L 16 KR 101/22

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 32 KR 46/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 KR 101/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Als erfolglose Behandlungsversuche iSd § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V können nur solche Maßnahmen der künstlichen Befruchtung gewertet werden, die in den Richtlinien über künstliche Befruchtung nach § 27a Abs. 5 SGB V aufgeführt sind.

Unterschiedliche Maßnahmen der künstlichen Befruchtung können bei der Zählung der erfolglosen Behandlungsversuche iSd § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V grundsätzlich nicht addiert werden.
 

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Januar 2022 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides 18. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 verurteilt, an die Klägerin 6.256,31 € zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung der (hälftigen) Kosten für zwei Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung mittels intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) iHv insgesamt 6.324,85 €.

Die  1979 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Ihr 1970 geborener Ehemann leidet an einer schweren Fertilitätsstörung. Im Jahr 2010 gebar die Klägerin in Folge einer Kinderwunschbehandlung eine Tochter.

Zusammen mit ihrem Ehemann ließ die Klägerin im Jahr 2015 nach einer entsprechenden Genehmigung durch die Beklagte einen vollständigen Behandlungszyklus mittels ICSl durchführen. Die Beklagte beteiligte sich zu 50 Prozent an den Kosten. Die Behandlung führte nicht zur Schwangerschaft. Im November und Dezember 2015 erfolgten zwei weitere Behandlungszyklen mit kryokonservierten Eizellen im Vorkernstadium, die bei der ICSI-Behandlung gewonnen worden waren. Auch diese Behandlungen, die ohne Kostenbeteiligung durch die Beklagte durchgeführt wurden, waren nicht erfolgreich.

Im Jahr 2018 erfolgte erneut ein von der Klägerin selbst finanzierter Behandlungszyklus mittels ICSI, der zwar zu einer Schwangerschaft führte, aber mit einem Abort endete. Es schloss sich im Februar 2019 ein weiterer – erfolgloser –  selbstfinanzierter Behandlungszyklus mit kryokonservierten Eizellen im Vorkernstadium an, die bei der vorherigen ICSI-Behandlung gewonnen worden waren.

Mit Datum vom 28. Februar 2019 legte die Klägerin – nach einer entsprechenden ärztlichen Beratung – der Beklagten einen weiteren Behandlungsplan für eine Maßnahme zur künstlichen Befruchtung mittels ICSI zur Genehmigung vor.

Mit Bescheid vom 18. März 2019 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass sie höchstens drei Behandlungsversuche bezuschussen könne, wenn diese erfolglos gewesen seien. Die Klägerin legte Widerspruch gegen den Bescheid ein.

In der Zeit vom 14. Mai 2019 bis zum 14. Juni 2019 ließ die Klägerin erfolglos den ersten hier streitgegenständlichen Behandlungsversuch mittels ICSI im Kinderwunschzentrum Potsdam, welches über eine Genehmigung nach § 121a Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) – (SGB V) verfügt, durchführen. Die Medikamentenverordnung und der Bezug des Medikaments für die zweite hier streitgegenständliche ICSI-Behandlung datierte auf den 16. Juli 2019 (Menogon HP 75 I.E.; Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung). Am 31. Juli 2019 erfolgte die Injektion des Arzneimittels (Rechnung des Kinderwunschzentrums Potsdam vom 30. September 2019). Auch dieser ICSI-Behandlungsversuch war erfolglos, ebenso wie der weitere Behandlungsversuch, welcher in der Zeit vom 9. Oktober 2019 bis zum 25. Oktober 2019 mittels kryokonservierten Materials erfolgte.

Damit stellen sich die durchgeführten Behandlungsversuche wie folgt dar:

Behandlungsversuche

Zeitraum

ICSI 2015 (Frischzyklus)

(Finanzierung durch Krankenkasse)

14. September 2015 bis 19. Oktober 2015

- keine Schwangerschaft -

2015 (Kryozyklus)

(Eigenfinanzierung)

3. November 2015 bis 27. November 2015

- keine Schwangerschaft -

2015 (Kryozyklus)

(Eigenfinanzierung)

3. Dezember 2015 bis 22. Dezember 2015

- keine Schwangerschaft -

ICSI 2018 (Frischzyklus)

(Eigenfinanzierung)

