Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. Juli 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die 1966 geborene Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Rentenleistungen nach Neufeststellung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM) aufgrund der Berücksichtigung tatsächlichen Hinzuverdienstes und begehrt die Auszahlung der ungekürzten Rente für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 31. Dezember 2019.
Die Klägerin hatte bei der Beklagten im Jahr 2018 die Gewährung von Teilhabeleistungen beantragt. Nach Umdeutung des Antrags bewilligte die Beklagte der Klägerin, die vom 15. März 2019 bis 30. September 2019 (arbeitgeberseitige Kündigung) beim H Klinikum im Umfang von 35 Wochenstunden versicherungspflichtig beschäftigt war, mit Bescheid vom 26. November 2019 volle EM-Rente für die Zeit vom 1. Juni 2018 bis 29. Februar 2020, wobei sie für die Zeit ab 1. Januar 2019 einen kalenderjährlichen Hinzuverdienst iHv 17.771,- € (gemeldetes Arbeitsentgelt für die Zeit vom 15. März 2019 bis 30. September 2019) berücksichtigte. Im Widerspruchsverfahren erteilte die Beklagte Neufeststellungsbescheide vom 27. Januar 2020 (kein Hinzuverdienst mehr berücksichtigt ab 1. Januar 2020), 31. Januar 2020 (Weitergewährung der Rente über den 29. Februar 2020 hinaus bis zunächst 31. Mai 2020) und 21. Februar 2020 (Weitergewährung der Rente bis 30. November 2021). Der Widerspruch der Klägerin, der ua auch auf Prüfung des Hinzuverdienstes für das Jahr 2019 gerichtet war, blieb insoweit erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2020).
Im Klageverfahren berechnete die Beklagte die EM-Rente für die Zeit ab 1. Januar 2019 neu und berücksichtigte als weiteren Hinzuverdienst die von der Klägerin aus einer geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung im November und Dezember 2019 erzielten Arbeitsentgelte iHv insgesamt 900,- €, dh insgesamt für 2019 18.671,- € (Bescheid vom 30. Juli 2020; Überzahlung für 2019 iHv 321,54 €). Die Beklagte forderte ferner Erstattung des überzahlten Betrages iHv 321,54 €. Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat die auf ungekürzte Auszahlung der vollen EM-Rente für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 31. Dezember 2019 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 7. Juli 2023). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte habe zutreffend den im Jahr 2019 erzielten Gesamtverdienst iHv 18.671,- € berücksichtigt.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie habe ab 1. Oktober 2019 keinen Hinzuverdienst mehr erzielt und sei arbeitslos gewesen. Der Hinzuverdienst aus geringfügiger Beschäftigung sei anrechnungsfrei. Ein zeitlicher und inhaltlicher Bezug zur Gewährung der Rente sei nicht gegeben.
Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. Juli 2023 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 26. November 2019, 27. Januar 2020, 31. Januar 2020 und 21. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2020 sowie unter Änderung des Bescheides vom 30. Juli 2020 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 31. Dezember 2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Berücksichtigung eines Hinzuverdienstes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Gerichtsakten (2 Bde.) und die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bde.), auf die wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen wird, sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Ihr steht ein Anspruch auf ungekürzte Rente wegen voller EM für den Streitzeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 31. Dezember 2019 nicht zu. Die für das Kalenderjahr 2019 erfolgte Überzahlung iHv 321,54 € ist von ihr zu erstatten.
Gegenstand des Verfahrens ist neben dem SG-Urteil (nur) noch der die sog Spitzabrechnung nach § 96a Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in der vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2022 geltenden und vorliegend anwendbaren (vgl § 300 Abs. 2 SGB VI) Fassung des Gesetzes vom 8. Dezember 2016 (BGBl I 2838; aF) iVm § 34 Abs. 3d SGB VI aF verlautbarende Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2020, der – soweit der hier streitbefangene Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 31. Dezember 2019 betroffen ist – die zuvor erteilten Rentenbescheide ersetzt und Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens nach § 96 SGG geworden ist. Insoweit hatten sich die Regelungen des Bescheides vom 26. November 2019 erledigt, während die weiteren Bescheide vom 27. Januar 2020, 31. Januar 2020 und 21. Februar 2020 ohnehin vorliegend nicht streitgegenständliche Regelungen getroffen haben. Ferner wendet sich die Klägerin gegen die im Bescheid vom 30. Juli 2020 von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung.
Die hier streitige Anrechnung von Hinzuverdienst nach dem tatsächlichen Hinzuverdienst des Jahres 2019 (auch) für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 31. Dezember 2019 ist nicht zu beanstanden. Die geltend gemachte Erstattungsforderung besteht daher zu Recht.
