Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2021 festzustellen, dass Frau A. in ihrer Tätigkeit für Herrn C. im Zeitraum seit dem 01.07.2020 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig ist und keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Statusfeststellung.
Die 1959 geborene Klägerin und der Beigeladene stellten am 20.07.2020 einen Statusfeststellungsantrag mit dem Antrag, dass eine abhängige Beschäftigung hinsichtlich einer Beschäftigung eines Physiotherapeuten nicht vorliege.
Die Klägerin gab an, dass sie neben dem Beigeladenen noch zwei weitere Auftraggeber habe. Die Einnahmen aus dem Auftragsverhältnis mit dem Beigeladenen würden 40 % betragen. Die Tätigkeit bei dem Beigeladenen habe zum 01.07.2020 begonnen. Sie sei seit 30 Jahren privat krankenversichert. Sie würde zu 99,9 % Hausbesuche mache. Bei den Patienten würde es sich um ihren Patientenstamm handeln, den sie mitbringe. Sie besitze eine eigene Patientenkartei- und Verlaufsdokumentation, von dem der Beigeladene eine Kopie erhalte. Es würden keine Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise der Auftragsausführung gemacht. Zudem seien auch keine Arbeitszeiten und Anwesenheitszeiten vorgegeben. Sie behandele Patienten zweier Altenheime und sei hin und wieder 1 – 2 Stunden in der Woche in der Praxis des Beigeladenen. Es gebe keine Einschränkungen hinsichtlich des Tätigkeitsortes. Sie sei nicht in die Praxisorganisation eingegliedert. Sie besitze eigene Dienstkleidung. Fortbildungen lege sie selbst fest und bezahle diese selbst. Sie lege Arbeits-, Freizeit- und Urlaubszeiten unabhängig von dem Auftraggeber fest. Private Verordnungen rechne sie mit eigenem Briefpapier mit den Patienten ab. Sie besitze eigene Therapiegeräte und habe eigene Visitenkarten. Sie zahle Beiträge zur Berufsgenossenschaft, zur eigenen Berufshaftpflichtversicherung, zur privaten Krankenversicherung sowie für die Mitgliedschaft im Berufsverband. Kosten für Auto und Büro würden steuerlich geltend gemacht. Sie bekäme kein Gehalt, sondern eine vom Umsatz abhängige Vergütung.
Ausweislich des Dienstvertrages vom 30.06.2020 verpflichtet sich die Klägerin für den Beigeladenen ab dem 01.07.2020 nach Absprache gesetzlich- und privatversicherte Patienten aufgrund von kassen- oder privatärztlichen Heilmittelverordnungen zu versorgen. Es würde sich um eine freie Mitarbeit handeln. Nach § 2 sei die Auftragnehmerin an keine Arbeitszeit gebunden und sie sei nicht zur Annahme von Behandlungsaufträgen verpflichtet. Sie erhalte eine umsatzabhängige Vergütung von 75 % von dem Honorar, welches der Auftraggeber Krankenkassen oder den Privatpatienten in Rechnung stelle. Die Rechnung werde spätestens bis zum dritten Werktag des Folgemonats gestellt; Fahrtkosten würden nicht erstattet. Nach § 4 sei auch die Nutzung der in dem Behandlungsraum vorhandenen Therapieliege mit dem Entgelt abgegolten. Weitere Arbeitsmittel schaffe die Auftragnehmerin auf eigene Kosten an. Nach § 5 übernehme die Auftragnehmerin die Terminierung der Behandlungen selbst. Sie nutze dafür eigene Visitenkarten mit eigenen Kontaktdaten. Sie führe eine eigene Patientenkartei, getrennt von der Patientendokumentation der Praxis. Sie sei verpflichtet, für jeden Behandlungsauftrag eine Verlaufsdokumentation anzufertigen und diese dem Auftraggeber zu übergeben. Dieser stelle keine Dienstkleidung. Die Klägerin solle wahrnehmbar am Markt unternehmerisch auftreten. Die Klägerin verpflichtete sich, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und versicherte dem Beigeladenen als selbstständiger Physiotherapeutin Beiträge an die gesetzliche Rentenkasse zu leisten. Sie verpflichtete sich, dem Beigeladenen ihre Meldung als selbstständiger Physiotherapeut bei der gesetzlichen Unfallversicherung vorzulegen. Nach § 8 hafte sie für alle vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführten Körper- und Vermögensschäden und stelle den Beigeladenen im Falle einer Inanspruchnahme von Dritten von allen Ansprüchen frei. Der Vertrag konnte mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
Als Anlage war ein Bescheid der Beklagten über die Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung ab dem 01.05.2013 bis zum 31.12.2016 zu zahlen; dieser betrug die Zahlung des halben Regelbeitrages (Bescheid vom 23.09.2014).
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit, dass der Mustervertrag ohne Vermittlung zustande gekommen sei. Es sei über das Honorar, die Kündigungsfrist und den Beginn verhandelt worden. Sie sei von dem Beigeladenen gefragt worden, ob sie eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin übernehmen wolle, da es kaum möglich sei, Termine für physiotherapeutische Behandlungen in Altenheimen und zu Hause durch ortsansässige Praxen zu bekommen. Die Auftragsvergabe an sie sei wegen dem langjährigen Umgang mit und Behandlung und von älteren Menschen sowie ihrer Bekanntheit im Altenheim erfolgt. Sie habe die meisten Patienten akquiriert. Sie regele ihre Arbeitszeiten selbst, welche sich zum Großteil nach den Gegebenheiten im jeweiligen Altenheim ergeben würden. Es würden für sie keine Dienst- und Raumbelegungspläne existieren. Die Praxis verfüge über vier Behandlungsräume. Sie vertrete keine Mitarbeiter des Auftraggebers und arbeite mit diesen auch nicht zusammen. Es gäbe bis jetzt noch keinen Bedarf für eine Vertretung. Bei längerem Ausfall würde sich der Beigeladene um eine Vertretung kümmern. Während des Urlaubes würden die Patienten mit der Behandlung aussetzen. Sofern sie unerwartet verhindert sei, sage sie ihren Patienten ab und verlege den Termin auf einen späteren Zeitpunkt. Es bestehe keine Verpflichtung zur Übernahme von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen. Sie trage keine typische Arbeitskleidung. Sie sei vor Ort, deswegen habe sie schon Kontakt mit Bewohnern des Altenheimes. Bei einem Hausbesuch außerhalb des Altenheimes werde der Kontakt über den Beigeladenen hergestellt. Sie arbeite an je zwei Tagen in der Woche in jedem Altenheim, mache dort direkt die Termine aus. Feste Uhrzeiten gäbe es nur in Ausnahmefällen, da dies im Altenheim mit so vielen Patienten gar nicht anders möglich sei. Sie führe kein Terminbuch im eigentlichen Sinne. Sie habe an jedem Tag eine bestimmte Anzahl von Patienten zu behandeln. Die Uhrzeit sei variabel. Mit Patienten außerhalb des Altenheimes mache sie feste Termine aus. Sie verfüge über eine eigene Patientenkartei. Sie behandele Patienten ausschließlich auf ärztliche Anordnung. Die Geräte (Öle, Bälle, Säckchen, Gewichte, Seile) besitze sie selbst. Nur eine Behandlungsliege würde der Beigeladene bei Bedarf zur Verfügung stellen. Sie sei nicht an den laufenden Kosten der Praxis beteiligt. Sie habe noch nie ein Gehalt erhalten. Sie rechne Kassenbehandlungen mit dem Beigeladenen ab. Privatverordnungen würden sie selbst abrechnen. Sie behandele keine Privatpatienten ihres Auftraggebers. Sie mahne säumige Privatpatienten selber. In der Anlage waren Rechnungen an einen Privatpatienten, eine Rechnung für einen Vortrag sowie an den Beigeladenen gerichtete Mitarbeiterabrechnungen für verschiedene Monate beigefügt gewesen; auf deren Inhalt wird Bezug genommen.
