Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.03.2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klagen abgewiesen werden.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Verletztenrente sowie die Anerkennung von Unfallfolgen.
Der 00.00.0000 geborene Kläger erlitt am 19.10.1962 einen Arbeitsunfall, als er auf dem Weg zur Arbeit mit seinem Moped verunglückte. Bei dem Unfall zog er sich u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma, einen Oberkieferabriss, einen linksseitigen Jochbeinbruch sowie einen Schlüsselbeinbruch und eine traumatische Sattelnase zu. Laut Befundbericht des Nervenarztes A. vom 30.12.1962 fanden sich in psychischer Hinsicht keine wesentlichen Auffälligkeiten. Die Heilbehandlung wurde am 21.01.1963 abgeschlossen. Danach nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.
Die damals für den Versicherungsfall des Klägers zuständige Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft, Rechtsvorgängerin der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft, die wiederum Rechtsvorgängerin der Beklagten ist, ließ den Kläger im August 1963 durch den Nervenfacharzt A. begutachten. Nachdem im Durchgangsarztbericht zunächst die Diagnose eines Schädelbasisbruchs mit Hirnquetschung angegeben worden war, sah A. keine sicheren Anhaltspunkte für eine contusio cerebri. Die vom Kläger damals geklagten Kopfschmerzen, Wetterfühligkeit und Gedächtnisstörungen betrachtete er als leichte Folgen der Kopfverletzung und bewertete diese zusammen mit einer leichten, unfallbedingten Schädigung des Trigeminus II in der linken Gesichtshälfte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH. Die kieferfachärztliche Begutachtung vom 03.05.1963 ergab nach entsprechender operativer Versorgung keine Funktionsausfälle mehr. Es wurde eine normale Okklusion und ein in guter Stellung knöchern verheilter Jochbeinbruch dokumentiert. Im augenärztlichen Gutachten vom 25.04.1964 wurde eine Tränensackstenose rechts diagnostizierte, die in der Folge operativ behandelt wurde. Im Übrigen wurde festgehalten, es ergebe sich ein in allen Teilen regelrechter Befund.
Mit Bescheid vom 26.03.1964 wurde dem Kläger eine vorläufige Rente nach einer MdE von 30 vH für die Zeit vom 21.01. bis 30.04.1963 und danach eine solche nach einer MdE von 20 vH bewilligt. An Unfallfolgen wurden Beschwerden nach Kopfverletzung und Gehirnerschütterung anerkannt. Mit Bescheid vom 05.06.1964 wurde eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 vH gewährt und als Unfallfolgen eine leichte Schädigung des Trigemus II sowie eine Tränensackstenose anerkannt.
Mit Bescheid vom 25.08.1966 wurde dem Kläger die Dauerrente wegen einer wesentlichen Besserung in den Unfallfolgen mit Ablauf des Monats September 1966 entzogen. Die Tränensackstenose bestehe nicht mehr, der Trigeminus II links sei nicht mehr so stark druckschmerzhaft. Der Kläger strengte hiergegen ein Klageverfahren an, in dem gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein neurologisches Gutachten von N. vom 16.11.1967 eingeholt wurde, in dem dieser von irreversiblen Erscheinungen eines im Rahmen des Unfalls erlittenen gedeckten Schädelhirntraumas ausging und eine MdE von 20 vH für angebracht hielt. Die damals zuständige Berufsgenossenschaft hielt demgegenüber unter Bezugnahme auf eine beratungsärztliche Stellungnahme weder eine Hirnquetschung noch einen hirntraumatischen Dauerschaden für gesichert. Auf Hinweis des Sozialgerichts, dass über die Folgen einer contusio cerebri nicht entschieden werden könne, da diese von der Berufsgenossenschaft noch nicht anerkannt worden sei, nahm der Kläger die Klage zurück und stellte einen Antrag auf Anerkennung einer contusio cerebri als Unfallfolge. Der Kläger war der Auffassung, dass er unfallbedingt unter kognitiven Einschränkungen leide und dies der Grund dafür sei, dass er ein Ingenieurstudium bzw. den Besuch der Ingenieurschule für Maschinenbau nach einem Semester habe abbrechen müssen.
K. erstattete im Auftrag der Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft ein neurologisches Gutachten unter dem 02.09.1969. Zusammenfassend gelangte er zu dem Ergebnis, dass der Unfall vom 19.10.1962 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner tiefergreifenden substantiellen Hirnschädigung (contusio cerebri), sondern allenfalls zu einer schweren Gehirnerschütterung (commotio cerebri) geführt habe, deren Folgeerscheinungen im Laufe von zwei Jahren abzuklingen pflegten. Ein psycho-diagnostisches Zusatzgutachten ergab keine sicheren Hinweise für eine Hirnleistungsschwäche oder eine organische Wesensänderung.
Mit Bescheid vom 07.02.1970 lehnte die Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft daraufhin die Anerkennung einer Hirnquetschung als Unfallfolge ab. Nachfolgend erfolgte im November 1972 eine Nasenkorrektur beim Kläger als unfallbedingte Heilbehandlung.
Nachdem der Kläger im Juli 1983 gegenüber der Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft angezeigt hatte, dass er unter wiederkehrenden Stirn- und Nebenhöhlenvereiterungen leide, was er auf den Unfall zurückführte, fand am 29.09.1983 eine HNO-ärztliche Nachuntersuchung statt. Diese ergab einen unauffälligen HNO-ärztlichen Untersuchungsbefund. Auch ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 01.12.1983 ergab keine Änderung in den Unfallfolgen.
Mit Bescheid vom 25.01.1984 lehnte die Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft die Wiedergewährung von Verletztenrente ab. An Unfallfolgen seien noch Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen im Bereich der linken Gesichtshälfte nach Verletzung des 2. Trigeminusastes verblieben, die lediglich eine MdE von 10 vH bedingten.
Mit Schreiben vom 01.05.1988 beantragte der Kläger erneut die Wiedergewährung einer Rente ab dem Zeitpunkt der Einstellung bzw. ab 01.10.1966. Er verwies unter anderem auf einen bei ihm anerkannten GdB von 60 vH und kündigte an, mit Hilfe des von ihm erworbenen Wörterbuches „Psychrembel“ seine Symptome mit allen Verknüpfungen aufzuarbeiten und ein „Gutachten“ zu erstellen, welches er vor Gericht verwenden könne. Er werde beweisen, dass alle bisherigen Gutachten Scharlatanerie seien und dass die bei ihm aufgekommenen Herz-Kreislaufbeschwerden auf psychische und gehirnschädigende Auswirkungen zurückzuführen seien.
Mit Bescheid vom 07.11.1988 lehnte die Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft die Wiedergewährung von Rente ab. Der Entscheidung lag das neurologisch-psychiatrische Gutachten von D. zugrunde. Der Sachverständige gelangte in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 11.10.1988 zu dem Ergebnis, dass sich die Unfallfolgen gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbefund nicht wesentlich verschlimmert hätten. Hinweise für das Vorliegen eines Psychosyndroms hätten sich nicht ergeben. Inzwischen sei es zur Ausbildung einer nicht entschädigungspflichtigen tendenziösen Unfallreaktion gekommen.
Im nachfolgendem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Münster (S 13 U 37/89) erstattete T. ein HNO-ärztliches Gutachten vom 25.09.1990. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass sich Spuren einer Verletzung des Nasengerüstes und der linken Kieferhülle nachweisen ließen und die zeitweiligen Missempfindungen links mit diesen Veränderungen in ursächlichem Zusammenhang stünden. Die subjektiv angegebenen rezidivierenden Entzündungen der Nase und der Nasennebenhöhlen hätten rhinoskopisch und röntgenologisch nicht gesichert werden können.
Auf Antrag des Klägers erstattete J. ein neurologisches Gutachten vom 27.11.1991. Im Rahmen der Anamnese überreichte der Kläger dem Sachverständigen eine mehrseitige Auflistung verschiedenster Symptome mit der Begründung, dass er an Merkfähigkeits- und Gedächtnisschwäche leide und aufgrund der komplexen Krankheitsbilder häufig die Zusammenhänge nicht richtig erklären könne. Der Sachverständige J. führte aus, abgesehen von einer Hyperästhesie und Missempfindungen im Bereich des 2. Trigeminusastes links sei der neurologische Befund regelrecht. In psychischer Hinsicht könnten organische Veränderungen und Leistungsstörungen ausgeschlossen werden. Die Darstellungsweise erscheine dysphorisch-hypochondrisch. Psychiatrisch sei eine Unfallreaktion anzunehmen. Hierfür sei jedoch die psychologische persönlichkeitsbedingte Verarbeitungsweise des Klägers verantwortlich, die auch schon vor dem Unfall vorhanden gewesen sei.
