Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 3. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosen sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die einstweilige Bewilligung von Krankengeld.
Die am 00.00.0000 geborene Antragstellerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie hat ein Kind, für das sie Kindergeld in Höhe von 250 Euro monatlich erhält. Die Antragstellerin lebt gemeinsam mit ihrem Kind bei ihrem Ex-Ehemann, Herrn W..
In der Zeit vom 11. März 2020 bis zum 7. September 2021 war die Antragstellerin arbeitsunfähig erkrankt und bezog bis zur Höchstdauer Krankengeld von der Antragsgegnerin. Die Arbeitsunfähigkeit wurde dabei ärztlich auf folgende ICD-10-Diagnosen gestützt: M54.8 (Sonstige Rückenschmerzen), M16.3 (Sonstige dysplastische Koxarthrose), M07.39 (Sonstige psoriatische Arthritiden, nicht näher bezeichnete Lokalisation), L03.11 (Phlegmone an der unteren Extremität) und A46 Erysipel [Wundrose].
In der Zeit vom 8. September 2021 bis 7. Dezember 2022 war die Antragstellerin über den Bezug von Arbeitslosengeld bei der Antragsgegnerin gegen Krankheit versichert. Sie stand dem Arbeitsmarkt in dieser Zeit laut Angaben der Agentur für Arbeit Aachen-Düren zur Verfügung.
Für die Zeit ab dem 2. Dezember 2022 sind folgende Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin dokumentiert:
Zeitraum |
Diagnosen |
Arzt/Ärztin |
2. bis 19. Dezember 2022 |
K52.8 (Sonstige näher bezeichnete nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis) |
Q. |
19. Dezember 2022 bis 13. März 2023 |
K52.8, R52.2 (Sonstiger chronischer Schmerz), M79.19 (Myalgie, nicht näher bezeichnete Lokalisation), M07.39 |
A. |
9. Mai 2023 bis 4. Juli 2023 |
M07.39, M16.3, M54.8, M79.19, R52.2 |
A. |
4. Juli 2023 bis 1. August 2023 |
M07.39, M16.3, M54.8, M79.19, R52.2 |
P. |
1. August 2023 bis 25. September 2023 |
M07.39, M16.3, M54.8, M79.19, R52.2 |
S. |
25. September 2023 bis 23. Oktober 2023 |
M07.39, M16.3, M54.8-, M79.19, R52.2 |
L. |
Die Antragsgegnerin hat darüber hinaus noch folgende Arbeitsunfähigkeitszeiten mitgeteilt:
4. Juli 2023 bis 10. März 2024 |
M54.8, R52.2, M79.19, M07.39, M16.3 |
|
11. März 2024 bis 8. April 2024 |
M54.8, R52.2, M79.19, M07.39, M16.3, F45.31 (Somatoforme autonome Funktionsstörung: Oberes Verdauungssystem) |
|
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Bescheid vom 15. Dezember 2022 mit, dass der Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit für höchstens 78 Wochen (546 Kalendertage) innerhalb von je drei Jahren bestehe. Zuletzt habe sie vom 11. März 2020 bis 7. September 2021 Krankengeld bis zu dieser Höchstanspruchsdauer erhalten. Ein Neuanspruch auf Krankengeld bestehe nach § 48 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nur, wenn sie nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums (ab 11. März 2020 bis 10. März 2023) unter anderem mindestens sechs Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig und mindestens sechs Monate erwerbstätig gewesen sei oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Nach dem Leistungsende (7. September 2021) habe bei ihr durchgehend Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Es habe weder mindestens sechs Monate Arbeitsfähigkeit bestanden, noch sei sie mindestens sechs Monate erwerbstätig gewesen. Für ihre jetzige Arbeitsunfähigkeit sei daher kein Krankengeldanspruch mehr gegeben.
Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde. Sie führte zur Begründung aus, dass ihr ein Anspruch auf Krankengeld zustehe, da sie zum Zeitpunkt des Eintritts ihrer Erkrankung über die Agentur für Arbeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sei.
