Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.06.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme von Straffungs-OPs des Gesäßes, der Oberschenkel (insoweit liposuktionsassistiert), der Brust sowie des lateralen Thorax durch die beklagte Krankenkasse.
Die Beklagte versorgte die Klägerin (* 00.00.0000) im Jahr 2012 mit einer Magenbypass-OP, in deren Folge die Klägerin ihr Körpergewicht von 130 kg auf 60 kg bei einer Körpergröße von 1,57 m reduzierte. Im Jahr 2017 unterzog sie sich ebenfalls im Rahmen der GKV zudem einer Operation zur Straffung der Bauchdecke.
Unter dem 11.05.2021 (bei der Beklagten eingegangen am 14.05.2021) beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Gesäßstraffung beidseits, eine liposuktionsassistierte Oberschenkelstraffung beidseits sowie eine Brust- und laterale Thoraxstraffung beidseits. Nach einer beigefügten Bescheinigung des Facharztes für Plastische Chirurgie U. bestünden bei der Klägerin ausgeprägte Hautweichteilüberschüsse im Bereich des Gesäßes des Gesäßes, der Oberschenkel. Diese nehme die Klägerin im Gesäßbereich durch schmerzhafte Einklemmungen, im Oberschenkelbereich als ein ausgeprägtes und schmerzhaftes Pendelgewicht mit Einschränkung jeglicher Aktivitäten wahr; vor allem im Bereich der Oberschenkelinnenseiten komme es durch schmerzhaftes Aneinanderreiben zu rezidivierenden Ekzemen. Auch die Brüste seien ausgesprochen ptotisch (Grad III); hier imponiere ein ausgeprägter lokaler Hautweichteilüberschuss mit therapieresistenten, rezidivierenden Ekzemen in den Umschlagsfalten. Die vorgeschlagenen Eingriffe seien aufgrund einer ausgeprägten statisch-muskulären Dysbalance des Rumpfes indiziert. Die Operationen sollten zeitversetzt im Abstand von jeweils drei bis sechs Monaten und jeweils stationär (mit Verweildauern zwischen drei und sechs Tagen) erfolgen.
Die Beklagte beauftrage den MDK mit einer Begutachtung (Unterrichtung der Klägerin hierüber mit E-Mail vom 17.05.2021), der zu folgender Einschätzung gelangte (Sozialmedizinisches Gutachten vom 01.06.2021), dass die bei der Klägerin bestehenden Hautweichteilüberschüsse in Bereich der Brüste, des Gesäßes und der Oberschenkelinnenseiten in keinem Bereich ein derart erhebliches morphologisches Ausmaß hätten, dass daraus alltagsrelevante funktionelle Behinderungen resultierten. Die geklagte Hautproblematik, insbesondere therapieresistente intertriginöse Beschwerden, sei nicht belegt. Eine seitens des Hausarztes angegebene psychische Belastung könne nicht berücksichtigt werden.
Gestützt auf das MDK-Gutachten lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab (Bescheid vom 08.06.2021).
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des (nunmehr nach Umbenennung) MD ein, der an seiner Einschätzung festhielt (Sozialmedizinisches Gutachten vom 06.08.2021).
Sodann wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 21.09.2021).
Die Klägerin hat am 08.10.2021 Klage zum Sozialgericht Köln erhoben.
