Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeiträume 01. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 (im Wege der Abänderung), 01. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 sowie 01. Januar 2018 bis 31. März 2018. Im Streit ist der Sache nach die Anerkennung eines Bedarfes für Unterkunft und Heizung.
Die Klägerin bewohnte in diesem Zeitraum zusammen mit ihrer 1994 geborenen Tochter AP eine von ihrem geschiedenen Ehemann, dem Vater der Tochter, angemietete Wohnung. Deren Miete betrug bis zum 31. Juli 2017 603,71 € und ab dem 01. August 2017 640,03 €. Der Ex-Ehemann verrechnete die von ihm getragenen Mietzahlungen sowie die ebenfalls von ihm übernommenen Stromkosten mit dem an die Tochter geleisteten Kindesunterhalt. Statt eines Unterhaltes von 960,00 € erhielt die Tochter im Jahr 2017 einen Betrag von 283,29 €, als 960,00 € abzgl. 603,71 Miete und 73,00 € Stromkosten, nach Erhöhung des Unterhaltes auf 980,00 € einen Betrag von 266,97 € und im Jahr 2018 statt eines Unterhalts von 1.017,03 € die Summe von 285,00 € (1.017,03 € abzgl. 640,03 Miete und 92,00 € Stromkosten). Die Tochter erhielt im Jahr 2017 192,00 € Kindergeld monatlich, 194,00 € pro Monat im Jahr 2018. Ab April 2018 war die Tochter als Praktikantin mit einem monatlichen Einkommen von 400,00 € brutto = netto beschäftigt.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit bestandskräftigen Bescheid vom 05. Januar 2017 für den Zeitraum vom 01. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von 247,00 € monatlich. Das Jobcenter berücksichtigte dabei als Bedarf lediglich den Regelbedarf und ermittelte ein den Bedarf der Tochter, für die ebenfalls nur der Regelbedarf ohne Bedarf für Unterkunft und Heizung angesetzt wurde, übersteigendes Einkommen von 74,29 €, so dass es das Kindergeld abzgl. eine Versicherungspauschale von 30,00 € als Einkommen der Klägerin anrechnete (409,00 € Regelbedarf abzgl. 162,00 € Kindergeld = 247,00 €). Als Einkommen der Tochter rechnete der Beklagte statt des tatsächlich gezahlten Unterhalts einen solchen von 431,29 € an (abzgl. eine Versicherungspauschale von 30,00 €), welchen er durch Abzug eines von ihm für angemessen gehaltenen Mietbetrags von 468,71 € vom Unterhalt in Höhe von 900,00 € errechnete.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2017 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2017 weiterhin Leistungen von monatlich 247,00 €. Erneut berücksichtigte er keine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und nahm als Einkommen der Klägerin das Kindergeld aufgrund eines den Bedarf der Tochter übersteigenden Unterhaltes an.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem am 23. Juni 2017 eingegangenen Schreiben, mit dem sie unter Einreichung der Kontoauszüge von Januar 2017 bis Mai 2017 um „erneute Prüfung“ bat. Zur Begründung dieses Widerspruches und des Überprüfungsantrages verwies sie darauf, dass Kosten der Unterkunft zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien. Durch die Verrechnung der gesamten Mietzahlungen mit dem Unterhaltsanspruch der Tochter müsse sie, die Klägerin, ihrer Tochter diese Kosten hälftig erstatten und habe daher Anspruch auf diesen Mietanteil.
Mit Bescheid vom 27. November 2017 bewilligte das Jobcenter der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018 Leistungen von 252,00 € monatlich. Wiederum setzte es nur den Regelbedarf von nunmehr 416,00 € und eine Einkommensanrechnung bei der Klägerin sowie bei der Tochter entsprechend den vorangegangenen Bescheiden an.
Auch hiergegen erhob die Klägerin am 04. Dezember 2017 Widerspruch.
Diese Widersprüche wies der Beklagte durch die beiden Widerspruchsbescheide vom 11. Dezember 2017 als unbegründet zurück. Unterkunftskosten könnten nicht anerkannt werden, da die Klägerin keine Vertragspartei des Mietvertrages sei und somit keine Mietzahlungen schulde. Die Mietzahlungen könnten deshalb nur in Höhe der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung bei der Unterhaltszahlung berücksichtigt werden.