In einem von der Antragsgegnerin eingeholten Gutachten vom 26. Januar 2023 führte Frau B. vom Medizinischen Dienst (MD) aus, dass anhand der Unterlagen kein innerer Zusammenhang zwischen der aktuell arbeitsunfähigkeitsbegründenden Diagnose K52.8 und den Diagnosen aus dem Zeitraum vom 27. März 2020 bis zum 7. September 2021 abgeleitet werden könne. Hier sei von einer neu aufgetretenen Erkrankung auszugehen und nicht von einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit.
In einem zweiten Gutachten vom 21. Februar 2023 führte Frau B. aus, dass für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 2. Dezember 2022 von einer Arbeitsunfähigkeit basierend auf derselben nicht ausgeheilten Erkrankung M07.39 ausgegangen werden könne. Zwischen dem 8. September 2021 und der aktuellen Arbeitsunfähigkeit sei keine Arbeitsunfähigkeit gelistet, folglich könne nicht von einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden.
L. teilte der Antraggegnerin in einem formularmäßigen Antwortbogen vom 26. Juni 2023 mit, dass die seit dem 2. Dezember 2022 diagnostizierte „Sonstige näher bezeichnete nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis“ (K52.8) mit den „sonstigen psoriatischen Arthritiden: Nicht näher bezeichnete Lokalisation“ (M07.39) (8. bis 12. September 2021) und mit der „Sonstigen näher bezeichneten nichtinfektiösen Gastroenteritis und Kolitis“ (9. Juni 2020 bis 7. September 2021) im Zusammenhang stehe. Hinzugetreten sei die Diagnose M07.39. Die Arbeitsunfähigkeit werde nicht allein von der hinzugetretenen Erkrankung bedingt. Bei der hinzugetretenen Erkrankung und den früheren (bis 12. September 2021 festgestellten) Erkrankungen handele es sich nicht um dieselbe Erkrankung im versicherungsrechtlichen Sinne.
In einem Schreiben vom 16. August 2023 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin um Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung, damit der MD Gutachten der Agentur für Arbeit beiziehen und auswerten könne. Erst danach könne abschließend über den Widerspruch entschieden werden.
In einem Gutachten vom 14. September 2023 führte der MD durch Frau R. Folgendes aus: Vom 2. Dezember 2022 bis 9. Mai 2023 seien Gastroenteritis und Kolitis als AU-begründende Diagnosen verschlüsselt worden. Diese Diagnosen seien in den Vorerkrankungszeiträumen (11. März 2020 bis 12. September 2021) nicht vorgekommen. Ob diesbezüglich eine ursächliche Abklärung erfolgt sei, könne den Unterlagen nicht entnommen werden. Laut der Leistungsübersicht sei vom 19. Dezember 2022 bis 4. Juli 2023 Arbeitsunfähigkeit zusätzlich attestiert worden wegen einer Psoriasisarthropathie, Myalgie und sonstigem chronischem Schmerz. Psoriasisarthropathie sei auch in den Vorerkrankungszeiträumen (11. März 2020 bis 12. September 2021) AU-begründend gewesen, ein innerer ursächlicher Zusammenhang bestehe. Vom 9. Mai 2023 bis 4. Juli 2023 werde Arbeitsunfähigkeit zusätzlich begründet mit sonstiger dysplastischer Coxarthrose und sonstigen Rückenschmerzen. Auch diese Diagnosen seien im Vorerkrankungszeitraum (11. März 2020 bis 7. September 2021) AU-begründend gewesen. Ein innerer ursächlicher Zusammenhang könne bzgl. der sonstigen dysplastischen Koxarthrose angenommen werden. Rückenschmerzen könnten Folge unterschiedlichster Ursachen sein (z.B. Unfall, Verschleiß, Entzündung, Tumor etc.), diesbezügliche Informationen lägen nicht vor. Es könne daher nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob die Rückenschmerzen im Vorerkrankungszeitraum im Vergleich zu den aktuellen Rückenschmerzen auf die gleiche Ursache zurückzuführen seien. Der aktuellen Fachliteratur sei zu entnehmen, dass das Auftreten einer Psoriasiserkrankung Folge genetischer Veranlagung in Kombination mit Auslösern wie Infektionen mit bestimmten Bakterien, Stress, Rauchen, Adipositas und Alkoholkonsum