- Auch für die Anerkennung und Entschädigung von mutmaßlichen Impfschäden nach mRNA-Impfungen gegen COVID-19 gelten die allgemeinen Grundsätze des Impfschadensrechts. Danach müssen die potenziell schädigende Einwirkung (Impfung), die gesundheitliche Schädigung (unübliche Impfreaktion) und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) nachgewiesen, nicht nur wahrscheinlich sein. Nur für den ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen drei Gliedern der Beweiskette genügt der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit. Maßgeblich hierfür ist der aktuelle Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft.
- Zwar gibt es durchaus – jenseits einer bloßen anekdotischen Evidenz – einige Anhaltspunkte für die Existenz eines sog. Post-Vac-Syndroms. Es existiert jedoch aktuell noch keine hinreichend fundierte wissenschaftliche Lehrmeinung, die die Wahrscheinlichkeit eines (generellen) ursächlichen Zusammenhangs zwischen mRNA-Impfungen gegen COVID-19 und der Entstehung einer myalgischen Enzephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) vertritt. Die Anerkennung einer ME/CFS als Impfschaden kommt deshalb derzeit auch nach den Regeln der Kann-Versorgung nicht in Betracht. Die Ergebnisse zukünftiger Forschung sind abzuwarten.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Die im Jahre 1994 geborene Klägerin, von Beruf Kinderkrankenschwester, erhielt am 05.05.2021 und am 16.06.2021 Impfungen gegen COVID-19 mit dem Impfstoff COMIRNATY von Biontech/Pfizer (siehe Blatt 6, 47 IfSG-Akte).
Ab dem 23.06.2021 traten bei der Klägerin Müdigkeit, Erschöpfung, und Herz-Kreislauf-Beschwerden auf (siehe Blatt 17, 51 IfSG-Akte). Am 16.07.2021 stellte sie sich deshalb in der Praxis ihres Hausarztes vor, nachdem sie vorab in der Kinderarztpraxis, in der sie arbeitete, erste Untersuchungen hatte vornehmen lassen. Ab dem 31.08.2021 war die Klägerin immer wieder arbeitsunfähig (siehe Blatt 45 IfSG-Akte). Ab Oktober 2021 kam es gehäuft zu Fieberschüben (siehe Blatt 51 IfSG-Akte). Ein am 11.01.2022 erstelltes MRT des Herzens ergab den Befund einer "milden nicht akuten Perimyokarditis" (siehe Blatt 7, 8 IfSG-Akte). Anfang März 2022 infizierte sich die Klägerin mit COVID-19 (siehe Blatt 25, 32 IfSG-Akte). Ein erneutes MRT am 16.05.2022 zeigte keinen krankheitswertigen Befund des Herzens mehr (siehe Blatt 38 IfSG-Akte). In einem Arztbericht des Universitätsklinikums R-Stadt vom 06.07.2022 wurde der dringende Verdacht auf eine myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) geäußert (siehe Blatt 73 IfSG-Akte). In der Zeit vom 07.02.2023 bis zum 21.03.2023 unterzog sich die Klägerin einer stationären Reha-Kur im Reha Zentrum B-Stadt. der Abschlussbericht findet sich auf Blatt 52 ff der Behindertenakte). Zum 30.06.2023 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin gekündigt; sie erhält zwischenzeitlich eine Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Mit Bescheid des ZBFS vom 11.07.2023 wurde ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.
Den am 19.05.2022 eingegangenen Antrag der Klägerin auf Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 09.09.2022 mit der Begründung ab, aus medizinischer Sicht sei nicht von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der angeschuldigten Impfung vom 16.06.2021 und den bei der Klägerin aufgetretenen Gesundheitsstörungen auszugehen. Dagegen spreche insbesondere der große zeitliche Abstand zwischen der Impfung und der erstmaligen Dokumentation thorakaler Beschwerden im September 2021. Zudem sei eine Arbeitsunfähigkeit wegen eines Virusinfekts Ende August/Anfang September 2021 aktenkundig; darin sei eine mögliche alternative Ursache zu sehen. Fieberschübe seien frühestens im November 2021 beschrieben, (und somit) ebenfalls ohne zeitlichen Zusammenhang zur Impfung. Bezüglich der angegebenen Kreislaufstörungen nach der Impfung lägen keine Nachweise vor; zudem sei eine solche Problematik nach dem vorliegenden Krankenkassenauszug bereits vorbekannt gewesen.
