Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 17.6.2021 geändert und die Klage abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Erwerbsminderungsrente.
Der am 00.0.0000 in Y. geborene Kläger ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er hat nach einem vorübergehenden Schulbesuch in der Türkei auf der Gesamtschule den Hauptschulabschluss erworben, eine Schreinerlehre begonnen, aber nicht beendet und von 1994 bis 2014/2015 als Kommissionierer in Nachtschicht gearbeitet. Er war dann arbeitsunfähig, bezog Krankengeld und anschließend Arbeitslosengeld.
Im Mai/Juni 2014 befand sich der Kläger wegen Rückenschmerzen in einer Rehabilitationsbehandlung, wo unter anderem eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert wurde. Dort wurde berichtet: Während die letzte Tätigkeit nicht mehr leidensgerecht sei, könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten werktäglich sechs Stunden und mehr ausgeübt werden. Die Eröffnung beruflicher Perspektiven werde sicherlich einen Beitrag zur psychischen Stabilisierung leisten.
Der MdK ging im März 2016 noch davon aus, dass dem Kläger körperlich leichte Tätigkeiten möglich seien. Aufgrund einer Untersuchung im April 2016, bei der ein schwer depressives Bild gesehen worden sei, wurde eine Erwerbsfähigkeit verneint und eine Krankenhausbehandlung empfohlen. Im Juli/August 2016 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung des V. Gelsenkirchen, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, wo insbesondere eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen diagnostiziert wurde. Eine männliche Stimme rede mit dem Kläger. Er sei sehr klagsam und leidend gewesen bei starker Somatisierung. Er habe kaum eine Veränderungsmotivation gezeigt.
Am 21.9.2016 beantragte der Kläger eine Erwerbsminderungsrente. Im Auftrag der Beklagten wurde der Kläger am 2.12.2016 von der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie R. untersucht. Diese führte aus, der Kläger habe kaum gesprochen sowie wenig konkret geantwortet. Aufmerksamkeit und Konzentration seien reduziert demonstriert worden. Die geschilderten Halluzinationen hätten laienhaft gewirkt und nicht den typischen psychotischen Symptomen im Rahmen einer Depression entsprochen. Auch die demonstrierte Schwäche, Erschöpfung und kognitive Einschränkung seien nicht nachvollziehbar. Neben den Erkrankungen der Wirbelsäule liege eine mittelgradige depressive Episode vor, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien vollschichtig möglich.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12.12.2016 ab. Der Kläger legte am 23.12.2016 Widerspruch ein. Im Auftrag der Beklagten wurde der Kläger am 2.3.2017 vom Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie, Psychotherapie, Suchtmedizin K. untersucht. Dieser diagnostizierte ebenfalls eine mittelgradige depressive Episode. Neurologisch hätten sich keine eindeutig den knöchernen Schäden zuordenbare Auffälligkeiten gefunden. Der Kläger könne zwar nicht mehr seinen letzten Beruf, wohl aber körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werktäglich sechs Stunden und mehr ausüben. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 11.7.2017 zurück.
Der Kläger hat am 3.8.2017 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben, auf den Krankhausbericht aus 2016 verwiesen und die fehlende Einholung von Befundberichten durch die Beklagte moniert.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung seit Oktober 2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat - zum Teil mehrfach - Befundberichte des Facharztes für Orthopädie E., des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie, Psychotherapie A. sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin M. eingeholt.
Das Sozialgericht hat außerdem von Amts wegen Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung am 26.1.2018 vom Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Suchtmedizin J. und aufgrund ambulanter Untersuchung am 12.12.2019 von der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie L. eingeholt, wobei diese mehrere ergänzende Stellungnahmen nach Aktenlage vorgelegt hat. Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung am 7.8.2018 vom Facharzt für Neurologie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Q. B. eingeholt.
A. hat mitgeteilt, der Kläger leide seit März 2015 an einer schweren depressiven Erkrankung mit psychotischen Symptomen. Es habe sich im Verlauf keine wesentliche Änderung gezeigt.
Die Beklagte hat unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme zu den von A. übersandten Behandlungsunterlagen mitgeteilt, diese seien lückenhaft, zeigten eher quartalsweise Behandlungen, enthielten keine aussagekräftigen Befunde und belegten keine Medikamentenumstellung.