sei. Die Erkrankung könne zu Hautveränderungen, Depressionen, Gelenkentzündungen und dem sogenannten kardiometabolischen Syndrom führen. Gastroenteritis und Kolitis seien weder Ursache noch typische Folge einer Psoriasis. Im Vorerkrankungszeitraum vom 11. März 2020 bis 7. September 2021 sei Arbeitsunfähigkeit durch folgende Diagnosen begründet: Phlegmone, Erysipel, Rückenschmerzen, dysplastische Koxarthrose, Psoriasisarthritis und akute Belastungsreaktion. Medizinische Unterlagen, die belegen würden, dass die Antragstellerin über das Leistungsende hinaus arbeitsunfähig gewesen sei, würden nicht vorgelegt. Phlegmone und Erysipel seien behandelbare infektiöse Erkrankungen, Rückenschmerzen seien in der Regel vorübergehend. Die Psoriasisarthritis sei durch den Rheumatologen ab Juni 2020 mit einem Basistherapeutikum eingestellt, sodass eine Besserung der Beschwerden zu erwarten sei. Akute Belastungsreaktionen seien ebenfalls von der Definition her vorübergehend. Lediglich bzgl. der dysplastischen Koxarthrose, die linksseitig laut vorliegendem Röntgenbefund bereits 2020 weit fortgeschritten gewesen sei, sei eine Besserung nicht zu erwarten. Belastungsabhängige Beschwerden hätten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durchgehend bestanden. Dies stehe einer leichten körperlichen Tätigkeit überwiegend im Sitzen über drei Stunden am Tag jedoch nicht entgegen. Von nahtloser Arbeitsunfähigkeit über das Leistungsende hinaus könne auf der Grundlage der vorliegenden Informationen nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.
Mit Schreiben vom 22. September 2023 erinnerte die Antragsgegnerin die Antragstellerin an die Vorlage der angeforderten Schweigepflichtentbindungserklärung.
Bereits am 8. September 2023 hatte die Antragstellerin vor dem Sozialgericht Aachen (SG) Untätigkeitsklage erhoben (S 13 KR 530/23). Im Rahmen dieses Verfahrens reichte sie eine handschriftliche Erklärung ein, die die Antragsgegnerin als Schweigepflichtentbindungserklärung einstufte und an die Agentur für Arbeit Aachen-Düren weiterleitete.
In einem weiteren Gutachten vom 15. März 2024 teilte R. vom MD mit, dass nunmehr eine sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 5. September 2022 vorgelegt werde. Hiernach seien leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Vollzeit jeweils zeitweise im Gehen oder Stehen und überwiegend im Sitzen möglich. Bereits im Vorgutachten vom 14. September 2023 sei beschrieben worden, dass bei bekannter dysplastischer Koxarthrose mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von durchgehend bestehenden belastungsabhängigen Beschwerden auszugehen sei, dies aber einer leichten körperlichen Tätigkeiten überwiegend im Sitzen über drei Stunden am Tag nicht entgegenstehe. Diese Einschätzung werde durch die gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Arbeitsagentur bestätigt. Es werde sogar ein positives Leistungsbild für geeignete Tätigkeiten über sechs Stunden am Tag beschrieben. Bzgl. der Ursache der nicht infektiösen Gastroenteritis und Kolitis würden keine neuen Informationen vorgelegt. Es sei von einer erstmalig aufgetretenen Erkrankung auszugehen. Die bereits im Vorgutachten getroffene Feststellung, dass von nahtloser Arbeitsunfähigkeit über das Leistungsende hinaus auf der Grundlage der vorliegenden Informationen nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden könne, werde durch die nachgereichten Unterlagen untermauert. Es sei anzunehmen, dass die Antragstellerin im Zeitraum ihrer Meldung bei der Agentur für Arbeit vom 8. September 2021 bis 7. Dezember 2022 dem Arbeitsmarkt für eine leichte, leidensgerechte Tätigkeit entsprechend dem oben beschriebenen Leistungsbild zur Verfügung gestanden habe. Die am 2. Dezember 2022 AU-begründende nicht infektiöse Gastroenteritis und Kolitis seien erstmalig aufgetreten.