Der Beigeladene nahm auf Nachfrage der Beklagten Stellung und bestätigte die Angaben der Klägerin. Zusätzlich führte er aus, dass die Klägerin von ihm die Diagnose, den Befund und die Kontaktdaten des Patienten erhalte. Es würden die Behandlungsziele und die Maßnahmen zum Erreichen dieser Ziele besprochen. Er beschäftige keine festangestellten Mitarbeiter. Er bestätigte insbesondere, dass er bei Erkrankung der Klägerin sich um die weitere Behandlung der Patienten kümmern werde. Der Erstkontakt erfolge über ihn oder über die Klägerin. Dem Patienten werde mitgeteilt, an welchem Wochentag die Klägerin sich bei ihm melden werde, die weiteren Termine vereinbare sie selbst mit den Patienten und notiere auch diese. Diese werden ausschließlich auf ärztliche Anordnung behandelt.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 01.12.2020 fest, dass in dem Auftragsverhältnis der Klägerin bei dem Beigeladenen seit dem 01.07.2020 Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung und Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung bestehe.
Als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis führte sie auf, dass der Beigeladene die fachliche Verantwortung für die von der Klägerin durchgeführte Behandlung trage, die Tätigkeit in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt werden, kein gesteigertes unternehmerisches Risiko bestehe, die Klägerin über keine Kassenzulassung verfüge, die Abrechnung der Kassenpatienten über den Auftraggeber erfolge, der Klägerin Arbeitsmittel seitens des Beigeladenen zur Verfügung gestellt werden und die Klägerin im Auftrag des Beigeladenen ausschließlich versicherte Patienten behandele. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche, dass eine eigenständige Terminierung erfolge. Sie bezog sich für ihre Beurteilung auf die Entscheidung des BSG vom 24.03.2016, Az.: B 12 KR 20/14 R. Allein der Wille der vertragsschließenden Parteien würde nicht bestimmen, ob eine Tätigkeit als Beschäftigung oder Selbstständigkeit definiert werde. Auch sei weder die Bezeichnung des Rechtsverhältnisses noch die gewünschte Rechtsfolge entscheidend. Die Klägerin müsse für ein Nichttätigwerden keine Verluste hinnehmen, sodass kein unternehmerisches Risiko gegeben sei. Nur der Auftraggeber trete nach außen als verantwortlicher Praxisbetreiber und gegenüber den Patienten als Heilmittelerbringer auf. Von der Klägerin werde eine eigenständige Durchführung der Therapie erwartet, sodass ihr aufgrund ihrer Qualifikation keine Weisungen erteilt werden. Dem Beigeladenen sei die Verantwortung und Entscheidung für alle physiotherapeutischen Leistungen, welche in der Praxis erbracht werde und die über sie abgerechnet werde, zuzurechnen. Die rechtliche Ausgestaltung der Beziehung sei durch die zwingende Vorgabe des Leistungserbringerrechts definiert, welches dem Auftraggeber als dem zugelassenen Leistungserbringer die Verantwortung für die von ihr abgerechneten Leistungen zuweise. Dadurch komme dem Auftraggeber eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zu.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 08.12.2020 Widerspruch dagegen ein. Sie bezog sich auf ihre bisherigen Ausführungen und bat um aufmerksames Lesen. Viele der Ausführungen der Beklagten seien nicht zutreffend. Der Beigeladene schloss sich dem Widerspruch der Klägerin an.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2021 zurück. Es lägen zwar Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit vor, die Gesamtwürdigung würde jedoch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen. Die Klägerin erbringe als Auftragnehmerin die Tätigkeit in einer fremden, zur Leistungserbringung nach § 124 SGB V zugelassenen Praxis. Nur der Auftraggeber trete nach außen als verantwortliche Praxisbetreiberin und gegenüber den Patienten auf und rechne mit der jeweiligen Krankenkasse ab. Zwar sei die Abgabe von Heilmitteln durch freie Mitarbeiter eines zugelassenen Leistungserbringers zulässig. Dies betreffe aber nicht die Frage des sozialversicherungsrechtlichen Status. Die rechtlichen Bindungen, die nach dem Zulassungsrecht zu beachten seien, könnten ein Indiz dafür sein, wie die Beziehungen zu den in der Praxis tätigen Mitarbeiter zu regeln seien. Sie sollen nur dann keine Bedeutung haben, wenn die geschlossenen Verträge und ihre tatsächliche Abwicklung keine Zweifel über die gewollte Gestaltung der Beziehung zuließen. Die Vorgaben des Leistungserbringerrechts als rechtlich relevante Umstände können somit nicht außen vorgelassen werden. Nach § 124 Abs. 1 SGB V dürfen Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden, nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Zuzulassen sei, wer die erforderliche Berufsausbildung, die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung besitze, über eine entsprechende Praxisausstattung verfüge, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleiste und die für den Versicherten geltende Vereinbarungen anerkenne. Die zugelassenen Leistungserbringer treten gegenüber Patienten als Heilmittelerbringer der jeweiligen Krankenkassen auf, rechnen die erbrachten Heilmittel gegenüber der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse ab und treten nach außen als verantwortliche Praxisbetreiber auf. Diese tragen das Risiko des wirtschaftlichen Praxisbetriebes. Einzelheiten würden in den Rahmenempfehlungen und Verträge nach § 125 SGB V geregelt. Der Auftraggeberin seien aufgrund dieser Regelungen die Verantwortung und Entscheidung für alle physiotherapeutische Leistungen, die in seiner Praxis erbracht werden und die über ihn abgerechnet werden, zuzurechnen. Die rechtliche Ausgestaltung sei durch die zwingenden Vorgaben des Leistungserbringerrechts dergestalt vorgegeben, dass den Beigeladener als Auftraggeber die Verantwortung für die abgerechneten Leistungen zukomme. Dementsprechend komme dem Beigeladenen eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zu, sodass die Klägerin dadurch in die vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert sei. Soweit die Klägerin darüber hinaus mit ihren eigenen Privatpatienten eigene Verträge abschließe und selbst abrechne, sei das nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen, da es sich nicht um seine Patienten handele. Die Klägerin unterhalte kein eigenes Inkasso. Sie erhalte eine prozentuale Vergütung für geleistete Therapiestunden. Dies stelle kein unternehmerisches Risiko dar, da sie diese nur erhalte, soweit sie tätig geworden sei. Das unternehmerische Risiko liege ganz bei dem Beigeladenen, welche die Unterhaltskosten für die Praxis zu tragen habe, unabhängig von dem Tätigwerden der Klägerin. Zudem seien die Angaben der Klägerin hinsichtlich des eigenen Kundenstammes nicht schlüssig. Sie hätte selbst bestätigt, dass der Beigeladene auf sie zugekommen sei um anstehende Hausbesuche zu übernehmen. Auch dieser habe bestätigt, dass die Klägerin von ihm die Kontaktdaten der Patienten inkl. der Diagnose erhalten habe und Maßnahmen vorher mit ihm abgesprochen hatte. Der Umstand, dass die Klägerin hinsichtlich der therapeutischen Maßnahmen keine Weisungen erhalten habe, diese auf ärztliche Anordnung erbracht würden und bereits deswegen aus diesem Grunde festgelegt seien, trete bei der Gesamtabwägung zurück. Zudem komme einen Behandler im Bereich der medizinischen Berufe ein gewisser Spielraum zu. Bei qualifizierten und anspruchsvollen Tätigkeiten sei es geradezu typisch, dass den Mitarbeitern ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit zukomme, da diese bei der Durchführung der Arbeiten selbstständig über den Einsatz der erforderlichen Maßnahmen in der jeweiligen Situation entscheiden müssen und nicht aufgrund ständiger Einzelanweisungen tätig würden. Eine detaillierte Anweisung bedürfe es bei qualifizierten Tätigkeiten regelmäßig nicht. Soweit die Klägerin die Entscheidung hinsichtlich der Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit überlassen sei, unterscheide sie sich nicht von angestellten Mitarbeitern mit gleicher Qualifikation.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.07.2021 Klage dagegen erhoben. Das Gericht hat mit Beschluss vom 27.06.2022 den Auftraggeber beigeladen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie gegenüber dem Praxisinhaber weder weisungsgebunden noch in dessen Praxisorganisation eingebunden sei. Sie rechne über den Beigeladenen die Verordnung der gesetzlich Krankenversicherten gegenüber deren Krankenkassen ab. Sie sei nur einige Mal in der Praxis gewesen und habe schon vorher ihren Kundenstamm in zwei Pflegeeinrichtungen gehabt. Sie bekomme die Patienten nicht von der Praxis zugewiesen. Diese kommen – bis auf einen einzigen Fall – direkt auf ärztliche Verordnung und Empfehlung von Ärzten, Betreuern in den Altenheimen oder in der Sozialstation. Durch die Corona-Pandemie durfte sie drei Monate nicht in einer Pflegeeinrichtung arbeiten. Zudem seien in dieser Zeit fünf Patienten an den Folgen von Corona verstorben.
