maßgeblichen unternehmerischen Risikos seitens der Klägerin folgt der Senat hingegen nicht. Die von der Klägerin aufgewendeten Kosten für Visitenkarten und Arbeitsmittel sind so gering, dass sie bereits nicht entscheidend als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit in Betracht kommen. Bei der beruflich genutzten Kleidung handelt sich schon nach den Angaben der Klägerin nicht um Berufskleidung im engeren Sinne, die sie nicht auch im privaten Rahmen verwenden kann. Der Pkw wird von der Klägerin auch privat genutzt und dient - wie auch bei anderen abhängig Beschäftigten - vorwiegend dem Erreichen des Tätigkeitsortes, so dass er ebenfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit spricht. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit der Klägerin davon geprägt ist, dass sie tageweise in jeweils einem Altenheim tätig ist. Viele tägliche Fahrten aufgrund von Hausbesuchen an unterschiedlichen Orten fallen mithin nicht an. Ebenfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit spricht, dass die Klägerin mehrere Auftraggeber hat und Aufträge ablehnen kann. Fortbildungskosten werden zudem auch von Arbeitnehmern aufgewandt und sind vorliegend zudem nicht in einer Höhe entstanden, dass sie als maßgebliches Indiz herangezogen werden könnten. 

Dass die Klägerin einen eigenen Patientenstamm mitgebracht hat, ist allenfalls ein schwaches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Nach dem Vortrag des Beigeladenen ist es äußerst schwierig, Physiotherapeuten zu finden, die im Rahmen von Hausbesuchen - und damit auch Besuchen in Altenheimen - durchführen. Auch ist davon auszugehen, dass aufgrund der in Altenheimen vorherrschenden Fluktuation sowie der ständigen Veränderung hinsichtlich des Bedarfs an physiotherapeutischen Behandlungen die (potentiellen) Patientinnen und Patienten häufig wechseln. Damit ist aber auch der „eigene Patientenstamm“ einem steten Wandel unterworfen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Patientinnen und Patienten der Klägerin Altenheime bewohnen. Der Kontakt zu ihnen erfolgt in diesen Einrichtungen, ohne dass die Klägerin hierfür besondere Akquise betreiben müsste. Wie sie selbst ausgeführt hat, wird sie von den Beschäftigten in den Heimen angesprochen und auch von den bereits von ihr behandelten Heimbewohnern weiterempfohlen – ohne weiteres Zutun der Klägerin. Andere Physiotherapeuten sind nicht in den konkreten Heimen tätig. Werbung auf dem freien Markt war für die Klägerin mithin nicht erforderlich. Warum für eine selbstständige Tätigkeit sprechen sollte, dass die Klägerin die Behandlungen über zwei verschiedene Physiotherapiepraxen abrechnen lässt, erschließt sich dem Senat nicht. Auch dass die Klägerin während der Corona-Pandemie zeitweise nicht in den Heimen arbeiten konnte, spricht nicht für eine selbstständige Tätigkeit. Der hierdurch bedingte Entgeltausfall scheidet vielmehr - wie die fehlende Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub - als maßgebliches Indiz aus. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf die Regelungen zum Kurzarbeitergeld - gerade während der Zeit der Corona-Pandemie.