J. hat ausgeführt, der Kläger sei mit langsamem Schritt gegangen, den Kopf gesenkt und habe häufig die Augen geschlossen. Der Kläger habe erklärt, genaue Angaben zum Tagesablauf könne er nicht machen, ebenso wenig Angaben zum Gesundheitszustand seiner Angehörigen; dies sei zu mühevoll für ihn. Bei der allgemeinen körperlichen Untersuchung habe der Kläger sehr langsame Bewegungen demonstriert, in vermeintlich unbeobachteten Momenten seien diese dagegen deutlich beschleunigt gewesen. Der Finger-Nase-Versuch sei deutlich dysmetrisch gewesen, am ehesten als Ausdruck einer intendierten Aggravation. Der Kläger sei in einem gepflegten Zustand gewesen. Im psychopathologischen Befund sei der Kläger nur bedingt kooperationswillig gewesen und habe Fragen zumeist ausweichend und vage beantwortet. Die Konzentrationsfähigkeit sei leicht gemindert gewesen. Die affektive Modulation sei leicht reduziert gewesen bei gedrückter, ungeduldig-angespannter Grundstimmung. In der Hamilton-Skala hätten sich 12 Punkte als Ausdruck einer leichten depressiven Episode ergeben. Der BPRS spreche für eine lediglich geringe psychische Beeinträchtigung, das Beschwerdevalidierungsverfahren SIMS für eine relevante Aggravation und mögliche Simulation. Es liege eine Persönlichkeitsakzentuierung, aber noch keine Persönlichkeitsstörung vor. Jene bedinge eine Neigung zu Depressionen. Es bestehe außerdem eine Neigung zur Somatisierung, ohne dass eine Somatisierungsstörung angenommen werden könne. Die depressive Störung sei aktuell leichtgradig ausgeprägt. Da Allgemein- und Pflegezustand gut seien, könne keine wesentliche Antriebsstörung und damit verbundene Selbstvernachlässigung angenommen werden. Es erfolge keine Behandlungseskalation. Die behaupteten Halluzinationen seien untypisch für eine depressive Erkrankung und auch angesichts der Ergebnisse der Beschwerdevalidierung am ehesten Ausdruck einer Aggravation im Rahmen des Rentenbegehrens. Der behandelnde Psychiater habe sich offensichtlich ohne Überprüfung allein auf die Angaben des Klägers gestützt. Die derzeitig leicht ausgeprägte depressive Erkrankung, ein intermittierender Spannungskopfschmerz, eine Persönlichkeitsakzentuierung und eine Abhängigkeit von Tabak bedingten qualitative Leistungseinschränkungen, aber keine quantitative Leistungseinschränkung. Einer solchen stehe auch entgegen, dass bestehende Behandlungsoptionen nicht ausgeschöpft seien. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Der behandelnde Psychiater, das 2016 behandelnde Krankenhaus und der MdK lieferten keine ausreichenden Befundtatsachen für die dort gestellten Diagnosen und hätten keine Beschwerdevalidierung vorgenommen. Auffällig sei, dass die im Krankenhaus verordnete hochdosierte neuroleptische Medikation keinerlei Effekt gehabt habe.
B., der bei der Begutachtung einen weiteren Arzt und einen Psychologen hinzugezogen hat, hat ausgeführt, die Exploration sei erheblich erschwert gewesen. Der Kläger sei sehr ungepflegt gewesen und habe konfus gewirkt. Er sei so unkonzentriert gewesen, dass die Anamnese in Teilen nicht habe erhoben werden können. Die Ehefrau habe berichtet, der Kläger liege nur auf dem Sofa, sei aggressiv und ungeduldig. Konzentration und Gedächtnis seien beeinträchtigt gewesen, die Stimmung deprimiert und verflacht. Es sei eine Neigung zur Aggravation festzustellen gewesen. Bei der neurologischen Untersuchung habe der Kläger sich zum Teil auf den Boden fallen lassen und das Gangbild plump ausgestaltet. Im Rahmen der Testdiagnostik sei er sehr leidend gewesen. In der Hamilton-Skala hätten sich 32 Punkte ergeben. Trotz bizarrem Verhalten und Aggravationstendenzen liege eine schwere psychische Störung vor. Der Kläger leide an einer histrionischen Persönlichkeitsstörung, die eine Dysthymie zur Folge habe. Die dramatisierende Ausgestaltung von Symptomen sei Ausdruck der Persönlichkeitsstörung. Allerdings sei die diagnostische Zuordnung dadurch erschwert, dass der Kläger aus einem anderen Kulturkreis stamme. Er könne werktäglich nur noch unter drei Stunden arbeiten und weder zur Hauptverkehrszeit den ÖPNV noch ein KfZ nutzen. Es könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der derzeitige Zustand schon 2016 bestanden habe. Im Vergleich zur Begutachtung durch J. liege eine Verschlechterung vor.
L. hat ausgeführt, dass sie den Kläger auf Türkisch exploriert habe. Dieser habe mitgeteilt, dass er länger nicht bei einem Orthopäden gewesen sei. Er habe ungepflegt und vorgealtert ausgesehen bei körperlich gutem Allgemeinzustand. Der Finger-Nase-Versuch sei sicher gewesen, das Gangbild vorsichtig. Der Kläger habe eine Gefühlsminderung angegeben, die neurologisch nicht einzuordnen gewesen sei. Wurzelbezogene neurologische Ausfall- oder Reizerscheinungen hätten sich nicht gefunden. Die Exploration habe sich schleppend gestaltet. Schwingungsfähigkeit und Antrieb seien reduziert gewesen, die Stimmung depressiv. Im Vordergrund stünden der Verlust der Arbeit und Schmerzen. Im Verlauf des Gespräches hätten Aufmerksamkeit und Konzentration nachgelassen. In der Hamilton-Skala hätten sich 34 Punkte ergeben. Es liege eine anhaltend schwere depressive Störung mit psychotischen Symptomen vor, differentialdiagnostisch eine schizoaffektive oder eine paranoide Psychose, außerdem eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und eine Tabakabhängigkeit. Es hätten sich geringe Aggravationstendenzen gezeigt, die im Rahmen der Persönlichkeitsstruktur der Verdeutlichung des subjektiven Leidens dienten. Das Leistungsvermögen sei auf unter drei Stunden herabgesunken. Angesichts des Krankenhausberichts aus 2016 bestehe dieser Zustand auch bereits seit Antragstellung. Es bestehe nach Krankenhausbehandlung und mehrfacher Umstellung der Medikation durch den behandelnden Psychiater eine schlechte Prognose. Gleichwohl sei eine mindestens teilstationäre Behandlung zu empfehlen. Sie sehe sich in ihrer Beurteilung in Übereinstimmung mit A..
