Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.03.2024 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegner vom 06.10.2023 anzuordnen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 23.658,75 € festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den ihrem gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten noch am gleichen Tag zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.03.2024 hat Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Dies gilt auch in Ansehung der Antragsgegnerin zu 1. Dass sich bei den Gerichtsakten des Sozialgerichts ein Empfangsbekenntnis findet, ausweislich dessen der angegriffene Beschluss dieser bereits am 11.03.2024 zugestellt worden sei, ist ohne Belang. Vielmehr kommt es auf die Zustellung an die Antragsgegnerin zu 1 selbst von vorneherein nicht an, nachdem sich bereits im Verfahren vor dem Sozialgericht der Antragsgegner zu 6 als Bevollmächtigter für alle Antragsgegner bestellt hat (§ 73 Abs. 6 S. 6 SGG). Ohnehin ist davon auszugehen, dass es sich bei dem in dem Empfangsbekenntnis genannten Datum um einen Tippfehler handelt, denn andernfalls läge dieses Datum noch vor der Beschlussfassung des Sozialgerichts.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Der erstinstanzliche Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage vom 06.11.2023 (Az. S 15 KR 2770/23 KH) gegen den Bescheid der Antragsgegner vom 06.10.2023 anzuordnen,
ist statthaft (zur isolierten Anfechtungsklage als statthaftem Rechtsbehelf in der Hauptsache: BSG, Urteil vom 25.03.2021 – B 1 KR 16/20 R –, Rn. 10 ff., 15 ff.) und auch im Übrigen zulässig. Darüber hinaus ist der Antrag aber unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Interesses der Antragstellerin an einem Aufschub der Vollziehung einerseits sowie des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage in der Hauptsache zu berücksichtigen. Erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, ist regelmäßig die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, denn am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 19.03.2012 – L 11 KA 15/12 B ER –, juris Rn. 23; Beschluss vom 05.03.2012 – L 19 AS 292/12 B ER –, juris Rn. 29; Beschluss vom 13.08.2010 – L 6 AS 999/10 B ER –, juris Rn. 24 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 30.10.2009 – 1 BvR 2395/09 –, Rn. 6 f.). Ist der Verwaltungsakt dagegen nicht offensichtlich rechtswidrig, ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG das Entfallen der aufschiebenden Wirkung angeordnet und damit grundsätzlich von einem überwiegenden Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ausgeht; die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss insoweit eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (LSG NRW, Beschluss vom 09.12.2013 – L 2 AS 1956/13 B ER –, juris Rn. 3; zum Ganzen auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 12c).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist statthaft, denn der Klage der Antragstellerin gegen die Widerlegungsentscheidung der Antragsgegner vom 06.10.2023 kommt kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 136b Abs. 5 S. 11 Hs. 2 SGB V). Der Antrag ist im Ergebnis aber unbegründet. Die Abwägung des Interesses der Antragstellerin an einem Aufschub der Vollziehung einerseits sowie des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits geht zu Lasten der Antragstellerin aus (dazu d). Nach summarischer Prüfung sind zwar sowohl die formellen (dazu a) als auch die materiellen Voraussetzungen (dazu b) für die angegriffene Widerlegungsentscheidung im Ausgangspunkt erfüllt. Derzeit vermag der Senat auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht festzustellen (dazu c).
a) Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit bestehen nicht, insbesondere haben die Antragsgegner die Antragstellerin vor Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes (mit Schreiben vom 25.08.2023) ordnungsgemäß angehört (zum Anhörungserfordernis BSG, Urteil vom 25.03.2021, a.a.O. Rn. 26 f.). Weiter leidet die Widerlegungsentscheidung auch nicht an einem formellen Begründungsmangel i.S.d. § 35 Abs. 1 SGB X. Ein solcher wäre nur gegeben, wenn der Verwaltungsakt gar keine Begründung enthielte oder bloß eine solche, die bereits die Anforderungen des § 35 Abs. 1 S. 2 SGB X nicht erfüllt, also die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, nicht erkennen lässt. Die Begründung darf sich nicht in formelhaften Floskeln oder in Wiederholungen des gesetzlichen Tatbestandes erschöpfen (Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 7). Dagegen gewährt § 35 Abs. 1 SGB X keinen Anspruch auf eine "richtige", also rechtlich tragfähige Begründung, sondern lediglich auf eine formal ausreichende (LSG NRW – L 11 KA 71/10 B ER –, juris Rn. 57; BayVGH, Beschluss vom 24.01.2001 – 12 B 96.3633 –, juris Rn. 27; Mutschler in BeckOGK-SGB X <Stand: V/2021>, § 35 Rn. 10; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X <Stand: IV/2013>, § 35 Rn. 21; Luthe in jurisPK-SGB X, 3. Aufl. 2023, § 35 Rn. 13). Ausgehend hiervon ist für einen formellen Begründungsmangel vorliegend nichts ersichtlich, denn die Antragsgegner haben die tragenden Gründe für ihre Widerlegungsentscheidung vom 06.10.2023 über mehrere Druckseiten ausgeführt und sind dabei ausdrücklich auf die Umstände des Einzelfalls eingegangen.
b) Weiter sind auch die materiellen Voraussetzungen für eine Widerlegungsentscheidung nach § 136b Abs. 5 S. 6 Hs. 1 SGB V (i.d.F. des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes <GVWG> vom 11.07.2021, BGBl. I 2754) erfüllt. Danach müssen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit ab der Prognose für das Kalenderjahr 2023 bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose durch Bescheid widerlegen. Begründete Zweifel im vorgenannten Sinne liegen nach § 136b Abs. 5 S. 6 Hs. 2 SGB V i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 2 der Mindestmengenregelungen des G-BA (Mm-R, hier i.d.F. des Beschlusses des G-BA vom 16.06.2022, BAnz AT 15.07.2022 B4) in der Regel vor, wenn beispielsweise
- die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Mm-R nicht erreicht wurde und auch unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 bis 4 Mm-R konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen;
- die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Mm-R nicht erreicht wurde, sich die vom Krankenhausträger getroffene Prognose ausschließlich auf die erreichte Leistungsmenge im Zeitraum gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Mm-R stützt und unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 und 4 und S. 3 Mm-R konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen.
Bei den genannten Fällen handelt sich um Regelbeispiele (§ 136b Abs. 5 S. 6 Hs. 2 SGB V). Die Kassenverbände haben mithin, soweit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 S. 2 Buchst. a oder b Mm-R erfüllt sind, grundsätzlich eine Widerlegung auszusprechen. Möglich bleibt es aber auch, Prognosen wegen anderer Umstände als den in § 4 Abs. 4 S. 2 Mm-R genannten zu widerlegen oder in begründeten Einzelfällen von einer Widerlegung abzusehen, obwohl eines der Regelbeispiele einschlägig ist (vgl. BT-Drs. 19/26822, 92 f.). Ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum kommt den Kassenverbänden in diesem Zusammenhang jedoch nicht zu (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25.03.2024 – L 6 KR 2/24 B ER –, juris Rn. 71).
aa) Vorliegend ist das Regelbeispiel nach § 4 Abs. 4 S. 2 Buchst. a Mm-R erfüllt. Auf § 4 Abs. 4 S. 2 Buchst. b Mm-R kommt es dagegen nicht an, weil die Antragstellerin ihre Prognose jedenfalls nicht ausschließlich auf die erreichte Leistungsmenge im Zeitraum gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Mm-R stützt. Vielmehr verweist sie ergänzend u.a. auf Kooperationen mit den Kliniken A., N., sowie einer niedergelassenen gastroenterologischen Schwerpunktpraxis.