20. August 2018 bis 1. Oktober 2018

- Schwangerschaft mit Abort -

2019 (Kryozyklus)

(Eigenfinanzierung)

6. Februar 2019 bis 25. Februar 2019

- keine Schwangerschaft -

ICSI 2019 (Frischzyklus)

(streitgeg. Antrag auf Erstattung)

14. Mai 2019 bis 14. Juni 2019

- keine Schwangerschaft -

ICSI 2019 (Frischzyklus)

(streitgeg. Antrag auf Erstattung)

31. Juli 2019 bis 14. September 2019

- keine Schwangerschaft -

2019 (Kryozyklus)

(Eigenfinanzierung)

9. Oktober 2019 bis 25. Oktober 2019

- keine Schwangerschaft -

Für die streitgegenständlichen ICSI-Behandlungsversuche reichte die Klägerin Rechnungen und Rezepte ein, aus denen sich ein Betrag iHv insgesamt 12.649,70 € ergibt, wobei die Klägerin gegenüber der Beklagten den hälftigen Betrag iHv 6.324,85 € geltend macht (vgl hinsichtlich der Rechnungen und Rezepte Bl. 56 bis 81 der Gerichtsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2020 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass bereits drei Behandlungsversuche erfolglos geblieben seien, weshalb kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für weitere Behandlungsversuche bestehe. Darüber hinaus habe die Klägerin am 6. August 2019 das 40. Lebensjahr vollendet.

Mit ihrer Klage vom 17. Februar 2020 hat die Klägerin vorgetragen: Alle streitgegenständlichen Behandlungen seien vor Vollendung des 40. Lebensjahrs begonnen worden. Die Behandlungen mit dem kryokonservierten Material seien nicht als Behandlungsversuche zu werten. Es handele sich um eine neue und eigenständige Methode, die von § 27a SGB V und den Richtlinien über künstliche Befruchtung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA; RL über künstliche Befruchtung <RL>) nicht umfasst seien. Hinter der Begrenzung auf drei Versuche stünden rein fiskalische Erwägungen.

Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat die gegen den Bescheid vom 18. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2020 gerichtete Klage mit Urteil vom 27. Januar 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Kinderwunschbehandlung nach § 13 Abs. 3 SGB V. Die Frage, ob die vorgesehenen Altersgrenzen überschritten seien, könne dahinstehen. Denn ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Kinderwunschbehandlungen bestehe bereits deshalb nicht, weil es an den hinreichenden Erfolgsaussichten iSd § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB V fehle. Die Regelung beziehe sich dabei nicht nur auf drei vergebliche Behandlungsversuche mit einer bestimmten Behandlungsmethode, sondern auf alle insgesamt in Anspruch genommenen Behandlungsversuche. Dieses Verständnis stehe grundsätzlich im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich entnehmen lasse, dass nur insgesamt drei Versuche in Betracht kämen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 8/12 R – juris - Rn. 12). Die von der Klägerin erfolglos in Anspruch genommenen Behandlungen mit kryokonserviertem Material stellten dabei eigenständige Behandlungsversuche dar (Bezugnahme auf Landessozialgericht <LSG> Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. August 2001 – L 5 NZB-KR 7/01 - juris). Die Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB V beschränke den gesetzlichen Ausschluss nicht ausdrücklich auf erfolglose Behandlungsversuche mit den durch den G-BA ausdrücklich benannten Behandlungsmaßnahmen oder dementsprechend auf durch die Krankenkasse (KK) finanzierte Behandlungsversuche. Es gehe gerade nicht um eine finanzielle Beschränkung der Förderung der Maßnahmen zur Kinderwunschbehandlung, sondern um die rein medizinisch zu bewertende Erfolgsaussicht. Entgegen der Ansicht der Klägerin seien daher auch solche Behandlungsversuche zu berücksichtigen, die außerhalb des Systems der GKV auf eigene Kosten durchgeführt worden seien (Bezugnahme auf SG Berlin, Urteil vom 27. November 2015 - S 166 KR 671/12 - juris). Der Umstand, dass eine Behandlungsmethode nicht in die RL aufgenommen worden sei, lasse nicht den Schluss zu, dass es sich um völlig ungeeignete Behandlungen handele, die nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprächen. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 27a Abs. 4 SGB V, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen die Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen auf Kosten der Beklagten beansprucht werden könne, ergäben sich aus Sicht des Gerichts keine Zweifel daran, dass es sich bei einer Kinderwunschbehandlung mittels kryokonservierten Materials um einen Behandlungsversuch nach den Regeln der ärztlichen Kunst handele. Ausweislich des DIR-Jahrbuchs 2020 (Deutsches IVF Register, S. 8) liege die Schwangerschaftsrate nach dem ersten Transfer mit kryokonserviertem Material bei 33,2 Prozent und sei insoweit mit einem Frischtransfer mit einer Schwangerschaftsrate von 34,8 Prozent vergleichbar. Auch der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass die Behandlungsmethode mittels kryokonservierten Materials bei Erlass der RL noch gar nicht existiert habe, führe aus Sicht des Gerichtes nicht dazu, dass ein erfolgloser Behandlungsversuch mit kryokonserviertem Material keinen Rückschluss auf die generelle Erfolgsaussicht von weiteren Kinderwunschbehandlungen zulasse. Denn es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass bei der medizinischen Prüfung der Erfolgsaussichten einer Kinderwunschbehandlung neue Behandlungsmethoden außer Betracht bleiben müssten.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Altersgrenze spiele keine Rolle, da der letzte Zyklus hinsichtlich der streitgegenständlichen ICSI durch die Medikamentenverordnung und den Bezug des Medikaments am 16. Juli 2019 bzw durch den ersten Stimulationstag am 31. Juli 2019 und damit vor ihrem 40. Geburtstag begonnen habe. Die Maßnahme der künstlichen Befruchtung sei noch nicht drei Mal ohne Erfolg iSd § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V durchgeführt worden. Es gehe bei der Begrenzung auf drei Versuche um fiskalische Interessen. Diesbezüglich nehme sie Bezug auf das Urteil des SG Kiel vom 30. September 2011 (– S 3 KR 81/09 – unveröffentlicht). Grundsätzlich sei darauf hinzuweisen, dass sich die Erfolgsaussichten der Behandlung nur an dem messen lassen könnten, was im Rahmen des deutschen gesetzlichen Krankenversicherungssystems (durchschnittlich) erbracht werden könne, da die Behandlung und ihr Inhalt gesetzlichen und auch durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) vorgegebenen Rahmenbedingungen unterliege. Außerhalb des GKV-Systems gebe es eine Reihe extra honorierter Zusatzleistungen, die die Erfolgsaussichten erhöhten. Der G-BA habe jedenfalls lediglich Behandlungszyklen bewertet, die innerhalb des gesetzlichen Krankenversicherungssystems stattgefunden hätten, so dass bei einer entsprechenden Bewertung der Limitierung nur solche zum Tragen kommen könnten. Eine Gleichsetzung der Behandlung mit kryokonserviertem Material mit den gemäß § 27a SGB V zulässigen Maßnahmen verbiete sich schlichtweg, weil es sich dabei um etwas völlig anderes handele.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Januar 2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 zu verurteilen, an sie 6.324,85 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

           die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Gerichtsakte (2 Bände) und die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Band), auf die wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iSv § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG auf Erstattung der Kosten für die vom 14. Mai 2019 bis 14. Juni 2019 bzw. vom 31. Juli 2019 bis 14. September 2019 durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung (ICSI) zulässigerweise weiterverfolgt, ist im tenorierten Umfang begründet. Der angefochtene Bescheid vom 18. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2020 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der Kosten für die in Rede stehenden Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung iHv 6.256,31 €. Hinsichtlich eines Betrages iHv 68,54 € steht der Klägerin kein Erstattungsanspruch zu. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen.

Der Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung in der aufgezeigten Höhe folgt aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind dann, wenn die KK eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Dabei reicht der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl ua BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 3/13 R – juris - Rn. 15). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die hier streitgegenständlichen künstlichen Befruchtungen im ausgeworfenen Umfang.

Nach § 27a Abs. 1 SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn 1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind, 2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist, 3. die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind, 4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und 5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a SGB V erteilt worden ist. § 27a Abs. 3 SGB V gibt weiter vor, dass der Anspruch auf Sachleistungen nach § 27a Abs. 1 SGB V nur für Versicherte besteht, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben (Satz 1). Vor Beginn der Behandlung ist der KK ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen (Satz 2). Die KK übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden (Satz 3). Nach § 27a Abs. 5 SGB V bestimmt der G-BA in den RL nach § 92 SGB V die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach § 27a Abs. 1 SGB V und – seit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 6. Mai 2019 (TSVG – BGBl I S. 646, in Kraft getreten am 11. Mai 2019), mit welchem der Anspruch auf Kryokonservierung in § 27a Abs. 4 SGB V eingeführt wurde – auch nach § 27a Abs. 4 SGB V. In den RL vom 14. August 1990 (erlassen damals noch vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) in der hier anzuwendenden Fassung vom 16. März 2017 (BAnz AT 01.06.2017 B4) – der Zeitpunkt der Behandlungen war im Jahr 2019 – ist der G-BA dem nachgekommen. In den RL in der Fassung vom 16. Dezember 2021 (BAnz AT 08.02.2022 B3) hat der G-BA die Änderungen durch den neuen Anspruch nach § 27a Abs. 4 SGB V berücksichtigt.

Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kostenübernahme der künstlichen Befruchtung sind bei der Klägerin hinsichtlich beider Behandlungszyklen, für die Kostenerstattung beantragt wird, erfüllt. Bei der sog. ICSI handelt es sich um eine in Ziff. 10.5 der RL aufgeführten Methode. Während bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) die Eizellen mit dem aufbereiteten Sperma in einem Reagenzglas zusammengebracht werden, damit eine spontane Befruchtung stattfinden kann, wird bei der ICSI die gewonnene Samenzelle direkt in die weibliche Eizelle injiziert.

Dass die Maßnahmen aufgrund der Fertilitätsstörung des Ehemannes der Klägerin nach ärztlicher Feststellung erforderlich waren (§ 27a Abs. 1 Nr. 1 SGB V, Ziff. 11.5 der RL), steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Es wurden ausschließlich die Ei- und Samenzellen der Klägerin und ihres Ehemannes verwendet (§ 27a Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V). Auch die Voraussetzungen des § 27a Abs. 1 Nr. 5 SGB V sind erfüllt. Der Behandlungsplan vom 28. Februar 2019 entspricht den Anforderungen des § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V und der Ziff. 9.2 der RL. Insbesondere kann er für beide streitgegenständlichen Behandlungszyklen herangezogen werden. Nach Ziff. 9.2 Abs. 3 der RL umfasst der Behandlungsplan (maximal) drei in Folge geplante Zyklen.

Dem Anspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass diese am 6. August 2019 40 Jahre alt wurde. In den RL ist in Ziff. 9.1 Satz 2 und 3 geregelt: „Der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Die angegebenen Altersgrenzen müssen für beide Partner in jedem Behandlungszyklus (Zyklusfall) zum Zeitpunkt des ersten Zyklustages im Spontanzyklus, des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation erfüllt sein“. Der erste Stimulationstag des zweiten hier streitgegenständlichen Behandlungszyklus war der 31. Juli 2019. Wie sich aus der Rechnung der Kinderwunschpraxis Potsdam vom 30. September 2019 ergibt, erfolgte an diesem Tag die Injektion. Mit der Injektion des follikelstimulierendem Hormons (FSH) beginnt die Stimulation der Eierstöcke. Durch die hormonelle Stimulation werden mehrere Follikel zum Wachstum angeregt, so dass auch mehrere Eizellen gewonnen werden können. Am 31. Juli 2019 hatte die Klägerin das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet.

Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten liegen auch die Voraussetzungen nach § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bestehen einer hinreichenden Aussicht nach ärztlicher Feststellung, dass durch die Maßnahme eine Schwangerschaft herbeigeführt wird) vor. Insbesondere steht dem Anspruch nicht § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB V entgegen, wonach eine hinreichende Aussicht nicht mehr besteht, „wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist“. Erfolglos ist ein Versuch, wenn er – vollständig durchgeführt – nicht zu einer Schwangerschaft geführt hat, wie sich aus § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB V ergibt (vgl. auch Fahlbusch in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 27a SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 22). Nach Ziff. 8 Abs. 4 der RL gilt die ISCI dann als vollständig durchgeführt, wenn die Spermieninjektion in die Eizelle(n) erfolgt ist.