Die Klage wurde mit Urteil vom 15.05.1992 abgewiesen. Die Berufung mit Urteil vom 11.05.1993 zurückgewiesen.
Im November 1998 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall, bei dem er sich u.a. eine Platzwunde am Kopf zuzog, wobei es sich nicht um einen Arbeitsunfall handelte.
Im Zeitraum vom 11.09.2001 bis 21.09.2001 befand sich der Kläger zur Abklärung einer subjektiven Störung der Gedächtnisfunktion und der Konzentration stationär im Uniklinikum Münster. Dabei wurde auch ein MRT des Kopfes durchgeführt, bei dem sich laut Befundbericht vom 04.10.2001 eine Defektbildung rechtsseitig temporal am ehesten vereinbar mit einem älter zurückliegenden Schädelhirntrauma zeigte. Hinweise auf eine hirnorganische Leistungsminderung bestanden nicht.
Im Januar 2003 reichte der Kläger bei der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft Befundberichte über die im Universitätsklinikum Ü. am 17.09.2001 durchgeführte MRT-Untersuchung ein, demnach sich ein etwa 2 cm alter posttraumatischer Defekt rechts temporal zeige, vereinbar mit einem Defektzustand bei länger zurückliegendem Schädelhirntrauma. In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.09.2003 hielt B. es für möglich, dass die im MRT beschriebene Hirnläsion durch den Unfall vom 19.01.1962 verursacht worden sei, wies jedoch darauf hin, dass wesentlicher sei, dass durchgehend im Rahmen testpsychologischer Untersuchungsverfahren keinerlei Hinweise auf hirnorganisch bedingte Beeinträchtigungen der allgemeinen geistigen Leistungsfähigkeit beschrieben worden seien.
Der Kläger legte eine weitere nervenärztliche Stellungnahme seines behandelnden Neurologen und Psychiaters A. vor sowie eine 6-seitige Liste mit Diagnosen und Gesundheitsstörungen, die er mit Hilfe eines medizinischen Fachbuches erarbeitet hatte und die seiner Auffassung nach seine Gesundheitsstörungen beschrieben.
Mit Bescheid vom 04.08.2004 stellte die Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft, fest, wegen der Folgen des Unfalls bestünde weiterhin kein Anspruch auf Rente. In dem sich anschließenden Klageverfahren, hob die Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft im Rahmen eines Vergleichs den Bescheid vom 04.08.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2004 auf und verpflichtete sich zu prüfen, ob es sich bei dem posttraumatischen Defekt um eine Unfallfolge handle.
Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Z. vom 29.03.2006, der eine Hirnsubstanzschädigung für nicht vollbeweislich gesichert hielt, und einer neuropsychologischen Zusatzbegutachtung vom 25.03.2006, aus der sich keine schlüssigen, hirnorganisch begründbaren kognitiven Defizite ergaben, lehnte es die Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 19.07.2006 ab, gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) den Bescheid vom 07.11.1988 zurückzunehmen und einen Hirnsubstanzdefekt als Unfallfolge anzuerkennen.
Hiergegen führte der Kläger ein weiteres Klageverfahren beim Sozialgericht Münster (S 13 U 299/06). Das Sozialgericht holte ergänzende Stellungnahmen von Z. sowie ein Gutachten von S., Universitätsklinikum Q. ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 28.10.2009 aus, der im MRT dargestellte Hirndefekt sei älter als 1998. Bereits das CT von 1998, das anlässlich der Kopfverletzung des Klägers bei seinem Verkehrsunfall 1998 erstellt wurde, zeige diesen Hirndefekt.
Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft erkannte daraufhin in einem gerichtlichen Vergleich vom 13.10.2010 die Defektzone im rechten Temporallappen als Unfallfolge an und verpflichtete sich zu prüfen, ob der Kläger u.a. aufgrund dieser Unfallfolge ab 01.01.1999 eine Rente beanspruchen könne.
Mit Bescheid vom 22.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2011 erkannte die Beklagte eine Defektzone des rechten Temporallappens als Unfallfolge an, lehnte jedoch die Gewährung von Rente ab. Der Entscheidung lag eine neurologisch-psychiatrische Stellungnahme von Z. vom 07.01.2011 zugrunde, in der dieser weiterhin die Auffassung vertrat, es bestünde kein hirnorganisch begründbares Defizit und die MdE sei mit unter 20 vH einzuschätzen.
Der Kläger erhob am 12.10.2011 erneut Klage zum Sozialgericht Münster (S 13 U 327/11) und begehrte eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH.
Während des Klageverfahrens machte der Kläger mit Schreiben vom 24.02.2012 gegenüber der Beklagten geltend, er leide unter Beschwerden im Kieferbereich, insbesondere beim Kauen, und auch dies sei Unfallfolge und zu entschädigen, und beantragte weiterhin, auch die in seiner mehrseitigen Aufstellung erfassten Diagnosen und Erkrankungen zu berücksichtigen. Die Beklagte holte daraufhin Befundberichte des den Kläger behandelnden Zahnarztes sowie der Zahnklinik des Universitätsklinikums C. ein. Daraus ergab sich, dass bei dem Kläger eine cranio-mandibuläre Dysfunktion (CMD-Problematik) diagnostiziert worden war, für die nach Auffassung von E. von der Kieferklinik C. kein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis herstellbar sei. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 27.11.2012 die Gewährung von Leistungen aus Anlass der geklagten Beschwerden im Bereich des Kiefers ab.
Das Sozialgericht Münster wies mit Urteil vom 12.06.2013 die auf Rentengewährung gerichtet Klage vom 12.10.2011 (S 13 U 327/11) ab. Regelungsgegenstand des streitgegenständlichen Bescheides vom 22.03.2011 sei allein die Ablehnung eines Rentenanspruchs wegen der Anerkennung einer Defektzone des rechten Temporallappens. Die weiteren vom Kläger geltend gemachten Unfallfolgen würden vom Gegenstand des Ausführungsbescheides nicht erfasst. Nach den vorliegenden Gutachten habe der Defekt im rechten Temporallappen jedoch keine MdE mit wirtschaftlich messbarem Grad hinterlassen. Bei dem Kläger bestünde vielmehr eine unfallunabhängige zwanghaft hypochondrische Persönlichkeitsstruktur.
Am 03.07.2013 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Münster und wandte sich gegen den bezüglich seiner Kieferbeschwerden erlassenen Bescheid vom 27.11.2012. Dieses Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 13 U 193/13 beim Sozialgericht Münster geführt. Weiterhin legte er am 23.07.2013 gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Münster vom 12.06.2013 Berufung ein, die beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen unter dem Aktenzeichen L 4 U 427/13 geführt wurde, und verfolgte sein Rentenbegehren weiter.