Es sei zwar zutreffend, dass sie die von ihr durchgeführten Behandlungen von Patienten, welche gesetzlich krankenversichert seien, über die Praxis des Beigeladenen abgerechnet worden seien. Daraus ergebe sich aber nicht die Schlussfolgerung auf eine abhängige Beschäftigung. Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 24.03.2016, Az.: B 12 KR 20/14 R entschieden, dass die fehlende Zulassung und die deshalb erfolgte Abrechnung über eine zugelassene Praxis gerade kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung darstelle. Die Patienten der Ersatzkassen würde sie nicht über die Praxis des Beigeladenen abrechnen.
Sie entscheide selbst, ob und welche Patienten und Patientinnen sie annehme bzw. ablehne. Sofern sie diese annehme, würden ihr die ärztlichen Verordnungen von den Mitarbeitern oder Patienten in der Einrichtung ausgehändigt. Sie vereinbare selbstständig Behandlungstermine. Sie behandele an vier Tagen in der Woche eine bestimmte Anzahl von Patienten in der jeweiligen Einrichtung; eine feste Uhrzeit bestehe dabei nicht. Die Behandlung richte sich nach den Bedürfnissen und Tagesablauf der Patienten. Ihr sei bisher nur eine Patientin von dem Beigeladenen empfohlen worden. Sie sei langjährig als selbstständige Psychotherapeutin tätig, habe viele Kontakte und sei bekannt, dass sie nicht nur von Ärzten und andere Physiotherapie-Praxen empfohlen werde. Darüber hinaus würden sich Patienten und Patientinnen auch direkt an sie wenden oder sie weiterempfehlen. Sie trete zudem im Hinblick auf die Verteilung eigener Visitenkarten werbend am Markt auf. Zudem würde sie die Behandlungsziele und Maßnahmen nicht mit dem Beigeladenen absprechen. Diese Angaben des Beigeladenen seien nicht zutreffend. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche ferner, dass die Klägerin bei Absagen keine Patienten der Praxis behandele und dazu auch nicht verpflichtet sei, sie eine eigene Patientendatei besitze, auf die der Beigeladenen keinen Zugriff habe, sie nur in die Praxis komme, um Rezepte und Rechnungen für die Abrechnungen mit den gesetzlichen Krankenkassen abzugeben, und eigene Kleidung trage. Sie sei somit nicht in die betriebliche Organisation der Praxis der Beigeladenen eingebunden. Ihr werde auch keine Behandlungsliege seitens des Beigeladenen zur Verfügung gestellt. Sie habe bei Bedarf eine eigene mobile Behandlungsliege. Auch weitere Arbeitsmittel würden ihr nicht zur Verfügung gestellt. Bei Verschleiß und Verbrauch müsse sie dafür Ersatz beschaffen und trage alleine die Kosten dafür. Sie benutze hauptsächlich für die berufliche Tätigkeit ein Auto und mache die erforderlichen Leasingraten und Spritkosten auch steuerlich als Ausgaben der selbstständigen Tätigkeit geltend. Sofern Behandlungstermine nicht zustande kommen, weil Patienten nicht abgesagt haben, trage sie ebenfalls ein Verlustrisiko, weil sie kurzfristig keine anderen Behandlungen durchführen kann. Zudem trage sie durch seitens der Krankenkassen nicht anerkannte Rezepte und Kürzungen ebenfalls ein Verlustrisiko. Zudem zahle sie als Selbstständige in die gesetzliche Krankenversicherung ein, derzeit i. H. v. 611,94 €.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass das ausschließlich wegen der Abrechnung der Behandlungen der gesetzlich versicherten Patienten begründete Auftragsverhältnis nicht die Anforderungen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung erfülle. Die Tätigkeit der Klägerin richte sich gerade nicht nach der Auftragslage des Beigeladenen. Die Klägerin habe ihre eigenen Patienten, auch wenn diese aus rechtlichen Gründen durch den Beigeladenen abgerechnet würden. Sie bestreitet, dass sich der Beigeladene bei Ausfall von Terminen um die weitere Behandlung der Patienten kümmere. Es spreche zudem für eine selbstständige Tätigkeit, dass die Klägerin bestimme könne, dass sie Patienten nur einer bestimmten Krankenkassengruppe abrechnen könne.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2021 festzustellen, dass Frau A. in ihrer Tätigkeit für Herrn C. im Zeitraum seit dem 01.07.2020 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig ist und keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der angefochtenen Bescheide. Die Entscheidung vom 23.09.2014 betreffe nur die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und beurteile nicht das streitige Auftragsverhältnis. Die Angaben des Beigeladenen im Klageverfahren würden seien Angaben im Antragsverfahren widersprechen. Bei den Behauptungen der Klägerin würde es sich um reine Schutzbehauptungen handeln.