Die Entscheidung ist zunächst formell rechtmäßig. Es bedurfte insbesondere keiner vorherigen Anhörung. Denn § 96a Abs. 5 SGB VI aF iVm § 34 Abs. 3f SGB VI aF bestimmte ausdrücklich, dass die Vorschriften zur Anhörung Beteiligter (§ 24 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – <SGB X>) nicht anzuwenden sind. Die abschließende Neufeststellung der EM-Rente (sog Spitzabrechnung) im Bescheid vom 30. Juli 2020 für die Zeit ab 1. Januar 2019 ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Berechnung des Rentenanspruches mit Bescheid vom 30. Juli 2020 lagen die persönlichen Entgeltpunkte zugrunde, die zuletzt mit dem Bescheid vom 26. November 2019 festgestellt wurden und gegen die weder damals noch heute Einwendungen seitens der Klägerin erhoben wurden. Aufgrund des bezogenen Einkommens stand der Klägerin im Kalenderjahr 2019 und insbesondere auch in der Zeit vom 1. Oktober 2019 bis 31. Dezember 2019 eine Vollrente wegen EM nicht zu. Denn § 34 Abs. 2 SGB VI aF iVm § 96a Abs. 5 SGB VI aF bestimmte, dass ein Anspruch auf volle EM-Rente nur besteht, wenn die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300,- € nicht überschritten wird. Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 SGB VI aF bestand ein Anspruch auf Teilrente, wenn die Hinzuverdienstgrenze überschritten wurde. Als Hinzuverdienst waren Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen zu berücksichtigen und zusammenzurechnen. Die Klägerin bezog im Jahr 2019 ein Gesamteinkommen aus abhängiger Beschäftigung iHv 18.671,- €, das die Beklagte bei der sog Spitzabrechnung nach § 34 Abs. 3d Satz 1 SGB VI aF im Folgejahr mit Bescheid vom 30. Juli 2020 von Amts wegen zutreffend berücksichtigt hat, ohne dass ihr insoweit Ermessen eingeräumt war. Dabei handelt es sich auch bei dem Entgelt aus der geringfügigen Beschäftigung im November und Dezember 2019 um Arbeitsentgelt iSv § 14 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) und damit auch iSv § 34 Abs. 3b Satz 1 SGB VI aF. Die Einkünfte für das Kalenderjahr sind zusammenzurechnen (§ 34 Abs. 3b Satz 2 SGB VI aF). Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus dem von ihr zitierten Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 27. Januar 2022 (L 14 R 495/21) keine andere Beurteilung. Zum Einen stützt das Bayerische LSG seine Auffassung, der nach (dortigem) Wegfall einer EM-Zeitrente erzielte Verdienst sei kein „Hinzuverdienst“, darauf, dass die (dortige) Beklagte nach Wegfall der Zeitrente nach eingehenden Ermittlungen festgestellt habe, der Klägerin sei nunmehr wieder eine mindestens sechsstündige Beschäftigung möglich, weshalb die (dortige) Klägerin „in der Folge“ eine Vollzeitbeschäftigung aufgenommen habe, und deshalb sei ein Zusammenhang zwischen Rentengewährung und Hinzuverdienst nicht gegeben. Vorliegend war aber das (erstmalige) Verwaltungsverfahren, in dem die Beklagte insoweit bis zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 26. November 2019 noch gar keine abschließenden Feststellungen verlautbart hatte, noch gar nicht abgeschlossen, um den beschriebenen Kausalzusammenhang aus Sicht der Klägerin bzw objektiv ausschließen zu können. Hinzu kommt, dass ausgehend von der hier nur noch zulässig streitbefangenen sog Spitzabrechnung im Bescheid vom 30. Juli 2020 retrospektiv jedenfalls von einem „Gleichlauf“ von Rentenbezug und Einkommenserzielung auszugehen ist. Die gegenteilige Auffassung hätte zur Folge, dass „contra legem“ auch der Verdienst aus der Beschäftigung vom 15. März 2019 bis 30. September 2019 nicht zur Anrechnung kommen dürfte, was der Intention des Gesetzgebers klar widersprechen würde.