Mit Beschluss vom 15.09.2014 setzte das Sozialgericht Münster das Verfahren S 13 U 193/13 aus. Zur Begründung führte es aus, die Entscheidung hänge davon ab, ob die Frage der Unfallbedingtheit der Kiefergelenksbeschwerden bereits Gegenstand des Verfahrens beim Landessozialgericht L 4 U 427/13 sei.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ließ den Kläger von dem Neurologen M. untersuchen und begutachten. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 29.05.2015 zu dem Ergebnis, dass sich der Kläger bei dem Unfallereignis eine Orbita- und Jochbogen- sowie Kieferhöhlenfraktur im Sinne einer Lefort-II Gesichtsfraktur zugezogen habe. Die in der Kernspintomographie gesehene Kontusionszone rechts temporal sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anlässlich dieses Gesichts- und Schädeltraumas entstanden. Es handle sich um eine Narbenzone ohne relevante Blutabbauprodukte, sodass insgesamt von einer sog. Contre-Coup-Verletzung ausgegangen werden könne. Es handle sich um eine nicht sehr große Zone, die Regionen, die das Gedächtnis umfassten, nämlich mesiotemporale Strukturen oder frontale Strukturen, nicht in Mitleidenschaft ziehe. Beim Kläger bestünden unterschwellige Dysästhesien und Sensibilitätsstörungen um die linke Augenhöhle, im Bereich des linken Jochbogens und etwas darüberhinausgehend, die über das Versorgungsareal des zweiten Trigeminusastes hinausgingen. Es handle sich um verbliebene Sensibilitätsstörungen verbunden mit Schmerzen im Bereich dieser Region und einem Verspannungsgefühl der Kaumuskulatur. Ein ausgeprägtes neuropathisches oder nozizeptives Schmerzsyndrom liege nicht vor, insbesondere keine symptomatische Trigeminusneuralgie. Die verbliebenen Missempfindungen ordne er lokalen Sensibilitätsstörungen im Bereich der Narben zu. Die unfallbedingte MdE hierfür betrage 10 vH. Relevante sensible oder motorische Funktionsstörungen des Gesichtes bezogen auf die Trigeminusfunktionen lägen nicht vor. Bezogen auf die Defektzone habe zwar initial ein commotionelles Syndrom vorgelegen, allerdings seien relevante kognitive Defizite nie aufgezeigt worden. Auch in der aktuellen Untersuchung habe sich kein Hinweis auf ein relevantes organisches Psychosyndrom mit kognitiven Defiziten gezeigt sowie auch keine psychoorganische Störung, die man der Dissektion des rechten Temporallappens zuordnen könne. Es ergäben sich auch keine Hinweise auf einen fortschreitenden Hirnabbauprozess. Die MdE für die unfallabhängige Defektzone sei mit 0 zu bemessen. Der Kläger nahm daraufhin seine Berufung zurück.
Mit Schreiben vom 23.02.2016 übersandte der Kläger der Beklagten 199 Seiten umfassende Unterlagen mit einer Aufstellung der Gesundheitsstörungen, die seiner Auffassung nach auf seinen Arbeitsunfall zurückzuführen seien, sowie von ihm zusammengestelltes Material mit medizinischen Ausführungen aus Wikipedia und medizinischen Lehrbüchern. Er beantragte, die von ihm aufgelisteten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen festzustellen und in Höhe von mindestens 30 % zu entschädigen.
Mit Bescheid vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016 erkannte die Beklagte eine geringfügige Fehlstellung der Nasenscheidewand ohne hierdurch verursachte Funktionsstörungen, einen folgenlos in guter Stellung knöchern festverheilten Jochbeinbruch linksseitig sowie einen unter Kallusbildung und leichter Verkürzung ausgeheilten Schlüsselbeinbruch links ohne Funktionseinbußen als weitere Unfallfolgen an.
Unter Ziffer 2) lehnte die Beklagte einen beeinträchtigenden Zustand nach offener Schädel-Hirn-Verletzung mit Schädel-Hirn-Traumen II. und III. Grades, insbesondere Schädelbasissyndrome, Lern- sowie Kurzzeit- und Langzeit-Gedächtnisstörungen und Hirndrucksyndrome als Unfallfolgen ab, soweit sie über die mit Bescheid vom 22.03.2011 anerkannten Unfallfolgen hinausgingen.
Unter Ziffer 3) lehnte die Beklagte es ab, hinsichtlich der Folgen der knöchernen Verletzungen einen beeinträchtigenden Zustand nach Polytrauma, Schädelbasisbruch, Schädeldach- und Mittelgesichtsbruch, Orbita- und Orbitabodenbruch, Nasenbeinbruch, Nasennebenhöhlenverletzungen, Kieferhöhlenbruch, Stirnbeinbruch, Schlüsselbeinbruch als Unfallfolgen anzuerkennen, soweit sie über die mit Bescheid vom 10.05.2016 anerkannten Unfallfolgen und die mit Bescheid vom 25.01.1984 und mit Bescheid vom 22.03.2011 anerkannten Unfallfolgen hinausgingen.
Unter Ziffer 4) lehnte die Beklagte es hinsichtlich der Folgen der geltend gemachten Gehirn- und Nerven-Verletzungen ab, einen beeinträchtigenden Zustand nach Nervenverletzungen, insbesondere des Nervus trigeminus, des Nervus infraorbitalis und des Nervus versibulocochlearis, Schädigungen des Temporallappens, des Hirnstamms, der Basalganglien, des Kleinhirns, der Hirnrinde, der Nervenzellen des Mittelhirns, der Substanzia nigra, der Nervenfasern, des zentralen Nervensystems, des Tentorium cerebelli und des Nuclei vestibulares sowie eine Läsion des Hirnstamms anzuerkennen, soweit sie über die mit Bescheid vom 25.01.1984 anerkannten Unfallfolgen hinausgingen.
Unter Ziffer 5) lehnte die Beklagte Folgeschäden und -fehlfunktionen neurologischer und psychologischer Art, insbesondere eine posttraumatische Belastungsstörung, einen beeinträchtigenden Zustand nach Schädigung des zentralen Nervensystems, des limbischen Systems, des mesolimbischen Systems, des Extrapyramidalen Systems, des Neuronennetzwerkes im Hirnstamm, der Kopfnerven, der Hirnlappen, der Scheitellappen, der vorderen Anteile des Stirnhirns, des Hippocampus, der Sehrinde, des Gewebes im Bereich des Mittelhirns, des Rückenmarks und der Sinnesorgane mit entsprechenden Folgeerscheinungen wie insbesondere Agnosie, vegetative Dystonie, Verhaltensstörungen, Dissoziationsstörungen, Krampfanfällen, Durchblutungsstörungen des Kleinhirns, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Sprachstörungen, Sensibilitätsstörungen, Störungen der Sinneswahrnehmungen, Schmerzen, Harninkontinenz, Störungen der Bewegungskoordination, Beeinträchtigung der kognitiven Flexibilität, Wesensveränderungen, Zwangshandlungen, Phobien, Störungen der Affektivität, Antriebs- und psychosomatische Störungen, Schlaf- und Vigilanzstörungen, kardio-respiratorische Störungen, neurologische Störungen, depressives Syndrom, Psychosyndrom, Affektlabilität, neuropsychologische Veränderungen, laterale zerebrale Asymmetrie, amnestische Syndrome, globale Aphasie, eine psychische Behinderung in Form einer dauerhaften und gravierenden Beeinträchtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe, Meningitis, Hirnabszesse, vegetative Anfälle und Parkinsonismus als Unfallfolgen ab, soweit sie über die mit Bescheid vom 25.01.1984 anerkannten Unfallfolgen hinausgingen.
Unter Ziffer 6) lehnte die Beklagte die Anerkennung folgender Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen ab: Gleichgewichtsstörungen, insbesondere Schwindel und Verformungen der Zehen aufgrund der Ausgleichsbewegungen bei ständigem Schwindel, Störungen des Gleichgewichtsinns und der Koordination.
Unter Ziffer 7) lehnte sie die Anerkennung von Epilepsie sowie unwillkürliche Muskelzuckungen als Unfallfolgen ab.
Unter Ziffer 8) lehnte sie die Anerkennung von Schluckstörungen und deren Symptomen wie Druckgefühl im Hals und Würgereflex sowie Schlundkrämpfe als Unfallfolgen ab.
Unter Ziffer 10) lehnte sie es ab, eine mehr als nur geringfügige Nasenscheidewandverkrümmung, stark erhöhte Schleimbildung, infizierte und entzündete Nasennebenhöhlen sowie eine Jackson-Lähmung als Unfallfolgen anzuerkennen.
Unter Ziffer 11) lehnte sie die Anerkennung von Atemmuskelverkrampfungen, chronischen Bronchitis, Störung der normalen Atmung, Atembeschwerden durch eine Schädigung des Nervus vagus und des Hirnstamms sowie des Nucleus fastigii, Ateminsuffizienz und Erstickungsanfällen als Unfallfolgen ab.
Unter Ziffer 12) lehnte sie die Anerkennung folgender Beeinträchtigungen als Unfallfolgen ab: Schlafstörungen, Einschlafprobleme, mangelnde Schlafqualität, Atemaussetzer und nächtliche Atemstillstände und deren Folgeerscheinungen wie insbesondere Schwächung des Immunsystems, Tagesschläfrigkeit, Abfall der Leistungsfähigkeit, Kopfschmerzen, reduzierter Allgemeinzustand, kognitive und psychische Beschwerden und Störungen.