Der Beigeladene trägt vor, dass die Klägerin aufgrund ihrer Qualifikation als Physiotherapeutin die Therapie selbstständig durchführe, ohne Absprache in Bezug auf Terminierung, Befundaufnahme, Therapieplan, Therapieform, Ausführung der Therapie und Abschlussbefund. Die Klägerin rechne über seine Praxis nur die Leistungen gegenüber der Primärkassen ab. Auf den weiteren Inhalt des Schriftsatzes vom 08.08.2022, 16.09.2022 und 21.09.2022 wird Bezug genommen. Ergänzend weist er die Behauptung des Beklagten, es würde sich um Schutzbehauptungen handeln, zurück. Die ursprünglich von ihm angedachte Durchführung des Auftragsverhältnisses, wie er sie im Antragsverfahren dargestellt hatte, sei tatsächlich nicht so gelebt worden, da die Klägerin über einen eigenen Patientenstamm verfügte und keine weiteren Patienten von ihr annehmen konnte. Sie habe auch keine Arbeitsmittel von ihm benötigt.
Entscheidungsgründe
A. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin in ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen.
B. Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Die Klage ist zudem in zulässiger Weise in der Form der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 1. Alt., 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06. Mai 2015, Az.: L 8 R 655/14 – juris – Rn. 58) erhoben worden. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus den subjektiven Zweifeln der Klägerin am Bestehen oder Nichtbestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu dem Beigeladenen (Pietrek in 3. Aufl. 2016, § 7a SGB IV, Rn. 93).
C. Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht festgestellt, dass die Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig ist und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag, sodass die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt wurde. Tatsächlich war sie nicht abhängig beschäftigt, sodass sie auch nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
I. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSG, Urteil vom 01. Dezember 1977, Az.: 12/3/12 RK 39/74 – juris – Rn. 15). Der Einsatz eigenen Kapitals ist für eine selbständige Tätigkeit typisch (BSG, Urteil vom 01. Dezember 1977, Az.: 12/3/12 RK 39/74 – juris – Rn. 23). Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, Az.: B 12 KR 13/07 R – juris – Rn. 15).
Grundlage der Beurteilung sind die tatsächlichen Verhältnisse (BSG, Urteil vom 28. Januar 1999, Az.: B 3 KR 2/98 R – juris – Rn. 20). Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, Az.: B 12 KR 30/04 R – juris – Rn. 22). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, Az.: B 12 KR 31/06 R – juris – Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012, Az.: B 12 R 14/10 R – juris – Rn. 16).
Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige Arbeit nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, d. h. für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 25. April 2012, Az.: B 12 KR 24/10 R – juris – Rn. 25).
II. Im Rahmen einer Gesamtabwägung überwiegen die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit.
1. Zunächst spricht bei einem konzentrierten Lesen und Durcharbeiten der höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegen der insoweit erstaunlichen Ansicht der Beklagten das Leistungserbringerrecht nach §§ 124 ff. SGB V nicht für das Bestehen eines fachlichen Weisungsrechtes. Zwar sind im Rahmen der Gesamtabwägung nicht nur einzelvertragliche Weisungsrechte zu berücksichtigen. Vielmehr sind auch berufsrechtlich vorgegebene Weisungsrechte nicht vom Begriff der „Weisungen“ i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausgenommen. Denn bei der Gesamtabwägung sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften vorgegeben sind oder auf sonstige Weise „in der Natur der Sache“ liegen (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R – juris, Rn. 15). Das Bundessozialgericht hatte allerdings bereits 1995 festgestellt, dass die Erbringung von Heilmitteln durch freie Mitarbeiter zugelassener Leistungserbringer derselben Fachrichtung zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 1995, Az.: 3 RK 33/94 – juris – Rn. 16). Das Bundessozialgericht hat zudem im Jahre 2016 diese Rechtsprechung ausdrücklich bekräftigt und weiterentwickelt. Danach kann die Annahme von Beschäftigung nicht darauf gestützt werden, dass die rechtliche Ausgestaltung der Beziehung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen durch "zwingende" Vorgaben des Leistungserbringerrechts der gesetzlichen Krankenkasse definiert bzw. determiniert sei; es kann nicht angenommen werden, dass dem Beigeladenen dadurch auch eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zugekommen, weswegen die Klägerin in die von ihm vorgegebene Arbeitsorganisation notwendig eingegliedert ist. Zwar dürfen die Vorgaben des Leistungserbringerrechts der gesetzlichen Krankenversicherung nicht außer Acht gelassen werden. Nach § 124 Abs. 1 SGB V (in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung) dürfen Heilmittel, die als Dienstleistungen abgegeben werden, insbesondere Leistungen der physikalischen Therapie, der Sprachtherapie oder der Ergotherapie, an Versicherte der GKV nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Diese Regelungen betreffen ausschließlich das Verhältnis zwischen Krankenkassen und (zugelassenem) Leistungserbringer, vorliegend also das gesetzlich vorgegebene und nach diesen Vorgaben vertraglich konkretisierte Verhältnis des Beigeladenen zu den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Regelung des Leistungserbringungsrechts in § 124 Abs. 1 SGB V fehlt demgegenüber eine über das Leistungs- und Leistungserbringerrecht der GKV hinausgehende "übergeordnete" Wirkung auch bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage in Bezug auf die konkret tätig werdenden Personen. Denn der Regelung kann keine determinierende Wirkung in Bezug auf die vorliegend zu entscheidende Frage des Vorliegens von Beschäftigung iS von § 7 Abs. 1 SGB IV entnommen werden (BSG, Urteil vom 24. März 2016, Az.: B 12 KR 20/14 R – juris – Rn. 26 – 28). Damit besteht nicht bereits abstrakt aus dem Leistungserbringerrecht ein generelles Weisungsrecht des Beigeladenen gegenüber der Klägerin.
2. Unabhängig von Ausführungen unter 1. ist allerdings im hier konkret zu beurteilenden Fall festzustellen, dass die zwischen den Leistungserbringer und den Krankenkassen geltende Abrechnungsbestimmungen in das hier konkret zu beurteilende Vertragsverhältnis implementiert wurden. Zwar hat sich aus dem Vortrag der Beteiligten keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Regelungen des Zulassungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung für Heilmittelerbringer in das Vertragsverhältnis zwischen Klägerin und Beigeladenem rechtlich verbindlich in dem Sinne inkorporiert wurden, dass hieraus ein diesbezügliches, spezielles Weisungsrecht des Beigeladenen gegenüber der Klägerin entstanden sein könnte. Allerdings hat der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass bei Leistungsstörungen im Verhältnis zu den Krankenkassen es seitens der Krankenkasse zu Absetzungen gekommen war, welche er der Klägerin mitgeteilt hatte. Diese hatte diese Absetzung in den jeweiligen Folgeabrechnungen korrigiert, sodass jedenfalls das in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehende Abrechnungsrecht von der Klägerin und dem Beigeladenen als rechtlich verbindlich anerkannt wurde.
Das Gericht ist allerdings der Auffassung, dass daraus nicht auf ein Weisungsrecht geschlossen werden kann. Die Klägerin und der Beigeladenen haben einen Vertrag darüber geschlossen, dass die Klägerin ihre für gesetzlich Versicherte der Ersatzkassen erbrachten Leistungen über den Beigeladenen gegenüber den Ersatzkassen abrechnet. Weisungsrechte in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis können bezüglich der Zeit, der Ort und der Art und Weise der Tätigkeit bestehen. Die Abrechnung der Leistungen, somit die Beteiligung des Beigeladenen am Umsatz der Klägerin und die dafür erbrachte Leistung „Abrechnung gegenüber den Krankenkassen“ berühren weder die Zeit, den Ort noch die Art und Weise der Leistungserbringung. Insofern ist das Gericht der Auffassung, soweit Abrechnungsbestimmungen durch diese Vereinbarung in das Verhältnis zwischen Klägerin und Beigeladenen implementiert wurden, dies keine Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung gewinnt, insbesondere weder auf ein fachliches Weisungsrecht des Beigeladenen noch auf eine Eingliederung der Klägerin in die betriebliche Organisation des Beigeladenen geschlossen werden kann. Aus dieser Implementierung des Abrechnungsrechtes kann somit weder auf eine selbstständige Tätigkeit noch auf eine abhängige Beschäftigung geschlossen werden.
