L 6 KR 36/18

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KR 282/16
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 6 KR 36/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Werden für juristische Personen des Privatrechts an Stelle der Vertreter Personen "im Auftrag" tätig, bedarf es zur Wirksamkeit ihres Handelns der (konkludenten) Genehmigung der Vertreter. 2. Ein Leistungserbringer für Pflegeleistungen hat keine Widerspruchs-/Klagebefugnis gegen die Ablehnung des Anspruchs auf zu erbringende Leistungen gegenüber dem Versicherten. Aus der Abtretung von Erstattungsansprüchen folgt keine Vollmacht zur Verfolgung des abgelehnten Anspruchs.
3. Gegen einem dem Erbringer von Pflegeleistungen gegenüber ergangenen Widerspruchsbescheid, wonach er keinen Anspruch auf sachliche Prüfung eines Widerspruchs als Drittbetroffener hat, ist die statthafte isolierte Anfechtungsklage unbegründet.
4. Ein Leistungserbringer für ambulante Pflegeleistungen kann mit der Leistungsklage nicht die Vergütung erbrachter Leistungen verlangen, die er mit der gleichen juristischen Person als Träger einer Einrichtung der Eingliederungshilfe zu erbringen hatte.
5. Die Einrichtung der Eingliederungshilfe ist kein geeigneter Ort zur Erbringung der Behandlungspflege iSv § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V, wenn es um einfachste Maßnahmen (vgl BSG, Urt v 25.02.2015, B 3 KR 11/14 R, juris) wie Tablettengabe geht.
6. Ein geregelter Anspruch auf Vergütung bis zur Entscheidung über die Genehmigung betrifft nicht den Fall, in dem der betroffene Träger die Leistung als Träger der Eingliederungshilfe ohnehin erbringen muss.
7. Ein Ausschluss von bestimmten Leistungen in Verträgen des Leistungserbringers von Pflegeleistungen mit dem Versicherten und Empfänger von Eingliederungshilfe gilt nicht gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe, mit dem der Einrichtungsträger einen Leistungsumfang vereinbart hat, der solche Leistungen umfasst. 8. Eine Abtretung eines Erstattungsanspruchs geht ins Leere, wenn der Naturalleistungsanspruch sich nicht in einen Erstattungsanspruch umwandeln kann, weil er dem Abtretenden gegenüber bestandskräftig abgelehnt ist.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit  Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert beträgt 797,60 €.

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin erbrachte Pflegeleistungen zu vergüten oder aus eigenem oder abgetretenen Recht deren Kosten zu erstatten hat. Im Einzelnen geht es dabei um Leistungen, die die Klägerin einem Versicherten der Beklagten, der bei der Klägerin im Rahmen eines Wohn- und Betreuungsvertrages untergebracht war, als verordnete Leistungen häuslicher Krankenpflege erbracht haben will.

Der Versicherte P. F. war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Er war wegen Alkoholsucht und deren Folgen in das Haus „D.  “ als stationäre Einrichtung der Klägerin aufgenommen. Über diese Einrichtung besteht eine Vereinbarung gem. § 75 Abs. 3 SGB XII zwischen der Beigeladenen und der Klägerin vom 5. November 2013, wonach die Einrichtung dem Leistungstyp (LT) 2c/11c zugeordnet ist. Die Leistungsbeschreibung vom 30. Dezember 2000 haben die Vertragspartner dahin ergänzt, dass (u.a.) Hilfen zur Gesundheitsförderung und -erhaltung Bestandteil der Leistung sind, Gegenstände individueller Ansprüche des Leistungsberechtigten gegen vorrangige andere Träger (u. a. SGB V, konkret benannt § 37 SGB V) dies aber nicht sind.