Die Beklagte hat unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme ausgeführt, L. habe keine testpsychologische Beschwerdevalidierung vorgenommen. Es fehlten Angaben zum Ausmaß der Befundauslenkung. Es sei nicht plausibel, dass der Kläger sich mit einer Persönlichkeitsstörung bis 2014 unauffällig entwickelt habe. Die Differentialdiagnosen zeigten, dass keine diagnostische Sicherheit bestehe. Es sei nicht überzeugend, dass die auch von L. festgestellten Antwortverzerrungen lediglich einer Verdeutlichung entsprächen. Anders als von ihr behauptet, sei durch den behandelnden Psychiater keine Medikamentenumstellung vorgenommen worden. Eine Auseinandersetzung mit den Vorgutachten finde nicht statt.
L. hat ergänzend ausgeführt, die Medikamentenumstellung sei im Krankenhaus erfolgt und vom behandelnden Psychiater übernommen worden. Unter ambulanten Bedingungen wäre eine Medikamentenumstellung zu risikoreich. Zur Jugend des Klägers seien keine Informationen zu gewinnen gewesen. Da die orthopädischen Behandlungsmaßnahmen einschließlich Operation der Wirbelsäule keine Besserung der Schmerzsymptomatik ergeben hätten, liege eine chronische Schmerzstörung vor. Es bestehe eine erhebliche familiäre Vorbelastung für psychische Krankheiten. Eine lange unauffällige Entwicklung schließe eine Persönlichkeitsstörung nicht aus. Ein belastendes Ereignis wie hier der Arbeitsplatzverlust könne zur Dekompensation führen. Aggravation im Sinne einer Verdeutlichung schließe das Vorliegen einer schweren psychischen Störung nicht aus. Was weitere Behandlungsmöglichkeiten angehe, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass 2016 eine stationäre Behandlung stattgefunden habe. Eine Psychotherapie verspreche mangels Introspektionsfähigkeit keinen Erfolg. Die Nichtwahrnehmung bestimmter Behandlungsmöglichkeiten könne vielfältige Ursachen haben und bedeute nicht automatisch einen fehlenden Leidensdruck. Die von B. behauptete Verschlechterung sei angesichts des Krankenhausberichtes aus 2016 nicht plausibel.
Die Beklagte hat unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme ausgeführt, es fehle weiterhin an einer Konsistenzprüfung und einer kritischen Auseinandersetzung mit allen Vorgutachten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 17.6.2021 hat der Kläger auf eine Handgelenksverletzung hingewiesen, die 2020 operativ versorgt worden sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17.6.2021 die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Grundlage eines Leistungsfalls im Juli 2016 befristet vom 1.2.2017 bis zum 30.6.2024 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte trage die Kosten zu drei Vierteln. Der Kläger sei voll erwerbsgemindert, was sich insbesondere aus dem Gutachten von L. ergebe. Die genauen Diagnosen seien letztlich nicht entscheidend. Der Kläger habe sich der einzig muttersprachlich explorierenden Sachverständigen gegenüber mehr geöffnet als gegenüber den anderen Gutachtern. Dass der Kläger auch bei ihr angebe, diverse Dinge nicht zu wissen, spreche gerade gegen Aggravation, da es andernfalls nahegelegen hätte, nunmehr genauere Angaben zu machen, um seine Erkrankung zu erklären. Es sei auffällig und auch plausibel, dass er nicht in der Lage sei, Belastungen aus der Vorgeschichte zu verbalisieren, da dies eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung erfordere. Es sei auch nachvollziehbar, dass erst der Verlust des Arbeitsplatzes und die zunehmenden Schmerzzustände zu einer Dekompensation geführt hätten. Die geringgradigen Aggravationstendenzen seien als Verdeutlichung zu verstehen. Bei bewusstseinsnaher Ausgestaltung hätten sie anders ausgesehen. Die Annahme einer wesentlichen Verschlimmerung durch B. passe nicht zu den aktenkundigen Behandlungsunterlagen. Gegen das Gutachten von J. sei einzuwenden, dass der Kläger dort durchaus konsistent zu vorherigen Angaben seine Beschwerden geschildert habe. Jener schließe wegen eines gepflegten Aussehens auf eine fehlende Antriebsstörung ohne zu erwägen, dass sich die Ehefrau des Klägers um diesen kümmere. J. ziehe keine alternativen Erklärungsmöglichkeiten für das Nichtausschöpfen von Behandlungsmöglichkeiten in Betracht. Würde der Kläger tatsächlich bewusstseinsnah aggravieren, täte er dies sehr konstant über Jahre, was ungewöhnlich wäre. Eine Dauerrente habe allerdings nicht zugesprochen werden können.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 20.7.2021 zugestellte Urteil am 28.7.2021 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, das Sozialgericht sei einseitig L. gefolgt. J. habe anders als diese eine Konsistenzprüfung vorgenommen. Es sei vielfach Aggravation festgestellt worden, die nicht durch gleichförmiges Verhalten widerlegt werde. Diagnosen seien im Vollbeweis festzustellen. Es seien noch ein Bericht über die Handgelenksoperation 2020, vom Sozialgericht angeführte MdK-Gutachten und aktuelle Berichte beizuziehen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hätten zuletzt im Juli 2020 vorgelegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 17.6.2021 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das Gutachten von L. und den behandelnden Psychiater. Selbst J. habe eine chronifizierte Störung festgestellt. Allerdings seien dessen Annahmen zur Tagesstruktur unzutreffend. Neben den psychischen Störungen seien auch die somatischen Erkrankungen zu beachten. Ab März 2023 sei bei ihm ein GdB von 50 festgestellt worden.