Mit einem im Rahmen der Untätigkeitsklage am 22. März 2024 beim SG eingegangenen Schreiben hat die Antragstellerin die Zahlung von Krankengeld im Rahmen einer einstweiligen Anordnung begehrt. Die Antragsgegnerin bleibe untätig. Sie habe ihren Lebensunterhalt bislang durch den Verbrauch ihrer finanziellen Reserven bestritten.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Krankengeld ab Antragstellung bis auf Weiteres zu gewähren.
Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat ausgeführt, dass die ursprüngliche rechtliche Einordnung aus dem Bescheid vom 15. Dezember 2022 sich nicht bestätigt habe. Nach Auswertung des MD-Gutachtens liege keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit vor. Die Agentur für Arbeit habe keinen Nahtlosigkeitsfall gemeldet, so dass die Antragstellerin vom 13. September 2021 bis 1. Dezember 2022 arbeitsfähig gewesen sei. Der MD führe aus, dass es bezüglich der Rückenerkrankung, Hüftarthrose sowie der Kombination Psoriasisarthropathie, Myalgie und sonstigem chronischem Schmerz einen ursächlichen Zusammenhang gebe. Hinzu kämen persistierende psychische / psychosomatische Beschwerden. Da hier mehrere schwerwiegende Behandlungsbilder nebeneinander und überlappend / sich gegenseitig verstärkend bestünden, müsse von Polymorbidität im Sinne der Rechtsprechung ausgegangen werden. Dieselbe Krankheit liege danach auch vor, wenn wegen des Nebeneinanders verschiedener gravierender akuter oder chronischer Leiden von Anfang an eine Multi- oder Polymorbidität bzw. Polypathie bestehe (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 - B 1 KR15/10 R). Bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 2. Dezember 2022 sei die Antragstellerin mit Anspruch auf Krankengeld versichert und mindestens sechs Monate arbeitsfähig für den allgemeinen Arbeitsmarkt gewesen (§ 48 SGB V). Allerdings habe sie sich noch in der Blockfrist befunden, in welcher sie das Leistungsende erreicht habe (11. März 2020 bis 10. März 2023). Somit habe zu diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Krankengeld bestanden. Demnach sei auch keine mitgliedschaftserhaltende Zeit (§ 192 Abs. 2 SGB V) ausgelöst worden. Zum Beginn der neuen Blockfrist am 11. März 2023 sei der Anspruch erneut zu prüfen. Da eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld am 11. März 2023 nicht bestanden habe, entstehe auch zu diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Krankengeld auf Grund der andauernden Arbeitsunfähigkeit. Ungeachtet dessen sei auch kein Anordnungsgrund dargelegt worden.
Nachdem die Antragstellerin Kontoauszüge zu ihrem Girokonto bei der T. (IBAN: N01) für den Zeitraum vom 11. Dezember 2023 bis 2. April 2024 übersandt hatte, hat das SG sie darauf hingewiesen, dass sich aus den Auszügen nur die Kindergeldzahlungen als Einnahmen ergäben. Sie solle darlegen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreite und ob sie beim Jobcenter einen Leistungsantrag gestellt habe.
Am 3. Juni 2024 sind die Antragstellerin und ihr Ex-Ehemann auf der Geschäftsstelle des SG erschienen und haben erklärt, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt von ihrem Ex-Mann gesichert bekomme. Sie erhalte Kindergeld. Die restliche Unterstützung bekomme sie von ihrem Ex-Ehemann, der auch das gemeinsame Kind unterstütze. Die Antragstellerin zahle nur den Strom und die Schulfahrkarte für das Kind. Die Antragstellerin hat auch Auszüge zu einem weiteren Girokonto bei der G. (IBAN: N02) für den Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis 29. Mai 2024 vorgelegt. Auf diese wird Bezug genommen.
