L 4 SO 118/23 WA

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 30 SO 147/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 118/23 WA
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze


1. Das Landessozialgericht ist für die Entscheidung über eine Wiederaufnahmeklage auch dann zuständig, wenn der Senat mit der angegriffenen Entscheidung zwar nicht in der Sache entschieden, sondern die Berufung als unzulässig verworfen hat, indes der Kläger den Wiederaufnahmegrund gerade in der verwerfenden Entscheidung selbst sieht (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2024 – L 7 AS 453/22 WA –).

2. Zur Möglichkeit der Verwerfung der Wiederaufnahmeklage durch Beschluss.
 


Die Wiederaufnahmeklage des Klägers wird als unzulässig verworfen. 

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 

Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

Der Kläger wendet sich im Wege der Wiederaufnahmeklage gegen ein rechtskräftiges Urteil des Senats (L 4 SO 5/20). In diesem Verfahren hat der Kläger im Wege der Berufung sein Anliegen weiterverfolgt, nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) von der Beklagten die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen, die Übernahme der Kosten für die Beschaffung von Haushaltsgeräten (Wasserkocher bis 11. Oktober 2019/TV-Gerät) sowie die Beschaffung und den Nachweis einer geeigneten angemessenen Unterkunft zu erhalten. Im Wege der Klageerweiterung hat er die Feststellung begehrt, dass seine bisherigen Unterbringungen nebst allen Gebühren- und Kostenforderungen der Beklagten, menschenunwürdig und rechtswidrig waren. Die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main hat der Senat mit Urteil vom 27. April 2022 als unzulässig verworfen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers blieb erfolglos (Bundessozialgericht, Beschluss vom 17. Januar 2023 – B 8 SO 51/22 BH).

Mit der am 24. November 2023 eingegangenen Wiederaufnahmeklage macht der Kläger geltend, das Urteil vom 27. April 2022 sei erkennbar haltlos. Es habe nicht wirksam öffentlich zugestellt werden können, die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung hätten nicht vorgelegen. Es fehlten jegliche Versuche des Gerichts seine ladungsfähige Anschrift zu ermitteln. Der Zugang der Ladung sei nicht dargetan. Die Ladung und die Entscheidung seien nicht zugestellt worden. Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger nie Leistungen nach §§ 67 ff. SGB XII erbracht. Auf den richterlichen Hinweis vom 23. April 2024 hat der Kläger Schriftsätze vom 23. April 2024 und 28. Juni 2024 (u.a. Befangenheitsanträge) eingereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Senats vom 27. April 2022 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Januar 2020 aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen und im Wege der Klageerweiterung festzustellen, dass seine bisherigen Unterbringungen, nebst allen Gebühren- und Kostenforderungen der Beklagten, menschenunwürdig und rechtswidrig waren.

Die Beklagte hat sich nicht zur Sache geäußert.

Mit Verfügung vom 23. April 2024 hat der Berichterstatter dem Kläger einen rechtlichen Hinweis zur ladungsfähigen Anschrift und zum ergänzenden Vortrag zu Wiederaufnahmegründen erteilt. Die Beteiligten sind zur Entscheidung nach §§ 153 Abs. 4, 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) belehrt und angehört worden. Ein PKH-Antrag bezüglich einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 27. April 2022 – L 4 SO 5/20 – ist zuständigkeitshalber an das Bundessozialgericht abgegeben worden (B 8 SO 66/23 BH). Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im hiesigen Verfahren sowie ein Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters sind mit Beschluss vom 17. September 2024 abgelehnt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. 


II.

Der Senat war für die Entscheidung über die Wiederaufnahmeklage zuständig, da der Senat im Verfahren L 4 SO 5/20 zwar nicht in der Sache entschieden hat, indes der Kläger den Wiederaufnahmegrund gerade in der verwerfenden Entscheidung selbst sieht (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2024 – L 7 AS 453/22 WA –, juris).

Der Senat konnte gemäß § 179 Abs. 1 i. V. m. § 158 Satz 1 und 2 SGG die Wiederaufnahmeklage nach Belehrung und Anhörung durch Beschluss der Berufsrichter ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verwerfen. Da das Wiederaufnahmeverfahren nichts anderes als die Fortsetzung des abgeschlossenen Verfahrens bezweckt, entspricht es der gesetzgeberischen Zielrichtung, über einen unzulässigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in der Berufungsinstanz ebenfalls in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und ohne Zuziehung von ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden, wie es § 158 Satz 2 SGG bei der Verwerfung einer unzulässigen Berufung eröffnet (BSG, Beschluss vom 18. September 2014 – B 14 AS 85/14 B –, Rn. 7, juris).