Dieser Entscheidung widersprach die Klägerin und führte zur Begründung aus, die Beschwerden seien zeitnah zu den Impfungen, insbesondere zur Zweitimpfung aufgetreten. Es sei eine Autoimmundiagnostik durchgeführt worden, die Hinweise auf eine Impfschädigung ergeben habe. Die gesundheitlichen Störungen seien weiterhin vorhanden; die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei dadurch erheblich gemindert. Die Klägerin legte zudem ein ab Mai 2022 geführtes Fiebertagebuch vor; insoweit wird auf Blatt 79 ff der IfSG-Akte Bezug genommen. Gestützt auf versorgungsärztliche Stellungnahmen vom 13.01.2023 (siehe Blatt 97 f IfSG-Akte), vom 10.05.2023 (siehe Blatt 123 IfSG-Akte) und vom 12.07.2023 (siehe Blatt 160 f IfSG-Akte), wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 25.07.2023 zurück. Das Auftreten einer Perikarditis sei erst in beträchtlichem zeitlichem Abstand zur Impfung belegt. Zudem lägen die Beschwerden der Klägerin unverändert vor und nähmen tendenziell sogar zu, weshalb sie wahrscheinlich nicht Folge der zwischenzeitlich abgeheilten Herzbeutelentzündung sein könnten. Ein organischer Befund, der geeignet sei, die Beschwerden zu erklären, habe trotz umfangreicher Untersuchungen nicht erhoben werden können.
Dagegen richtet sich die am 17.08.2023 beim Sozialgericht München (SG) eingegangene Klage, die mit Schriftsatz vom 14.09.2023 ergänzend begründet wurde; insoweit wird auf Blatt 16 ff der Gerichtsakte Bezug genommen. Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt und diverse medizinische Unterlagen sowie bildgebende Befunde beigezogen. Des Weiteren hat das Gericht den Facharzt für Innere Medizin N. L-Klinikum M-Stadt, zum Sachverständigen ernannt. Er hat in seinem Gutachten vom 24.08.2024 ausgeführt, die im Januar 2022 bei der Klägerin festgestellte Perimyokarditis sei ausweislich der dokumentierten Verlaufskontrolle im Mai 2022 abgeheilt gewesen. Über diesen Zeitpunkt hinaus lägen bei der Klägerin eine ME/CFS, ein posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS) sowie eine ausgeprägte hypochrom mikrozytäre Anämie (Mangel an roten Blutkörperchen aufgrund eines niedrigen Hämoglobinspiegels) vor. Während es sich bei der Myokarditis um eine mögliche Impfschädigung handle, sei diese Frage für das ME/CFS und das POTS nicht zu beantworten, weil beide Erkrankungen in ihrer Ätiologie ungeklärt seien und, speziell hinsichtlich ME/CFS, weder die Entstehung noch die Prävalenz - aufgrund der Vielzahl der Symptome und in Verbindung damit der Schwierigkeit der Diagnosestellung - ausreichend verstanden seien. Insbesondere sei bei bisher schwacher Datenlage unklar, ob ein ME/CFS durch eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ausgelöst werden könne. Das POTS sei häufig mit ME/CFS assoziiert. Ein Zusammenhang der ab April 2022 aufgetretenen schweren Eisenmangelanämie mit der Impfung sei hingegen nicht vorstellbar. Die Myokarditis sei möglicherweise die Ursache der zeitnah zur Impfung aufgetretenen Brustschmerzen, sei aber nicht geeignet, die verbleibenden Gesundheitsschäden zu erklären. Konkurrierende Ursachen seien eine möglicherweise im Oktober 2021 durchgemachte Virusinfektion der Atemwege und die nachgewiesene Omicron-Infektion der Klägerin im März 2022, wobei es im Hinblick auf deren Verlauf nicht sehr wahrscheinlich sei, dass sich hinter den Beschwerden der Klägerin eine Form von Long-COVID verberge. Hinsichtlich der Feststellungen und Bewertungen des Sachverständigen im Einzelnen wird auf Blatt 281 ff der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Klägerin hat als Reaktion auf das Gutachten weitere Unterlagen vorgelegt; insoweit wird auf Blatt 313 ff, 318 ff der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2023 zu verurteilen, die bei ihr bestehenden Erkrankungen als Folgen einer Impfschädigung anzuerkennen und der Klägerin ab dem 01.05.2022 Entschädigungsleistungen nach einem GdS von mindestens 30 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.
Dem Gericht lagen die IfSG-Akte und die Behindertenakte bei seiner Entscheidung vor.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG, der hier gem. § 137 des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch weiterhin anwendbar ist, erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die (1.) von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, (1 a) gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 20 i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 lit. a, auch in Verbindung mit Nr. 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorgenommen wurde, (2.) auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde, (3.) gesetzlich vorgeschrieben war oder (4.) auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt. Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung. Nach § 61 Satz 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, "kann" mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden, wobei die Zustimmung allgemein erteilt werden kann (vgl. § 61 Sätze 2 und 3 IfSG).
Für das Impfschadensrecht sind die Rechtsgrundsätze des BVG maßgebend, soweit nicht Besonderheiten vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet worden sind (siehe Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80). Nach diesen Grundsätzen müssen - für die Impfopferversorgung wie für die Kriegsopferversorgung - die schädigende Einwirkung (Impfung), die gesundheitliche Schädigung (unübliche Impfreaktion) und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) nachgewiesen, nicht nur wahrscheinlich sein (so: BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9 a RVi 2/84). Nur für den ursächlichen Zusammenhang genügt der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit (§ 61 Satz 1 IfSG), wobei die Kausalität dann wahrscheinlich ist, wenn mehr für als gegen sie spricht, wenn also die für den Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Eine gute Möglichkeit der Kausalität reicht hierfür nicht aus.
Der in § 2 Nr. 11 IfSG verwandte Begriff der "gesundheitlichen Schädigung" bezieht sich auf den Erstschaden (Primärschaden), also denjenigen Schaden, der sich als direkte Folge aus der Impfung (oder Maßnahme der spezifischen Prophylaxe) ergibt. Er kann zum Beispiel im Auftreten eines epileptischen Anfalls in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung bestehen. Die Definition des § 2 Nr. 11 IfSG stellt aber klar, dass nicht jede das Wohlbefinden beeinträchtigende Reaktion auf eine Impfung oder Prophylaxe-Maßnahme in den Schutzbereich des Versorgungsrechts einbezogen ist, sondern nur über das übliche Ausmaß einer Folgereaktion hinausgehende Schäden berücksichtigt werden. Von der gesundheitlichen Schädigung zu unterscheiden ist also etwa die harmlosere Impfreaktion, die in Form von Rötung, Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle vorkommen kann (siehe Meßling in: Soziales Entschädigungsrecht, Kommentar, 1. Aufl. 2012, § 60 IfSG, Rn. 62).
Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein (zeitnah) nach der Impfung aufgetretenes pathologisches Geschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, ob diese Krankheitserscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind oder nicht (BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R). Ein Krankheitsgeschehen, das alsbald nach einer Impfung mit Gewissheit aufgetreten ist, ist also als ungewöhnliche Impfreaktion und damit als Impfschädigung anzuerkennen, falls es - nach dem aktuellen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft - wahrscheinlich durch die Impfung verursacht wurde (BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9 a RVi 2/84, in: juris).
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Anerkennung eines Impfschadens (derzeit) nicht möglich. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der abgelaufenen milden Perimyokarditis um eine Folge der Impfung vom 16.06.2021 gehandelt hat, da diese zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits folgenlos ausgeheilt war und ihrerseits nicht geeignet ist, die später aufgetretenen, dauerhaft verbleibenden Gesundheitsstörungen zu erklären. Die Anerkennung der ME/CFS und des damit assoziierten POTS als Impfschäden scheitert daran, dass deren Ursachen und Entstehungsmechanismen derzeit noch nicht ausreichend verstanden sind, sodass über einen Zusammenhang mit einer mRNA-Impfung nur spekuliert werden kann. Ein Zusammenhang der ab April 2022 aufgetretenen schweren Eisenmangelanämie mit der angeschuldigten Impfung lässt sich nach dem derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht herstellen.
Hinsichtlich der Beurteilung des medizinischen Sachverhalts stützt sich die Kammer auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten ärztlichen Sachverständigen N. aus seinem Gutachten vom 24.08.2024. Danach ist es zwar vorstellbar, dass die bei der Klägerin zeitnah zur Zweitimpfung vom 16.06.2021 aufgetretenen Symptome (zumindest zum Teil) erste Anzeichen der im Juli des darauffolgenden Jahres erstmals diagnostizierten ME/CFS waren und dass die Impfung diese Krankheitserscheinungen in rechtlich wesentlicher Weise (mit) verursacht hat - obgleich erst Ende August 2021 erstmals Arbeitsunfähigkeit eintrat und es erst ab Oktober 2021 immer wieder zu Fieberschüben kam, der Gesundheitszustand der Klägerin sich also im Laufe der Zeit verschlechtert hat. Ein solcher Zusammenhang lässt sich jedoch bereits deshalb nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit herstellen, weil die Erkrankung ME/CFS (ebenso wie das damit assoziierte POTS) in ihrer Ätiologie ungeklärt und sowohl hinsichtlich ihrer Entstehung, als auch ihrer Prävalenz bislang nicht ausreichend verstanden ist. Somit ist auch eine Abwägung mit anderen potentiellen Ursachen nicht möglich.
Etwas anderes ergibt sich hier insbesondere auch nicht aufgrund der Anwendung der Regeln der sog. "Kann-Versorgung", wonach in besonderen Fällen die Anerkennung von Schädigungsfolgen unter erleichterten Voraussetzungen möglich ist. Zu den kausalitätsbezogenen Voraussetzungen der "Kann-Versorgung" hat das BSG entschieden, dass für deren Anwendung ein bloßer zeitlicher Zusammenhang nicht ausreicht, sondern nach zumindest einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung (hinreichend konkrete) Erkenntnisse vorliegen müssen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen bestimmten Belastungen bzw. Einwirkungen (hier: der angeschuldigten mRNA-Impfung) und der festgestellten Erkrankung sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine "gute Möglichkeit", die sich in der medizinischen Wissenschaft nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann. Auch in diesen Fällen reicht jedoch die bloße (einfache) Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ursachenzusammenhangs vertritt. Wird eine solche Meinung überhaupt nicht vertreten, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit; denn alle Meinungen stimmen dann darin überein (siehe BSG, Beschluss vom 07.07.2022, B 9 V 2/22 B, BeckRS 2022, 23868 Rn. 9, BAYERN.RECHT).
Zwar gibt es durchaus - jenseits einer bloßen anekdotischen Evidenz - einige Anhaltspunkte für die Existenz eines sog. Post-Vac-Syndroms (siehe z. B.: F. Scholkmann, Ch.-A. May, COVID-19, post-acute COVID-19 syndrome (PACS, "long COVID") and post-COVID-19 vaccination syndrome (PCVS, "post-COVID vac-syndrome"): Similarities and differences in: Pathology - Research and Practice 246 (2023), S. 1 ff). Eine hinreichend fundierte wissenschaftliche Lehrmeinung, die die Wahrscheinlichkeit eines (generellen) ursächlichen Zusammenhangs zwischen mRNA-Impfungen gegen COVID-19 und der Entstehung eines ME/CFS (und/oder POTS) vertritt, existiert allerdings derzeit (noch ?) nicht. Nach wie vor besteht, wie N. für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt hat, eine erhebliche Unsicherheit bezüglich der Mechanismen von Long-COVID und eine völlige Unklarheit in Bezug auf ein mögliches Post-Vac-Syndrom. Da die wissenschaftliche Grundlage so schwach ausgeprägt ist, kann man somit im vorliegenden Fall nicht argumentieren, dass sich eine rechtlich wesentliche Verursachung der bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen durch die Impfung ausschließlich deshalb nicht begründen lässt, weil die Ursache dieser Erkrankungen ungewiss ist. Vielmehr kann es ebenso gut sein, dass die Wissenschaft in den kommenden Jahren feststellt, dass die Pathogenese von ME/CFS nicht (entscheidend) durch eine solche Impfung beeinflusst wird, sondern ein völlig anderer Mechanismus Vorrang hat (siehe Gutachten vom 24.08.2024, Seite 16; vgl. dazu auch die Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts vom 19.05.2023 sowie: St. Zipper, K. Elze, H. Mast, Post-Vac, Post-COVID: versicherungsmedizinische Aspekte aus neurologischer Sicht in: Der medizinische Sachverständige, 3/24, S. 116 ff).
Nach alledem kann der Klage nicht stattgegeben werden; sie ist vielmehr abzuweisen, weil sich ein Zuwarten auf neuere und bessere (naturwissenschaftliche) Erkenntnisse aus naheliegenden Gründen verbietet (so zu Recht: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.09.2017, L 15 BL 8/14, in: juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG); das Klageverfahren ist gerichtskostenfrei (§ 183 SGG).
Abschließend sei angemerkt, dass die Klägerin - auch im Falle einer bindenden Entscheidung zu ihren Ungunsten - dann, wenn neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse bekannt werden, die geeignet sein könnten, eine veränderte medizinische und rechtliche Beurteilung des Falles zu begründen, die Möglichkeit hat, durch einen beim Beklagten gestellten Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine nochmalige Überprüfung der Sache und ggf. die (für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahre rückwirkende; vgl. § 44 Abs. 4 SGB X) Gewährung von Entschädigungsleistungen zu erwirken.