Die Anrechnung des tatsächlichen Hinzuverdienstes für das Jahr 2019 durch die Beklagte entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Rechtsfehler bei der Berechnung der Teilrente sind auch nach Prüfung durch den Senat nicht ersichtlich. Die Teilrente wird berechnet, indem ein Zwölftel des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Betrages zu 40 Prozent von der Vollrente abgezogen wird. Überschreitet der sich dabei ergebende Rentenbetrag zusammen mit einem Zwölftel des kalenderjährlichen Hinzuverdienstes den Hinzuverdienstdeckel nach § 34 Abs. 3a SGB VI aF, wird der überschreitende Betrag von dem sich nach § 34 Abs. 3 Satz 2 SGB VI aF ergebenden Rentenbetrag abgezogen. Der Rentenanspruch besteht nicht, wenn der von der Rente abzuziehende Hinzuverdienst den Betrag der Vollrente erreicht (§ 34 Abs. 3 SGB VI aF). Der Hinzuverdienstdeckel wird berechnet, indem die monatliche Bezugsgröße mit den Entgeltpunkten (§ 66 Absatz 1 Nrn 1 bis 3 SGB VI) des Kalenderjahres mit den höchsten Entgeltpunkten aus den letzten 15 Kalenderjahren vor Eintritt der EM vervielfältigt wird; er beläuft sich im Falle der Klägerin auf 4.673,43 €. Er beträgt mindestens die Summe aus einem Zwölftel von 6.300,- € und dem Monatsbetrag der Vollrente. Der Hinzuverdienstdeckel wird jährlich zum 1. Juli neu berechnet (§ 34 Abs. 3a SGB VI aF). Ferner ist von dem Kalenderjahr an, das dem folgt, in dem erstmals Hinzuverdienst berücksichtigt wurde, jeweils zum 1. Juli für das vorige Kalenderjahr der tatsächliche Hinzuverdienst statt des bisher berücksichtigten Hinzuverdienstes zu berücksichtigen, wenn sich dadurch rückwirkend eine Änderung ergibt, die den Rentenanspruch betrifft (§ 34 Abs. 3d SGB VI aF).
Berechnungsfehler lassen sich bei der Ermittlung des anzurechnenden Hinzuverdienstes für das Jahr 2019 iHv mtl 412,37 € (18.671,- € jährlich – 6.300,- € = 12.371,- €, ein Zwölftel davon sind 1.030,92 €, davon 40 Prozent = 412,37 €) nach Prüfung durch den Senat nicht feststellen. Das anzurechnende Einkommen übersteigt zusammen mit einem Zwölftel des jährlichen Hinzuverdienstes (18.671,- € : 12 = 1.555,92 €) nicht den Hinzuverdienstdeckel von 4.673,43 €, so dass kein zusätzlich anzurechnender Hinzuverdienst von der Rente abzuziehen war. Auf die ausführliche Darlegung der Berechnungen (Anlage: Rente und Hinzuverdienst) im Bescheid vom 30. Juli 2020 kann daher ergänzend verwiesen werden. Die Überzahlung iHv 321,54 € ist zu erstatten (§ 34 Abs. 3f Satz 2 SGB VI aF).
Aus § 34 Abs. 3f Satz 3 SGB VI aF ergibt sich zugleich, dass bei Änderungen des Hinzuverdienstes nach den Absätzen 3c bis 3e weder Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen sind noch Ermessen auszuüben ist. Die Regelungen zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 SGB X) und zur Aufhebung eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 48 SGB X) sind kraft Gesetzes nicht anzuwenden. Vielmehr räumt § 34 Abs. 3f Satz 3 SGB VI aF der Herstellung „materieller Gerechtigkeit“ den Vorrang vor einem etwaigen Vertrauensschutz des Versicherten ein. Es soll der Zustand hergestellt werden, der bestanden hätte, wenn das tatsächlich zu berücksichtigende Einkommen bereits bei der Erteilung des Bescheides nach § 34 Abs. 3c SGB VI aF bekannt gewesen wäre. Gleichzeitig ist die Hinzuverdienstgrenze dabei so beschaffen, dass der letzte wirtschaftliche Dauerzustand, soweit er sich im beitragspflichtigen Einkommen ausgedrückt hat, in etwa aufrechterhalten werden kann (Fichte in: Hauck/Noftz SGB VI, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 34 Rn 13, 16, unter Hinweis auf die Beispiele in BT-Drucks 11/4124 S 161).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die genannten Regelungen aus den dargelegten Erwägungen nicht (vgl zum Ganzen auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. November 2023 – L 9 R 461/23 – juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die hier maßgeblichen Regelungen sind mWv 1. Januar 2023 außer Kraft getreten (vgl § 34 idF von Art. 7 Nr 4 des 8. SGB IV-ÄndG vom 20. Dezember 2022 - BGBl I 2759). Es handelt sich daher um ausgelaufenes Recht.