bb) Die nach § 4 Abs. 4 S. 2 Buchst. a Mm-R maßgebliche Mindestmenge erreichte die Antragstellerin im vorausgegangenen Kalenderjahr nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Mm-R nicht. Vorausgegangenes Kalenderjahr ist dabei das Kalenderjahr vor demjenigen, in dem die Prognose gestellt wird, nicht das vor dem Jahr, für das sie gestellt wird (vgl. Beschluss des Senats vom 05.06.2023 – L 10 KR 119/23 B ER –, juris Rn. 25 m.w.N.), angesichts der Widerlegungsentscheidung vom 06.10.2023 vorliegend also das Kalenderjahr 2022. Seinerzeit nahm die Antragstellerinnen lediglich elf komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas für Erwachsene vor, wohingegen Anl. 5. – Übergangsregelung – zur Mm-R (i.d.F. des Beschlusses vom 16.12.2021, BAnz AT 02.02.2022 B3) insoweit für das vorliegend interessierende Kalenderjahr 2024 eine Mindestmenge von 15 Leistungen pro Standort eines Krankenhauses vorsieht. Dass die Antragstellerin mit den genannten elf Eingriffen im Kalenderjahr 2022 die insoweit ebenfalls übergangsweise geltende Mindestmenge von zehn Leistungen erfüllte, ist ohne Belang, weil § 4 Abs. 4 S. 2 Buchst. a und b Mm-R insoweit jeweils auf „die maßgebliche Mindestmenge“ abstellen und nicht auf die im vorausgegangenen Kalenderjahr noch maßgebliche.
cc) Zutreffend weist die Antragstellerin allerdings darauf hin, dass das Nichterreichen der maßgeblichen Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr allein zur Widerlegung der Prognose nicht ausreicht. Vielmehr muss kumulativ („und“) hinzukommen, dass auch unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 bis 4 Mm-R konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen. Dies ist vorliegend aber der Fall. Diese konkreten, objektiven Umstände liegen insbesondere darin, dass die von der Antragstellerin zur Begründung ihrer Prognose herangezogenen Umstände – eine Kooperation mit den Kliniken A. sowie einer gastroenterologischen Schwerpunktpraxis – nicht tragen.
Denn wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist das Bestreben der Antragstellerin, eine „Leistungskonzentration“ im Rahmen eines viszeralchirurgischen Kompetenzzentrums mit den Kliniken A. zu erreichen, noch weitestgehend unkonkret. Die Antragstellerin selbst hat insoweit zugestanden, dass sich aus der von ihr vorgelegten Vereinbarung hierzu (vom 19.09.2023) aktuell nur eine Absichtserklärung ergibt und eine endgültige Konzentration der betreffenden Leistungen unter einem Dach noch aussteht. Neben der Absichtsbekundung nach einer „Konzentration der Pankreas-Operationen in einem gemeinsamen Viszeralchirurgischen Kompetenz-Zentrum, um die Mindestmengenregelung für diese Operationen zu erfüllen“, beschränkt sich die Vereinbarung auf nicht näher konkretisierte Zusagen, sich gegenseitig zu unterstützen:
„Bis zur Etablierung eines gemeinsamen Viszeralchirurgischen Kompetenz-Zentrums werden sich die Parteien hinsichtlich der Durchführung von Pankreas-Operationen im Rahmen des medizinisch Sinnvollen und rechtlich Zulässigen unterstützen, damit so viele Pankreas-Operationen wie möglich bei beiden Partnern durchgeführt werden können. Beide Partner werden sich fachlich unterstützen und insbesondere gegenseitig Abwesenheitszeiten und personelle Engpasse auffangen.“
Nichts anderes gilt mit Blick auf die Vereinbarung mit der Gastropraxis (Gastroenterologische Schwerpunktpraxis Rheydt). Auch diese Vereinbarung beschränkt sich auf eine noch unkonkrete Absichtserklärung, sich in einem Viszeralchirurgischen Kompetenzzentrum gegenseitig fachlich zu unterstützen, indem OP-Indikationen insbesondere auch für Pankreaseingriffe gemeinsam gestellt und der weitere Behandlungspfad gemeinsam angebahnt werden soll. Der Charakter der Vereinbarung als reine Absichtserklärung ergibt sich überdies daraus, dass in ihr ausgeführt ist, dass die Zusammenarbeit im Kompetenzzentrum „aktuell besprochen und verhandelt und zeitnah vertraglich gut aufgestellt [wird].“
c) Der Senat vermag im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht davon auszugehen, dass die angefochtene Widerlegungsentscheidung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil die Antragsgegner gegenüber zwei anderen Krankenhäusern, die die maßgeblichen Mindestmengen für Pankreaseingriffe zuletzt ebenfalls nicht erreicht haben – den Kliniken A. und dem H. –, keine Widerlegungsentscheidung getroffen hat (zur ausnahmsweise nur summarischen auch von – schwierigen – Rechtsfragen vgl. Keller, a.a.O. Rn. 16c m.w.N.).