Unter Ziffer 13) lehnte sie die Anerkennung folgender Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen ab: Augenbeschwerden, Sehstörungen und Gesundheitsstörungen der Augen, insbesondere Augenentzündungen, Augenschielen, Augenlidzittern, Herabhängen des Augenlides, retroorbitaler Schmerz, Lähmung der inneren und äußeren Augenmuskeln, Reizerscheinungen wie Wind- und Blendungsempfindlichkeit, erhöhte Hautsensibilität der Augenregion, erhöhter Tränenfluss, Schwierigkeiten im Bereich der räumlichen Orientierung, Gesichtsfeldausfälle, Augenmuskelzittern, Abduzensparese rechts, unwillkürliche Blickdeviation, horizontale Blicklähmungen, Schwäche der äußeren Augenmuskeln, geplatzte Augenadern, Glaskörpertrübung, Sehminderung und Sehstörungen mit der Notwendigkeit des Tragens einer Brille, Visusstörungen in Form von Blendungsgefühlen, Nachtsichtstörungen, Kontrastabfall, verschwommen Sehen, Sehfeldeinschränkungen- und -störungen, Agnosie, Doppelbildersehen, Linsentrübungen, Bindehautentzündungen, abnorme Sehempfindungen, Zustand nach Fissuraorbitalis-superior-Syndrom, Bindehautentzündungen, Erkrankung des Sehnervs, Diplopie, Funktionsstörung der Augenlider, Horner-Syndrom, krampfartiger Lidschluss, funktionelle Blindheit.
Unter Ziffer 14) lehnte die Beklagte die Anerkennung visueller und auditiver Wahrnehmungsstörungen, Störung in der Verarbeitung der Sinneseindrücke und von Sinnesreizen, Funktionsstörungen bzw. Fehlfunktionen des visuellen Systems, Störung des gesamten Wahrnehmungsprozesses, Rindenblindheit, Unaufmerksamkeitsblindheit, Veränderungsblindheit und Seelenblindheit als Unfallfolgen ab.
Unter Ziffer 15) lehnte die Beklagte die Anerkennung von Störungen der kognitiven Fähigkeiten, hauptsächlich im Bereich der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Lernens, des Problemlösens, der Kreativität, der Motivation, der Konzentrationsfähigkeit, der Informationsverarbeitung, des sensorischen und des Arbeitsgedächtnisses, des Kurzzeit- und des Langzeitgedächtnisses und der mentalen Orientierung, eine Beeinträchtigung des Denkvorgangs, Denk- und Gedächtnisstörungen, Bewusstseinsstörungen, Orientierungsstörungen, Sinnestäuschungen, Erinnerungsstörungen, Gefühlsstörungen, hirnatrophische Erkrankungen, Demenzerscheinungen, Wachheitsstörungen, hirnorganische Defektsyndrome, Temporalhirn- und Temporallappensyndrome sowie eine Minderung der Leistungsfähigkeit und eine Einschränkung der Merkfähigkeit als Unfallfolgen ab.
Unter Ziffer 16) lehnte die Beklagte die Anerkennung folgender Gesundheitsstörungen ab: Schwerste Schmerzen im Augenbereich, Trigeminusschmerzen, ein chronisches Schmerzsyndrom, ein neurologisches Schmerzsyndrom, ein komplexes regionales Schmerzsyndrom, myofasziales Schmerzsyndrom, diverse neuralgische Schmerzsyndrome, Kopfschmerzen in jeder Form, Atonie, Muskelhypotonie, schmerzhafte Verspannung der Muskel- und Nackenmuskulatur, Dysponesis, Myogelose, Muskelverhärtung, Muskelkrämpfe, Hypoglossus-Spasmus und sonstige spastische Lähmungen, unvollständige Lähmungen mehrerer Gliedmaßen, Hemi- und Tetraparese, Zerebralparese als Unfallfolgen ab.
Unter Ziffer 17) lehnte die Beklagte eine erhöhte Anfälligkeit für grippale Infekte mit Fieber, verschiedene Allergien, Tinnitus, meningeale Syndrome, neurovegetative Syndrome, Stammganglienerkrankungen, Stand- und Gangataxis, Hallervordern-Spatz-Krankheit, choreatische Syndrome, Herzmuskelerkrankung, Symptome der generalisierten Myasthenie, Funktions- und Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule und verschiedener Gelenke, unnatürliche Körperhaltung, Beschwerden und Einschränkungen nach Schlüsselbeinverletzung mit anschließender Verkürzung, Wirbelsäulenverkrümmung, Beschwerden nach Verwachsung der Rippe mit der Brustschwarte als Unfallfolgen ab.
Zudem lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente weiterhin ab.
Zur Begründung verwies sie auf die in der Vergangenheit seit dem Unfallereignis eingeholten verschiedenen Gutachten auf chirurgischem, halsnasenohrenärztlichem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, wobei sich insbesondere keine Hinweise auf eine Hirnleistungsschwäche oder eine organische Wesensänderung ergeben hätten. Mangels funktionell beeinträchtigender Unfallfolgen bestehe deshalb kein Anspruch auf Wiedergewährung einer Verletztenrente.
Wegen dieser Entscheidung hat der Kläger am 21.11.2016 ebenfalls Klage beim Sozialgericht Münster (S 3 U 429/16) erhoben. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, die zahlreichen, von ihm als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen, seien von der Beklagten anzuerkennen und es sei Rente zu gewähren.
Mit Beschluss vom 06.02.2017 hat das Sozialgericht die beiden Verfahren S 3 U 429/16 und S 10 U 438/16 (ehemals S 13 U 193/13) miteinander verbunden und unter dem Aktenzeichen S 10 U 438/16 weitergeführt.
Der Kläger hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 27.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2013 und teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016
- als weitere Unfallfolgen festzustellen
- die Beschwerden im Bereich des Kiefergelenkes sowie
- die Gesundheitsstörungen soweit sie im Bescheid vom 10.05.2016 unter den Ziffern 2 - 8 und 10 - 17 abgelehnt wurden;
- die Beklagte zu verurteilen, Rente nach einer MdE von mindestens 50 v.H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich in ihrer Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide bezogen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 01.03.2018 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das seiner Bevollmächtigten am 22.03.2018 zugestellt Urteil am 17.04.2018 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen und Gewährung einer Verletztenrente weiter.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.03.2018 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 27.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2013 und teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016,
- als weitere Unfallfolgen
- die Beschwerden im Bereich des Kiefergelenkes sowie
- die Gesundheitsstörungen, soweit sie im Bescheid vom 10.05.2016 unter den Ziffern 2 - 8 und 10 - 17 abgelehnt wurden,
festzustellen
- sowie die Beklagte zu verurteilen, eine Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 29.10.1962 nach einer MdE von mindestens 20 v.H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG von O.. In seinem Gutachten vom 08.05.2020, dem eine ambulante Untersuchung des Klägers vom 20.12.2018 vorausging, führt er als Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.10.1962 u.a. eine Trigeminus-Neuropathie links, einen Z.n. älterer Plexus-brachialis-Affektion C5 bis C7, ein rechts thorakales muskuloskelettales Narbenschmerzsyndrom, ein neuropathisches chronisches Schmerzsyndrom in der linken Gesichtshälfte und linksseitigen Schulterregion, Hinweise auf mögliche psychomotorische Anfallsereignisse epileptogener Ursache, einen Zustand nach Contusio cerebri rechts temporal mit bleibendem Hirnsubstanzdefekt, ein langjähriges postkontusionelles Syndrom mit neurovegetativer Symptomatik, Schlafstörungen, Erschöpfungssyndrom und dauerhafte Kopfschmerzen, leichte Gedächtnisstörung und Konzentrationsstörungen nach Hirnschädigung und eine langjährige Dysthymie mit wiederholten depressiven Verstimmungen und möglicher psychischer Veränderung an. Die Gesamt-MdE schätzt O. mit 40 vH ein. Zur Begründung führt er unter anderem aus, der Kläger sei in der Gesamtschau aller Befunde in seiner Erwerbsfähigkeit nach dem am 19.10.1962 erlittenen Unfall dauerhaft eingeschränkt gewesen und aufgrund des Unfalls nicht in der Lage gewesen, beruflich auf ein höheres Niveau zu springen. Damit sei dem Kläger schon in frühen Jahren ein höherer wirtschaftlicher Outcome verwehrt gewesen. Zur Begründung der unfallbedingten Einschränkung des kognitiven Potenzials verweist er auf die deutlich schlechtere Note im Zeugnis der Fachhochschulreife verglichen mit dem Abschlusszeugnis der Volksschule. Weiterhin verweist er darauf, dass in einer früheren Testung eine Einschränkung der figuralen Gedächtnisleistung hätte festgestellt werden können.