Sie hat vorgetragen, die Operationen seien medizinisch indiziert. Aufgrund des erheblichen Hautüberschusses (am Gesäß mehr als 20 cm, im Innenbereich beider Oberschenkel 16 cm; Brüste ptotisch Grad III) leide sie unter starken Schmerzen, zudem komme es zu funktionellen und messbaren Beeinträchtigungen. Sowohl sportliche Aktivitäten als auch das bloße Sitzen und Fortbewegen seien stark eingeschränkt. Die Haut reibe permanent gegeneinander und verursache so starke Schmerzen, insbesondere im Gesäßbereich beim Liegen und Sitzen. Die Operationen seien zudem aufgrund einer ausgeprägten statisch-muskulären Dysbalance des Rumpfes notwendig. Durch enormen pflegerischen Aufwand versuche sie, die Bildung von Ekzemen, Schuppenflechte sowie anderen Entzündungen und Infektionen zu verhindern, wobei dies gerade in den wärmeren Monaten schier unmöglich sei. Sie trage dauerhaft und jeden Tag Kompressionswäsche, nehme regelmäßig Schmerzmittel und verwende Salben. Darüber hinaus sei die Magenbypass-Operation kausal für die nunmehr bestehenden Beeinträchtigungen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 08.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer postbariatrischen Wiederherstellung in Form von Gesäßstraffung, liposuktionsassistierter Oberschenkelstraffung und Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseitig zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt. Überschüssige Haut an Bauch und Oberschenkeln aufgrund Gewichtsverlustes nach einer variablen Operation stelle für sich genommen keinen krankhaften Befund dar. Dermatologische Erkrankungen seien grundsätzlich mit den Mitteln dieser Fachrichtung zu behandeln.
Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundberichte der Hautärztin N. vom 21.02.2022 sowie des Internisten G. vom 04.03.2022 eingeholt und sodann Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens bei der Fachärztin für Chirurgie – Plastische Chirurgie – und Sozialmedizinerin B.. Darüber hinaus hat das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin den Facharzt für Plastische Chirurgie E. gemäß § 109 SGG schriftlich als Sachverständigen gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der beiden Gutachten vom 07.06.2022 bzw. 17.01.2023 ebenso Bezug genommen wie auf die vom Sozialgericht eingeholte ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen B. vom 11.04.2023.
Sodann hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.06.2023). Werde durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, bedürfe diese mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung. Die überschüssige Haut der Klägerin stelle für sich genommen keinen krankhaften Befund bzw. regelwidrigen Körperzustand dar. Dass eine ausgeprägte Hautfaltenbildung vom Normalbefund des Körpers abweiche, reiche nicht aus, um ihr Krankheitswert zuzusprechen. Auch aus dermatologischen Gründen bestehe kein Anspruch auf die streitgegenständlichen Hautstraffungen. Grundsätzlich seien dermatologische Erkrankungen mit den Mitteln dieser Fachrichtung zu behandeln. Sollte sich herausstellen, dass mit diesen Mitteln kein dauerhafter Erfolg erzielt werden könne, so wäre erst im Anschluss zu prüfen, ob – als Ultima Ratio – eine Hautstraffung notwendig sei. Dafür sei nach den Ausführungen der Sachverständigen B. nichts ersichtlich. Bei deren Untersuchung habe sich im Bereich der Haut ein normgerechter Befund gezeigt. Aus einer Fotodokumentation werde ersichtlich, dass keinerlei Hautreizungen bestünden; die von der Klägerin in eigener Regie durchgeführten Pflegemaßnahmen also erfolgreich seien. In Übereinstimmung damit sei die Klägerin nach der Behandlungsdokumentation ihrer Hautärztin nicht in regelmäßiger dermatologischer Behandlung. Die Ausführungen des Sachverständigen E. seien insoweit daher nicht ansatzweise nachvollziehbar. Bezüglich der Bewertung der dermatologischen Erkrankungsbilder weise das Gutachten Diskrepanzen auf. Es finde keinerlei kritische Auseinandersetzung mit der fehlenden Inanspruchnahme fachdermatologischer Behandlung durch die Klägerin statt. Erhebliche funktionelle Beeinträchtigungen der Körperfunktionen durch die Hautüberschüsse seien nach den Ausführungen B.s ebenfalls nicht ersichtlich. E. habe im Rahmen seiner orientierenden Untersuchungen der Wirbelsäule zwar Druckschmerzen und Muskelverhärtungen festgestellt, in seinem Gutachten finde sich jedoch keine nachvollziehbare Herleitung, dass diese auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Beschwerden durch die überschüssige Haut verursacht würden. Hinzuweisen sei darauf, dass die Klägerin nicht in fachorthopädischer Behandlung sei. Es leuchte nicht ein, warum E. einen operativen Eingriff als erforderlich erachte, wenn nicht einmal konservative Behandlungsmethoden (Physiotherapie, fachorthopädische Behandlung) versucht worden seien. Darüber hinaus habe die Klägerin gegenüber B. geschildert, in Ihren Alltagsaktivitäten nicht eingeschränkt zu sein und einer vollschichtigen Berufstätigkeit als Schneiderin (Ausbilderin) in der JVA Siegburg nachzugehen. Eine schmerzbedingte Notwendigkeit, die begehrten Operationen durchzuführen, sei eben falls nicht ersichtlich. Die Klägerin sei nicht in qualifizierter schmerztherapeutischer Behandlung. Es gebe keinen Nachweis darüber, dass die von ihr geschilderten Schmerzen auf die Hautüberschüsse zurückzuführen seien. Hautüberschüsse aufgrund einer Gewichtsreduktion nach einer bariatrischen Operation seien nicht mit einer Brustrekonstruktion bei Mammakarzinom vergleichbar. Im einen Fall gehe es um den Ausgleich der unmittelbaren Folgen der Krankenbehandlung an dem erkrankten und von der Behandlung betroffenen Organ (Brust) und im anderen Fall um den mittelbaren Ausgleich an einem zunächst von der Krankheit (Adipositas) bzw. deren Behandlung (bariatrische Operation) nicht betroffenen Organ.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 28.06.2023 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12.07.2023 eingelegten Berufung.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren.