aa) Der Umstand, dass die Antragsgegner gegenüber den Kliniken A. und dem H. keine Widerlegungsentscheidung getroffen haben, begründet keine auch gegenüber der Antragstellerin beachtliche Selbstbindung der Verwaltung. Eine solche Selbstbindung kommt von vorneherein nur in Betracht, wo der Verwaltung Ermessen eingeräumt ist (BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 KR 25/18 R –, Rn. 28 m.w.N.; vgl. auch Wollenschläger in Huber/Voßkuhle, GG, Bd. 1, 8. Aufl. 2024, Art. 3 Rn. 190). Dies ist bei Widerlegungsentscheidungen aber nicht der Fall. Vielmehr sieht § 136b Abs. 5 S. 6 Hs. 1 SGB V ausweislich seines Wortlauts („müssen“) seit der Neufassung durch das GVWG eine gebundene Entscheidung vor (vgl. auch BT-Drs. 19/26822, 92; LSG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O. Rn. 71; Pütter/Rieke in BeckOK-KHR <Stand: 01.06.2024>, § 136b SGB V Rn. 31: „zwingend“). Eine Selbstbindung an gesetzeswidriges Verwaltungshandeln kann schon wegen des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht eintreten. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2000 – 1 BvR 1627/95 –, juris Rn. 52 m.w.N.; BSG, a.a.O.; Wollenschläger, a.a.O. Rn. 196, 218; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 18. Aufl. 2024, Art. 3 Rn. 46; wie hier auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.07.2024 – L 5 KR 1293/24 ER-B –, amtl. Umdruck S. 12 <n.v.>).
bb) Eine Grenze für die Anwendung dieses Satzes („Keine Gleichheit im Unrecht“) ist allenfalls dort erreicht, wo willkürlich Personen herausgegriffen und durch hoheitliche Maßnahmen zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben angehalten werden (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2000, a.a.O.; strenger – Verfassungswidrigkeit nur in Fällen eines strukturellen Vollzugsdefizits – wohl Jarass, a.a.O., unter Verweis auf: BVerfG, Urteil vom 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89 – juris Rn. 111). Dabei sprechen gewichtige Gründe dafür, dass es willkürlich im vorgenannten Sinne wäre, wenn die Antragsgegner sich bei ihrer Entscheidung, allein die Mindestmengenprognose der Antragstellerin und nicht auch die der Kliniken A. und des Ev. Krankenhauses Bethesda zu widerlegen, von krankenhausplanerischen Erwägungen hätten leiten lassen (dazu <1>). Hierfür fehlen bisher allerdings unter Berücksichtigung des Vortrages der Beteiligten im Rahmen der nur summarischen Prüfung hinreichende Gesichtspunkte (dazu <2>). Ob der Rechtsprechung des 16. Senats zu folgen ist, wonach die Kassenverbände in Fällen wie dem vorliegenden in der Begründung einer Widerlegungsentscheidung darzulegen haben, weshalb sie die Mindestmengenprognosen anderer Krankenhäuser nicht widerlegt haben (LSG NRW, Beschluss vom 09.11.2023 – L 16 KR 357/23 B ER –, juris Rn. 36 f.), lässt der Senat einstweilen dahinstehen (dazu <3>).