Die Beklagte lehnte ferner den Überprüfungsantrag zum Bescheid vom 05. Januar 2017 durch Bescheid vom 03. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2018 ab. Anhaltspunkte für eineunrichtige Entscheidung lägen nicht vor.
Am 22. Dezember 2017 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2017 (Bewilligungszeitraum 01. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018) beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Sie hat weiter am 27. Dezember 2017 Klage gegen den Bescheid vom 12. Juni 2017 (Bewilligungszeitraum 01. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017) erhoben sowie am 10. August 2018 gegen den Überprüfungsbescheid vom 03. Juli 2018. Die Verfahren mit den Az. S 16 AS 16403/17, S 100 AS 16470/17 sowie S 216 AS 8742/18 wurden durch Beschlüsse des SG vom 17. Juli 2018 und 06. September 2019 verbunden.
Zur Begründung hat die Klägerin ihr Vorbringen wiederholt. Durch die Berechnungsweise des Beklagten erfolge eine vom Gesetz nicht vorgesehene Finanzierung ihres Bedarfs durch die eigene Tochter, von deren Unterhalt die Miete abgezogen werde. Die vom Kindesvater vorgegebene Praxis der Unterhaltszahlung dürfe den Beklagten nicht von Leistungen befreien.
Mit Urteil vom 23. März 2021 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2017 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Januar 2018 bis zum 31. März 2018 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung des Teils des Kindergeldes, dass für den Lebensunterhalt des Kindes AP benötigt wird, zu gewähren,
ferner unter Abänderung des Bescheides vom 12. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2017 der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2017 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung des Teils des Kindergeldes, das für den Lebensunterhalt des Kindes Anna-Marie Plagge zu zahlen. Es hat den Beklagten weiter unter Aufhebung des Bescheides vom 03. Juli 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2018 verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2017 unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 05. Januar 2017 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung des Teils des Kindergeldes, das für den Lebensunterhalt des Kindes AP benötigt wird, zu zahlen. Im Übrigen hat die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG u. a. ausgeführt, es folge der Argumentation des Beklagten, dass für die Klägerin – und ihre Tochter – in den streitgegenständlichen Zeiträumen kein Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzuerkennen sei. Ein solcher sei vielmehr zu verneinen, weil Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Sinne einer Verpflichtung zur Mietzahlung nicht entstanden seien. Schuldner der Mietzahlungen sei alleine der geschiedene Ehemann bzw. Vater, der der Zahlungspflicht auch nachkomme. Eine mietvertragliche Zahlungspflicht der Klägerin und ihre Tochter sei nicht ersichtlich. Die einseitige Verrechnung der gezahlten Miete mit dem Unterhaltsanspruch der Tochter vermöge eine solche Zahlungspflicht nicht zu begründen. Vielmehr handele es sich hierbei um eine rechtswidrige Kürzung der Unterhaltszahlung, die nicht auf einer wirksamen zivilrechtlichen Forderung basiere. Dass die Tochter diese Kürzung hinnehme, lasse die Rechtswidrigkeit der Verrechnung nicht entfallen. Eine Zahlungsverpflichtung der Tochter gegenüber folge hieraus nicht. Auch für ein Untermietverhältnis zwischen dem Ex-Ehemann/Kindesvater und seiner Ex-Ehefrau bzw. Tochter, aus welchem eine wirksame Untermietzahlungspflicht resultieren könne, liege nichts vor. Der Klägerin stehe jedoch für die tenorierten Zeiträumen ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu, weil der Beklagte bei ihr das für die Tochter gezahlte Kindergeld zu Unrecht in voller Höhe als Einkommen angerechnet habe.