3. Aus dem abgeschlossenen Mustervertrag ergibt sich keine Aspekte, die für eine sozialversicherungsrechtliche Bedeutung gewinnen könnten.
a) Soweit die Beteiligten vereinbart haben, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin tätig wird (vgl. § 1 des Vertrages), weder an eine Arbeitszeit gebunden ist noch zur Annahme von Behandlungsaufträgen verpflichtet ist (vgl. § 2 des Vertrages), ist dies kein ausschlaggebender Aspekt. Der in einem Vertrag zum Ausdruck kommende Willen der Vertragspartner kommt bei der Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung nur dann entscheidende Bedeutung beizumessen, wenn bei der Beurteilung des gesamten Bildes der Tätigkeit ebenso viele (und gleichwertige) Kriterien für das eine oder das andere sprechen (BSG, Beschluss vom 11. Mai 1993, Az.: 12 BK 62/91 – juris – Rn. 3; BSG, Urteil vom 18. November 2015, Az.: B 12 KR 16/13 R – juris – Rn. 26). Im Umkehrschluss hat der Wille der Beteiligten keinerlei Bedeutung, sofern die weiteren Merkmale entweder eindeutig für eine abhängige Beschäftigung oder – wie hier – eine selbstständige Tätigkeit sprechen.
b) Die Verpflichtung der Klägerin, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abzuführen und bei der gesetzlichen Unfallversicherung als selbstständiger Physiotherapeut gemeldet zu sein (vgl. § 7 des Vertrages), lässt ebenfalls keinen Rückschluss auf den sozialversicherungsrechtlichen Status zu. Vielmehr setzt die entsprechenden Beiträge bzw. Meldungen eine Beurteilung als selbstständige Tätigkeit voraus. Aus ihnen kann aber nicht konstitutiv auf das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit geschlossen werden.
c) Aus der Umsatzbeteiligung der Klägerin von 75 % bzw. des Einbehalts von 25 % durch den Beigeladenen lässt sich ebenfalls nicht auf den sozialversicherungsrechtlichen Status schließen (§ 3 des Vertrages). Bei dem Einbehalt des Beigeladenen handelt es sich rechtlich gesehen um die Gegenleistung für seine Abrechnungstätigkeit. Rückschlüsse auf den sozialversicherungsrechtlichen Status lassen sich daraus nicht ziehen.
d) Soweit mit dem Entgelt auch die Nutzung in dem Behandlungsraum vorhandenen Therapieliege abgegolten ist (vgl. § 4 Satz 1 des Vertrages), haben die Klägerin und der Beigeladene übereinstimmend erklärt, dass der Beigeladene der Klägerin keine Therapieliege zur Verfügung gestellt hat. Damit entfaltet dieser Teil der Vereinbarung keine Wirkung für den sozialversicherungsrechtlichen Status, da die tatsächlichen Verhältnisse dieser Vereinbarung vorangehen. Anhaltspunkte, dass diese Abweichung von den vertraglichen Verhältnissen bzw. deren Abbedingung rechtlich unzulässig sein könnte, sind für das Gericht nicht erkennbar.
e) § 9 des Vertrages kann ebenfalls nicht zur Begründung des sozialversicherungsrechtlichen Status herangezogen werden. Weitere Regelungen des Vertrages werden an geeigneter Stelle besprochen.
4. Die Klägerin unterlag in ihrer Tätigkeit nach Überzeugung des Gerichts auch einem eigenen unternehmerischen Risiko. Ein unternehmerisches Risiko ist gegeben, wenn eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt, somit der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel ungewiss ist (BSG, Urteil vom 04. Juni 1998, Az.: B 12 KR 5/97 R – juris – Rn. 23).
a) Die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, sowie das Tätigwerden der Klägerin für mehrere Auftraggeber weisen auf das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit hin. Die Klägerin hat bereits im Statusfeststellungsantrag angegeben, dass sie für insgesamt drei Auftraggeber tätig ist. Sowohl die Möglichkeit Aufträge abzulehnen als auch für andere Auftraggeber tätig zu werden, kommt allerdings regelmäßig kein hohes Gewicht zu. Die Situation ist insoweit mit einem Arbeitssuchenden vergleichbar, dem es freisteht, eine ihm angebotene Arbeitsgelegenheit anzunehmen. Teilzeitbeschäftigte haben die Möglichkeit in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber bzw. die Möglichkeit die Durchführung von Aufträgen abzulehnen erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen (BSG, Urteil vom 18. November 2015, Az.: B 12 KR 16/13 R – juris – Rn. 28). Vorliegend tritt die Klägerin werbend am Markt auf. Dazu hat sie Visitenkarten verteilt (vgl. Visitenkarte vor Bl. 1 der Verwaltungsakte). Zudem erhält sie Aufträge über Mundpropaganda. Vor diesem Hintergrund besitzt die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber und die Möglichkeit Aufträge abzulehnen – die Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie Patienten ohne Rücksprache mit dem Beigeladenen ablehne – durchaus Gewicht, sodass diese Merkmale über den Regelfall hinaus Bedeutung erlangen. Dies stimmt im Übrigen mit der vertraglichen Regelung in § 6 Satz 2 des Vertrages überein, wonach die Klägerin wahrnehmbar am Markt unternehmerisch auftreten soll. Die (sicherlich geringe) Kosten für das Drucken der Visitenkarte stellen sicherlich eine Investition der Klägerin dar, welche bei fehlendem Erfolg auch in einen Verlust münden können.
b) Zudem spricht für eine selbstständige Tätigkeit, dass die Klägerin sowohl ihre Arbeitsmittel als auch ihre Dienstkleidung selbst angeschafft hat und der Beigeladene sich nicht finanziell beteiligt hat. Die Klägerin hat dies in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt. Zudem hat der Beigeladene ebenfalls in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er ihr keine eigenen Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt hat. Dies stimmt im Übrigen auch mit der vertraglichen Regelung in § 4 Satz 2 des Vertrages überein. Insofern muss die Klägerin sich diese Arbeitsmittel bereits vorher oder während der Vertragslaufzeit angeschafft hat. Auch soweit die Klägerin diesbezüglich keine Nachweise vorgelegt hat, hält das Gericht die übereinstimmenden Aussagen seitens der Klägerin und des Beigeladenen für glaubhaft. Auch diesbezüglich besteht hinsichtlich des Kapitaleinsatzes der Klägerin ein Verlustrisiko.