Das SG hat den Antrag durch Beschluss vom 3. Juni 2024 abgelehnt. Die Antragstellerin habe keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie habe auf die gerichtliche Anfrage, wie sie ihren Lebensunterhalt nach Ablehnung der Weitergewährung von Krankengeld bestritten habe bzw. bestreite, am 3. Juni 2024 nach persönlicher Vorsprache mitgeteilt, dass ihr früherer Ehemann sie finanziell unterstütze. Es sei daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragstellerin ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden könne.
Dagegen hat die Antragstellerin am 18. Juni 2024 Beschwerde beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt. Es bestehe ein Anordnungsgrund. Ihr könne ein Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden, weil dieses sich noch lange hinziehen könne.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 3. Juni 2024 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihr Krankengeld ab Rechtshängigkeit des Antrags vorläufig zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2024 hat der Senat die Antragstellerin aufgefordert mitzuteilen, wie sie ihren Lebensunterhalt seit Dezember 2022 bis heute sichergestellt und welche finanzielle Unterstützung durch andere Personen sie erfahren habe. Bejahendenfalls sollte sie mitteilen, durch wen und in welchem Umfang sie unterstützt worden sei. Ferner solle sie mitteilen, ob sie seit Dezember 2022 Leistungen beim Jobcenter oder Sozialhilfeträger beantragt habe und wenn nicht, welche Gründe hierfür ursächlich gewesen seien. Die Antragstellerin solle auch mitteilen, ob sie mit ihrem Ex-Ehemann in einem Haushalt bzw. in einer Bedarfsgemeinschaft lebe und in welchem Umfang sie von ihm finanziell unterstützt werde. Es sollten ferner noch Kontoauszüge zu ihrem Girokonto bei der T. für die Zeit seit dem 3. April 2024 eingereicht werden. Schließlich ist sie aufgefordert worden, ihre Ärzte, die sie seit Januar 2020 behandelt haben, von der Schweigepflicht zu entbinden.
Die Antragstellerin hat daraufhin lediglich die angeforderten Kontoauszüge (für den Zeitraum vom 20. März 2024 bis 23. Juli 2024) übersandt.
Der Senat hat die Antragstellerin daraufhin in einem weiteren Schreiben vom 29. Juli 2024 aufgefordert, die offenen Fragen zu beantworten und die Schweigepflichtentbindungserklärung unterzeichnet einzureichen. Das Gericht weise vorsorglich darauf hin, dass die Antragstellerin verpflichtet sei, einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen und an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Komme sie dieser zumutbaren Pflicht durch Übersendung der Unterlagen und Beantwortung der Fragen nicht nach, könne der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden. Dies ginge unter Umständen zu ihren Lasten.
In einem Schreiben vom 5. August 2024 hat die Antragstellerin erklärt, keine finanzielle Unterstützung durch andere Personen erfahren zu haben und dass sie keinen Antrag beim Jobcenter gestellt habe, weil sie im Januar 2024 einen Antrag auf Versichertenrente bei der Deutschen Rentenversicherung gestellt habe und auf die Bescheidung ihres Widerspruchs durch die Antragsgegnerin warte. Sie lebe mit ihrem Ex-Ehemann in einer Wohngemeinschaft, der sie zwar finanziell unterstütze, sein Geld aber zurückhaben wolle. Die Antragstellerin hat ferner einen an ihren ehemaligen Ehemann gerichteten Bewilligungsbescheid von der Bundesagentur für Arbeit vom 29. Januar 2024 eingereicht, aus dem hervorgeht, dass dieser für den Zeitraum vom 7. Januar 2024 bis 5. Juli 2025 Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 1.130,70 Euro monatlich hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und der ebenfalls beigezogenen Gerichtsakten zum Verfahren S 13 KR 530/23 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung <ZPO>). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R - juris-Rn. 35; BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - juris-Rn. 5).