Darüber hinaus unterlag die Klägerin bei der Durchführung der Behandlung von gesetzlich krankenversicherten Patienten einem gewissen Weisungsrecht des Beigeladenen. Zwar hat dieser die Behandlungstermine der Klägerin nicht vorgegeben. Anders als bei Behandlungen in einer Physiotherapiepraxis gibt es in Pflegeheimen allerdings auch keine vorab festgelegten Behandlungszeiten für bestimmte Patienten, wie die Klägerin selbst vorgetragen hat. Vielmehr hat sie Zeiträume mit den Altenheimen vereinbart und an jedem Tag im Heim eine bestimmte Anzahl von Patienten behandelt. Die Behandlungen richten sich - so die Klägerin - letztlich nach den Bedürfnissen, den Befindlichkeiten und dem Tagesablauf der jeweiligen Patienten. In örtlicher Hinsicht bedurfte es ferner keiner Weisung, da die Behandlungen praktisch ausschließlich in zwei Pflegeheimen erfolgten. Allerdings unterlag die Klägerin in inhaltlich-fachlicher Hinsicht einem gewissen Weisungsrecht des Beigeladenen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Klägerin im Rahmen der Durchführung der Behandlungen weitgehend eigenständig arbeitet. Dies unterscheidet sie jedoch nicht von anderen (abhängig beschäftigten) Physiotherapeuten, die ebenfalls grundsätzlich weitgehend eigenverantwortlich arbeiten und in gewissem Umfang flexibel auf Wünsche und Bedürfnisse der zu behandelnden Personen reagieren können. Zudem kann eine Dienstleistung höherer Art sogar bei einem weitgehenden Fehlen fachlicher Weisungen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung eines fremden Betriebs erhält. Die Weisungsgebundenheit verfeinert sich dann „zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ und kann aufs Stärkste eingeschränkt sein. Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst daher erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsleben zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zu Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, juris, Rn 31). Vorliegend erhielt die Tätigkeit der Klägerin ihre Prägung durch die von dem Beigeladenen betriebene Physiotherapiepraxis. Die Behandlungen mussten im vorgegebenen engen Rahmen des Leistungserbringungsrechts und der ärztlichen Verordnungen stattfinden (s.a. BSG, Urteil vom 04.06.2019, B 12 R 11/18 R, juris Rn. 32; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.12.2022, L 8 BA 159/19, juris 81). Zudem hat sich die Klägerin auch vertraglich gegenüber dem Beigeladenen verpflichtet, für jeden Behandlungsauftrag eine von ihrer Patientendokumentation getrennte Verlaufsdokumentation anzufertigen und diese dem Beigeladenen zu übergeben (§ 6 des Vertrages). Dass die Klägerin und der Beigeladene eine entsprechende Übergabe nur für den Fall einer Prüfung durchführen wollten, ist unerheblich. Aufgrund der Kassenzulassung ist der Beigeladene jedenfalls verpflichtet, den Verlauf der durchgeführten Behandlungen zu kontrollieren. Ob dies vorliegend erfolgt ist, ist rechtlich ebenso wenig relevant wie die Angaben, dass der Beigeladene ein ihm zustehendes Weisungsrecht nicht ausgeübt habe (s. BSG, Urteil vom 27.04.2021, B 12 KR 27/19 R, juris Rn. 15). Gegen die Argumentationslinie der Klägerin spricht auch die Widersprüchlichkeit des Beigeladenen. Während dieser gegenüber der Abrechnungsstelle die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben bei der Heranziehung einer Arbeitskraft jedenfalls konkludent erklärt, um die Abrechnungsfähigkeit zu belegen, behauptet er im vorliegenden Statusstreit deren Missachtung (zum „gespaltenen Vortrag“ ausf. LSG Niedersachen-Bremen, Urteil vom 17.03.2023, L 2 BA 39/22, juris Rn. 69 ff.).

Für eine abhängige Beschäftigung spricht auch der dem Beigeladenen verbleibende Honoraranteil von 25 % an den im Rahmen von Hausbesuchen erbrachten Leistungen, obgleich die Klägerin die Behandlungsräume und die Infrastruktur der Praxis des Beigeladenen nicht genutzt hat. Insoweit ist ein so hoher Honoraranteil nur dann noch nachvollziehbar, wenn auch von Seiten des Beigeladenen eine konkrete Mitbeteiligung an der Leistungserbringung jedenfalls im Sinne der Gewährleistung an der ihm rechtlich anvertrauten Gesamtverantwortung vorliegt. Für ein reines - ohnehin EDV-gestütztes - Factoring im Sinne lediglich der Abrechnung fremder Leistungen wären hingegen deutlich geringere Vergütungssätze zu erwarten gewesen (vgl. zu einem Honoraranteil von 20 % LSG Niedersachen-Bremen, Urteil vom 17.03.2023, L 2 BA 39/22, juris Rn. 76).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte hinsichtlich der Bedeutung der Regelung des Leistungserbringungsrecht gemäß §§ 124 f. SGB V für die Statusfeststellung eines Physiotherapeuten maßgeblich unterschiedliche Rechtsansichten bestehen.   
 

Rechtskraft
Aus
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