c) Weiterhin sprechen die von der Klägerin durchgeführte Fortbildung sowie die geplante Fortbildung im Monat Mai 2023 dafür, dass eine selbstständige Tätigkeit gegeben ist. Zwar hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie tatsächlich im Jahre 2020 eine Fortbildung besucht hat. Sie konnte sich jedoch an die Thematik der Fortbildung erinnern (Parkinson und Schwindel) und hat auch bestätigt, dass sie diese bezahlt hat. Ihre Aussage war insofern glaubhaft. Dies gilt auch im Hinblick auf ihre Aussage, dass nun eine weitere Fortbildung zum Thema Spannungskopfschmerz in C-Stadt ansteht. Das Gericht ist insoweit der Auffassung, dass die Inanspruchnahme einer Fortbildung und Bezahlung durch die Auftragnehmerin für das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Auch diesbezüglich besteht ein Verlustrisiko der Klägerin, soweit sich die Fortbildungskosten im weiteren Verlauf der Tätigkeit nicht amortisieren (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011, Az.: B 12 R 17/09 R – juris – Rn. 26).
d) Soweit die Klägerin das eigene Fahrzeug genutzt, um die Hausbesuche wahrzunehmen, ist darauf hinzuweisen, dass die Benutzung eines eigenen Fahrzeuges und die damit einhergehende Lastentragung in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbständige Tätigkeit sprechen können (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, Az.: B 12 KR 28/03 R – juris – Rn. 28). Dabei ist allerdings in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass auch Arbeitnehmer häufig mit dem eigenen Kraftfahrzeug zur Arbeit fahren, sodass dieses Kriterium kein hohes Gewicht zukommt. Zudem leasen auch Arbeitnehmer ihre Fahrzeuge. Dies gilt auch im Hinblick auf die steuerrechtliche Behandlung. Sowohl Selbstständige als auch abhängig Beschäftigte können die entsprechenden Kosten – möglicherweise in unterschiedlicher Form – steuerlich geltend machen, sodass aus der steuerrechtlichen Behandlung sich keine Rückschlüsse auf den sozialversicherungsrechtlichen Status ergeben. Auch dies setzt eine Einordnung als selbstständig bzw. abhängig beschäftigt voraus, sodass die Berücksichtigung der steuerrechtlichen Zuordnung zu einem Zirkelschluss führen würde. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Tätigkeit mit einem eigenen Fahrzeug für die Übernahme eines unternehmerischen Risikos sprechen, wenn damit auch Chancen und nicht nur Risiken bei der Einkommenserzielung verbunden sind (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009, Az.: B 12 KR 21/07 R – juris – Rn. 20). Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin Hausbesuche nur an einem Tag in der Woche durchgeführt hat, da sie an weitere vier Tage ihre Tätigkeit in zwei Altenheimen ausgeübt hat, handelt es sich nicht um die wesentliche Tätigkeit der Klägerin. Damit mögen durchaus auch Chancen und nicht nur Risiken mit verbunden gewesen sein. Angesichts der untergeordneten Bedeutung der Hausbesuche hat das die Tätigkeit der Klägerin allerdings nicht so wesentlich geprägt, sodass daraus nicht zwingend auf das Bestehen eines unternehmerischen Risikos zu schließen ist.
e) Im Hinblick auf die Einrichtung und den Unterhalt eines Büros im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung ist darauf hinzuweisen, dass auch Arbeitnehmer häufig zu Hause über einen eingerichteten Arbeitsplatz mit Computer und Drucker für private und berufliche Zwecke verfügen. Daraus sowie aus der steuerlichen Geltendmachung der Kosten lässt sich somit nicht auf den sozialversicherungsrechtlichen Status schließen.
f) Zu Recht geht die Beklagte allerdings davon aus, dass aus dem Bestehen einer Inkasso-Tätigkeit für die Abrechnung der privaten ärztlichen Verordnungen nicht auf das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit geschlossen werden kann. Gegenstand dieses Verfahrens ist nur die Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen. Soweit sie daneben auch private ärztliche Verordnungen ausgeführt hat, ist dies nicht Gegenstand der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung gewesen. Ein insoweit bestehender Inkassoservice der Klägerin kann somit nicht zur Begründung eines unternehmerischen Risikos bezüglich des Auftragsverhältnis zum Beigeladenen herangezogen werden. Vielmehr ist nur das konkrete Auftragsverhältnis sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen.
g) Es spricht für das Bestehen eines unternehmerischen Risikos, dass die Klägerin ihren eigenen Patientenstamm mitgebracht hat bzw. selbst Klienten akquiriert. Sie war somit nicht darauf angewiesen, dass der Beigeladene ihr Kunden vermittelt bzw. diese sich an den Beigeladenen wenden, welcher diese der Klägerin zuweist. Im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses kommt diese Aufgabe dem Auftraggeber zu. Vorliegend hat der Beigeladene der Klägerin – nach übereinstimmenden Angaben in der mündlichen Verhandlung – lediglich ein Kontakt vermittelt. Das reicht weder aus, um ein unternehmerisches Risiko zu verneinen, noch um ein Weisungsrecht des Beigeladenen (im Hinblick auf die Zuweisungen von arbeitsrechtlich geschuldeten Tätigkeiten) zu bejahen.
h) Nach Auffassung des Gerichts besteht bei der Klägerin auch ein Verlustrisiko. Zwar kann die bestehende Berufshaftpflichtversicherung kein ins Gewicht fallendes Verlustrisiko begründen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021, Az.: B 12 R 1/21 R – juris – Rn. 28). Das Verlustrisiko resultiert daraus, dass die Klägerin – wie die Corona-Pandemie gezeigt hat – darauf angewiesen ist, ihre Tätigkeit in den Pflegeheimen überhaupt ausüben zu können. Sofern diese pandemiebedingt teilweise oder ganz geschlossen waren, war es der Klägerin auch nicht möglich, Aufträge anzunehmen und damit ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Insofern besteht das Risiko, dass sie entsprechendes Kapital in ihre Tätigkeit investiert hat und sodann Gefahr läuft, keine Einnahmen zu erzielen. Dies gilt gleichermaßen, sofern die Patienten Termine absagen. Dabei ist allerdings anzumerken, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angemerkt hat, dass sie den Arbeitsalltag in den Altenheimen flexibel gestalten muss und diesbezüglich keine festen Termine vergibt. Damit reduziert sich das diesbezüglich sicherlich bestehende Verlustrisiko, welches sich aber nicht ganz auszuschließen lässt.
In diesem Zusammenhang (Mangel an Aufträgen) ist als zusätzliches Indiz zu berücksichtigen, dass die Klägerin in solchen Fällen keine Einnahmen erzielt und insoweit ein unternehmerisches Risiko besteht. Im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer wird in einem solchen Fall der Klägerin der Arbeitsausfall nicht bezahlt. Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber bei Eintritt eines Wirtschaftsrisikos das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen. Ein Fall des Wirtschaftsrisikos liegt dann vor, wenn die Arbeitsleistung, etwa der Fortgang der Produktion, zwar technisch möglich, aber wirtschaftlich nicht vertretbar ist; der klassische Fall stellt der Auftragsmangel dar (Legleitner in Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 615 BGB (Stand: 04.05.2023), Rn. 78, 81). Dieser letztgenannte Umstand stellt allerdings nur ein schwaches Indiz für das Bestehen eines unternehmerischen Risikos dar, da der sozialversicherungsrechtliche Status nicht davon abhängen kann, ob der Auftraggeber im Falle des Eintritts des Wirtschaftsrisikos zahlt oder nicht zahlt, somit von der Gewährung bzw. Nichtgewährung arbeitsrechtlicher Vergünstigungen abhängt. Trotzdem ist durchaus im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, dass sich die rechtliche Situation von abhängig Beschäftigung und selbstständig Tätigen gerade in diesem Punkt – Auftragsmangel ohne Aussicht auf Erzielen von Einkünften – wesentlich unterscheidet, sodass dieser Punkt – trotz des dadurch möglichen Zirkelschlusses – jedenfalls abstrakt als unternehmerisches Risiko zu berücksichtigen ist.
i) Die Auffassung der Beklagten, dass bei der Klägerin kein unternehmerisches Risiko besteht, da sie nur am Umsatz beteiligt wird und keine laufenden Kosten der Praxis des Beigeladenen zu tragen hat, greift zu kurz. Damit hat die Beklagte das Vertragsverhältnis rechtlich nicht zutreffend erfasst. Vielmehr scheint sie von einer Praxisgemeinschaft als Gegenbeispiel zu einer abhängigen Tätigkeit einer Physiotherapeutin auszugehen. Vorliegend handelt es sich aber um einen Dienstvertrag, in dem der Beigeladene sich verpflichtet, die seitens der Klägerin ausgeführten ärztliche Verordnungen gegenüber den Krankenkassen abzurechnen, und dafür eine Umsatzbeteiligung für den Einsatz seiner Arbeitsmittel erhält. In diesem Zusammenhang ist die Frage, ob die Klägerin sich an den laufenden Kosten der Praxis des Beigeladenen beteiligt, für das Bestehen eines unternehmerischen Risikos nicht ergiebig, da dies bereits im Vertragsverhältnis nicht so angelegt war. Sie hat auch zu Unrecht die Umsatzbeteiligung der Klägerin für ausschlaggebend gehalten. Diese ist jedoch im Verhältnis zu setzen, zu den unternehmensbezogenen Ausgaben der Klägerin, welche gerade ihr Verlustrisiko begründen.
j) Im Ergebnis ist im vorliegenden Einzelfall das Bestehen eines unternehmerischen Risikos zu bejahen.
5. Vorliegend war und ist die Klägerin auch nicht in den Betrieb des Beigeladenen eingegliedert. Voraussetzung einer Beschäftigung ist die Einordnung in eine von anderer Seite vorgegebene Ordnung, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet werden kann (BSG, Urteil vom 04. Juni 1998, Az.: B 12 KR 5/97 R – juris – Rn. 19). Sie ist jedenfalls erfüllt, wenn die Arbeit in einem Betrieb im arbeitsrechtlichen Sinn geleistet wird. Im Arbeitsrecht wird unter Betrieb die organisatorische Einheit verstanden, innerhalb der ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft von Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher oder sonstiger Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (BSG, Urteil vom 04. Juni 1998, Az.: B 12 KR 5/97 R – juris – Rn. 19). Es kommt für die Zuordnung eines Betriebes zu einem bestimmten Arbeitgeber auf das Vorhandensein, nicht die Art der Beschaffung der sächlichen Betriebsmittel und darauf an, wer mit diesen Betriebsmitteln fremdbestimmte Arbeit leisten lässt.
a) Zunächst teilt die Klägerin ihre Patientendokumentation nicht mit dem Beigeladenen, sondern unterhält – wie sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung von überzeugen konnte – eine eigene. Dieser Aspekt spricht zunächst für sich genommen für eine fehlende Eingliederung in den Betrieb des Beigeladenen. Allerdings ist dies nur Ausdruck des Willens der Klägerin, welcher für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung keine entscheidende Bedeutung erlangt. Dieser entspricht allerdings der vertraglichen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 des Vertrages. Entscheidendes Argument für die fehlende Eingliederung entfaltet das Führen einer eigenen Patientendokumentation nicht. Es lässt sich daraus nur folgern, dass die Klägerin in der Hinsicht nicht das betriebliche Mitteln des Beigeladenen genutzt hat.
b) Es spricht auch nicht für eine Eingliederung, dass die Klägerin verpflichtet ist, für jeden Behandlungsauftrag eine von seiner Patientendokumentation getrennte Verlaufsdokumentation anzufertigen, welche sie dem Beigeladenen zu übergeben hat (s. § 5 Abs. 2 Sätze 1, 2 des Vertrages). In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin allerdings ausgesagt, dass dem Beigeladenen die Verlaufsdokumentation bisher noch nicht übergeben wurde. Eine Übergabe soll nach ihrer Aussage erst dann stattfinden, sofern eine Kassenprüfung in der Praxis des Beigeladenen erfolgt bzw. eine solche angekündigt wird. Dies hält das Gericht für glaubhaft und nachvollziehbar. Da insoweit eine Übergabe der Verlaufsdokumentation noch nicht erfolgt ist, kann aus diesen tatsächlichen Verhältnissen keine Rückschlüsse auf eine Eingliederung der Klägerin in den Betrieb des Beigeladenen vorgenommen werden. Das tatsächlich gelebte Vertragsverhältnis geht insoweit dem Vertragsrecht vor.
c) Weiterhin war die Klägerin nicht in der Praxis des Beigeladenen tätig. Zwar hat die Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren angegeben, dass sie ein bis zwei Stunden wöchentlich in der Praxis sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie demgegenüber angegeben, dass sie keinen einzigen Patienten in der Praxis des Beigeladenen behandelt hat, sodass insoweit schon ein Widerspruch in ihren Angaben besteht. Dieser ist aber dadurch aufzulösen, dass sie durchaus die ärztlichen Verordnungen bei dem Beigeladenen eingereicht hat und insoweit auch zur Praxis des Beigeladenen fahren musste. Das bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass sie auch Behandlungen in der Praxis des Beigeladenen erbracht haben muss. Das Gericht kann im Hinblick auf die glaubwürdigen Aussagen der Klägerin auch eine Tätigkeit ihrerseits in der Praxis des Beigeladenen nicht feststellen. Sie hat somit nicht dem Betrieb des Beigeladenen mit sächlichen oder sonstigen Mitteln zusammen mit dem Beigeladenen besondere arbeitstechnische Zwecke verfolgt. Es bestand auch keine von dem Beigeladenen vorgegebene Ordnung, in der die Klägerin fremdbestimmte Leistungen erbringen musste.
d) Die Klägerin war auch im Hinblick auf seitens des Beigeladenen gemachten Angaben im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten nicht in seinem Betrieb eingegliedert gewesen. Laut den Angaben im Verwaltungsverfahren hatte der Beigeladene Diagnose, Befund und Kontaktdaten an die Klägerin weitergegeben, mit ihr Behandlungsziele und Maßnahmen besprochen sowie für sie den Erstkontakt hergestellt. Im Rahmen der von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung sowie in der mündlichen Verhandlung hat der Beigeladene erklärt, dass diese Angaben nicht stimmen. Er habe sie fachlich nicht beraten, ihr keine Diagnosen von Patienten mitgeteilt und keine Rücksprache mit der Klägerin über Therapien, deren Planung und Umsetzung getroffen.