Die Klägerin hat vor den hier streitgegenständlichen Behandlungszyklen im Jahr 2015 eine durch die Beklagte finanzierte künstliche Befruchtung mittels ICSI vorgenommen (14. September 2015 bis 19. Oktober 2015), welche zu keiner Schwangerschaft führte. Dieser Behandlungszyklus ist als ein erfolgloser Versuch zu werten. Die im Jahr 2018 vorgenommene ICSI (20. August 2018 bis 1. Oktober 2018) führte zu einer Schwangerschaft mit späterem Abort. Ziff. 8 Abs. 1 Satz 2 der RL gibt vor, dass dann, wenn eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten ist, ohne dass es nachfolgend zu einer Geburt eines Kindes gekommen ist, dieser Behandlungsversuch nicht auf die Versuchsanzahl anzurechnen ist. Der erfolglose Versuch aus dem Jahr 2015 ist dennoch weiter zu berücksichtigen. Auch nach einer erfolgreichen Maßnahme zur künstlichen Befruchtung kann ein Anspruch auf Finanzierung weiterer Behandlungszyklen nur bestehen, solange die Zahl von drei erfolglosen Versuchen nicht erreicht ist. Die Zählung beginnt dann nicht von vorne (vgl BSG, Urteil vom 25. Juni 2009 – B 3 KR 9/08 R – juris - Rn. 12). Nur im Fall einer Geburt werden die der Geburt vorangegangenen Behandlungsversuche nicht auf die vorstehende Anzahl der Versuche angerechnet (vgl. Ziff. 8 Abs. 1 Sätze 3 und 4 der RL).

Damit kommt es entscheidend darauf an, ob die von der Klägerin im Jahr 2015 und 2019 eigenfinanziert durchgeführten künstlichen Befruchtungen mittels kryokonservierten Materials, welche alle nicht zu einer Schwangerschaft führten, als erfolglose Versuche iSd § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB V zu werten sind. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall.

Die weiteren von der Klägerin finanzierten Behandlungsversuche mittels kryokonservierten Materials fallen jedoch nicht schon deshalb aus der Zählung der Versuche iSd § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V, weil die KK nicht an den Kosten beteiligt war. Das BSG hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2009 (aaO) ausdrücklich offen gelassen, ob auch solche Versuche einzubeziehen sind, an deren Kostentragung die KK nicht beteiligt war. Entscheidend hierfür ist letztlich, ob die zahlenmäßige Begrenzung der Versuche nur der finanziellen Entlastung der KK, d.h. fiskalischen Erwägungen, dienen soll, oder ob Hintergrund der Begrenzung die medizinischen Erkenntnisse über die Erfolgsaussichten der Maßnahme(n) zur künstlichen Befruchtung waren. Dann wäre unerheblich, wer die Kosten für die vorherigen Versuche getragen hat. Für Letzteres spricht insbesondere die Entstehungsgeschichte des § 27a SGB V. Diese Norm ist durch das KOV-Anpassungsgesetz vom 26. Juni 1990 (KOV-AnpG 1990, BGBl. I S. 1211) in das SGB V eingefügt worden und sah damals in Abs. 1 Nr. 2 noch vor, dass eine hinreichende Aussicht „in der Regel“ nicht mehr besteht, wenn die Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. Als Grund für die zahlenmäßige Beschränkung wurde in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass nach medizinischen Erkenntnissen die Erfolgsaussichten nach vier vergeblichen Versuchen deutlich (z.B. bei Follikelpunktion mit anschließendem Embryotransfer von 47 Prozent beim ersten Versuch auf 7 Prozent beim vierten Versuch) zurückgehen (vgl. BT-Drucks. 11/6760 S. 15). Der Gesetzgeber stützte sich damals auf medizinische Gesichtspunkte. Daran änderte sich auch durch das Gesetz zur Modernisierung der GKV (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) nichts, mit dem die Regelvermutung abgeschafft und zugleich die Zahl der zu übernehmenden Behandlungen auf drei begrenzt wurde. Grund für die Neufassung war nach der Gesetzesbegründung eine Begrenzung der Ausgaben für künstliche Befruchtungen auf Fälle medizinischer Notwendigkeit, wobei sich der Gesetzgeber auf die in den RL angegebenen Erfolgsaussichten (Ziff. 8) bezog (vgl. BT-Drucks. 1525 S. 83). Zwar wird damit die Begrenzung der Ausgaben der Krankenkassen in den Vordergrund gestellt, Grundlage der Begrenzung blieben jedoch weiterhin die medizinischen Erkenntnisse über die jeweiligen Erfolgsaussichten.

Die hier vorgenommenen Versuche einer künstlichen Befruchtung mittels kryokonservierten Materials können jedoch – unabhängig von der Art der Finanzierung –  nicht als erfolglose Versuche iSv § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB V angesehen werden, weil es sich dabei zum einen um Maßnahmen handelt, die von den hier streitgegenständlichen Behandlungszyklen mittels ICSI zu unterscheiden sind, und zum anderen die hier erfolgte Verwendung des Kryomaterials (Vorkernstadium) keine Methode iSd RL darstellt.

Nach § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB V besteht ein Anspruch auf Kostenbeteiligung bei der künstlichen Befruchtung dann nicht mehr, „wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist“. Schon der im Singular gehaltene Wortlaut („die Maßnahme“) weist darauf hin, dass die konkrete Maßnahme, deren Kostenerstattung begehrt wird, zuvor nicht schon drei Mal erfolglos geblieben sein darf. Der G-BA nennt in den RL (Ziff. 10.5 bis 10.5) fünf unterschiedliche Maßnahmen der künstlichen Befruchtung, ua in Ziff. 10.3 die IVF mit Embryo-Transfer (ET), gegebenenfalls als Zygoten-Transfer oder als intratubarer Embryo-Transfer (EIFT = Embryo-lntrafallopian-Transfer) und in Ziff. 10.5 die ICSI. Für jede der fünf Maßnahmen sehen die RL unterschiedliche medizinische Indikationen (Ziff. 11) und Erfolgsaussichten (Ziff. 8) vor. Dies zeigt, dass die erfolglose Durchführung einer der genannten Maßnahmen keine Rückschlüsse auf die Erfolgsaussicht einer anderen Maßnahme zulässt. Eine Zusammenrechnung von zwei unterschiedlichen Methoden der künstlichen Befruchtung ist deshalb nicht möglich (so auch Thüringer LSG, Urteil vom 13. Dezember 2011 – L 6 KR 439/07 –, juris, noch zur bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des § 27a SGB V; BeckOGK/Zieglmeier, 15.8.2024, SGB V § 27a Rn. 31, beck-online; vgl auch G-BA: Definition und Zählweise von erfolglosen und erfolgreichen Versuchen). Anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BSG. Die vom SG zitierte Entscheidung (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 8/12 R – juris) betrifft den nach den RL ausnahmsweise zulässigen Methodenwechsel von der IVF zur ICSI (Ziff. 8 Abs. 3: Einzige Ausnahme ist die Fallkonstellation eines totalen Fertilisationsversagens nach dem ersten Versuch einer IVF. Allein in diesem Fall werden die IVF- und die ICSI-Versuche zusammengezählt, so dass nach der erfolglosen IVF nur noch zwei ICSI-Versuche möglich sind. Dies wird auch durch die Tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA über die Änderungen der RL: Methodenwechsel und Risikoberatung vom 15. November 2007 betont: „Die Formulierungen wurden so gewählt, dass die Anzahl der genehmigungsfähigen Zyklen gegenüber Fällen ohne diese Ausnahmeindikation nicht ansteigt, um eine Gleichbehandlung der Paare zu gewährleisten“. Soweit das LSG Nordrhein-Westfalen aus der Entscheidung des BSG vom 7. Mai 2013 (aaO) und den genannten Tragenden Gründen des G-BA den Schluss zieht, dass alle Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu addieren seien (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. März 2014 – L 16 KR 571/13 – juris - Rn. 31 ff.), folgt der Senat dem aus den o.g. Gründen nicht. Auch die in dem Urteil genannte Befürchtung, dass dann bis zu fünf Behandlungsversuche (2x IVF, 2x ICSI und sodann 1x IVF oder ICSI) durchgeführt werden können, teilt der Senat nicht. Denn die RL stellen eindeutig klar, dass zB die IVF und die ICSI – bis auf die genannte Ausnahme – aufgrund der differenzierten Indikationsstellung nur alternativ angewandt werden dürfen (Ziff. 8 Abs. 3). Gleiches zB gilt für die IVF und den intratubaren Gematentransfer (Ziff. 8 Abs. 2). Dass also die jeweiligen Maßnahmen insoweit uneingeschränkt hintereinander „durchprobiert“ werden, dürfte vor dem Hintergrund der RL gerade ausgeschlossen sein.

Vorliegend handelt es sich bei den Behandlungsversuchen mit dem kryokonservierten Material um von der ICSI getrennt zu betrachtende Maßnahmen. Sowohl das im Jahr 2015 als auch das im Jahr 2019 verwendete Kryomaterial wurde im Rahmen der jeweils zuvor durchgeführten ICSI gewonnen. Kryokonserviert wurden die Vorkernstadien (vgl zu dem damit entfallenden strafrechtlichen Problem im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 Nr. 5 Embryonenschutzgesetz <ESchG>: BSG, Urteil vom 25. Mai 2000 – B 8 KN 3/99 KR R – juris - Rn. 18 ; vgl zum sog deutschen Mittelweg ua Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. Mai 2017 – VI R 34/15 –, juris). Dabei handelt es sich um das Anfangsstadium der Befruchtung. Es beginnt etwa vier Stunden nach dem Eindringen der Samenzelle in die Eizelle, wenn sich aus beiden Keimzellen jeweils ein sogenannter Vorkern ausbildet. Dieser enthält den halben mütterlichen bzw den halben väterlichen Chromosomensatz. Die ICSI ist zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen und wird nicht nach dem Auftauen fortgesetzt. Sie gilt nach Ziff. 8 Abs. 4 der RL dann als vollständig durchgeführt, wenn die Spermieninjektion in die Eizelle(n) erfolgt. Dass es im Fall der Kryokonservierung von Eizellen im Vorkernstadium erst während der nach dem Auftauen erfolgenden Kultivierung durch die Kernverschmelzung zum Abschluss der Befruchtung kommt (vgl BSG aaO), hat nach Auffassung des Senats – entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2022 – nicht zur Folge, dass die Behandlungsversuche mit kryokonservierten Vorkernen als ICSI-Versuche zu werten sind. Denn die RL stellen auf die Spermieninjektion in die Eizelle und nicht auf die abgeschlossene Befruchtung ab.

Damit ist die hier gegebene Konstellation auch nicht mit der zu vergleichen, die mit Einführung des Anspruchs auf Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe sowie auf die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen (§ 27a Abs. 4 SGB V) nunmehr in den RL idF vom 16. Dezember 2021 geregelt ist. Hier wird die „ICSI nach Kryokonservierung gemäß § 27a Absatz 4 SGB V bei nachgewiesener Fertilitätsstörung bei der weiblichen Versicherten unabhängig von einer männlichen Fertilitätsstörung“ als weitere Indikation für die ICSI – mit ggf. ET bzw. EIFT – unter Ziff. 11.5 gefasst. Dabei geht es – anders als vorliegend – um eine ICSI, die mit Kryomaterial durchgeführt wird. Deutlich geht dies auch aus den Tragenden Gründen zum Beschluss des G-BA über eine Änderung der RL: Folgeänderung im Zusammenhang mit der Richtlinie zur Kryokonservierung vom 16. Dezember 2021 hervor. Darin wird betont, dass die nunmehr geregelte ICSI-Variante im Zusammenhang mit § 27a Abs. 4 SGB V gerade nicht im selben Zyklus wie die Stimulation der Oozyten erfolgt (S. 3). Ob in dieser neu geregelten Konstellation bei einer ICSI im sog Frischezyklus und einer ICSI nach Kryokonservierung bei der Zählung nach § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V von unterschiedlichen Maßnahmen ausgegangen werden kann, muss der Senat nicht entscheiden.

