Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Mai 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung über das Nichtbestehen mehrerer Erstattungsforderungen des Beklagten.
Mit öffentlich zugestellten Bescheiden vom 2. August 2023 hob der Beklagte die dem Kläger gegenüber vorgenommenen Bewilligungen von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeiträume 1. Januar bis 29. Februar 2020, 1. November 2021 bis 30. April 2022 und 1. Mai bis 31. Juli 2022 vollständig auf und forderte den Kläger zur Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 1.827,30 € (für 1. Januar bis 29. Februar 2020), 6.895,32 € (1. November 2021 bis 30. April 2022) und 2.342,66 € (1. Mai bis 31. Juli 2022) auf. Widerspruch gegen diese Bescheide erhob der Kläger nicht.
Mit Zahlungserinnerung vom 26. März 2024 wies die vom Beklagten mit der Forderungsdurchsetzung beauftragte Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit R1/Inkassoservice - den Kläger darauf hin, dass die sich aus den genannten Bescheiden ergebende Forderung noch nicht beglichen worden sei. Die Zahlung werde spätestens bis 11. April 2024 erwartet. Sollte der Zahlungstermin erfolglos verstreichen, seien weitere Schritte zu prüfen.
Am 2. Mai 2024 hat der Kläger die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Bundesagentur für Arbeit beantragt (Sozialgericht Freiburg - SG -, S 15 AS 1161/24 ER).
Ebenfalls am 2. Mai 2024 hat der Kläger die vorliegende Feststellungsklage beim SG erhoben. Er hat vorgebracht, dass ihm die in der Zahlungserinnerung aufgeführten Bescheide bis heute nicht zugegangen seien.
Der Beklagte ist der Feststellungsklage entgegengetreten. Er gehe davon aus, dass die angegriffenen Forderungen nicht zu beanstanden seien.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte gerichtliche Feststellung über das Nichtbestehen der der Zahlungserinnerung zugrunde liegenden Erstattungsforderungen des Beklagten, welcher als Forderungsinhaber ausschließlich Beteiligter eines entsprechenden Rechtsverhältnisses nach § 55 Abs. 1 Nr.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sein könne und insoweit anstelle der Bundesagentur in das Rubrum aufzunehmen gewesen sei. Der Kläger begehre vorliegend die Feststellung, dass die sich aus der Zahlungserinnerung ergebende Forderung - hier soweit sie sich aus den entsprechenden Erstattungsbescheiden des Beklagten vom 2. August 2023 mit einem Forderungsumfang von insgesamt 11.065,28 € ergebe - nicht bestehe. Dies sei eine Feststellungsklage im Sinne des § 55 SGG, die gegenüber einer Gestaltungs- oder Leistungsklage grundsätzlich subsidiär sei. Der Kläger habe die Möglichkeit, die der Forderung zugrundeliegenden Bescheide nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bzw. - im Falle ihrer Bestandskraft - eines Überprüfungsverfahrens einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Soweit der Kläger vortrage, die der Zahlungserinnerung zugrundeliegenden Bescheide vom 2. August 2023 seien ihm bislang nicht zugegangen, sei zum einen festzustellen, dass die Bescheide aufgrund des zum damaligen Zeitpunkt unbekannten Aufenthalts des Klägers rechtswirksam öffentlich zugestellt worden seien. Zum anderen habe der Beklagte die Bescheide im Rahmen seiner Stellungnahme vom 15. Mai 2024, welche vom Gericht an den Kläger weitergeleitet worden sei, übersandt, sodass deren Existenz dem Kläger nunmehr bekannt sei.
Es sei auch weder vorgebracht noch erkennbar, dass der Streitfall mit der begehrten gerichtlichen Feststellung einer endgültigen Klärung zugeführt werden könne. Auch für eine sogenannte vorbeugende Feststellungsklage, die für statthaft erachtet werde, wenn sich der Forderungsschuldner gegen die Vollstreckung schlechthin wende, bestehe vorliegend kein Rechtsschutzbedürfnis. Weder der Beklagte noch die von ihm beauftragte Bundesagentur für Arbeit hätten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits konkrete Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet, sodass es dem Kläger zuzumuten sei, sich auf eine gerichtliche Überprüfung einer Forderung zugrunde liegenden Bescheide verweisen zu lassen.
Gegen den dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 24. Mai 2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. Mai 2024 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung erhoben. Dem Gerichtsschreiben vom 16. Mai 2024 seien drei Bescheide vom 2. August 2023 über die Aufhebung und Erstattung von Leistungen an ihn beigefügt gewesen. Mit einem Bescheid seien Leistungen in Höhe von 1.827,30 €, mit dem zweiten Bescheid in Höhe von 6.895,32 € und mit dem dritten Bescheid in Höhe von 2.342,66 € zurückverlangt worden. Diese Bescheide stützten sich auf die blanke Lüge und boshafte Unterstellung, er habe sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches aufgehalten. Es sei kein Grund ersichtlich, nach Beendigung von Leistungsbezug weiterhin für ein Jobcenter postalisch oder sonst wie erreichbar sein zu sollen. Hilfsweise werde Widerspruch erhoben gegen die Schreiben vom 2. August 2023 und weiter werde hilfsweise ein Überprüfungsantrag gestellt. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide seien ihm nicht zugegangen. Er habe vom 12. April bis 4. September 2023 in der Schweiz gelebt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Mai 2024 aufzuheben und festzustellen, dass die Forderungen des Beklagten aus den Bescheiden vom 2. August 2023 in Höhe von 11.065,28 € nicht bestehen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die streitgegenständlichen Forderungen für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Beug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Der Senat hat gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 3. September 2024 und der Kläger mit Schreiben vom 13. September 2024 dieser Verfahrensweise zugestimmt haben.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das SG hat zutreffend die Feststellungsklage des Klägers bezüglich der Erstattungsforderungen aus den Bescheiden des Beklagten vom 2. August 2023 als unzulässig abgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheides des SG Bezug und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist mit Blick auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 29. Mai 2024 darauf hinzuweisen, dass sich an der Unzulässigkeit der Feststellungsklage nichts dadurch ändert, dass der Kläger „hilfsweise“ gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 2. August 2023, welche ihm mit Gerichtsschreiben vom 15. Mai 2024 nach eigener Einlassung zugegangen sind, Widerspruch erhoben hat bzw. diesbezüglich einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt hat. Denn hiermit eröffnet der Kläger im Sinne der in der Begründung des SG aufgezeigten „Subsidiarität“ der Feststellungsklage genau die rechtliche Überprüfung der streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten vom 2. August 2023, welche das SG in seiner Begründung seines Gerichtsbescheides vom 23. Mai 2024 zugrunde gelegt hat. Sowohl das Widerspruchsverfahren als auch der Überprüfungsantrag führen - dies liegt in der Hand des Klägers - zur vorrangigen rechtlichen Prüfung der streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 2. August 2023 im Rahmen einer Gestaltungsklage (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 14. Aufl. 2023, § 55 Rdnr. 19a m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 1162/24
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 1638/24
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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