Für die Beurteilung des Anordnungsanspruchs kommt es in erster Linie auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache an. Der Anordnungsgrund besteht nur dann, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Mai 2020 - L 11 KR 166/20 B ER - juris-Rn. 23). Wegen des Zusammenhangs zwischen den genannten Kriterien besteht eine funktionelle Wechselbeziehung zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund: Mit zunehmender Eilbedürftigkeit sind die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs zu reduzieren, und je höher die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, desto geringere Anforderungen sind an den Anordnungsgrund zu stellen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b, Rn. 27 m.w.N.). Gänzlich verzichtet werden kann indessen weder auf den Anordnungsanspruch noch auf den Anordnungsgrund. Ist Letzterer nicht dargetan, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung selbst dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird. Andernfalls würde sich das Gericht über den eindeutigen Wortlaut des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG („wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint“) hinwegsetzen (Senat, a.a.O.).
Nach diesen Maßstäben fehlt es sowohl an einem Anordnungsgrund als auch an einem Anordnungsanspruch.
Hinsichtlich des Anordnungsgrundes muss die Antragstellerin darlegen, welche wesentlichen Nachteile zu erwarten wären, wenn sie auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde. Solche wesentlichen Nachteile liegen insbesondere vor, wenn die Antragstellerin konkret in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht ist oder ihr sogar die Vernichtung der Lebensgrundlage droht. Auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile, die entstehen, wenn das Ergebnis eines langwierigen Klageverfahrens abgewartet werden müsste, können ausreichen (Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b <Stand: 17.06.2024>, Rn. 412 m.w.N.). Ein Anordnungsgrund besteht dagegen nicht, wenn die Antragstellerin jedenfalls gegenwärtig auf eigene Mittel oder zumutbare Hilfe Dritter zurückgreifen kann (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. März 2017 - L 7 SO 420/17 ER-B - juris-Rn. 8 m.w.N.), und zwar auch im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (Senat, Beschluss vom 20. Mai 2020 - L 11 KR 166/20 B ER - juris-Rn. 28 m.w.N.). Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschlüsse vom 21. September 2016 - 1 BvR 1825/16 - juris-Rn. 4; und vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 1241/16 - juris-Rn. 7). Eine Antragstellerin muss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren substantiiert und plausibel vortragen, dass ihr solche Möglichkeiten nicht offenstehen. Trägt die Antragstellerin zu ihrer eigenen Einkommens- und Vermögenssituation nichts oder nur unzureichend vor, ist ein Anordnungsgrund bereits deswegen nicht glaubhaft gemacht (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 20. Juni 2014 - L 6 R 512/14 B ER - juris-Rn. 26).
Eine Eilbedürftigkeit ihres Begehrens nach den voranstehenden Maßstäben hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt. Eine besondere wirtschaftliche (Existenz-)Not ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt und den ihres Kindes vollständig aus dem Bezug des Kindergeldes und der finanziellen Unterstützung ihres ehemaligen Ehemanns bestreitet, mit dem sie nach eigener Aussage in einer Wohngemeinschaft wohnt. Dass dessen finanzielle Hilfe unzureichend wäre, hat die Antragstellerin nicht behauptet. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine wirtschaftliche Not der Antragstellerin vor. Das Girokonto bei der T. weist durchgehend seit dem 11. Dezember 2023 ein Guthaben auf. Das andere Girokonto der Antragstellerin bei der G. wies zuletzt am 29. Mai 2024 ein Guthaben von 2.259,72 Euro auf.
Die Antragstellerin kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht mit dem Einwand gehört werden, dass ihr Ex-Ehemann das Geld zurückhaben wolle. Zunächst hat sie den Umfang der finanziellen Zuwendungen durch ihren Ex-Ehemann trotz Nachfrage des Senats nicht dargelegt. Zum anderen ist unstreitig, dass sie diese finanzielle Unterstützungsleistung erhält, mit der sie gegenwärtig ihren Lebensbedarf decken kann. Die Frage, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt erhaltene Gelder tatsächlich erstatten muss, ist keine Frage des Anordnungsgrundes.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Anspruch auf Gewährung von Krankengeld richtet sich nach §§ 44, 48 SGB V. Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für achtundsiebzig Wochen Krankengeld bezogen haben, besteht nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate 1. nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und 2. erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen (§ 48 Abs. 2 SGB V).
Dieselbe Krankheit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V liegt bei einem einheitlichen Krankheitsgeschehen im ursächlichen Sinn vor. Erforderlich ist, dass der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, auf ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden zurückzuführen ist. Nicht entscheidend sind also Erscheinungsbilder oder -formen der Erkrankung (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 - B 1 KR 15/10 R - juris-Rn. 14; Schifferdecker, in: BeckOGK, Stand: 15.05.2024, § 48 SGB V Rn. 14). Eine später auftretende Gesundheitsstörung ist dieselbe Krankheit, wenn sie im Vergleich zu einer früheren Krankheit dieselbe Krankheitsursache hat. Der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, braucht weder ständig Krankheitserscheinungen noch fortlaufend Behandlungsbedürftigkeit hervorzurufen. Ausreichend ist, dass ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden latent weiterbesteht und nach einem beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervall erneut Krankheitssymptome hervorruft (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 - B 1 KR 10/03 R - juris-Rn. 16).
Ob die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 oder 2 SGB V vorliegen, kann der Senat - auch nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung - nicht prüfen und bewerten, weil die Antragstellerin ihre Ärzte trotz Aufforderung durch den Senat nicht von der Schweigepflicht entbunden hat. Die Antragstellerin ist damit ihrer zumutbaren Mitwirkungspflicht im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG nicht nachgekommen. Die einstweilige Nichtaufklärbarkeit der Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs geht zu ihren Lasten (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG/, 14. Aufl. 2023, § 103 Rn. 15 ff.). Der Senat hat die Antragstellerin zuvor in einem Schreiben vom 29. Juli 2024 auf diese Rechtsfolgen hingewiesen. Die Antragstellerin hat weder auf das Schreiben des Senats vom 12. Juli 2024 noch auf das zweite Schreiben vom 29. Juli 2024 dargetan, dass ihr die Entbindung ihrer Ärzte von der Schweigepflicht unzumutbar wäre. Der Senat konnte die notwendigen medizinischen Ermittlungen auch nicht anderweitig durchführen. Für die Frage, ob es einen weiteren Anspruch auf Krankengeld nach § 48 Abs. 1 oder 2 SGB V geben kann, hätte zunächst eine gezielte Befragung der die Arbeitsunfähigkeit seit März 2020 feststellenden Ärzte erfolgen müssen. Dies wäre dann mit den entsprechenden AU-Bescheinigungen aus allen Zeiträumen sowie den eingeholten Gutachten des MD und der Agentur für Arbeit abzugleichen gewesen. Das von der Agentur für Arbeit eingeholte Gutachten vom 5. September 2022 ist nicht aktenkundig und hätte vom Senat ebenfalls beigezogen werden können. Einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Erkrankungen der Antragstellerin vom 11. März 2020 bis zum 7. September 2021 einerseits sowie ab dem 2. Dezember 2022 andererseits konnte der MD trotz der zahlreichen Stellungnahmen nicht zweifelsfrei belegen. Unklar ist auch, warum der MD in seinem Gutachten vom 15. März 2024 auf das von der Agentur für Arbeit beigezogene Gutachten vom 5. September 2022 für die Bewertung der ab dem 2. Dezember 2022 attestierten Arbeitsunfähigkeit abgestellt hat. Diese offenen Fragen und Ermittlungen werden ggf. in einem Hauptsacheverfahren nachzuholen sein, in welchem alle ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beizuziehen sind und nach einer Befragung der Ärzte der Antragstellerin zu etwaigen Zusammenhängen der Erkrankungen in den unterschiedlichen Zeiträumen die gesetzlichen Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch zu prüfen sein werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).