Für den Zeitraum vom 1. März bis 30. Juni 2016 verordnete der Allgemeinmediziner Dipl.-Med. B. dem Versicherten wegen der Diagnosen nach ICD-10 F10.7 Demenz bei – fortbestehendem – Alkoholismus, F40.9 Epilepsie, nicht näher bezeichnet und F10.6 Korsakow-Krankheit häusliche Krankenpflege in Form von zweimal täglicher Medikamentenverabreichung nach einem Medikamentenplan. Zur Begründung wegen der Verordnungsdauer gab er an, dem Versicherten sei die selbständige Versorgung nicht möglich. Nach späterer Darstellung der Klägerin handelte es sich um die Gabe von Carbamazepin als Tabletten gegen epileptische Anfälle. Den vom Versicherten unterschriebenen Vertrag übermittelte die Klägerin der Beklagten mit der Angabe, sie werde insoweit als zugelassener Pflegedienst tätig.

Den eingegangenen Antrag und die Entscheidung übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 1. März 2016 auch dem Betreuer des Versicherten. Mit Bescheid vom gleichen Tag lehnte die Beklagte die Erbringung der beantragten Krankenpflege ab, da Einrichtungen der Behindertenhilfe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf Urt. v. 25.2.2015 – B 3 KR 11/14 R – u. v. 22.4.2015 – B 3 KR 16/14 R) solche einfachsten notwendigen Leistungen der Behandlungspflege erbringen müssten. Die Entscheidung übersandte die Beklagte nachrichtlich auch der Klägerin.

Die Klägerin legte dagegen mit Eingangsdatum vom 14. März 2016 Widerspruch ein und machte geltend, sie sei nach § 12 Abs. 2 SGB X zu beteiligen, weil ihre rechtlichen Interessen berührt seien. Ihr werde als Betreiber der Einrichtung eine Pflicht auferlegt. Zudem sei sie durch die Benachrichtigung über das Ergebnis bereits einbezogen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2015 wies der Widerspruchsausschuss den Widerspruch der Klägerin als unzulässig zurück. Der Klägerin stehe ein Widerspruchsrecht auch als Drittwiderspruchsrecht nicht zu. Die ablehnende Entscheidung sei allein gegenüber dem Versicherten wirksam geworden. Ein Eingriff unmittelbar in die Rechtssphäre der Klägerin als Dritter sei durch die Ablehnung nicht erfolgt; tatsächliche wirtschaftliche Auswirkungen genügten für eine Einbeziehung nach § 12 Abs. 2 S. 2 SGB X nicht. Soweit sie ihre Pflicht als Betreiberin einer Einrichtung nicht sehe, müsse sie dies gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend machen. Von der Rechtsgrundlage des § 37 SGB V, über die sie gegenüber dem Versicherten allein zu entscheiden gehabt habe, sei die Klägerin nicht berührt. Zur Information der Klägerin in ihrer Eigenschaft als ambulanter Pflegedienst sei sie nach § 3 Abs. 4 des Rahmenvertrages gem. §§ 132, 132a SGB V auch außerhalb förmlicher Beteiligung verpflichtet gewesen.

Mit der am 17. August 2016 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin vorrangig geltend gemacht, auch eine Einrichtung der Behindertenhilfe könne ein geeigneter Ort zur Erbringung häuslicher Krankenpflege im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V sein.

Die verordnete, über eine bloße Durchführungskontrolle hinausgehende Verabreichung von Medikamenten sei nach Nr. 26 der Anlage 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung der häuslichen Krankenpflege eindeutig Teil davon. Sie halte kein ausreichend geschultes medizinisches Fachpersonal vor und müsse dies auch nicht. Nach § 6 des Wohn- und Betreuungsvertrages mit dem Versicherten sei sie zur Erbringung von Behandlungspflege nicht verpflichtet. Auch nach § 23 Nr. 1 des Rahmenvertrages gem. § 79 SGB XII blieben alle der Leistungspflicht der Krankenversicherung (SGB V) unterliegenden Leistungen bei der Kalkulation der Vergütungspauschalen außer Betracht. Das Bundessozialgericht gehe von einer Pflicht zur Erbringung von Leistungen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe nur bei der Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung aus. Eine ärztliche Verordnung betreffe hingegen nur den ambulanten Pflegedienst der Klägerin. Schließlich hat sie sich auf § 10 des Pflegevertrages zwischen ihr und dem Versicherten bezogen, der lautet: § 10 Abtretung – Der Leistungsnehmer bevollmächtigt den Leistungsgeber in seinem Namen mit dem zuständigen Kostenträger die Kostenrechnung zu regulieren… .