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie M. nach § 106 SGG. Dieser hat auf eine erneute ambulante Untersuchung des Klägers verzichtet, da er nach Sichtung der Aktenlage zu dem Schluss gekommen ist, dass die vom Kläger geschilderten Beschwerden sich selbst im Jahr 2020 grundsätzlich identisch darstellten wie in seiner Vorbegutachtung vom 29.05.2015. Weiterhin sei das Alter des Klägers von 73 Jahren zu berücksichtigen, was bedeute, dass spätestens ab dem 60. Lebensjahr additive gesundheitliche Beeinträchtigungen altersbedingten Veränderungen zugeordnet werden müssten. In seinem Gutachten vom 06.01.2021 hat er das Ergebnis seiner Begutachtung von 2015 bestätigt. Lediglich die nach der Verletzung des Gesichtsschädels verbliebenen Sensibilitätsstörungen, Dysästhesie und Schmerzen im Gesicht sowie die festgestellte temporale Defektzone seien dem Unfall aus 1962 zuzuordnen. Bei dem Kläger handle es sich um einen altersgemäß rüstigen Probanden, der außer gewissem Bluthochdruck und subjektiven Herzbeschwerden keine weiteren strukturellen körperlichen Erkrankungen internistisch oder orthopädisch aufweise. Er sei körperlich aktiv. Weder ein Schmerzsyndrom noch eine Trigeminus-Neuropathie lasse sich belegen. Aus den Verletzungen sei ursprünglich keine Verletzung des Trigeminusastes hervorgegangen. Bewegungs- oder Koordinationsstörungen sowie ein gestörtes Gangbild ließen sich nicht objektivieren. Relevante Störungen der Konzentration, der Merkfähigkeit, des komplexen Denkens und somit ein belastbares organisches Psychosyndrom könnten nicht diagnostiziert werden. Die Diagnose einer Epilepsie sei durch das gesamte Leben des Klägers nicht gestellt worden. Bei dem Kläger bestünde kernspintomograhisch unverändert seit Ende der 90erJahre eine lateral und basal temporale Läsion von etwa 2 bis 3 cm, die nicht dazu angetan sei, die mesiotemporalen Gedächtnisstrukturen oder auch frontalen Strukturen, die für die Persönlichkeitssteuerung zuständig seien, zu beeinflussen. Diese Defektzone habe nach den durchgeführten Testungen keine organischen kognitiven Störungen sowie auch kein relevantes organisches, affektives Psychosyndrom hervorgerufen. Weiterhin sei zu keinem Zeitpunkt eine Traumafolgestörung oder eine relevante Depression diagnostiziert worden. Die MdE sei für die verbliebenen Dysästhesien und Schmerzen mit 10 vH eher großzügig ausgeschöpft. Auch aus dem Gutachten von O. könne außer der Beschwerdesymptomatik bezogen auf das Gesicht keine objektivierbare neurologische oder psychiatrische Störung abgelesen werden. Es bleibe unklar, aus welchen Gründen er eine nie zuvor diagnostizierte Epilepsie, Plexus-Läsion und vestibuläre Störung diagnostiziert habe.
Auf die Rüge des Klägers, der Sachverständige M. habe den MRT-Befund vom 19.08.2014 nicht berücksichtigt, hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von M. eingeholt. In dieser Stellungnahme vom 05.09.2023 hat M. ausgeführt, sämtliche radiologischen Befunde in seine Beurteilung einbezogen zu haben. In mehreren CT- und MRT-Untersuchungen sei durch die Jahre völlig unverändert eine rechtstemporale Gliosezone, etwa 2 cm durchmessend, beschrieben worden. Auch aus dem neu vorgelegten Befund vom 24.08.2022 ergäbe sich keine Befundverschlechterung, bis auf eine altersassoziierte Hirnvolumenminderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Akten S 13 U 327/11 bzw. L 4 U 427/13, S 3 U 429/16 und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht sowohl die gegen den Bescheid vom 27.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2013 gerichtete Klage als auch die gegen den Bescheid vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016 gerichtete Klage abgewiesen, wobei der Tenor der Entscheidung in „Die Klagen werden abgewiesen“ zu berichtigen war. Die vom Sozialgericht gemäß § 113 SGG beschlossene Verbindung beider Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 10 U 438/16 führte nicht dazu, dass aus mehreren Streitigkeiten eine geworden ist. Die Klageverfahren blieben auch nach Verbindung selbständig (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 14. Aufl. 2023, § 113 Rn. 4), sodass in der Sache das Sozialgericht mit Urteil vom 01.03.2018 zwei Klagen abgewiesen hat.
Die vom Kläger erhobenen Klagen, mit denen er die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 19.10.1962 sowie die Wiedergewährung einer Verletztenrente begehrt, sind zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die vom Sozialgericht verbundenen Klageverfahren sind als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage sowie als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage statthaft und im Übrigen auch zulässig.
a) Streitgegenstand der gegen den Bescheid vom 27.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2013 gerichteten Klage ist dabei allein die Ablehnung der Anerkennung von Kiefergelenkbeschwerden als Unfallfolgen. Die im Bescheid vom 27.11.2012 ebenfalls enthaltene weitere Verfügung über die erneute Ablehnung der Gewährung einer Rente ist nach § 96 SGG Gegenstand des zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 27.11.2012 bereits beim Sozialgericht Münster anhängigen Verfahrens S 13 U 327/11 geworden. Gegenstand dieses Verfahrens war der Bescheid vom 22.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2011, mit dem einerseits eine Defektzone des rechten Temporallappens anerkannt, jedoch zugleich die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt wurde. Die erneute Ablehnung der Gewährung einer Verletztenrente mit Bescheid vom 27.11.2012 ersetzte somit im Sinne von § 96 SGG die inhaltlich identische, zuvor mit Bescheid vom 22.03.2011 getroffene Entscheidung über die Ablehnung eines Anspruches auf Verletztenrente, die bereits Gegenstand des Klageverfahrens S 13 U 327/11 war (vgl. hierzu auch BSG, Beschluss vom 17.08.2017 – B 5 R 248/16 B –,juris Rn. 9; Beschluss vom 21.10.2020 – B 13 R 59/19 B –,juris Rn. 11). Unter Berücksichtigung welcher Gesundheitsstörungen die Entscheidung zur Verletztenrente jeweils getroffen wurde, ist Gegenstand der Begründung und nicht Teil der Entscheidung selbst. Die Möglichkeit, eine Entscheidung über Verletztenrente nur bezogen auf bestimmte Gesundheitsstörungen zu erlassen, sieht das Gesetz nicht vor. Folglich war der Bescheid vom 27.11.2012, soweit er die Gewährung einer Verletztenrente ablehnte, auch Gegenstand des sich an das Verfahren S 13 U 327/11 anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 4 U 427/13) und wurde mit Rücknahme der Berufung bestandskräftig (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2016 – B 8 SO 1/15 R -, juris Rn.16). Unberührt hiervon blieb die mit Bescheid vom 27.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2013 verfügte Ablehnung der Anerkennung von Kiefergelenkbeschwerden als Unfallfolge. Das entsprechende Begehren auf Feststellung dieser Gesundheitsstörung als Unfallfolge verfolgt der Kläger vorliegend mit der zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage.
b) Soweit der Kläger mit seiner weiteren Klage die Änderung des Bescheides vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016 sowie die Anerkennung einer Vielzahl weiterer Gesundheitsstörungen und die Gewährung einer Verletztenrente begehrt, ist diese Klage als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage zulässig. Streitgegenstand ist insoweit die Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung einer Verletztenrente. Dabei hat die Beklagte bezüglich eines Anspruches auf Verletztenrente nicht nur eine Entscheidung nach § 44 SGB X getroffen, sondern erneut auch unter Berücksichtigung etwaigen Änderungen umfassend über einen Rentenanspruch entschieden. Dies ergibt sich bei Auslegung dieser Bescheide aus Sicht des objektiven Empfängers sowohl aus deren Wortlaut als auch der Tatsache, dass die Entscheidung der Beklagten über die Ablehnung einer Verletztenrente offensichtlich das Ergebnis einer erneuten umfassenden Prüfung unter Berücksichtigung einer Vielzahl weiterer, bis dato von der Beklagten nicht als mögliche Unfallfolgen in Erwägung gezogener Gesundheitsstörungen ist.