(1) Die Kassenverbände sind i.R.d. § 136b Abs. 5 S. 6 Hs. 1 SGB V zu einer verdeckten Auswahlentscheidung zwischen den Krankenhäusern nicht befugt (dazu LSG NRW, a.a.O. Rn. 36). Dies ergibt sich bereits aus § 136b Abs. 5a SGB V, wonach die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde Leistungen aus dem Katalog nach § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V bestimmen kann, bei denen die Anwendung der Mindestmengenbeschränkung die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte (S. 1); die Landesbehörde entscheidet dabei auf Antrag des Krankenhauses im Einvernehmen mit den Kassenverbänden über die Nichtanwendung der Mindestmengenbeschränkung (S. 2). Diese Regelung dient gerade dem Schutz der Planungshoheit des Landes vor einer faktischen Aushöhlung (vgl. Becker, a.a.O. Rn. 12).
(2) Erweist sich die Widerlegung einer Mindestmengenprognose eines einzelnen Krankenhauses für sich genommen – wie hier – als rechtmäßig, kann sie auch vor dem Hintergrund der oben dargelegten gleichheitsrechtlichen Maßstäbe nicht mit der Begründung als rechtswidrig angesehen werden, dass nicht auch die Prognosen anderer Krankenhäuser widerlegt wurden, solange für die Annahme einer indirekten Auswahlentscheidung und damit einer unzulässigen Marktsteuerung kein Anhaltspunkt besteht (LSG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O., dort amtl. Ls.; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Dass die Antragsgegner vorliegend eine solche verdeckte Auswahlentscheidung gegen die Antragstellerin und zugunsten der Kliniken A. und des H. getroffen hätten, vermag der Senat vorliegend nicht festzustellen. Die Antragstellerin verweist zum Beleg einer indirekten Auswahlentscheidung darauf, dass die Antragsgegner allein ihre Prognose widerlegt haben, obwohl diese deutlich besser sei als die der Kliniken A. (zwölf Eingriffe im Jahr 2022 bzw. insgesamt neun in den Quartalen III und IV/2022 sowie I und II/2023) und auch des H. (acht Eingriffe im Jahr 2022 sowie insgesamt sogar nur fünf in den Quartalen III und IV/2022 sowie I und II/2023). Hinreichende Anhaltspunkte, dass die Antragsgegner die Antragstellerin aufgrund sachfremder Erwägungen herausgegriffen hätten, ergeben sich allein daraus aber nicht. Vielmehr belegt der Umstand, dass die beiden anderen Krankenhäuser die maßgeblichen Mindestmengen zuletzt nicht erreicht haben, für sich genommen noch nicht einmal, dass das Nichteinschreiten gegenüber den beiden anderen Krankenhäusern rechtswidrig wäre, denn allein das Nichterreichen der Mindestmengen in der Vergangenheit lässt nicht den Schluss zu, dass dies auch im maßgeblichen Prognosezeitraum so sein wird (vgl. dazu bereits oben 2b/cc).
(3) Zwar haben die Antragsgegner im Rahmen der ihnen auch im gerichtlichen Verfahren – zumal bezüglich solcher Umstände, die normalerweise allein ihnen bekannt sein dürften – obliegenden Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung (§ 103 S. 1 Hs. 2 SGG; vgl. dazu B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O. § 103 Rn. 14) noch nicht einmal in abstrakter Weise maßgebliche Umstände dargelegt, die eine unterschiedliche Behandlung der Antragstellerin und der beiden anderen Krankenhäuser rechtfertigen könnten, auch nicht, nachdem der Senat ihnen eine entsprechende Stellungnahmefrist gewährt hatte. Vielmehr haben sie lediglich pauschal vorgetragen, sie träfen Einzelfallentscheidungen und seien nicht verpflichtet, gegenüber der Antragstellerin Ausführungen auch zu anderen Krankenhäusern zu machen; überdies wären entsprechende Ausführungen „praktisch unmöglich“ ohne Bestimmungen des Datenschutzes zu verletzen.