Der Senat hat ergänzende Behandlungsunterlagen von A. und M. sowie Gutachten des MdK aus 2016 beigezogen.
Der Kläger trägt hierzu vor, aus den Unterlagen von A. ergebe sich eine durchgehende Behandlung. Die Beklagte trägt unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme hierzu vor, die Unterlagen von A. enthielten weiterhin kaum Befunde. Der Bericht über die Handgelenksoperation aus 2020 enthalte weder Hinweise auf Komplikationen noch auf psychische Auffälligkeiten.
Der Senat hat sodann von Amts wegen Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung am 22.8.2022 vom Facharzt für Chirurgie, Sozialmedizin U. und aufgrund ambulanter Untersuchung am 23.11.2022 vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Schmerztherapie, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie des X. Y. C. eingeholt. Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat außerdem ein Sachverständigengutachten aufgrund ambulanter Untersuchung am 20.3.2023 von T., Oberarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie des Z. eingeholt.
U. hat ausgeführt, die Beweglichkeit des linken Handgelenkes sei eingeschränkt gewesen bei normaler Beweglichkeit der Finger und normaler Hohlhandbeschwielung. Dreh- und Seitneigung des Kopfes seien mäßig eingeschränkt gewesen ohne radikuläres Schmerzmuster. Im Bereich der unteren LWS trete funktionsabhängig ein lumbalgieförmiger Schmerz ohne radikuläre Ausstrahlung auf. Es lägen ein chronisches Schmerzsyndrom der HWS und LWS mit mäßig- bis mittelgradiger Ausprägung ohne klinisch relevante neurologische Ausfälle und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes mit Kraftminderung vor. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch körperlich leichte Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen werktäglich sechs Stunden und mehr ausüben. Solange keine größere Kraftentfaltung erforderlich sei, sei die Greif- und Haltefunktion der linken Hand erhalten. Die Gehfähigkeit sei allein durch eine pseudoradikuläre Ausstrahlung in das rechte Bein beeinträchtigt, die Wegefähigkeit aber erhalten. Phasenweise habe sich eine Verdeutlichung gezeigt.
Der Kläger wendet hierzu unter Vorlage von Attesten ein, es seien keine bildgebenden Befunde erhoben worden.
C. hat ausgeführt, der Kläger habe in der Untersuchungssituation seltsame Bewegungen gemacht und seltsame Laute von sich gegeben, nicht auf Fragen geantwortet und sich die FFP2-Maske vor die Augen gebunden. Zum Teil sei eine Befunderhebung nicht möglich gewesen. Der Kläger habe sich in einem guten Allgemeinzustand befunden. Die HWS sei in allen Ebenen frei gewesen. In der Einzelkraftprüfung sei ubiquitär eine hochgradige Kraftminderentfaltung demonstriert worden. Finger-Nase-Versuch, Stand- und Gangprüfungen seien unauffällig gewesen. Die Schwingungsfähigkeit sei eingeengt gewesen, die Stimmung moros dysthym, gereizt und unzufrieden. Es liege eine relevante Aggravation nahe. Für sämtliche getesteten Medikamente außer Tramadol sei der Medikamentenspiegel negativ bzw. unterhalb des therapeutischen Niveaus gewesen. Der Beurteilung durch U. werde zugestimmt. Auf psychiatrischen Fachgebiet seien sehr unterschiedliche Diagnosen gestellt und Bewertungen abgegeben worden. Dies werfe die Frage nach der Konsistenz des Beschwerdebildes auf. Ein typischer depressiver Wahn werde nicht geschildert. Auffällig sei, dass in der Rehabilitationsbehandlung nur Wirbelsäulenprobleme und Depressivität, nicht aber psychotische Symptome gesehen worden seien. Das spätere Auftreten einer psychotischen Erkrankung sei nicht wahrscheinlich und nicht objektivierbar. Soweit A. eine schwere depressive Episode diagnostiziere, werde diese nicht zeitlich abgegrenzt. Weder die Behandlungsfrequenz noch die Medikation passe zu einer schweren depressiven Erkrankung. Eine Therapieeskalation sei ebenso wenig erfolgt wie eine Anpassung der Medikamente unter Kontrolle des Medikamentenspiegels. B. und L. würden die Möglichkeit einer negativen Antwortverzerrung nicht sehen. Eine Persönlichkeitsstörung als eine lebensbegleitende schwere psychische Strukturstörung sei nicht ersichtlich. Während eine histrionische Akzentuierung nachvollziehbar sei, fehlten jegliche Anhaltspunkte