2. Der Kläger ist weder durch den Bescheid vom 27.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2013 noch durch den Bescheid vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016 im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 2 SGG beschwert, da die Bescheide rechtmäßig sind. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte die von ihr in den angefochtenen Bescheiden als unfallunabhängig bewerteten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen anerkennt, und ihm steht auch kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente zu.
a) Die Anerkennung von Unfallfolgen und eines darauf beruhenden Anspruchs auf Verletztenrente richtet sich gemäß § 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der maßgebliche Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des SGB VII (01.01.1997) eingetreten ist und das SGB VII auch nicht ausnahmsweise nach § 214 Abs. 3 SGB VII zur Anwendung kommt. § 214 Abs. 3 SGB VII bestimmt, dass die Vorschriften des SGB VII über Renten auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem 01.01.1997 eingetreten sind, wenn die Rentenleistungen nach dem 01.01.1997 erstmals festzusetzen sind. Maßgeblich für den Zeitpunkt der erstmaligen Festsetzung im Sinne des § 214 Abs. 3 SGB VII ist, wann materiell-rechtlich der Leistungsanspruch entstanden ist, d.h. wann dessen Voraussetzungen erfüllt sind und der Versicherte einen Anspruch auf die Feststellung des Leistungsrechts hat (BSG, Urt. v. 21.9.2010 - B 2 U 3/10 R - SozR 4-2700 § 214 Nr. 1 Rn. 13). Unabhängig hiervon liegt eine erstmalige Festsetzung im Sinne von § 214 Abs. 3 SGB VII jedenfalls dann vor, wenn die erste tatsächliche Entscheidung über die Leistung durch Bescheid - gleich welchen Inhalts und unabhängig vom späteren Schicksal des Bescheides - bis zum 31.12.1996 erfolgt ist (BSG, Urt. v. 20.02.2001, B 2 U 1/00 R – juris Rn. 20). Dies ist vorliegend mit Bescheid vom 05.06.1964 geschehen, da mit diesem Bescheid dem Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit gewährt wurde. Dass die Rente mit Bescheid vom 25.08.1966 wieder entzogen wurde, ändert nichts daran, dass diese zunächst erstmalig vor dem 01.01.1997 festgesetzt wurde.
b) Im Übrigen ergeben sich hinsichtlich der Voraussetzungen der im Streit stehenden Rechtsansprüche des Klägers keine Unterschiede aus der Anwendung der RVO oder des SGB VII.
Ein Anspruch auf Feststellung bzw. Anerkennung von Gesundheitsstörungen als unmittelbare Unfallfolge besteht unabhängig von der Frage, auf welche Rechtsgrundlage dieser Anspruch zu stützen ist, sowohl unter Geltung der RVO als auch des SGB VII nur für Gesundheitsschäden, die kausal auf das Unfallereignis selbst (haftungsbegründende Kausalität) oder kausal auf den Gesundheitserstschaden bzw. die Gesundheitserstschäden (haftungsausfüllende Kausalität) zurückzuführen sind. Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt dabei, dass Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschäden im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R -, juris Rn. 16 m. w. N.).
Für die erforderliche Beurteilung des Ursachenzusammenhangs (haftungsbegründende und/oder haftungsausfüllende Kausalität) zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten Gesundheitsstörungen gilt die Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. u. a. BSG, Urt. v. 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R -, juris Rn. 12 m.w.N; sowie bei Geltung der RVO: BSG, Urt. v. 07.05.2019 - B 2 U 34/17 R-, juris, Rn. 16, 23 - 25).
Diese Kausalitätsprüfung erfordert zunächst die Ermittlung der objektiven - naturwissen-schaftlichen - Verursachung, bei der es darauf ankommt, ob die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden eine Ursache war (BSG, Urt. v. 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R – juris Rn. 33 ff.). Ursachen in diesem Sinne sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung eine Ursache in diesem Sinne war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen beantwortet werden (grundlegend BSG, Urt. v. 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, juris Rn. 55 ff.; BSG, Urt. v. 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R -, juris Rn. 33 ff.). Dies schließt die Prüfung mit ein, ob ein Ereignis nach medizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen und welche Vorerkrankungen/Schadensanlagen ggfls. bestanden haben, die nach den genannten wissenschaftlichen Kriterien ebenfalls geeignet sind, die geltend gemachte Gesundheitsstörung zu bewirken (BSG, Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris Rn. 17). Die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit eines naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen Gesundheitsschaden und einem Unfall ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSG, Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris Rn. 20).
Steht fest, dass neben der versicherten auch eine konkurrierende, nicht versicherte Ursache das Unfallereignis objektiv kausal (mit-)bewirkt hat, ist auf der 2. Stufe juristisch zu entscheiden, welche der Ursachen rechtserheblich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung gewesen sind. Selbst wenn eine versicherte Verrichtung als Ursache für einen Gesundheitsschaden feststeht, muss auf der 2. Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der 1. Stufe festgestellten weiteren mitwirkenden nicht versicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der „Wesentlichkeit“ der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch die Verrichtung ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Andere nicht versicherte Mitursachen können die rechtliche Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die nicht versicherten (Mit-)Ursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte Ursache verdrängen, weil sie überragende Bedeutung haben, so dass der Schaden „im Wesentlichen“ rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt. Die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten nicht versicherten Ursachen und ihre Mitwirkungsanteile sind in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 06.05.2021 - B 2 U 15/19 R -, juris Rn. 21 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Kläger nicht beanspruchen, dass zusätzlich zu den bereits von der Beklagten mit Bescheiden vom 25.01.1984 (Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen im Bereich der linken Gesichtshälfte), vom 22.03.2011 (Defektzone des rechten Temporallappens) und vom 10.05.2016 (geringfügige Fehlstellung der Nasenscheidenwand, folgenlos in guter Stellung knöchern fest verheilter Jochbeinbruch linksseitig sowie unter Kallusbildung und leichter Verkürzung ausgeheilter Schlüsselbeinbruch) anerkannten Unfallfolgen weitere der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen festgestellt werden. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die in ihrem Bescheid vom 10.05.2016 unter den Ziffern 2 bis 8 und 10 bis 17 aufgezählten Gesundheitsstörungen die vom Kläger geklagten Kieferbeschwerden als Unfallfolgen anzuerkennen, da sich diese Gesundheitsbeschwerden entweder bereits nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis feststellen lassen oder es nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass diese durch den anerkannten Arbeitsunfall vom 19.10.1962 verursacht wurden.
aa) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehen bei dem Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet als vollbeweislich gesicherte und auf den Arbeitsunfall vom 19.10.1962 wesentlich kausal zurückzuführende Gesundheitsstörungen nur noch Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen bzw. Narbenschmerzen in der linken Gesichtshälfte sowie eine Defektzone im rechten Temporallappen, allerdings ohne darauf zurückzuführende Funktionsstörungen.
Zu dieser Überzeugung kommt der Senat auf der Grundlage des schlüssigen Gutachtens von M. vom 06.01.2021. Weiterhin stützt der Senat seine Feststellung auf die wiederholten neurologisch-psychiatrischen Begutachtungen des Klägers seit dem Arbeitsunfall, die im Auftrag der Beklagten oder im Rahmen der vorangegangenen sozialgerichtlichen Streitigkeiten erfolgten. Insoweit verwertet der Senat urkundsbeweislich die im Auftrage der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen eingeholten Gutachten von K. vom 02.09.1969, von D. vom 11.10.1988 und von Z. vom 29.03.2006, die alle den Anforderungen an gerichtlich bestellte Gutachten entsprechen, sowie die gerichtlich in Auftrag gegebenen Gutachten von J. vom 27.11.1991, S. vom 28.10.2009 und M. vom 29.05.2015. Danach steht für den Senat fest, dass der Kläger im Rahmen des Arbeitsunfalls vom 19.10.1962 eine Lefort-II Gesichtsfraktur und eine sog. Contre-Coup-Verletzung erlitten hat. Abgesehen von der in der MRT-Untersuchung vom 17.09.2021 zur Darstellung gelangten Defektzone des rechten Temporallappens und Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen in der linken Gesichtshälfte rechts, die bereits als Unfallfolgen anerkannt sind, lassen sich jedoch keine weiteren Folgen der Gesichts- und Kopfverletzung mit dem erforderlichen Vollbeweis feststellen. Sofern O. in dem auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten vom 08.05.2020 eine Vielzahl an Unfallfolgen aufführt, überzeugt dies mangels ausreichender medizinischer Belege sowie mangels einer schlüssigen Begründung nicht.