Gegen diese am 15. April 2021 förmlich zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 29. März 2021. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, wer davon ausgehe, dass die Klägerin keinen Bedarf an Kosten der Unterkunft habe, da diese vom Kindesvater bezahlt worden sei, übersehe, dass der Vater die Miete mit den Mitteln der Tochter bezahle. Dessen rechtswidrigen Zahlungsmethoden dürften nicht dazu führen, die Klägerin nicht als bedürftig anzusehen. Vielmehr zahle die Tochter als Untermieterin für sich und die Tochter und decke damit den Bedarf der Unterkunft für beide. Die Mutter müsse ihre Tochter zum Ausgleich die hälftige Miete erstatten. Da ihr die entsprechenden Mittel nicht zur Verfügung gestanden hätten, hätte der Bedarf zugesprochen werden müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 2021 abzuändern und den Bewilligungsbescheid vom 27. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2017 abzuändern und der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe der Regelleistung und in Höhe der tatsächlichen hälftigen Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018 zu gewähren,
den Bewilligungsbescheid vom 12. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2017 abzuändern und ihr Leistungen nach dem SGB II in Höhe der Regelleistung und in Höhe der tatsächlichen hälftigen Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2017 zu gewähren,
auf den Überprüfungsantrag vom 28. September 2017 hin den Bewilligungsbescheid vom 5. Januar 2017 in Gestalt des Überprüfungsbescheides vom 3. Juli 2018 und in Form des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2018 abzuändern und ihr Leistungen nach dem SGB II in Höhe der Regelleistung und in Höhe der tatsächlichen hälftigen Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2017 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Maßgeblich sei die tatsächlich praktizierte Zahlungsmethode der Familienmitglieder. Eine mietvertragliche Pflicht zur Zahlung der Mietkosten seitens der Klägerin oder ihrer Tochter gebe es nicht.
Entscheidungsgründe
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden, §§ 155 Abs. 3, 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Beide Beteiligten haben sich mit einer solchen Vorgehensweise im Erörterungstermin am 14. Mai 2024 einverstanden erklärt. Gründe, von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch zu machen, sind nicht ersichtlich.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Soweit das Sozialgericht im angegriffenen Urteil die streitgegenständlichen Bescheide nicht aufgehoben bzw. abgeändert hat, sind diese rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist faktisch nur noch die Frage, inwieweit die Klägerin bedürftig ist hinsichtlich von Kosten für Unterkunft und Heizung.
Für die Annahme tatsächlicher Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist es erforderlich, dass sich der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt gesehen hat (BSG, Urteile vom 5. Juni 2014 – B 4 AS 32/13 R – juris-Rdnr. 36, vom 7. Mai 2009 -B 14 AS 31/07 R- Rdnr. 16 mit Bezugnahme auf Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. September 2021 – L 1 AS 702/19 –, Rdnr. 39, juris). Es verstößt dabei nicht gegen Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Artikel 3 Abs. 1 GG, wenn Vertragsverhältnisse zwischen Familienangehörigen einem Fremdvergleich unterzogen werde (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG, Beschluss vom 7. September 2000 – 1 BvR 444/00 – juris-Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen).
Im Außenverhältnis zum Eigentümer der Wohnung bestand weder eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin noch ihrer Tochter. Es ist auch nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass es zwischen dem Ex-Ehemann/Vater auf der einen Seite und der Ehefrau bzw. der Tochter auf der anderen einen Untermietvertrag gegeben hätte, aus welchem die Klägerin verpflichtet gewesen wäre. Diese rechtliche Konstruktion ist nach Aktenlage von den geschiedenen Eheleuten erst für die Zeit ab Mai 2021 vereinbart worden.
Es ist zuletzt auch nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass sich die Klägerin gegenüber ihrer Tochter verpflichtet hätte, einen adäquaten Anteil zum Ausgleich der faktischen Unterhaltskürzung zu zahlen. Sowohl nach dem Vorbringen als auch nach Aktenlage ist vielmehr die Tochter auf den Kosten „sitzen geblieben“. Ersichtlich wird, dass diese Schulden gegenüber einer privaten Ausbildungsstätte hat aufgelaufen lassen. Daraus folgt aber nicht, dass sich die Klägerin ernsthaft Forderungen ausgesetzt gesehen hat. Weitere Aufklärungsmöglichkeiten bestehen nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.