Der Senat konnte in der o.g. Besetzung entscheiden, da über das Ablehnungsgesuch des Klägers durch Beschluss vom 26. Juni 2024 – L 4 SF 75/24 AB – entschieden wurde. Soweit im Schreiben vom 28. Juni 2024 ein neuerliches Ablehnungsgesuch angebracht worden ist, wiederholt es nur die Begründung des vorhergehenden Gesuchs und dient darüber hinaus – wie viele andere Ablehnungsgesuche in nahezu jedem Rechtsmittelverfahren des Klägers – eindeutig nur der Verfahrensverschleppung und rechtsschutzfremden Zwecken; es ist damit offensichtlich unzulässig.

Die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig, weil der Kläger die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer solchen Klage nicht dargetan hat. Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach § 179 Abs. 1 SGG entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der ZPO wieder aufgenommen werden. Die Wiederaufnahme eines durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens erfolgt durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage, § 578 Abs. 1 ZPO. Die Anfechtungsgründe für eine Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) bzw. Restitutionsklage (§ 580 ZPO) sind abschließend aufgeführt, wobei es sich im Wesentlichen um schwerste Verfahrensmängel (Nichtigkeitsklage) handeln bzw. eine Entscheidung im Streit stehen muss, die auf einer unrichtigen, insbesondere einer verfälschten Grundlage beruht (Restitutionsklage). Die Wiederaufnahme ist ferner zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat (§ 179 Abs. 2 SGG). Schließlich ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig, wenn mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig anerkannt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig zur Leistung verurteilt worden sind bzw. wenn ein oder mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig abgelehnt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig von der Leistungspflicht befreit worden sind, weil ein anderer Versicherungsträger leistungspflichtig sei, der seine Leistung bereits endgültig abgelehnt hat oder von ihr rechtskräftig befreit worden ist (§ 180 Abs. 1 SGG). Das gleiche gilt im Verhältnis zwischen Versicherungsträgern und einem Land, wenn streitig ist, ob eine Leistung aus der Sozialversicherung oder nach dem Sozialen Entschädigungsrecht zu gewähren ist (§ 180 Abs. 2 SGG). Statthaft ist eine Wiederaufnahmeklage nur dann, wenn ein Wiederaufnahmegrund zumindest schlüssig behauptet wird (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, 14. Auflage 2023, SGG § 179 Rn. 9).

Hiernach ist die Wiederaufnahmeklage unzulässig, denn als Grund für seine Wiederaufnahmeklage führt der Kläger lediglich aus, das Urteil vom 27. April 2022 im Berufungsverfahren L 4 SO 5/20 sei erkennbar haltlos. Es habe nicht wirksam öffentlich zugestellt werden können, die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung hätten nicht vorgelegen. Es fehlten jegliche Versuche des Gerichts seine ladungsfähige Anschrift zu ermitteln. Der Zugang der Ladung sei nicht dargetan. Die Ladung und die Entscheidung seien nicht zugestellt worden. Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger nie Leistungen nach §§ 67 ff. SGB XII erbracht. Auch auf den konkreten Hinweis des Berichterstatters zum fehlenden Vortrag zu den Nichtigkeits- und Restitutionsgründen hat der Kläger nichts Erhebliches vorgetragen (siehe Schriftsätze vom 23. April 2024 und 28. Juni 2024).

Soweit der Kläger auf § 72 SGG Bezug nimmt, wird auf den Beschluss des Senats vom 17. September 2024 verwiesen. Im Hinblick auf § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO fehlt es an jeder schlüssigen Darlegung. 

Damit ist weder einen Nichtigkeits- noch einen Restitutionsgrund bezeichnet oder auch nur ansatzweise nachvollziehbar vorgetragen. Die von dem Kläger offenbar angenommene Unrichtigkeit der Entscheidung des Senats ist nicht zulässiger Gegenstand einer Wiederaufnahmeklage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
 

Rechtskraft
Aus
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