(1) Wie M. in seinen Gutachten überzeugend ausführt, lässt sich aus der Historie der seit 1962 erhobenen Befunde und der klinischen Untersuchungen keine Verletzung des Trigeminusastes belegen und auch nicht die von O. diagnostizierte Trigeminus-Neuropathie oder ein Schmerzsyndrom des Gesichtes objektivieren. Insoweit ist festzuhalten, dass entsprechende Diagnosen zu keinem Zeitpunkt vorher gestellt wurden und auch zu keinem Zeitpunkt eine auf eine Schmerzerkrankung hinweisende Medikation oder Behandlung feststellbar ist. Demnach ist entsprechend den Ausführungen von M. insoweit von verbliebenen Sensibilitätsstörungen bzw. Narbenschmerzen in der linken Gesichtshälfte auszugehen, nicht jedoch von einem neuropathischen Schmerz oder einem Schmerzsyndrom.
(2) Das erstmals von O. angegebene rechts thorakale muskuloskelettale Narbenschmerzsyndrom und eine auf die Clavikulafraktur zurückgeführte Plexus-brachialis-Affektion sieht der Senat in Übereinstimmung mit der Einschätzung von M. als nicht gesichert an. Aus den seit 1962 erhobenen Befunden lässt sich keine Beschwerdeschilderung sowie auch keine Behandlung feststellen, die die Diagnose von O. nachvollziehbar erscheinen lässt. Nach den im Anschluss an den Arbeitsunfall erfolgten Untersuchungen ergab sich eine knöchern fest verheilte Fraktur ohne Bewegungseinschränkungen oder Schmerzsymptomatik.
(3) Weiterhin lässt sich aus den mehrfach durchgeführten Testungen der kognitiven Fähigkeiten des Klägers keine entsprechende Einschränkung vollbeweislich sichern. Die vom Kläger insoweit vorgetragenen subjektiv empfundenen Einschränkungen der Konzentrations-, Merk- und Leistungsfähigkeit sowie schneller Erschöpfbarkeit ließen sich zu keinem Zeitpunkt objektivieren und insbesondere ist keiner der zahlreichen Begutachtungen mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, dass beim Kläger ein als Gesundheitsstörung zu bewertendes kognitives Defizit besteht. Eine durch das Unfallereignis bedingte hirnorganische Störung lässt sich somit bereits nicht im Vollbeweis sichern. Das wiederholt vorgetragene Scheitern im Ingenieursstudium ist, wie auch M. schlüssig ausführt, kein Beleg für eine hirnorganisch bedingte Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten. Sofern O. - im Übrigen als einziger der den Kläger in der Vergangenheit untersuchenden Gutachter - einen Hinweis auf leichte kognitive Defizite sieht, kann dies aufgrund des mittlerweile 73 Jahre betragenden Alters des Klägers die vorherigen Befunde sowie die Schlussfolgerung von M., bei der festgestellten Hirnläsion handle es sich um eine stumme Schädigung, nicht widerlegen. Auch aus den vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Stellungnahmen ergeben sich keine neuen Erkenntnisse im Hinblick auf eine unfallbedingte hirnorganische Störung oder hirnorganische Leistungsdefizite.
(4) Eine vom Kläger auf die Defektzone im rechten Temporallappen zurückgeführte Gangstörung und Gangunsicherheit sowie Epilepsie lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Diese Diagnosen wurden bis zur Begutachtung durch O. nicht gestellt, wobei dieser bezüglich der Epilepsie nur „Hinweise“ auf psychomotorische Ausfallerscheinungen festhält, so dass dies bereits ausschließt, eine Epilepsie als Unfallfolge zu diagnostizieren, und insoweit die Angaben von O. nicht nachvollziehbar sind. Aus den jeweiligen Angaben des Klägers im Rahmen der durchgeführten neurologisch-psychiatrischen Begutachtungen ergeben sich ebenfalls keine Einschränkungen im Alltag, die auf eine Epilepsie hinweisen könnten.
(5) Weiterhin bestehen zur Überzeugung des Senats keine unfallbedingten psychischen Störungen. Dem Kläger wird zwar von mehreren Gutachtern eine hypochondrische-neurotische Persönlichkeit attestiert, jedoch lässt sich nicht hinreichend wahrscheinlich machen, dass diese auf das Schädel-Hirn-Trauma von 1962 zurückzuführen ist. M. hat für den Senat schlüssig darauf hingewiesen, dass der Ort der festgestellten Läsion im rechten Temporallappen nicht für die Verursachung psychischer Wesensveränderungen spricht. Demnach ist vielmehr wahrscheinlich, dass eine vom Unfallereignis unabhängig bestehende, anlagebedingte Persönlichkeitsstörung zunehmend zum Vorschein getreten ist, wie dies von verschiedenen neurologisch-psychiatrischen Gutachtern dargelegt wurde. Weiterhin ist ohne jegliche initiale Traumareaktion eine traumatisch bedingte psychiatrische Erkrankung wie eine posttraumatische Belastungsstörung nicht anzunehmen und werden auch entsprechende Symptome, wie Flashbacks, weder in den vom Senat urkundsbeweislich verwerteten Gutachten noch in den vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten beschrieben. Auch die von O. diagnostizierte Depression lässt sich weder aufgrund entsprechender Vordiagnosen noch der Schilderung von Alltag und Beschwerden des Klägers objektivieren, worauf M. für den Senat nachvollziehbar hinweist. M. hat darüber hinaus ausgehend von den von ihm im Rahmen der Untersuchung im Jahre 2015 erhobenen psychischen Befunde keine psychiatrische Diagnose gestellt.
(6) Hinsichtlich des vom Kläger geklagten Kopfschmerzes lässt sich der erforderliche Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall ebenfalls nicht herstellen. Sowohl Z. als auch M. bewerten die Symptomatik als unfallunabhängigen Spannungskopfschmerz. Im Übrigen ist festzuhalten, dass nach den vorliegenden Befunden und Anamneseerhebungen in den verschiedenen neurologischen Gutachten sich keine Hinweise auf eine intensivere Therapie insoweit ergeben. Bei der Begutachtung durch Z. im März 2006 wird zwar ein Dauerkopfschmerz angegeben, die Angaben zu den Medikamenten enthalten jedoch kein Schmerzmittel. Bei M. am 09.04.2015 hat der Kläger demgegenüber Kopfschmerzen als Beschwerden nicht genannt und enthielt die vom ihm vorgelegte Medikamentenliste ebenfalls kein Schmerzmittel. Auch aus den sonstigen Angaben des Klägers ergibt sich keine schmerztherapeutische Behandlung. Demnach hat der Senat bereits Zweifel an einer tatsächlich bestehenden andauernden Kopfschmerzsymptomatik. Darüber hinaus lässt sich jedenfalls in Übereinstimmung mit den Feststellungen von Z. und M. nicht hinreichend wahrscheinlich machen, dass die im Jahr 1962 stattgefundene Verletzung die geklagten Kopfschmerzen verursacht hat.
(7) Entsprechendes ist hinsichtlich der vom Kläger geklagten Schlafstörungen festzustellen. Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang diese tatsächlich bestehen, ergeben sich aus den ärztlichen Befunden keinerlei Hinweise auf eine etwaige Verursachung durch das Schädel-Hirn-Trauma von 1962. Ein entsprechender Zusammenhang wird auch in keinem der vorliegenden Gutachten dargestellt. Zwar nimmt O. ein langjähriges postkontusionelles Syndrom mit Schlafstörungen an, jedoch hat der Senat aufgrund der von M. erhobenen Befunde bereits Zweifel an dieser Diagnose und ist darüber hinaus dem Gutachten von O. eine nachvollziehbare Begründung für einen Ursachenzusammenhang nicht zu entnehmen.
bb) Soweit der Kläger Beschwerden im Bereich der Augen und der Nasennebenhöhlen sowie bei der Atmung und dem Schlucken sowie eine Infektneigung geltend macht, fehlt es für eine etwaige Feststellung als Unfallfolgen ebenfalls an objektiven Befunden.