für die diversen von L. genannten Arten von Persönlichkeitsstörungen. Auch bei ihr sei der Kläger verschlossen gewesen. Ihre Diagnosen seien reine Vermutungen. Der von ihr erhobene Befund erlaube auch nicht die Diagnose einer psychotischen Erkrankung. Dabei sei zu bedenken, dass die Gabe von Psychopharmaka keinerlei Wirkung gezeigt habe. Auffällig sei, dass der Kläger bei U. weitgehend adäquat agiert habe und nicht höhergradig körperlich und in der sozialen Interaktion eingeschränkt gewesen sei, während er sich aktuell wie ein Patient mit Alzheimer im Endstadium geriert habe. Dieses hochgradig unterschiedliche Verhalten sei mit keiner psychiatrischen Erkrankung zu erklären. Es könne nur Ausdruck eines bewussten Verhaltens sein. Es könne von einem chronisch depressiven Bild – maximal mittelschwer – mit gewissen somatoformen Tendenzen ausgegangen werden. In der Gesamtschau seien aus orthopädisch/chirurgischer und neurologischer Sicht körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen, z.B. keine größere manuelle Beanspruchung, werktäglich sechs Stunden und mehr möglich. Psychiatrischerseits könne eine überdauernde quantitative Leistungsminderung nicht belegt werden. Den von der Beklagten eingeholten Gutachten sowie dem Gutachten von J. sei zuzustimmen. Die von B. angenommenen Erkrankungen seien leichtgradig bzw. rechtfertigten nicht die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung, die auch nicht überzeugend aus dem erhobenen Befund abgeleitet werde. Die von L. gestellten Diagnosen ließen sich nicht belegen. Sie habe unkritisch die Möglichkeit einer negativen Antwortverzerrung verworfen, keinen Medikamentenspiegel bestimmt und sich nicht hinreichend mit abweichenden Befunden und dem Behandlungsverlauf auseinandergesetzt.
Der Kläger führt hierzu aus, C. sei offensichtlich nicht in der Lage gewesen, das Krankheitsbild zu beurteilen. Dann könne aus dessen Gutachten nichts Nachteiliges für ihn abgeleitet werden. Ggf. müsse eine Begutachtung im stationären Setting erfolgen. U. habe keine Aggravation angenommen. Schon aufgrund der orthopädischen Leiden sei das Leistungsvermögen aufgehoben.
T. führt in seinem vom Chefarzt der Klinik mitunterzeichneten Gutachten aus, der Kläger habe ein langsames Gangbild gezeigt, aber kein Schonhinken. Die Wirbelsäule sei in allen Etagen und allen Ebenen bewegungseingeschränkt. Das Claudicatio-spinalis-Zeichen sei positiv. Der Kläger müsse schon nach kurzer Gehstrecke eine Pause einlegen. Es bestünden auf orthopädischem Gebiet ein HWS-Syndrom, ein LWS-Syndrom mit Bandscheibenvorfall und Spinalkanalstenose sowie eine Radiusfraktur mit Bewegungseinschränkung. Der Kläger könne nicht mehr lange stehen oder sitzen und nur noch Lasten bis 5kg tragen. Wegen seiner starken Konzentrations- und Aufmerksamkeitseinschränkung könne er keine verwertbaren Arbeiten mehr ausführen. Die Gehstrecke betrage nur noch 50 Meter, im ÖPNV benötige er eine Begleitperson. Gegenüber den Vorgutachten liege nach den Schilderungen des Klägers und seiner Ehefrau eine deutliche Verschlechterung vor, wobei nicht genauer eingegrenzt werden könne, wann diese eingetreten sei. Aggravationstendenzen hätten nicht bestanden.
U. führt hierzu aus, das Gutachten von T. erfülle nicht die Anforderungen an ein Rentengutachten, wie sie von der Beklagten vorgegeben würden. Eine genaue Exploration der geschilderten Schmerzen erfolge nicht. Es fehle die Behandlungsanamnese. Der Gang sei bei fehlendem Schonhinken noch besser als am 23.11.2022. Es habe sich auch hier keine schmerzbedingte Schon- und dadurch bedingte Fehlhaltung der Wirbelsäule gezeigt. Angaben zu Bewegungsabläufen fehlten ebenso wie genaue Angaben zu den Bewegungsausmaßen. Ein Claudicatio-spinalis-Zeichen gebe es nicht. Offenbar habe sich T. allein auf die Angaben des Klägers zur Wegstrecke gestützt. Eine Untersuchung der unteren Extremitäten sei offenbar unterblieben. Die Angabe einer Spinalkanalstenose überrasche, da eine solche 2013 operativ behandelt worden sei, keine beweisenden bildgebenden Befunde vorlägen und es an entsprechenden neurologischen Ausfällen fehle. Eine Auseinandersetzung mit Vorgutachten erfolge nicht. Eine Verschlechterung werde nicht plausibel begründet.