Die Maßnahmen, die die Klägerin mit dem Kryomaterial durchführen ließ, können aber – unabhängig davon, dass es sich um eine von der ICSI-Maßnahme zu differenzierende Maßnahme handelt – auch deshalb nicht als erfolglose Versuche iSd § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V angesehen werden, weil es sich dabei nicht um Maßnahmen iSd RL handelt. Die Kryokonservierung vorsorglich gewonnener imprägnierter Eizellen für die mögliche Wiederholung eines Versuchs der Befruchtung ist deshalb keine von der GKV zu leistende medizinische Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (vgl BSG, Urteil vom 25. Mai 2000 – B 8 KN 3/99 KR R – juris). Ein Erstrecken der Behandlungsversuche iSd § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB V auch auf außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegende Maßnahmen hätte zur Folge, dass die Erfolgsaussichten der anerkannten Maßnahmen an vorherigen Maßnahmen zu messen wären, deren Erfolgsaussichten, Indikationen und Umfang noch nicht durch den G-BA überprüft und ausgewertet worden sind. Die Bestimmung der medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen ua nach § 27a Abs. 1 SGB V wurde nach Abs. 5 der Vorschrift ausdrücklich dem G-BA übertragen. Zwar merkt das SG insoweit zutreffend an, dass der Umstand, dass eine Maßnahme nicht in den RL aufgenommen wurde, nicht den Schluss zulässt, dass es sich um eine völlig ungeeignete Methode handelt, die nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht. Die Einbeziehung von nicht in den RL geregelten Maßnahmen in die Zählung würde jedoch dazu führen, dass – entgegen der Regelung in § 27a Abs. 5 SGB V – nicht der G-BA, sondern letztlich die Beteiligten und die Gerichte jeweils gesondert zu prüfen hätten, ob die vorherigen außerhalb des Leistungskataloges der GKV durchgeführten Versuche der künstlichen Befruchtung überhaupt eine geeignete Methode zur Herbeiführung einer Schwangerschaft darstellen. Dies wird dem Regelungskonzept der Norm und insbesondere § 27a Abs. 5 SGB V nicht gerecht.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung iHv 6.256,31 €. Durch die Verweigerung der Sachleistung (§ 27a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB V) konnte sie sich nach der Leistungsablehnung die streitgegenständlichen ICSI-Behandlungen nur privatärztlich verschaffen. Die entstandenen Kosten setzen sich zusammen aus insgesamt 2.850,90 € für die verordneten Arzneimittel für die Hormonbehandlung der Klägerin (vgl die Rezepte Bl. 56 bis 59 und Bl. 69 bis 71 der Gerichtsakte), den Behandlungskosten am Körper der Klägerin und den extrakorporalen Behandlungskosten, zB auch der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Untersuchung und Aufbereitung des männlichen Samens, iHv 8.981,71 € (vgl die GOÄ-konformen Rechnungen des Kinderwunschzentrums Potsdam, Bl. 60 bis 61, Bl. 63 bis 67, Bl. 72 bis 73, Bl. 75 bis 79 der Gerichtsakte, wobei deren Übereinstimmung mit materiellem Gebührenrecht nicht zu prüfen ist, vgl BSG, Urteil vom 29. August 2023 – B 1 KR 13/22 R – juris – Rn. 19 mwN) sowie den Kosten der Anästhesie iHv 680 € (vgl Rechnungen der Dreamteam Anästhesie MVZ GmbH, Bl. 68 und 81 der Gerichtsakte). Von dem Gesamtbetrag iHv 12.512,61 € kann die Klägerin die Hälfte – 6.256,31 € – erstattet verlangen. Kein Anspruch besteht hinsichtlich eines ebenfalls geltend gemachten Betrages iHv 68,54 €. Die Rechnung des Kinderwunschzentrums vom 18. Juni 2019 (Bl. 62 der Gerichtsakte) iHv 21,88 € wurde für einen Behandlung am 29.03.2019 gestellt. Hier kann ein zeitlicher oder inhaltlicher Bezug zu den streitgegenständlichen ICSI-Behandlungen, welche am 14. Mai 2019 mit der ersten Injektion begannen, nicht hergestellt werden. Die Rezepte vom 30. September 2019 (Bl. 74 der Gerichtsakte) iHv 25,49 € und vom 9. Oktober 2019 (Bl. 89 der Gerichtsakte) iHv 89,71 € sind nach Abschluss der letzten streitgegenständlichen ICSI am 14. September 2019 eingelöst worden und betreffen die sich anschließende Kryo-Behandlung. Eine Erstattung des sich aus diesen drei Posten ergebenden Betrags iHv 137,08 € (Hälfte: 68,54 €) kann die Klägerin nicht verlangen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Soweit die Berufung hinsichtlich eines Betrages iHv 68,54 € zurückgewiesen wurde, fällt dies angesichts des bestehenden Erstattungsanspruches iHv 6.256,31 € (1,08 %) für die Kostenentscheidung nicht ins Gewicht.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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