(1) Das linke Auge selbst wurde durch das Unfallereignis nicht verletzt. Die ursprünglich diagnostizierte Tränensackstenose wurde entsprechend behandelt, danach ergab sich ein unauffälliger Befund. Der Gutachter K. stellte in seinem Gutachten vom 02.09.1969 fest, dass Sehkraft und Gesichtsfelder ungestört seien. Sofern der Kläger Jahrzehnte nach dem Unfall das Nachlassen der Sehkraft und eine angeblich schwierige Brillenverordnung beklagt hat, fehlen jegliche Hinweise auf einen möglichen Ursachenzusammenhang mit dem Unfall aus dem Jahr 1962.
(2) Die HNO-ärztlichen Nachuntersuchungen im Jahr 1984 waren ohne pathologischen Befund, insbesondere konnten die geklagten Entzündungen nicht bestätigt werden. Laut dem gerichtlichen Gutachten von T. vom 25.09.1990, dessen Befunde der Senat im Wege des Urkundsbeweises berücksichtigt, bestand keine mechanische Atembehinderung. Es konnte zwar noch die alte Frakturstufe gesehen werden, ansonsten war der Nasennebenhöhlenbefund unauffällig, wiederholte Infektionen der Nebenhöhlen ließen sich nicht objektivieren. Der Vortrag des Klägers, dass er wiederholt unter einer Infektion der Nebenhöhlen leidet, lässt sich somit nicht belegen und es gibt keinerlei Hinweise auf eine etwaige unfallbedingte Ursache. Es wurde nach der operativen Behandlung der unfallbedingten Nasenverletzung keine Einschränkung der Atmung festgestellt.
cc) Weiterhin sind beim Kläger keine auf die erlittene Clavikulafraktur zurückzuführenden Gesundheitsstörungen vollbeweislich gesichert. Wie bereits ausgeführt, lässt sich das von O. diagnostizierte rechts thorakale muskuloskelettale Narbenschmerzsyndrom und eine Plexus-brachialis-Affektion nicht belegen. Weiterhin ergeben sich keine Hinweise auf etwaige auf die Clavikulafraktur zurückzuführende Bewegungsstörungen. Als Befund nach Abschluss des an den Arbeitsunfall sich anschließenden Heilverfahrens wurde eine knöchern fest verheilte Fraktur dokumentiert, ohne dass Bewegungseinschränkungen oder eine Schmerzsymptomatik insoweit erwähnt wurden. Hinweise auf Bewegungsstörungen insoweit ergeben sich auch aktuell weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus der Schilderung seiner Alltagsaktivitäten. Selbst in dem Gutachten von O. werden keine Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Schulter angegeben.
dd) Die vom Kläger geklagten Kaubeschwerden sind ebenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Die behandelnden Zahnärzte E. vom Universitätsklinikum C. und I. haben diese laut den vorliegenden Befundberichten übereinstimmend als CMD-Problematik gewertet, die allein auf Verschleißerscheinungen des Gebisses zurückgeführt werden kann. Eine Unfallursächlichkeit hat E. nicht gesehen. Im Übrigen hat der Kläger sich laut des Befundberichtes seines Zahnarztes I. vom 06.09.2012 erstmals im Jahr 1999 wegen CMD-Beschwerden vorgestellt. In dem am 03.05.1963 erstellten kieferorthopädischen Gutachten von H., das den grundsätzlichen Anforderungen an ein gerichtlich beauftragtes Gutachten erfüllt und das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, wurden darüber hinaus keine Funktionsstörungen von Seiten der Kiefer- und Gesichtsverletzung sowie keine Störungen der Okklusion festgestellt. Aus diesen Gründen hält der Senat in Übereinstimmung mit E. es nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass die ca. 36 Jahre nach dem Arbeitsunfall eingetretene CMD-Problematik Folge des Arbeitsunfalls von 1962 ist, da es mindestens ebenso wahrscheinlich ist, dass dies allein auf Verschleißerscheinungen des Gebisses zurückgeführt werden kann. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat sich auch nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst, zumal M. die Schmerzen im Gesicht, einschließlich des Kieferbereichs, als Narbenschmerzen und damit unabhängig von einer Störung der Kiefergelenkfunktion deutet.
ee) Soweit der Kläger über die zuvor im Einzelnen genannten Gesundheitsstörungen (vgl. Ziffer 2 b) aa) bis dd)) hinaus die Anerkennung einer Vielzahl weiterer Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen begehrt, ist bereits nicht gesichert, dass der Kläger unter diesen Gesundheitsstörungen leidet. Die vom Kläger erstellte Auflistung dieser angeblich unfallbedingten Gesundheitsstörungen ist allein Ergebnis einer Recherche des Klägers in medizinischen Fachbüchern sowie Wikipedia, wird jedoch durch keinen ärztlichen Befund bestätigt. Der Kläger hat selbst vorgetragen, die Auflistung der seiner Auffassung nach bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen selbständig unter Zuhilfenahme der Psychrembel verfasst zu haben. Der Senat sieht keine Veranlassung allein aufgrund der Behauptung des Klägers, an bestimmten, der Psychrembel entnommenen Diagnosen zu leiden, weitere Ermittlungen durchzuführen.
b) Zur Überzeugung des Senats steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Verletztenrente zu. Sowohl nach § 581 Abs. 1 RVO als auch nach § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB VII wird dem Verletzten als Verletztenrente der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grade der MdE entspricht, solange seine Erwerbsfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens 20 vH gemindert ist. Abweichend von diesem Grundsatz ist nach § 581 Abs. 3 RVO bzw. § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII in den Fällen, in denen die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten MdE zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen, für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall, Verletztenrente zu gewähren. Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind allerdings nur zu berücksichtigen, wenn die Erwerbsfähigkeit jeweils um wenigstens 10 vH gemindert ist (§ 581 Abs. 3 Satz 2 RVO bzw. § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII).
Für die Feststellung einer rentenberechtigenden MdE sind dabei nur solche Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die entweder als Gesundheitserstschäden kausal (haftungsbegründende Kausalität) auf das Unfallereignis selbst oder als Gesundheitsfolgeschäden kausal (haftungsausfüllende Kausalität) auf den Gesundheitserstschaden bzw. die Gesundheitserstschäden zurückzuführen sind.
Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer sowie sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (BSG, Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R -, juris Rn. 20). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerung darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auswirken, sind zwar nicht verbindlich, bilden aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG, Urteil v. 23.04.1987 – 2 RU 42/86 -, juris Rn. 16). Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (BSG, Urt. v. 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, juris Rn. 17).
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den Kläger mangels eines Stützrententatbestandes kein Anspruch auf Verletztenrente. Bei dem Kläger liegen keine auf das Unfallereignis vom 19.10.1962 zurückzuführenden Gesundheitsstörungen vor, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 vH begründen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger bei dem Arbeitsunfall vom 19.10.1962 neben der Clavikulafraktur schwerwiegende Gesichts- und Kopfverletzungen erlitten hat, die auch eine bleibende, kleine Defektzone im rechten Temporallappen verursacht haben. Für die Bemessung der MdE ist jedoch nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der eingetretene Funktionsverlust entscheidend (BSG, Urt. v. 20.12.2016 – B 2 U 11/15 R -, juris Rn. 14 m.w.N.). Wie bereits ausführlich dargelegt, lassen sich jedoch bis auf die Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen bzw. Narbenschmerzen im Bereich der linken Gesichtshälfte keine weiteren Funktionsstörungen - und zwar auch nicht für die Vergangenheit - im erforderlichen Vollbeweis feststellen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die bei dem Arbeitsunfall erlittenen Verletzungen zurückzuführen sind. Die verbliebenen Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen sind nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Sachverständigen M. mit einer MdE von (maximal) 10 vH zu bewerten. Im Übrigen ergäbe sich nach den schlüssigen Ausführungen von M. in seinem Gutachten vom 29.05.2015 auch dann keine höhere MdE, wenn die beim Kläger bestehende charakterliche Zuspitzung mit chronischer Einengung seines Lebenshorizontes auf die vermeintlich bei ihm bestehenden Beschwerden und die geführten Klageverfahren als unfallbedingt gedeutet würde, da sich eine dadurch begründete messbare Leistungsbeeinträchtigung nicht feststellen lässt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor