1. Das Auftanken eines Motorrads ist als rein privatwirtschaftliche Vorbereitungshandlung für die Zurücklegung des Weges zur versicherten Tätigkeit grundsätzlich nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert (hier: Verkehrsunfall auf einem Abweg in entgegengesetzter Richtung zur Arbeitsstätte), Anschluss an BSG 30.01.2020, B 2 U 9/18 R, in juris.
2. Es kann offenbleiben, ob „außergewöhnliche Umstände“ ausnahmsweise dennoch die Einbeziehung des Auftankens in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung rechtfertigen könnten (Anschluss an BSG a.a.O. Rn. 20).
3. Denn jedenfalls ist der Umstand, dass ein Versicherter sein Fahrzeug einem im Haushalt lebenden Familienangehörigen (stillschweigend) zur (Mit-)Nutzung überlässt und dieser es am Vorabend der versicherten Tätigkeit „leerfährt“, nicht mit einem „Benzindiebstahl“ i.S. eines „außergewöhnlichen Umstands“ (Ls. 2) vergleichbar.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.10.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das angeschuldigte Ereignis vom 05.03.2021 ein Arbeitsunfall ist.
Die 2003 geborene Klägerin, gesetzlich krankenpflichtversichert, war seit Mitte August 2019 als Auszubildende für den Beruf einer Fachkraft für Lagerlogistik bei der Firma T1 AG, Werk W1, in R1, D1 Str., mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (vgl. S. 64 VerwA) beschäftigt (regelmäßiger Arbeitsbeginn um 06.15 Uhr, S. 64 VerwA). Ausweislich ihrer Angaben fuhr sie am frühen Morgen des 05.03.2021 mit ihrem Motorrad von der elterlichen Wohnung im B1-weg in D2 (am nördlichen Stadtrand) in Richtung der ortseinwärts, ca. 1,4 km von der Wohnung entfernten, südwestlich an der H1-straße (Nr.) gelegenen Aral-Tankstelle, um dort ihr Motorrad noch vor Arbeitsbeginn zu betanken (vgl. S. 3, 34, 37 VerwA). Für den Weg von und zur Ausbildungsstätte (ca. 18 km Entfernung zur Wohnung) nahm die Klägerin ihren Angaben gemäß (vgl. a.a.O. und die Google Maps Routenkarte S. 43 VerwA) gewöhnlich den unmittelbaren Weg, der von der Wohnung über die genannte H1-straße ortsauswärts nach Nordosten führt, also in entgegengesetzter Richtung, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.
Gegen ca. 05.50 Uhr (Verlassen der Wohnung ca. 05.45 Uhr) zwang ein von rechts (Einmündung P1-str.) kommender Pkw die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt auf der vorfahrtsberechtigten H1-straße (die Lichtzeichenwechselanlage war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Betrieb) Richtung Süden fuhr - nur wenige hundert Meter von der Tankstelle entfernt -, zu einem Ausweichmanöver, ohne dass es zu einer Kollision kam. Die Klägerin stürzte dabei mit ihrem Motorrad und fiel auf das rechte Bein (vgl. Unfallangaben S. 3, 34, 64 VerwA). Sie wurde mittels Rettungswagen in die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Klinikums M1, Klinik R2, verbracht. Der Leitende (D-)Arzt M2 diagnostizierte erstbefundlich eine Knie- und Unterschenkelprellung rechts (Schmerzen und oberflächliche Kratzeffekte am rechten proximalen Unterschenkel prätibial, Knie schmerzhaft ohne Erguss, im Übrigen unauffälliger Befund) und wies darauf hin, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliegen dürfte („kein direkter Weg zum Arbeitsplatz nach W1 am R3“). In der Folge ergab sich bildgebend im Bereich des rechten Kniegelenks ein postkontusionelles Knochenmarködem („bone bruise“) am lateralen Femurcondylus bzw. Tibiaplateau mit Reizerguss im Gelenk und Peritendinitis der Pes anserinus bzw. Weichteilödem der medialen Gelenkkapsel ohne Verletzung der Menisken oder Bänder (s. D-Arztbericht des O1 vom 12.03.2021, S. 5 f. VerwA und MRT-Bericht vom 09.03.2021, S. 75 VerwA); Arbeitsunfähigkeit wurde von O1 bis voraussichtlich 18.04.2021 bescheinigt.
Mit Bescheid vom 25.03.2021 (S. 44 f. VerwA) verlautbarte die Beklagte, dass kein Arbeitsunfall vorliege, dass Kosten für die medizinische Behandlung nicht (mehr) übernommen würden und dass ein Anspruch auf Verletztengeld nicht bestehe. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass es sich bei dem von der Klägerin am Morgen des 05.03.2021 zurückgelegten Weg zur Tankstelle zwecks Tanken in entgegengesetzter Richtung zum unmittelbaren Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte um einen unversicherten Abweg handele; das Aufsuchen der Tankstelle sei dem privaten, eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. Deshalb liege schon kein Versicherungsfall in Gestalt eines Arbeitsunfalls vor.
Mit ihrem Widerspruch, allein und ausdrücklich gerichtet auf die Anerkennung des angeschuldigten Ereignisses als Arbeitsunfall, machte die Klägerin geltend, dass das Betanken des Motorrads als Voraussetzung zum Erreichen der Arbeitsstätte eine versicherte Tätigkeit darstelle, dass sie jene Aral-Tankstelle habe aufsuchen müssen, weil diese am frühen Morgen als einzige in unmittelbarer Nähe zur Wohnung geöffnet gewesen sei und dass sie die weiter von der Wohnung (ca. 2,4 km) entfernte, auf der Fahrtstrecke zur Arbeitsstätte gelegene Shell-Tankstelle „aufgrund des wenigen Benzins“ nicht habe anfahren können. Von einer privaten Tätigkeit könne keine Rede sein, zumal sie keinerlei Einkäufe oder dergleichen getätigt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2021 (S. 83 ff. VerwA) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Unfall habe sich auf einem unversicherten Abweg befunden und das Tanken sei nicht „unvorhergesehen“ notwendig gewesen, da der Klägerin nach ihrer eigenen Angabe schon vor Fahrtbeginn klar gewesen sei, dass das Benzin nicht ausreiche, um zur Arbeit fahren zu können; eine solche geplante Vorbereitungshandlung begründe keinen Versicherungsschutz.
Hiergegen hat die anwaltlich vertretene Klägerin am 17.06.2021 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 05.03.2021 als Arbeitsunfall weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und erstmals geltend gemacht, „beim Anfahren“ festgestellt zu haben, „dass der im Tank vorhandene Kraftstoff nicht ausreichen würde, um die Arbeitsstelle zu erreichen“. Darüber sei sie sehr überrascht gewesen, denn am Vortag habe das Motorrad beim Abstellen nach Rückkehr von der Arbeitsstelle „noch ausreichend“ Kraftstoff im Tank gehabt. Sie habe nicht gewusst, dass ihr Bruder am Vorabend des Unfalls das Motorrad noch benutzt und „so viel Kraftstoff verbraucht“ habe, dass „dieser nicht mehr zur Fahrt zur Arbeitsstelle ausreicht“. Die Notwendigkeit einer Betankung sei mithin für die Klägerin unvorhersehbar gewesen, sodass dies ausnahmsweise zu einer Einbeziehung „des Auftrages“ in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung führe. Das Zurücklegen des Weges, „auch“ zur Tankstelle, sei eine Vorbereitungshandlung zum Erreichen der Arbeitsstätte und das Handeln der Klägerin, „auch in Bezug auf den Tankvorgang“, auf den „direkten“ Weg zur Arbeitsstätte gerichtet gewesen.
Nach Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.01.2020 (B 2 U 9/18 R, in juris) und Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.10.2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Darlegung der materiell-rechtlichen Grundlagen für die Annahme eines Arbeitsunfalls i.S.d. gesetzlichen Unfallversicherungsrechts (insbesondere § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) sowie unter Zugrundelegung der genannten BSG-Entscheidung ausgeführt, dass der angeschuldigte Unfall der Klägerin am 05.03.2021 kein Arbeitsunfall ist, weil das Tanken bzw. der Weg zur Tankstelle in entgegengesetzter Richtung zur Arbeitsstätte weder in einem sachlichen Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung stand, es sich dabei insbesondere nicht um einen Betriebsweg handelte (Hinweis auf BSG a.a.O. Rn. 10), noch im Zusammenhang mit dem Instandhalten eines Arbeitsgeräts (Hinweis auf BSG a.a.O., Rn. 25). Es fehle auch ein innerer Zusammenhang mit dem Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach dem Ort der Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Diesen habe die Klägerin vielmehr mit dem Zurücklegen des Weges zum Tanken in die entgegengesetzte Richtung zum gewöhnlichen bzw. direkten Weg zur Arbeitsstätte zumindest unterbrochen - und zwar mehr als nur geringfügig -, als sie den Abbiegevorgang in die entgegengesetzte Richtung zur Arbeitsstätte einleitete. Beim Tanken respektive beim Weg zur Tankstelle handele es sich um eine rein privatwirtschaftliche Verrichtung, die nicht unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung stehe (Hinweis auf BSG a.a.O. Rn. 13 f.), nachdem sich der Unfall eben nicht auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit ereignet habe, sondern zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin in die entgegengesetzte Richtung fuhr, um ihr Motorrad zu betanken. Außergewöhnliche Umstände, bei denen ausnahmsweise dennoch die Einbeziehung des Tankens in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gerechtfertigt sein könnte (vergleichender Hinweis auf BSG a.a.O., Rn. 20), lägen nicht vor, insbesondere sei das von der Klägerin vorgebrachte „Leerfahren“ des Motorrads durch den Bruder am Unfallvortag nicht als solcher Umstand zu qualifizieren.
Gegen den - ihren Prozessbevollmächtigten am 03.11.2021 zugestellten - Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.12.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat die Klägerseite unter Wiederholung des Vorbringens aus dem Klageverfahren gemeint, der Umstand, dass der Bruder der Klägerin ohne Rücksprache mit ihr und ohne Mitteilung nach Beendigung seiner Fahrt „die im Tank befindliche Menge soweit reduziert“ habe, dass sie „nicht mehr ausreichend“ gewesen sei, um die Fahrt zur Betriebsstätte zu ermöglichen - was die Klägerin erst am Morgen des 05.03.2021 beim „Anlassen“ des Motorrads festgestellt habe -, begründe einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. höchstrichterlichen Rechtsprechung, der zu einer abweichenden Beurteilung des Tankvorgangs führe. Der Fall der Klägerin sei nämlich mit einem „Benzindiebstahl“ vergleichbar. Auch ein solcher erfolge in Unkenntnis des Beschäftigten und Nämliches gelte für die Benutzung des Motorrades durch den Bruder der Klägerin. Weder mit dem Diebstahl, noch mit der Fahrt bräuchten die jeweiligen Beschäftigen zu rechnen. In beiden Fällen könnten Beschäftigte erst „bei Antritt der Fahrt zur Arbeit“ bemerken, dass der Tank leer sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.10.2021 und den Bescheid der Beklagten vom 25.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2021 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihren Verkehrsunfall vom 05.03.2021 in D2 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den In-halt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 25.03.2021 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2021, mit dem die Beklagte unter Ablehnung der Feststellung des angeschuldigten Ereignisses vom 05.03.2021 als Arbeitsunfall (also als Versicherungsfall, § 7 Abs. 1 Alt. 1 SGB VII) die Gewährung von Leistungen (unbenannte Heilbehandlung, Verletztengeld) in Folge dieses Ereignisses abgelehnt hat. Dagegen hat sich die Klägerin von Anfang an allein und ausdrücklich mit dem Begehren (§ 123 SGG) gewandt, die Beklagte solle das Ereignis vom 05.03.2021 als Arbeitsunfall anerkennen; ohnehin hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt konkrete Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung geltend gemacht hat.
Dieses Begehren auf Anerkennung des angeschuldigten Ereignisses als Arbeitsunfall verfolgt die Klägerin statthaft und auch ansonsten zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 3, § 56 SGG); die Anfechtungsklage zielt auf die gerichtliche Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 25.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2021 - diese Verwaltungsentscheidungen würden bei Vorliegen eines Arbeitsunfalls einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstehen -, die Verpflichtungsklage auf die gerichtliche Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung bzw. Anerkennung des Ereignisses vom 05.03.2021 als Arbeitsunfall als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs (vgl. statt vieler nur BSG 31.03.2022, B 2 U 13/20 R, in juris, Rn. 11 m.w.N.; 16.03.2021, B 2 U 3/19 R, in juris, Rn. 10, st. Rspr.).
Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Denn der Bescheid vom 25.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da das Ereignis vom 05.03.2021 kein Arbeitsunfall ist.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen (s.o.) für den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 05.03.2021 als Arbeitsunfall dargelegt und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (insbesondere die Entscheidung vom 30.01.2020, B 2 U 9/18 R, a.a.O.) - nachgerade schulmäßig - ausgeführt und begründet, dass die Klägerin die Voraussetzungen für diesen Anspruch nicht erfüllt, weil sie, als sie sich am Morgen des 05.03.2021 mit ihrem Motorrad auf den Weg zur Aral-Tankstelle in entgegengesetzter Richtung zu ihrer Arbeitsstätte aufmachte (und zwar bereits mit Verlassen des Grundstücks), um dort noch vor Arbeitsbeginn zu tanken, bis zum Unfallereignis auf dem Weg zu eben dieser Tankstelle in Ermangelung eines inneren (sachlichen) Zusammenhangs mit der Betriebstätigkeit nicht unter Unfallversicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII stand. Ebenso zutreffend hat es dargelegt, dass und warum auch kein Wegearbeitsunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (und erst recht keiner nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII) vorliegt, nachdem sich der Unfall noch vor Erreichen der Tankstelle gerade nicht auf dem unmittelbaren, direkten Weg zum Ort der betrieblichen Tätigkeit ereignete, sondern auf einem unversicherten Abweg (s. dazu auch Senatsurteil vom 22.02.2024, L 10 U 3232/21, Rn. 28 f. m.w.N. zur Rspr. des BSG), wobei die Klägerin mit Verlassen des Wohnungsgrundstücks den direkten Weg zur Arbeitsstätte nicht nur mehr als geringfügig unterbrach, sondern diesen Weg von vorherein ihrer subjektiven Handlungstendenz gemäß schon nicht einschlug, um nämlich in entgegengesetzter Richtung zum Ort ihrer betrieblichen Tätigkeit zunächst zu tanken. Zu Recht hat das SG dabei diese Verrichtung - Fortbewegen auf einem Abweg zwecks Betankung des Motorrads - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (30.01.2020, B 2 U 9/18 R, a.a.O. Rn. 13 ff. m.w.N.) als typische, rein eigenwirtschaftliche und allein in der Risikosphäre des Versicherten liegende Vorbereitungshandlung (für das Zurücklegen des Weges zur bzw. von der versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) qualifiziert, die nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht (BSG a.a.O., Rn. 16 ff. m.w.N.). Dass das SG insoweit vorliegend „außergewöhnliche Umstände“, die ausnahmsweise dennoch die Einbeziehung des Auftankens in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung rechtfertigen könnten (offengelassen von BSG a.a.O., Rn. 20 m.w.N.), verneint hat - und worauf die Klägerin ihr Rechtsmittel allein gestützt hat -, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Lediglich ergänzend merkt der Senat, auch zum Berufungsvorbringen, Folgendes an:
Es ist bereits nicht positiv feststellbar, dass die Tankfüllung am Morgen des 05.03.2021 tatsächlich nicht „ausreichend“ war, um die Arbeitsstätte unmittelbar anzufahren und zu erreichen oder ob die Betankung zu diesem Zeitpunkt gerade nicht erforderlich (BSG, a.a.O. Rn. 19: „zwingend“) war und nur aus Praktikabilitätserwägungen bzw. aus Bequemlichkeit (etwa um dies nicht am Ende des Arbeitstags noch erledigen zu müssen) erfolgte. Zur Kraftstoffmenge bzw. zum Tankfüllstand - als Grundlage für die klägerische Bewertung einer „nicht ausreichenden“ Tankfüllung - hat sich die Klägerin während des gesamten Verfahrens ausgeschwiegen (ebenso wie namentlich zum Verbrauchsverhalten und zur Tankgröße, vgl. auch dazu BSG a.a.O.) und - erstmals anwaltlich vertreten im Klageverfahren - nur pauschal und ohne jegliche überprüfbare Tatsachengrundlage bloß gemeint, die Tankfüllung am Morgen des 05.03.2021 habe nicht „ausgereicht“, um die Arbeitsstätte zu erreichen. Nämliches gilt hinsichtlich der - ebenfalls erstmals im Klageverfahren - aufgestellten Behauptung der Klägerin, den Füllstand am Unfallvortag „beim Abstellen nach Rückkehr von der Arbeitsstelle“ kontrolliert und als „noch ausreichend“ für die Fahrt am nächsten Morgen befundet zu haben. Auch insoweit hat sie sich ausgeschwiegen, wieviel Kraftstoff zu jenem Zeitpunkt nach Füllstand noch im Tank gewesen sein soll.
In Ansehung dessen lässt sich mithin schon nicht feststellen, dass es sich bei dem Abweg zum Tanken in entgegengesetzter Richtung zum Ort der versicherten Tätigkeit am Morgen des 05.03.2021 überhaupt um eine für das (verlässliche) Zurücklegen des unmittelbaren Wegs zur Arbeitsstätte notwendige, dies ermöglichende (BSG a.a.O., Rn. 16), Vorbereitungshandlung handelte. Dies geht nach den allgemeinen Grundsätzen der objektiven Feststellungs- und Beweislast zu Lasten der Klägerin als Anspruchstellerin (statt vieler nur BSG 10.08.2021, B 2 U 2/20 R, in juris, Rn. 22) und allein schon aus diesem Grund ist dem Rechtsmittel der Erfolg versagt; das Berufungsvorbringen, es lägen „außergewöhnliche Umstände“ vor, die ausnahmsweise dazu führten, dass von einer versicherten Vorbereitungshandlung in Gestalt des (Ab-)Wegs zur Tankstelle auszugehen sei, geht damit von vornherein ins Leere.