Sie beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.06.2023 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2021 zu verurteilen, die Kosten einer postbariatrischen Wiederherstellung in Form von Gesetz Straffung, liposuktionsassistierter Oberschenkelstraffung und Brust- und lateraler Thoraxstraffung beidseitig zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.06.2023 zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für rechtmäßig.
Der Senat hat Behandlungs- und Befundberichte der Hautärztin N., des Hautaztes O. sowie des Orthopäden X. angefordert und sodann hat Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der erstinstanzlich gehörten Sachverständigen B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der angeforderten Befundberichte sowie der Stellungnahme vom 25.04.2024 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Senatsberatung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.06.2023 ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid vom 08.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2021 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und die Klägerin nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit den begehrten Wiederherstellungsoperationen in Form der Gesäßstraffung beidseits, einer liposuktionsassistierten Oberschenkelstraffung beidseits sowie einer Brust- und lateralen Thoraxstraffung beidseits als Sachleistungen.
Gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 5 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung – darunter Krankenhausbehandlung –, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit ist dabei ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 10.03.2022 – B 1 KR 3/21 R – Rn. 10 <st.Rspr.>; zum Ganzen auch Nolte in BeckOGK <Stand: III/2021>, § 27 SGB V Rn. 9 ff.; jeweils m.w.N.).
Anspruch auf vollstationäre Behandlung durch ein zugelassenes Krankenhaus, wie sie die Klägerin ausweislich der ihrem Antrag beigefügten Bescheinigung U.s begehrt, haben Versicherte gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Wird chirurgisch in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, um mittelbar ein anderes Leiden zu behandeln, muss der Eingriff danach Ultima Ratio sein. Der Begriff der Ultima Ratio ist insoweit rechtlicher Aspekt der Erforderlichkeit (§ 39 Abs. 1 S. 2 SGB V). Eine mittelbare Behandlung bedarf mithin einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (jeweils zu einer Magenverkleinerung vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2022 – B 1 KR 19/21 R – Rn. 20 ff.; Urteil vom 19.02.2003 – B 1 KR 1/02 R –, juris Rn. 12; zu postbariatrischen Hautstraffungen: Urteil des Senats vom 03.07.2024 – L 10 KR 475/22 – <bisher unveröffentlicht>; Hessisches LSG, Urteil vom 02.05.2024 – L 1 KR 247/22 –, juris Rn. 26; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21.06.2022 – L 10 KR 178/17 –, juris Rn. 30; Bayerisches LSG, Urteil vom 04.12.2018 – L 20 KR 406/18 –, juris Rn. 57; wiederum jeweils m.w.N.).
Ausgehend hiervon steht der Klägerin kein Anspruch auf die begehrten Hautstraffungsoperationen aufgrund der insoweit geltend gemachten Beschwerden zu (dazu 1). Weiter ergibt sich ein Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Entstellung (dazu 2) und auch nicht, weil der Gewichtsverlust und damit das Entstehen der Hautüberschüsse kausal auf die vorangegangene Magenbypass-Operation zurückzuführen wäre (dazu 3).
1. Die mit der Klage geltend gemachten Beschwerden begründen keine Ultima-ratio-Situation. Dies gilt für die geklagten Funktionseinschränkungen und Schmerzen (dazu a) wie auch die geltend gemachten Hautbeschwerden (dazu b).
a) Etwaige überschüssige Haut stellt nach wohl überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung für sich genommen schon keine Krankheit im Gesetzessinne dar (vgl. BayLSG, Urteil vom 04.12.2018 – L 20 KR 406/18 –, juris Rn. 58; HessLSG, Beschluss vom 05.09.2018 – L 8 KR 254/17 –, juris Rn. 20). Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung des Senats, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Hautüberschüssen als solchen ausnahmsweise Krankheitswert zukommen kann. Denn um einer körperlichen oder seelischen Abweichung vom Leitbild des gesunden Menschen Krankheitswert beizumessen, muss durch diese die Ausübung der psychophysischen Funktionen erschwert werden; die Funktionsstörung muss ein Ausmaß erreichen, das aus objektiver medizinischer Sicht eine ärztliche Behandlung erfordert (BSG, Urteil vom 10.03.2022, a.a.O. Rn. 13 m.w.N.; vgl. auch Urteil des Senats vom 03.07.2024, a.a.O.).
Letzteres ist bei der Klägerin nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht der Fall. Die Klägerin behauptet hierzu, sowohl sportliche Aktivitäten als auch das bloße Sitzen und Fortbewegen seien stark eingeschränkt. Ihre Haut reibe permanent gegeneinander und verursache so starke Schmerzen, insbesondere im Gesäßbereich beim Liegen und Sitzen. Dieses Vorbringen deckt sich mit dem vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht, in dem der Internist G. der Klägerin chronische Schmerzen und eine psychische Belastung attestiert und eine „Vorstellung beim plastischen Chirurgen dringend [empfiehlt]“ . Auch U. hat bereits zur Begründung des ursprünglichen Antrags mitgeteilt, im Gesäßbereich bestünden schmerzhafte Einklemmungen und im Oberschenkelbereich Einschränkungen, weil die dortigen Hautüberschüsse als ausgeprägtes und schmerzhaftes Pendelgewicht wirkten. Hingegen ergibt sich aus der vom Orthopäden X. vorgelegten Patientenkartei, dass die Klägerin anlässlich ihrer einmaligen Vorstellung am 01.09.2023 anamnestisch Schmerzen beim Sitzen beklagt habe, diese seien aber seinerzeit funktioneller Natur gewesen (ISG-Blockade in Zusammenhang mit eingeschränkter Hüftgelenksbeweglichkeit), eine Hautschürzenoperation sei daher aus orthopädischer Sicht irrelevant. Stattdessen hat er der Klägerin u.a. Chirotherapie empfohlen und stützende Einlagen verordnet.
Vor allem aber hat die vom Sozialgericht von Amts wegen gehörte, auch dem Senat als sehr erfahren bekannte Sachverständige B. die von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden nicht bestätigen können. Funktionelle Beeinträchtigungen hat die gerichtliche Sachverständige in nachvollziehbarer Weise verneint. Die Ptosis könne durch einen entsprechenden BH ausgeglichen werden. Der entgegenstehenden Einschätzung des auf Antrag der Klägerin gehörten Sachverständigen E. vermag sich der Senat dagegen nicht anzuschließen. Dieser hat zwar mitgeteilt, insbesondere die Bewegungsfähigkeit der Klägerin sei durch die massiv herabhängenden Brüste und die Haut-Fettlappen gestört. Selbst einfache Bewegungsformen könne sie nur eingeschränkt durchführen, vornübergebeugtes Arbeiten, Arbeiten im Knien oder Hocken seien ihr nur noch sehr eingeschränkt möglich. Unabhängig davon, dass weder die Sachverständige B. noch der Orthopäde X. – den der Senat ausdrücklich nach Bewegungseinschränkungen und/oder Schmerzen aufgrund von Hautüberschüssen gefragt hat – keine derartigen Befunde erhoben haben, lassen sich die Feststellungen des Sachverständigen E. auch nicht mit den anamnestischen Angaben der Klägerin gegenüber B. in Einklang bringen, wonach sie zwei- bis dreimal in der Wochen schwimmen gehe, zudem regelmäßig Fahrrad fahre und spazieren gehe sowie vollschichtig als Schneiderin in einer JVA erwerbstätig sei. E. teilt hierzu lediglich mit, die Klägerin habe anamnestisch angegeben, „nicht regelhaft“ Sport treiben zu können, ohne dies aber näher zu spezifizieren. Darüber hinaus hat E. im Rahmen der körperlichen Untersuchung zwar muskuläre Verhärtungen und Verspannungen sowie eine Druckschmerzhaftigkeit der gesamten Wirbelsäule festgestellt. Weshalb diese Beschwerden aber allesamt auf die streitbefangenen Hautüberschüsse zurückzuführen sein sollen und damit eine Besserung durch die begehrten Straffungsoperationen überhaupt zu erwarten wäre, legt er aber nicht dar. Dies ist umso auffälliger, nachdem der Orthopäde X. – wie erwähnt – insoweit von funktionellen Beschwerden ausgeht.
b) Nichts anderes gilt mit Blick auf die geklagten Hautbeschwerden. Dabei kann auch hier offenbleiben, inwieweit nach einem Gewichtsverlust erschlaffte Haut noch als "funktionell intaktes Organ" betrachtet werden kann (so LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.11.2020 – L 16 KR 143/18 –, juris Rn. 27; BayLSG, a.a.O. Rn 57). In jedem Fall sind dermatologische Erkrankungen mit den Mitteln dieser Fachrichtung zu behandeln. Erst im Anschluss, wenn sich herausstellen sollte, dass mit diesen Mitteln kein dauerhafter Erfolg erzielt werden kann, wäre zu prüfen, ob als Ultima Ratio eine Hautstraffung notwendig ist (LSG Hamburg, Urteil vom 17.07.2014 – L 1 KR 160/13 –, juris Rn. 24; so im Ergebnis auch BayLSG, a.a.O. Rn. 63). Eine Entfernung überschüssiger Hautlappen aus dermatologischen Gründen kommt danach nur in Betracht, wenn durch den Hautüberschuss ständige Hautreizungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen auftreten, die sich als dauerhaft therapieresistent erweisen (vgl. auch BSG, Beschluss vom 02.01.2023 – B 1 KR 70/21 B –, juris Rn. 11; BayLSG, a.a.O. Rn. 64; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 – L 4 KR 60/04 –, juris Rn. 23). Selbst eine zwar aufwendige, aber doch mögliche dermatologische Behandlung von zeitweise auftretenden Entzündungen begründet danach keine Notwendigkeit einer Hautstraffungsoperation (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 04.07.2019 – L 6 KR 55/15 –, juris Rn. 35).
aa) Derart therapiefraktäre Hauterkrankungen vermag der Senat nicht mit der notwendigen Gewissheit festzustellen. Dabei bedarf es keiner weiteren Ermittlungen des Senats, welche Hauterkrankungen bei der Klägerin überhaupt gesichert vorliegen. Allein der Sachverständige E. hat insoweit im Bereich der Umschlagsfalten an beiden Oberschenkeln sowie submammär Ekzem- und Erythembildungen festgestellt, während die Sachverständige B. ausdrücklich keine Hinweise für das Vorliegen chronisch-entzündlicher oder gar therapierefraktärer Hautveränderungen gesehen hat. Der Dermatologe O. hat in seinem vom Senat eingeholten Befundbericht die Frage, ob es aufgrund der Hautüberschüsse insbesondere zu Entzündungen der Haut, Ekzemen, geröteten, wunden oder nässenden Hautstellen o.ä. gekommen sei, ebenfalls verneint. Die Dermatologin N. hat gegenüber dem Senat insoweit auf ihr Attest aus dem Verwaltungsverfahren verwiesen, wonach das Risiko einer Candidia intertrigo „zusätzlich in den feuchten Hautfalten submammär erhöht“ sei.
bb) In jedem Fall ist aber eine zielgerichtete fachdermatologische Behandlung (vgl. zu diesem Aspekt auch BSG, Beschluss vom 02.01.2023 – B 1 KR 70/21 B, a.a.O.) nicht feststellbar. Die Klägerin behauptet hierzu zwar, sie versuche durch enormen pflegerischen Aufwand, die Bildung von Ekzemen, Schuppenflechte sowie anderen Entzündungen und Infektionen zu verhindern. In fachdermatologischer Behandlung stand und steht die Klägerin aber dennoch allenfalls punktuell. So hat sie sich ausweislich der vom Senat eingeholten Befundberichte bei den Dermatologen O. und N. nur einmal (am 14.07.2023) bzw. zweimal (am 04.05.2021 und 21.02.2021) vorgestellt. O. verordnete ihr – zudem wohl aufgrund der seinerzeit festgestellten Psorias vulgaris und erythematösen Hautveränderungen an den Ellenbogen und vereinzelt am Rumpf – lediglich eine Lokaltherapie mit Momegalen® Creme. Inwieweit es Versicherten zumutbar sein kann, eine nur in Bezug auf die Symptome wirksame und ggf. aufwändige dermatologische Behandlung möglicherweise ihr Leben lang durchzuführen, kann danach vorliegend auf sich beruhen (zur i.R.d. Ultima-ratio-Prüfung anzustellenden Abwägung von Nutzen und Risiken vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2022, a.a.O. Rn. 22).
2. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Entstellung.
Eine körperliche Abnormität kann dann einen Anspruch auf Krankenbehandlung auslösen, wenn sie entstellend wirkt. Hierzu muss es sich jedoch objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit hervorruft und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Maßgeblich ist, dass die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein muss, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht (BSG, Urteil vom 10.03.2022, a.a.O. Rn. 16 f. m.w.N.). Grundsätzlich unbeachtlich sind danach Auffälligkeiten an Körperstellen, die üblicherweise von Kleidung bedeckt sind. Leidglich in eng begrenzten Ausnahmefällen kann eine Entstellung auch an üblicherweise von Kleidung bedeckten Körperstellen möglich sein. Erforderlich ist hierzu aber, dass selbst die Offenbarung im privaten Bereich die Teilhabe, etwa im Rahmen der Sexualität, nahezu ausschließen würde. Hierbei ist nicht das subjektive Empfinden der Betroffenen maßgeblich, sondern allein die objektiv zu erwartende Reaktion. Die Auffälligkeit muss evident abstoßend wirken (zum Ganzen: BSG, a.a.O. Rn. 18).
Die Erheblichkeitsschwelle für eine krankheitswertige Entstellung wird im Übrigen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in aller Regel bei Hautüberschüssen, wie sie nach einem erheblichen Gewichtsverlust infolge einer bariatrischen Operation verbleiben können und auch vorliegend bestanden haben, nicht erreicht (BSG, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.; Urteil des Senats vom 03.07.2024, a.a.O.).
Eine solche Entstellung vermag der Senat im Falle der Klägerin auch nach Inaugenscheinnahme der im Klage- und erneut im Berufungsverfahren vorgelegten Fotodokumentation vom 26.05.2021, die u.a. die Oberschenkel, das Gesäß und den Busen der Klägerin in jeweils unbekleidetem Zustand abbildet, nicht festzustellen. Zwar ist auf den Fotos erschlaffte Haut insbesondere an den Oberschenkeln und am Gesäß erkennbar. Davon, dass dieser optische Eindruck "evident abstoßend" wirkte, vermag sich der Senat nicht zu überzeugen. Insoweit ist zu bedenken, dass zumindest das Gesäß und der Busen und regelmäßig auch die Oberschenkel im Alltag ohnehin von Kleidung verdeckt sind. Dies entspricht im Übrigen auch der Einschätzung beider erstinstanzlich gehörter Sachverständiger.
Soweit die Klägerin sich selbst als entstellt empfindet, ist dies nicht maßgebend, da es für die Bewertung der Entstellung nicht auf eine subjektive oder persönliche Einschätzung der Betroffenen ankommt (BSG, Urteil vom 10.03.2022, a.a.O., Rn. 17; Urteil des Senats vom 03.07.2024, a.a.O.).
3. Ein Anspruch auf Versorgung mit einer Oberschenkelstraffung besteht auch nicht deshalb, weil die Magenbypass-Operation zu Lasten der Beklagten durchgeführt wurde und die nunmehr im Streit stehenden Hautstraffungen notwendige Folge der infolge des Magenbypass eingetretenen Gewichtsreduktion wären.
Insbesondere kann hier die Rechtsprechung zum Anspruch auf eine Mamma-Augmentationsplastik nach einer Mastektomie nicht fruchtbar gemacht werden (so aber Sächsisches LSG, Urteil vom 31.05.2018 – L 1 KR 249/16 –, juris Rn. 70 f.; dazu mit Recht kritisch Knispel, NZS 2019, 401 <405>). Beide Fallgestaltungen sind nicht i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG miteinander vergleichbar (Urteil des Senats vom 03.07.2024, a.a.O.).
Der Anspruch einer Versicherten auf Versorgung mit einer Mamma-Augmentationsplastik nach einer Mastektomie etwa aufgrund eines Mammakarzinoms ist darin begründet, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung durch ärztliches Handeln vorrangig darauf gerichtet ist, Erkrankte unter Wahrung ihrer körperlichen Integrität zu heilen; wird zur Behandlung in den Körper eingegriffen, ist dieser möglichst – als Teil der einheitlichen ärztlichen Heilbehandlung – wiederherzustellen (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 35/15 R –, Rn. 18). Vorliegend geht es aber nicht darum, durch die Hautstraffung einen körperlichen Zustand „wiederherzustellen“, wie er vor Anlage des Magenbypass bestand (BayLSG, Urteil vom 13.08.2020 – L 4 KR 287/19 –, juris Rn. 33; ebenso oder ähnlich auch: Bayerisches LSG, Urteil vom 13.08.2020, a.a.O. Rn. 32; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21.06.2022 – L 10 KR 178/17 –, juris Rn. 37 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2021 – L 11 KR 2088/21 – <abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de>; BayLSG, Urteil vom 04.12.2018, a.a.O. Rn. 69; Fahlbusch in jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 27 Rn. 77). Ziel einer bariatrischen Operation ist die Herbeiführung eines Gewichtsverlusts im Rahmen der Behandlung einer Adipositas. Eine Wiederherstellung des Zustandes vor dem Gewichtsverlust ist gerade nicht gewünscht. Es handelt sich gerade nicht um solche Fernwirkungen eines ärztlichen Eingriffs, die zur (weitgehenden) Wiederherstellung der körperlichen Integrität nach medizinisch notwendiger Entfernung eines Körperteils zulasten der gesetzlichen Krankenkassen weitere medizinische Eingriffe (wie etwa den Brustaufbau nach Mastektomie) rechtfertigen können. Allein hierzu verhält sich die von der Klägerin in Bezug genommene höchstrichterliche Rechtsprechung aber (vgl. auch BSG, Beschluss vom 02.01.2023 – B 1 KR 70/21 B –, juris, Rn. 9).
Auch das BSG geht im Übrigen offenbar davon aus, dass alleine die Tatsache, dass Hautüberschüssen eine von der Krankenkasse bewilligte bariatrische Behandlung zugrunde liegt, nicht zu einem Anspruch auf deren operative Beseitigung führt (vgl. z.B.: BSG, Urteil vom 10.03.2022, a.a.O. Rn. 18, wo für Hautüberschüsse nach bariatrischen Operationen ausdrücklich nicht geprüft wird, ob diese von der Krankenkasse bewilligt waren, sondern maßgeblich nur auf die Frage der Entstellung abgestellt wird; des weiteren BSG, Beschluss vom 02.01.2023, a.a.O., Rn. 9, wo für Hautüberschüsse nach Strumektomie mit nachfolgender Gewichtsreduzierung eine Gleichsetzung mit der Rechtsprechung zum Brustaufbau nach Mastektomie nicht erwogen wird).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.
Anlass, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.