Das Sozialgericht hat auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage hingewiesen und mit Urteil vom 23. Januar 2018 die Klage als unzulässig abgewiesen: Die Klägerin sei nicht klagebefugt. Nach § 54 Abs. 1 S. 2 SGG müsse die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage eine Verletzung eigener subjektiver Rechte als zumindest möglich geltend machen. Dies gelte entsprechend für das zur Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne von § 55 Abs. 1 SGG, soweit es sich hier gerade auf ein Rechtsverhältnis eines Dritten beziehe. Die Klägerin sei durch die Ablehnung der Leistungen häuslicher Krankenpflege lediglich mittelbar und wirtschaftlich betroffen. Etwaige Auswirkungen auf sie stellten sich lediglich als Rechtsreflexe dar. Das Feststellungsinteresse fehle zudem wegen des Ablaufs des maßgeblichen Zeitraums bei Klageerhebung.

Um ein vom Versicherten abgetretenes Recht handele es sich nicht. Soweit die Klägerin nach § 10 des Pflegevertrages als Leistungsgeber bevollmächtigt sei, gegenüber dem zuständigen Träger die Kosten auszugleichen, gehe es gerade nicht um eine Abtretung, sondern werde ihre Forderungsinhaberschaft weiter vorausgesetzt. 

Als fremdes Recht mache die Klägerin den Anspruch nicht geltend; es sei dazu auch keine Bevollmächtigung ersichtlich.

Gegen das ihr am 1. März 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Sie trägt vor, sie sei durch die Ablehnung der Behandlungspflege durch die Beklagte betroffen, da diese sich auf die Pflicht der Klägerin zur Leistungserbringung berufen habe. Eben dagegen wende sie sich wegen fehlender – sowohl vertraglicher als auch gesetzlicher – Verpflichtung. Zudem werde in ihren Anspruch auf Vergütung als Trägerin eines ambulanten Pflegedienstes eingegriffen.

Der Versicherte habe Anspruch auf die Genehmigung der häuslichen Krankenpflege in Form von Medikamentengabe. Insbesondere sei sie als Trägerin der Einrichtung nicht verpflichtet gewesen, die Leistungen gegenüber dem Versicherten zu erbringen.

Sie erfülle alle Voraussetzungen, die nach den in Sachsen-Anhalt geltenden Rahmenvereinbarungen gem. § 132a SGB V von den Leistungserbringern häuslicher Krankenpflege einzuhalten seien. Ihr Anspruch bestehe auch ohne Vorliegen der Genehmigung bei materieller Genehmigungsfähigkeit. Es handele sich zwischen ihr als Trägerin eines ambulanten Pflegedienstes und der Beklagten um ein hoheitliches Gleichordnungsverhältnis, das durch Entscheidungen gegenüber dem Versicherten nicht berührt werde. Nur bei einem offensichtlichen Ausschluss des Anspruchs eines Versicherten bleibe ihr Anspruch ausgeschlossen. Dem Versicherten sei hier ein Medikament verordnet gewesen, das zu verabreichen gewesen sei und woraufhin nachfolgend Krankenbeobachtung vorzunehmen gewesen sei. Das gehöre nicht mehr zu den lebenspraktischen Fähigkeiten, die im Rahmen der Eingliederungshilfe einzusetzen seien. Das Verabreichen von Medikamenten sei keine einfachste Maßnahme der häuslichen Krankenpflege: es sei unter Nr. 26 der Anlage 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung häuslicher Krankenpflege ausdrücklich aufgeführt. Dies gelte gerade und erst recht für einen Versicherten mit den Diagnosen des hier Betroffenen.

Die Klägerin habe jedenfalls einen Zahlungsanspruch auf 997,60 € aus § 13 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 37 Abs. 2 SGB V aus eigenem wie auch abgetretenem Recht. Die Beklagte habe bei ihrer Ablehnung nicht den Einzelfall geprüft, sondern sei lediglich von einer Abdeckung der Leistung durch eine vollstationäre Pflegeeinrichtung nach § 43 SGB XI ausgegangen. Zudem habe der Versicherte ihr seinen Anspruch aus § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V abgetreten.

Einfachste Maßnahmen medizinischer Behandlungspflege seien überhaupt nicht abgrenzbar. Verordnet werden dürften sie nicht; umgekehrt lasse sich aus einer Verordnung ableiten, dass es nicht um einfachste Maßnahmen gehe.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. Januar 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli    2016 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte zur Übernahme der Kosten für  die häusliche Krankenpflege in einer Behinderteneinrichtung zu Gunsten des bei ihr  Versicherten P. F. im Verordnungszeitraum vom 1. März bis 30. Juni 2016 in  Höhe der tatsächlich erbrachten und abgerechneten Leistungen verpflichtet ist,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Betrag von 997,60 € zuzüglich Zinsen  in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie legt dar, die Klägerin werde bereits durch die Vergütungsvereinbarung zur Erbringung der Eingliederungshilfe befriedigt. Ggf. müsse sie Leistungen gegenüber dem Versicherten abrechnen. Soweit sie sich durch den Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII benachteiligt sehe, müsse sie sich an deren Vertragspartner halten. Gegen ihren Ablehnungsbescheid seien namens des Versicherten keine Rechtsbehelfe eingelegt worden.

Die Beigeladene schließt sich der Argumentation der Beklagten an. 

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die in einem gesonderten Aktenband geführten Unterlagen, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Januar 2019 übersandt hat, Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klage ist insgesamt wirksam erhoben. Hinsichtlich des Handelns der für die Klägerin „im Auftrag“ tätig gewordenen Personen liegt eine schlüssige Genehmigung der Klageerhebung vor. Denn nach der Vorlage einer Prozessvollmacht für zwei der (auch weiterhin) „im Auftrag“ zeichnenden oder paraphierenden Personen geht das Gericht von deren Handeln in Vertretung der Klägerin aus. Eine Genehmigung der vorherigen Ausführungen anderer Personen ist darin zu sehen, dass die Bevollmächtigten diese sachlich aufgreifen und weiter fortführen.

Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2016 gerichtete Anfechtungsklage ist mangels erforderlicher Klagebefugnis im Sinne von § 157 S. 1, § 54 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unzulässig. Gegen die Klägerin als Adressatin richtet sich die Ablehnung des Antrages des Versicherten nicht. Die Klägerin ist auch nicht mit einer Vollmacht durch die Betreuungsperson des Versicherten oder sonstiger Urheberschaft ausgestattet, um in dessen Namen die Rechte geltend zu machen, deren Bestehen die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnt hat. Eine Vollmacht ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 10 des Pflegevertrages vom 20. Januar 2012 zwischen dem Versicherten und dem Geschäftsführer der Klägerin, der zur Zeit der Widerspruchserhebung wirksam gewesen sein mag. Der Widerspruch richtet sich nämlich nicht gegen die Ablehnung eines Zahlungsanspruchs des Versicherten gegen die Beklagte, der allein nach der Regelung auf die Klägerin zur Geltendmachung übergegangen sein könnte. Denn die in der Regelung enthaltene Ermächtigung an die Beklagte, im Namen des Versicherten „mit dem zuständigen Kostenträger die Kostenrechnung zu regulieren“, setzt entstandene Kosten voraus, die ohne Ermächtigung der Versicherte selbst regulieren müsste. Daran fehlt es schon deshalb, weil bis zur letzten mündlichen Verhandlung niemand die Leistung der Tablettenverabreichung dem Versicherten in Rechnung gestellt hat, wozu nach den Leistungsverhältnissen auch kein Anlass besteht. Die bloße Leistungsablehnung durch die Beklagte kann die Klägerin nicht auf der Grundlage dieses Vertrages anfechten, weil die Ablehnung einer Sachleistung keine Frage einer Kostenregulierung ist.  Die Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs. 3 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V – i. d. F. d. G. v. 22.12.2010, BGBl. I S. 2309) setzt wiederum Kosten des Versicherten voraus, die hier nicht entstanden sind und nicht entstehen können. Dem steht die pauschale Vergütung durch die Eingliederungshilfe entgegen, durch die die Kosten der Tablettenverabreichung – wie noch darzulegen ist – gedeckt sind.

Die Klägerin ist nicht Drittbetroffene des Verwaltungsaktes. Die Ablehnung der Medikamentengabe als Leistung der Krankenpflege gegenüber dem Versicherten betrifft sie nicht in eigenen Ansprüchen. Die Begründung des Verwaltungsaktes, wonach die Leistung der Klägerin bereits als Teil des Wohn- und Betreuungsvertrages vergütet ist, ist nicht Teil der Entscheidung selbst. Ob ein Versicherter oder seine Betreuungsperson gegen jemand Rechte mit Rechtsbehelfen wie einem Widerspruch durchsetzen wollen, unterliegt allein ihrem Entschluss. Leistungsanbieter, deren Marktinteressen dadurch mittelbar berührt werden, haben keine rechtlich geschützte Stellung. Der Kreis möglicher Anbieter ist nämlich schon nicht allgemein eingrenzbar. Besondere Regelungen, aus denen sich für die vorliegende Fallgestaltung anderes ergäbe, bestehen nicht und macht die Klägerin auch nicht geltend.

Die gegen den allein der Klägerin gegenüber ergangenen Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. Juli 2016 gerichtete Klage ist unbegründet. Zwar macht die Klägerin insoweit zulässig eine isolierte Beschwer im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 2 SGG geltend, weil sie sich gegen ihren Ausschluss von einer sachlichen Prüfung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 1. März 2016 wendet.

Jedoch ist die Klägerin im Ergebnis nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert. Denn der Widerspruchsbescheid ist nicht im Sinne der Vorschrift rechtswidrig, weil die Beklagte die Klägerin – wie dargelegt – zu Recht nicht als unmittelbar Drittbetroffene des Verwaltungsaktes vom 1. März 2016 angesehen und nicht im Sinne von § 12 Abs. 1      Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X – i. d. F. der Bek. v. 18.1.2001, BGBl. I  S. 130) in das Verwaltungsverfahren einbezogen hat.

Die erhobene Feststellungsklage nach § 157 S. 1, § 55 Abs. 1 SGG ist unzulässig, weil der Klägerin ein Feststellungsinteresse fehlt. Denn ihre nur für das betreffende Quartal geltend gemachten Zahlungsansprüche kann sie vorrangig mit der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend machen, wie dies mittlerweile hilfsweise auch geschieht.

Die hilfsweise erhobene Zahlungsklage ist unbegründet. Ein Vergütungsanspruch, den die Klägerin unmittelbar und gesondert gegen die Beklagte geltend machen könnte, besteht nicht. Aus einem Vertrag mit der Beklagten nach § 132a Abs. 2 S. 1 SGB V (i. d. F. d. G. v. 14.11. 2003, BGBl. I S. 2190) kann die Klägerin die Abrechnung ihr gegenüber schon deshalb nicht ableiten, weil sie die Leistung nicht als Leistung häuslicher Krankenpflege erbracht hat. Denn um einen sonstigen geeigneten Ort zur Erbringung von Behandlungspflege im Sinne von § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V handelt es sich bei einer Einrichtung zur Eingliederungshilfe nur insoweit, als es nicht um einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege geht, wie sie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen ohne Weiteres ausgeführt werden können (BSG, Urt. v. 25. 2. 2015 – B 3 KR 11/14 R – Juris, Rn. 31). Dies ist bei der Gabe von Tabletten aber der Fall.

Es geht bei der Medikamentenverabreichung allein darum, zu den ärztlich festgesetzten Tageszeiten die zur Einnahme vorgesehene Tablette der Verpackung zu entnehmen, sie dem Patienten zur Einnahme zu übergeben, ihn dazu aufzufordern und die Einnahme zu überwachen. Ein solcher Ablauf ist erwachsenen Personen aus dem Umgang innerhalb ihrer Familien ohne gezielte Vorbereitung allgemein vertraut. Es ist auch nicht ersichtlich, wie er sich überhaupt verändern lassen könnte, wenn er durch ausgebildete Pflegekräfte durchgeführt wird. Dagegen lässt sich insbesondere nicht die Formulierung der Rechtsprechung einwenden, dies alles richte sich nur nach ärztlicher Anweisung oder Anordnung (a.a.O., Rn. 32), die der verordnende Arzt hier der Einrichtung nicht erteilt habe. In dem rechtlich nicht verankerten Begriff der ärztlichen Anweisung oder Anordnung sind allein die medizinisch vorgegebenen Regeln zusammengefasst, die ein Arzt bei jeder Veranlassung einer Medikamentengabe dem Patienten selbst oder einer betreuenden Person gegenüber äußert. Auch insoweit macht es keinen Unterschied, wie sie letztlich Mitarbeiter/innen eines ambulanten Pflegedienstes oder Mitarbeiter/innen einer Einrichtung der Eingliederungshilfe erreicht. Letzteres ist insbesondere kein hinderliches Problem, wenn der Arzt sich – wie von der Klägerin beschrieben – regelmäßig in der Einrichtung ein Bild vom Befinden der Patienten macht.

Der Versicherte hatte zudem den Anspruch auf die Medikamentengabe gegen die Klägerin als Trägerin der Einrichtung „D.  “. Die Rechtsverhältnisse um die stationäre Versorgung des Versicherten enthalten dessen Anspruch auf die Bereitstellung von Tabletten und die Überwachung der Einnahme als Bestandteil der Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII.  Denn nach den Leistungstypen 2c und 11c, die nach der im fraglichen Zeitraum geltenden Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 5. November 2013 für die aufgenommenen Personen in dem Wohnheim D.   die Leistungen bestimmen, handelt es sich um Personen, die dauerhaft (auch) auf pflegerische Hilfen angewiesen sind. Dies ergibt sich aus den Leistungstypenbestimmungen in Anlage B gem. § 4 Abs. 2 zum Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII zwischen den Sozialhilfeträgern – namentlich der Beigeladenen – und (auch) dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus dem Jahr 2007 (von der Beklagten mit Schriftsatz vom 6.1.2019 übersandt); diesem gehörte die Klägerin an. Darauf nimmt die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vom 5. November 2013 als Grundlage in Abschnitt 1 Abs. 1 ausdrücklich Bezug. Nach der Zielgruppenbeschreibung beider Leistungstypenbestimmungen des Rahmenvertrages geht es für die Patienten um „Anleitung und teilweise stellvertretende Ausführung bei der individuellen Basisversorgung einschließlich pflegerischer Hilfen“. Der durchschnittliche Betreuungsbedarf umfasst zu Buchst. d pflegerische Hilfen, die im Einzelnen mit häufiger Erforderlichkeit pflegerischer Maßnahmen beschrieben werden. Bei einer derartigen Zielgruppe fällt ständig Bedarf nach bestimmten behandlungspflegerischen Maßnahmen an, womit die Medikamentengabe bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2020 – B 3 KR 4/19 R – juris, Rn. 27 f.). 

Von den damit verbundenen Verpflichtungen ist die Klägerin nicht durch die Ergänzung der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII vom 5. November 2013 befreit. Denn soweit dort Leistungsansprüche des Leistungsberechtigten – hier des Versicherten – gegen andere „vorrangige“ Träger (u. a. SGB V) nicht Bestandteil der Arbeit des Trägers sind und dies (u. a.) insbesondere für Ansprüche aus § 37 SGB V gelten soll, wird der vorliegende Fall davon nicht berührt. Wie dargelegt besteht nämlich insoweit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Es fehlt aufgrund der mit dem Einrichtungsträger vereinbarten Leistungen an einer Erforderlichkeit gesonderter Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V. Diese ist nämlich notwendige Voraussetzung für einen Pflegeanspruch nach dieser Vorschrift.

Der Vergütungsanspruch lässt sich auch nicht teilweise aus dem von der Beklagten vorgelegten Rahmenvertrag gem. §§ 132 und 132a SGB V zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe ableiten. Die in Ausführung von § 6 Abs. 6 S. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (i. d. F. der letzten Änderung durch Beschluss vom 17.7.2014, BAnz AT 6. 10. 2014 B 2) ergangene Regelung des § 3 Abs. 3 S. 1 des Vertrages, wonach die Krankenkasse Leistungen der ärztlich verordneten häuslichen Krankenpflege unter weiteren – hier erfüllten – Voraussetzungen bis zur Entscheidung über die Genehmigung übernimmt, gilt hier nicht. Denn sie betrifft zumindest dem Zweck der Vorschrift nach nicht solche Fälle, in denen es allein um die Abgrenzung geht, ob die Leistungen dem Rechtsträger anderweitig bereits vergütet sind. Als Grundlage der vertraglichen vorläufigen Kostenzusage des § 3 Abs. 3 S. 1 des Vertrages knüpft dessen § 3 Abs. 1 die vom (ambulanten) Pflegedienst zu erbringende Leistung bis zur Entscheidung der Krankenkasse an die ärztliche Verordnung. Damit wird der Notfall eines offenen Pflegeanspruchs vermieden, der zur unterbleibenden Versorgung oder notwendigen Zahlung durch den Pflegebedürftigen selbst führen müsste. Diese Lage liegt nicht vor, wenn die Leistung der Klägerin als Rechtsträgerin in jedem Fall durch einen Sozialleistungsträger vergütet wird. Dies ist hier – wie dargestellt – der Fall.

Soweit die Klägerin einen eigenen Zahlungsanspruch aus der mit „Abtretung“ überschriebenen Regelung des § 10 des undatierten Pflegevertrages ableiten will, gibt es keinen übertragenen Zahlungsanspruch des Versicherten. Aus § 13 Abs. 3 SGB V ergibt er sich deshalb nicht, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Ablehnung der Tablettenverabreichung als Leistung der Behandlungspflege nach dem SGB V zu Unrecht erfolgt ist. Denn zwischen dem Versicherten und der Beklagten steht gem. § 77 SGG der fehlende Anspruch auf die Tablettenverabreichung bindend fest, da ein Widerspruch des Versicherten oder wirksam in seiner Vertretung nicht erhoben worden ist, wie die Beklagte unbestritten mitgeteilt hat. Eine günstigere Rechtsstellung konnte der Versicherte auch nicht durch Abtretung übertragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Streitwert richtet sich gem. § § 51 Abs. 3 S. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. § 45 Abs. 1 GKG nach der eingeklagten Geldleistung.

Rechtskraft
Aus
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