Die Beklagte führt aus, das Gutachten von T. sei sehr kurz, es fehlten wesentliche Elemente und seine Bewertungen seien aus dem Befund nicht ableitbar. Auffälligerweise habe sich der Kläger dort anders als bei C. umfangreicher äußern können. Ob, wie von U. angenommen, tatsächlich eine Einschränkung im Bereich der linken Hand vorliege, sei angesichts der unauffälligen Hohlhandbeschwielung fraglich.
Der Kläger moniert, dass U. auf Kriterien der Beklagten verweise, die er dann offenbar auch seinem Gutachten zugrunde gelegt habe.
C. führt ergänzend aus, die Anamnese im Gutachten von T. sei kurz und unscharf. T. habe sich in seiner Leistungsbeurteilung offensichtlich auf die Angaben des Klägers und dessen Familie gestützt. Eine Verschlechterung sei nicht plausibel. Er begründe die Leistungsminderung maßgeblich mit Konzentrations- und Aufmerksamkeitsproblemen, also fachfremd. Die zwischenzeitlich beigezogenen MdK-Gutachten aus 2016 enthielten keine aussagekräftigen Befunde. Anders als der Kläger meine, sei es durchaus möglich, Aggravation von krankheitsbedingten Verhaltensauffälligkeiten abzugrenzen. Es bestehe kein Zweifel, dass das vom Kläger demonstrierte Verhalten bewusstseinsnah gewesen sei. Daher sei auch eine erneute Begutachtung im stationären Setting nicht erfolgversprechend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und § 151 Abs. 1 SGG fristgerechte Berufung der Beklagten ist begründet.
Das Sozialgericht hat der als kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage statthaften Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben, da diese zwar zulässig, aber unbegründet ist. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Er hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. § 43 Abs. 2 SGB VI regelt die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn die Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ist der Vollbeweis einer auch nur teilweisen Erwerbsminderung ab Antragstellung bzw. Juli 2016 nicht erbracht. Im folgenden Zeitraum bis Juli 2020 einschließlich ist auch kein neuer Versicherungsfall eingetreten. Danach sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt gewesen.
Für das Leistungsvermögen relevante internistische Erkrankungen liegen insbesondere ausweislich der Gutachten von C. und U. nicht vor, wobei gerade U. als Sozialmediziner in der Lage gewesen ist, fachübergreifend die relevanten Gesundheitseinschränkungen zu identifizieren.
Auf orthopädischem Gebiet liegen insbesondere Verschleißerkrankungen der Wirbelsäule mit Z.n. Bandscheiben-OP 2013 und eine verbliebene Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes nach operativ versorgter Fraktur 2020 vor. Diese Erkrankungen führen zu für Wirbelsäulenerkrankungen typischen qualitativen Leistungseinschränkungen und einem Ausschluss von Tätigkeiten mit höhergradiger Kraftentfaltung der linken Hand. Daraus ergibt sich aber weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens. Diese Leistungsbeurteilung stützt sich auf das lege artis erstellte, ausführliche, differenzierte und nachvollziehbar begründete Gutachten von U. sowie ergänzend auf den – im Hinblick auf den Antragszeitpunkt zeitnäheren – Bericht über die Rehabilitationsbehandlung 2014 in Bad Wildungen. Eine fachorthopädische Behandlung wurde in der Zeit seit Antragstellung nicht mehr in Anspruch genommen, was gegen einen höhergradigen Leidensdruck spricht.
Der Verwertung des Gutachtens von U. steht nicht entgegen, dass er in seiner ergänzenden Stellungnahme auf Gutachtenstandards der Beklagten Bezug genommen hat. Es ist nicht ersichtlich, dass er seinem Gutachten oder seiner ergänzenden Stellungnahme andere Kriterien zugrunde gelegt hätte als diejenigen, die auch gerichtlichen Rentengutachten zugrunde zu legen sind.
Auf das Gutachten von T. kann der Senat die Leistungsbeurteilung nicht stützen, weil dieses Gutachten erhebliche Mängel aufweist. Wie C., U. und die Beklagte zutreffend ausführen, fehlen wesentliche Teile eines sozialmedizinischen Sachverständigengutachtens wie eine ausführliche Anamnese, eine Untersuchung der unteren Extremitäten und eine Epikrise. Die diagnostizierte Spinalkanalstenose wird nicht überzeugend begründet und ist umso weniger plausibel, als bereits 2013 eine diesbezügliche operative Versorgung erfolgt ist. Insbesondere hinsichtlich der Gehfähigkeit legt der Sachverständige schlicht die Angaben des Klägers zugrunde und behauptet ein medizinisch nicht existentes „claudicatio-spinalis-Zeichen“. Die in einem Sachverständigengutachten gebotene kritische Überprüfung von Beschwerdeangaben fehlt ebenso wie eine Auseinandersetzung mit Vorbefunden und anderen Gutachten. Angesichts deutlicher Hinweise auf Aggravation in fast allen Gutachten sowie überwiegend deutlich besserer Befunde anlässlich der Begutachtung durch U. wären eine solche kritische Überprüfung und Auseinandersetzung aber erforderlich gewesen. Die bloße Behauptung einer Verschlimmerung wird medizinisch nicht begründet und ist auch nach der Aktenlage nicht plausibel.
Auf psychiatrischem Gebiet liegt in erster Linie eine chronisch depressive Erkrankung wechselnder Ausprägung, überwiegend leicht bis mittelgradig, vor. Hinzu kommen gewisse Somatisierungstendenzen und eine akzentuierte Persönlichkeit. Eine höhergradige depressive Erkrankung, erst recht eine solche mit psychotischen Symptomen, eine Psychose oder eine Persönlichkeitsstörung sind dagegen nicht erwiesen.
Der Senat stützt sich hierbei auf die weitgehend übereinstimmenden Diagnosen der Reha-Klinik Bad Wildungen sowie der Gutachter bzw. Sachverständigen R., K., J. und C., wobei sich insbesondere die Gutachten von J. und C. durch eine sehr gründliche Analyse der Aktenlage, eine ausführliche Befunderhebung und eine plausible sozialmedizinische Einordnung auszeichnen. Die Gutachten von R., K. und J. haben den Vorteil, dass sie auf Untersuchungen im relevanten Zeitraum beruhen.
Kritisch anzumerken ist am Gutachten von J. allenfalls, dass dieser im Zusammenhang mit der Frage des Restleistungsvermögens bestehende Behandlungsoptionen erwähnt. Denn diese sind nicht maßgeblich für das Restleistungsvermögen, sondern für die Frage, ob bei einem relevant eingeschränkten Leistungsvermögen eine befristete oder eine Dauerrente zu gewähren ist. Die Ausführungen von J. können aber so verstanden werden, dass er über den von ihm hergestellten Zusammenhang zwischen nicht ausgeschöpften Behandlungsmöglichkeiten und fehlender Therapieresistenz einen geringeren Schweregrad des psychischen Leidens begründen will. Letztlich kann dies dahinstehen, da J. diesen Themenkomplex nur als zusätzliches Begründungselement anführt.
Der Feststellung weitergehender Diagnosen steht insbesondere eine erhebliche Aggravation bis hin zur Simulation durch den Kläger entgegen. In diversen Begutachtungssituationen hat der Kläger Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die medizinisch nicht begründbar waren. Dies gilt zunächst für die vom Kläger angegeben psychotischen Symptome, die laut R., J. und C. gerade nicht typisch für einen depressiven Wahn sind und von denen im Bericht über die vor dem Rentenverfahren durchgeführte Rehabilitationsbehandlung im Übrigen keine Rede ist. Darüber hinaus hat sich der Kläger immer wieder hochgradig auffällig verhalten, was die Sachverständigen beispielsweise dadurch kenntlich gemacht haben, dass sie davon sprachen, der Kläger habe bestimmte Einschränkungen „demonstriert“. B. beschrieb, dass der Kläger sich nach einer Kniebeuge „behutsam auf den Boden“ habe fallen lassen. C. beschrieb, dass der Kläger sich seine FFP2-Maske über die Augen gezogen habe. Der Kläger habe sich präsentiert wie ein Patient „mit Morbus Alzheimer im Endstadium“. J. teilte mit, dass u.a. das Beschwerdevalidierungsverfahren SIMS Hinweise auf relevante Aggravation und mögliche Simulation ergeben habe.
Dass das hochgradig auffällige Verhalten des Klägers in den psychiatrischen Untersuchungssituationen nicht krankheitswertig ist, wird unabhängig von der laut mehreren Gutachtern fehlenden medizinischen Einordbarkeit auch dadurch untermauert, dass etwa bei der chirurgisch-sozialmedizinischen Begutachtung durch U. gerade kein derartiges Verhalten dokumentiert wurde.
Gegen eine überdauernde höhergradige psychische Erkrankung spricht schließlich die vergleichsweise geringe Behandlungsnachfrage und fehlende Therapieeskalation, worauf insbesondere J. und C. überzeugend hinweisen.
Die Berichte des behandelnden Psychiaters A., der Entlassungsbericht des V. aus Mitte 2016, die MdK-Gutachten aus 2016 sowie die Sachverständigengutachten von L. und B. sind bei dieser Sachlage nicht geeignet, den Nachweis einer relevanten Leistungsminderung zu erbringen.
Den Unterlagen von A. sind – wiederum nach den überzeugenden Ausführungen von J. und C. – bereits keine seine Diagnosen begründenden Befunde zu entnehmen. Im Fall der von ihm behaupteten schweren psychischen Störung hätte danach eine Intensivierung der Behandlung erfolgen müssen, was ohne ersichtlichen Grund nicht geschehen ist. W. stützte seine Beurteilung für den MdK ausweislich seiner Gutachten maßgeblich auf die – eben nicht überzeugende – Einschätzung von A.. Er urteilte als Sozialmediziner letztlich fachfremd. Das G.-Krankenhaus legte seiner Diagnose psychotische Symptome zugrunde, die nach den oben zitierten Gutachten jedoch nicht als plausibel anzusehen sind. J. weist darauf hin, dass eine während des Krankenhausaufenthaltes erfolgte hochdosierte spezifische Medikation keine Besserung der geklagten Symptome erbracht habe, was Zweifel an diesen Symptomen wecke.