Ob allein die Verweigerung entsprechenden Vortrages (für eine Begründungspflicht mit gewichtigen Gründen: LSG NRW, a.a.O. Rn. 36) die Rechtswidrigkeit der Widerlegungsentscheidung zu begründen vermag, hält der der Senat für fraglich. Der Senat teilt insoweit die Bedenken gegen die Rechtsprechung des 16. Senats, wonach das Verfahren der Mindestmengenprognosen und ihrer Widerlegung sich schon im Ausgangspunkt bloß auf das jeweils einzelne Krankenhaus bezieht (dazu auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O.) und – wie ausgeführt – nicht der Marktsteuerung oder anderweitigen Planung der Krankenhauslandschaft dient, sondern der Qualitätssicherung (vgl. BT-Drs. 14/7862, 5: „aus Gründen der Qualitätssicherung“; vgl. auch die amtl. Überschrift des § 136b SGB V: „[…] zur Qualitätssicherung im Krankenhaus“). Die Festlegung von Mindestmengen erfolgt mit dem Ziel, insbesondere bei seltenen, hochkomplexen und risikobehafteten medizinischen Eingriffen bundeseinheitlich in allen Krankenhäusern eine Routine und Erfahrung sicherzustellen, die die gebotene Ergebnisqualität gewährleistet (vgl. G-BA, Bericht gemäß § 136d SGB V über den Stand der Qualitätssicherung – Wirksamkeit der eingeführten Maßnahmen und Weiterentwicklungen <2023>, dort S. 18 f.). Die Leistungserbringung unterhalb der Mindestmengen hält der Gesetzgeber für ein Qualitätsrisiko (Deister in Hauck/Noftz, SGB V <Stand: V/2021>, § 136b Rn. 12; anschaulich auch Heberlein in BeckOK-SozR <Stand: VI/2024>, § 136b SGB V Rn. 9: „Übung macht den Meister“). Der Senat verkennt auf der anderen Seite allerdings nicht, dass allein die pauschale Behauptung von Kassenverbänden, sie träfen bloß eine Einzelfallentscheidung, ohne weitere Darlegungen auch im gerichtlichen Verfahren kaum nachprüfbar ist.
d) Spricht nach alledem jedenfalls nicht mehr gegen als für die Rechtmäßigkeit der Widerlegungsentscheidung, geht die gebotene Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Dabei berücksichtigt der Senat zunächst, dass nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung der Sofortvollzug einer Widerlegungsentscheidung der gesetzliche Regelfall ist (§ 86a Abs. 3 Nr. 4 SGG i.V.m. § 136b Abs. 5 S. 11 Hs. 2 SGB V) und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung danach eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben muss. Vor diesem Hintergrund muss das im Kern wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, weiterhin komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas vornehmen zu dürfen, hinter dem öffentlichen Interesse an der Qualitätssicherung und damit letztlich dem Patientenschutz (dazu soeben 2c/bb <3>) zurücktreten. Dies gilt umso mehr, als der G-BA Mindestmengen ohnehin nur für insbesondere seltene, hochkomplexe und risikobehaftete medizinische Eingriffe festlegt (vgl. G-BA, a.a.O.). Dass die von der Antragstellerin geäußerte Befürchtung eines Reputationsverlusts und damit einer negativen „Sogwirkung“ für ihr übriges Leistungsangebot mit onkologischem Schwerpunkt und entsprechend zertifizierten Zentren für Darm-, Brust und Prostatakrebs eine tatsächliche Grundlage haben, ist nicht hinreichend dargetan. Inwieweit die als GmbH verfasste Antragstellerin von der Stadt N. beherrscht und damit ohnehin nicht grundrechtsfähig ist (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 10.05.2016 – 1 BvR 2871/13 –, Rn. 5; zum Grundrechtsschutz für den Betrieb eines Krankenhauses im Übrigen ausführlich LSG NRW, a.a.O. Rn. 35; jeweils m.w.N.), mag nach allem dahinstehen.
3. Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung folgen aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO bzw. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 S. 1 GKG.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).