Nach Auffassung des Gerichts – angelehnt an der Rechtsprechung zu Geständnissen in strafrechtlichen Verfahren (vgl. insoweit Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 01. März 2017, Az.: L 2 R 476/16 – juris – Rn. 40) – sind grundsätzlich Angaben der Betroffenen im Verwaltungsverfahren als Indiz für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung zugrunde zu legen. Sofern die Beteiligten im Klageverfahren im Widerspruch dazu vortragen oder aussagen, kann die Indizwirkung des vorherigen Vortrages nur erschüttert werden, soweit der Betroffene substantiiert darlegt und unter Beweis stellt, aus welchen Gründen er seine damaligen Angaben gemacht hat. Diese Voraussetzungen sieht die Kammer im vorliegenden Fall ausnahmsweise erfüllt, da der Beigeladene nachvollziehbar erläutert hat, aus welchen Gründen er damals diese Angaben gemacht hat. Er hat insoweit erklärt, dass er seine damaligen Angaben vor allem vor dem Hintergrund berufsrechtlicher Natur gemacht hatte. Er dachte er wäre berufsrechtlich verpflichtet gewesen, mit der Klägerin zu kooperieren. Das Gericht hält vor diesem Hintergrund auch seine Aussage, dass es nie zu einer fachlichen Kooperation mit der Klägerin gekommen ist, da die Klägerin ausreichend eigene Patienten gehabt hatte, für glaubhaft. Die Auffassung, dass es sich um reine Schutzbehauptungen handeln würde, teilt das Gericht im vorliegenden Einzelfall ausdrücklich nicht. Vielmehr sind die Aussagen der Klägerin und des Beigeladenen stimmig und nachvollziehbar.
e) Nach den Aussagen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht zudem davon überzeugt, dass der Erstkontakt für einen neuen Klienten nicht über die Praxis des Beigeladenen hergestellt wurde. Vielmehr wurde die Klägerin entweder unmittelbar in den Altenheimen angesprochen und hat dort ihre Klienten behandelt oder diese haben sie über ihre Handynummer, welche sich aus ihrer Visitenkarte ergeben hatte, unmittelbar kontaktiert. Ein Kontakt über den Beigeladenen wurde nur einmalig hergestellt. Ein solche zufällige Kontaktvermittlung kann aber den sozialversicherungsrechtlichen Status nicht begründen.
f) Im Ergebnis lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin in einer von dem Beigeladenen vorgegebene Ordnung fremdbestimmte Arbeit geleistet hat. Es ist insbesondere nicht feststellbar, dass sie mit Hilfe sächlicher oder sonstiger Mittel zusammen mit dem Beigeladenen bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt hat. Sie war somit nicht in den Betrieb des Beigeladenen eingegliedert. Dies wird insoweit noch dadurch bestärkt, dass die Klägerin keine Privatpatienten des Beigeladenen behandelt hat.
6. Die Klägerin war jedoch verpflichtet, ihre Dienstleistungen höchstpersönlich zu erbringen; das spricht für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Für das Vorliegen einer Beschäftigung ist entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird, da Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung höchstpersönlich zu erbringen haben und sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen dürfen. Dies gilt nach § 613 Satz 1 BGB allerdings nur im Zweifel, sodass der zur Leistung Verpflichtete durchaus berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen; dies könnte gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses sprechen. Die bloße Möglichkeit spricht dabei nicht für die Annahme (unternehmertypischer) Selbstständigkeit. Die Befugnis, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014, Az.: B 12 R 13/13 R – juris – Rn. 35).
Ob die Klägerin berechtigt war, Dritte zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen einzusetzen, kann das Gericht nicht beurteilen. Aus dem Vortrag der Klägerin und des Beigeladenen ergibt sich allerdings nicht, dass die Klägerin tatsächlich Dritte zur Erfüllung ihrer Leistungsverpflichtungen eingesetzt hat. Da der tatsächliche Einsatz und nicht eine theoretische Möglichkeit entscheidend sind, spricht die höchstpersönliche Ausübung der Tätigkeit für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung.
7. Weiterhin spricht für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung, dass sich nicht die Klägerin, sondern der Beigeladene um eine Vertretung für die Klägerin im Verhinderungsfall kümmern muss. Dies entspricht eher dem Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses einer selbstständigen Tätigkeit, da in einem Arbeitsverhältnis sich auch der Arbeitgeber um Ersatz für den Ausfall kümmern muss. Dabei versteht das Gericht die entsprechenden Aussagen der Klägerin und des Beigeladenen so, dass dies den Fall der langfristigen Verhinderung der Klägerin und nicht ihrer kurzfristigen Verhinderung betrifft. Nur im erstgenannten Fall hätte der Beigeladene sich um eine Vertretungskraft bemüht. Dies entnimmt das Gericht dem Sachzusammenhang der von der Klägerin getätigten Aussagen.
8. Da die Klägerin bis auf den Freitag vor der mündlichen Verhandlung (02.06.2023) keinen Urlaub in den letzten Jahren genommen hat, ist daraus auch kein Rückschluss auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung zu ziehen. Ergänzend ist auszuführen, dass sie nach ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung für den Urlaub am 02.06.2023 den Beigeladenen nicht über ihren Urlaub informiert hat; das spricht als Indiz für das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit. Zudem war die Klägerin nicht verpflichtet, den Beigeladenen im Rahmen von Urlaubs- oder Krankheitsfällen zu vertreten, sodass daraus ebenfalls nicht auf eine abhängige Beschäftigung geschlossen werden kann.
9. Weiterhin bestand auch kein Weisungsrecht des Beigeladenen gegenüber der Klägerin. Er hatte ihr keine Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes sowie der Art und Weise der Auftragsausführung gemacht. Soweit der Beigeladene im Verwaltungsverfahren andere Angaben im Hinblick auf ein fachliches Weisungsrecht gemacht hat, hat er substanziiert vorgetragen, aus welchen Gründen er diese Angaben gemacht hat (vgl. insoweit die Ausführungen unter 5. d), welche entsprechend auch auf das Bestehen eines Weisungsrechts Anwendung finden).
10. In der somit durchzuführenden Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin einem unternehmerischen Risiko unterlag, nicht in den Betrieb der Beigeladenen eingegliedert gewesen war und keinem Weisungsrecht unterlag. Weiterhin ist festzustellen, dass die Klägerin und der Beigeladene die Geltung des Zulassungsrechts nach §§ 124 ff. SGB V nicht vereinbart haben. Soweit sie Kürzungen und Minderungen seitens der Krankenkasse gegen sich gelten gelassen haben und damit wenigstens konkludent das Abrechnungsrecht der Krankenkassen in ihr Vertragsverhältnis implementiert haben, lässt sich daraus kein Schluss auf ein diesbezügliches Weisungsrecht entnehmen. Weisungsrechte betreffen nur die Zeit, den Ort, die Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit sowie ggf. die Ordnung im Betrieb. Dies betrifft das implementierte Abrechnungsrecht der Krankenkasse nicht, sodass daraus nicht auf ein Weisungsrecht des Beigeladenen gegenüber der Klägerin geschlossen werden kann. Auch die vertraglichen Regelungen sind auf eine selbstständige Tätigkeit ausgerichtet. Für eine abhängige Beschäftigung sprechen lediglich die seitens der Klägerin geschuldete höchstpersönliche Leistungserbringung sowie die Zuweisung der Verantwortlichkeit zum Beigeladenen für eine Ersatzkraft zu sorgen, falls die Klägerin krankheitsbedingt ausfallen sollte. Auch von dem Gewicht der Anhaltspunkte überwiegen damit die Tatsachen, welche für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Insoweit war die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung mit der daraus folgenden Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung rechtswidrig, sodass die Bescheide aufgehoben werden mussten und festgestellt werden musste, dass eine solche Versicherungspflicht nicht besteht.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Die Berufung ist nach §§ 143, 144 SGG zulassungsfrei möglich, da der Streitwert für das vorliegende Statusfeststellungsverfahren bei 5.000,-€ liegt, sodass bereits dadurch der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,-€ überschritten wird.