B. stellt mit einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit im Vordergrund stehenden histrionischen Zügen und einer Dysthymie Diagnosen, die laut C. nicht zwingend eine relevante quantitative Leistungseinschränkung begründen. Dabei ist die Diagnose der Persönlichkeitsstörung insbesondere angesichts der Ausführungen von J. und C. auch nicht gesichert. C. weist überzeugend darauf hin, dass sich eine Persönlichkeitsstörung als schwere lebensbegleitende Erkrankung in der Biographie des Klägers nicht aufdecken lässt. Nicht überzeugend ist es, wenn B. die auch von ihm gesehene und ausdrücklich so bezeichnete Aggravation als Ausdruck der Persönlichkeitsstörung sieht und damit nicht nur die Aggravation relativiert, sondern letztlich mit dieser seine Diagnose begründet. B. gelingt auch keine überzeugende Auseinandersetzung mit den Vorgutachten, wenn er die dortige Leistungsbeurteilung nicht infrage stellt, sondern eine Verschlimmerung annimmt, die sich in den Berichten der behandelnden Ärzte aber nicht abbildet und der selbst L. ausdrücklich widerspricht. Schließlich relativiert B. seine Beurteilung selbst durch Verweis auf Schwierigkeiten der diagnostischen Zuordnung aufgrund des kulturellen Hintergrundes des Klägers, ohne dass dies weiter erläutert wird oder dass daraus für die Leistungsbeurteilung Konsequenzen gezogen werden.
Was das Gutachten von L. angeht, so ist dieses den übrigen Gutachten nicht bereits deshalb überlegen, weil L. als einzige Sachverständige den Kläger auf Türkisch exploriert hat. Immerhin ist der Kläger in Y. geboren, überwiegend in Deutschland aufgewachsen und hat hier seitdem gelebt. Eine für die Begutachtung relevante Schwäche des Klägers im Deutschen ist nicht ersichtlich. Dem Gutachten von L. ist entgegenzuhalten, dass keine hinreichende Auseinandersetzung mit den abweichenden Vorgutachten erfolgt, der Aspekt der Aggravation vernachlässigt wird und – gerade vor dem Hintergrund der vielfach dokumentierten Aggravation – keine kritische Überprüfung der Beschwerdeangaben des Klägers vorgenommen wird. Erheblichen Bedenken begegnet es, wenn sie in ihrer zweiten ergänzenden Stellungnahme ausführt, an ihrer Beurteilung ergebe „sich auch bei Vorliegen einer Aggravation keine Änderung“.
Die Beklagte und C. kritisieren, dass L. mehrere Differentialdiagnosen in den Raum stelle und dass sie sich diagnostisch demnach unsicher sei. Dies ist zwar nicht per se ein Gutachtenmangel, da es letztlich auf krankheitsbedingte Leistungseinschränkungen und nicht Diagnosen ankommt. Jedoch ist L. entgegenzuhalten, dass sie bei ihrer Hauptdiagnose (schwere depressive Störung mit psychotischen Symptomen) und den diesbezüglichen Differentialdiagnosen (unterschiedliche Psychosen) psychotische Symptome unterstellt, die nach den Ausführungen mehrerer Gutachter/Sachverständiger nicht plausibel sind. Auch ihre zweite Diagnose, eine Persönlichkeitsstörung, kann - wie bereits ausgeführt - nicht als gesichert angesehen werden. Der Einwand von L., fehlende Belege einer lebensbegleitenden Störung schlössen die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nicht aus, verkennt den Beweismaßstab. Es geht nicht darum, ob etwas „nicht ausgeschlossen“, also möglich ist, sondern darum, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der begehrten Leistung, hier die krankheitsbedingte Leistungseinschränkung, bewiesen werden können. Begegnen nun beide maßgeblichen Diagnosen im Gutachten von L. erheblichen Bedenken, kann auch ihre darauf gestützte Behauptung einer schweren psychischen Störung nicht überzeugen.
Die sich aus der psychischen Erkrankung ergebenden (qualitativen) Leistungseinschränkungen, die insbesondere J. überzeugend darlegt, führen weder für sich genommen noch in Zusammenschau mit den übrigen, insbesondere orthopädisch begründeten Leistungseinschränkungen, zu einer relevanten Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens oder der Erfüllung sonstiger Erwerbsminderungstatbestände wie etwa einer Wegeunfähigkeit. Zumindest körperlich und geistig einfache Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind dem Kläger weiterhin möglich. Der Senat geht in Anlehnung an die im neurologisch/psychiatrischen Konsil während der Rehabilitationsbehandlung 2014 vertretene Auffassung davon aus, dass eine leidensgerechte berufliche Tätigkeit sogar einen erheblichen Beitrag zur psychischen Stabilisierung des Klägers leisten würde.
Eine weitere Sachaufklärung war nicht geboten, auch keine Begutachtung unter stationären Bedingungen. Wie insbesondere C. nachvollziehbar ausführt, ist die Abgrenzung von krankheitsbedingten Verhaltensauffälligkeiten sowie von Verdeutlichung, Aggravation und Simulation durchaus möglich. Hier ist nach Auffassung des Senats erhebliche Aggravation bis hin zur Simulation anzunehmen. Dann sind weitere Begutachtungen nicht zielführend. Dies gilt umso mehr, als der maßgebliche Zeitraum von Antragstellung bis zum letztmaligen Erfülltsein der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen mittlerweile weit in der Vergangenheit liegt.
Ein Anspruch auf Rentenleistungen wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht, wie in § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI vorausgesetzt, vor dem 2.1.1961 geboren ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.