Aber auch wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass die Tankfüllung am Morgen des 05.03.2021 tatsächlich nicht „ausreichend“ gewesen wäre, die Arbeitsstätte auf dem unmittelbaren Weg zu erreichen und dass ihr Bruder ohne ihr Wissen das Motorrad am Vorabend des Ereignistags „leer“ fuhr, verfängt das Rechtsmittelvorbringen nicht.
Es bedarf - wie auch in dem vom BSG entschiedenen Fall (a.a.O. Rn. 20) - vorliegend keiner Erörterung, ob und ggf. welche der in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur in Erwägung gezogenen Fallgruppen bzw. außergewöhnliche Umstände ausnahmsweise dennoch die Einbeziehung des Auftankens in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung rechtfertigen könnten. Denn jedenfalls ist der von der Klägerin ausdrücklich und allein ins Feld geführte Beispielsfall eines „Benzindiebstahls“ (offenlassend angeführt von BSG a.a.O. unter Hinweis auf Ricke in KassKomm, § 8 SGB VII Rn. 218, Stand August 2019, zwischenzeitlich aufgegeben: Ricke/Kellner in KassKomm, a.a.O. Rn. 356, Stand 15.08.2024; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 Rn. 119, Stand Juni 2018 [nunmehr Juni 2024]; Ziegler in Becker u.a., LPK-SGB VII, 5. Aufl. 2018, § 8 Rn. 257 [nunmehr 6. Aufl. 2024, a.a.O. Rn. 306]; s. im Anschluss an die genannte BSG-Entscheidung auch Wagner in jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 8 Rn. 217, Stand 28.06.2024; Keller, jurisPR-SozR 13/2020 Anm. 4; Schlaeger, DGUV Forum 9/2021, S. 48, 51: Tanken immer privatwirtschaftlich) - unabhängig davon, dass es sich dabei in Ansehung der heutigen Lebenswirklichkeit und insbesondere der technischen Schutzvorrichtungen (deswegen auch selten „unvorhergesehen“, s. dazu sogleich) um einen „klassischen“ Literaturbeispielsfall handeln dürfte - mit dem vorliegenden Fall nicht ansatzweise vergleichbar.
Der im Schrifttum teilweise (s.o.) zur Begründung einer ausnahmsweise dem Unfallversicherungsschutz doch unterfallenden Vorbereitungshandlung „Tanken“ herangezogene „Benzindiebstahl“ soll dadurch gekennzeichnet sein, dass der Versicherte „vor der Wegfahrt davon ausgehen konnte, dass der vorhandene Benzinvorrat ausreichen würde, der Treibstoff jedoch aus vom Versicherten nicht zu vertretenden Umständen unerwartet zur Neige geht“ (so Keller, jurisPR-SozR 13/2020 Anm. 4; ähnlich auch ders. in Hauck/Noftz, a.a.O.: „besondere, nicht vorsehbare Umstände, die nicht in der Sphäre des Versicherten wurzeln“; unter Risikosphärengesichtspunkten hingegen klar ablehnend Schlaeger a.a.O.; einschränkend auch Ziegler a.a.O., 6. Aufl. 2024, § 8 Rn. 306: „strenge Maßstäbe“, unvorhersehbar, dass der versicherte Weg ohne Tanken „nicht beendet“ [sic!] werden kann“).
Ein damit vergleichbarer Fall kann freilich vorliegend schon unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens der Klägerin nicht ansatzweise angenommen werden. Zum einen hat sie selbst angegeben, die „nicht mehr ausreichende“ (s. dazu bereits oben) Tankfüllungsmenge bereits „beim Anlassen“ des Motorrads - so ihr Vortrag im Berufungsverfahren -, also noch vor Verlassen des Wohnungsgrundstücks, bemerkt zu haben, sodass allein deshalb von einem irgendwie gearteten unerwartetem Geschehensverlauf keine Rede sein kann, ebenso wenig wie von einer Unvorhersehbarkeit, den unmittelbaren Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit „beenden“ zu können, denn sie hatte diesen Weg überhaupt noch nicht angetreten und tat dies in Folge auch nicht, sondern begab sich - wie dargelegt - „unmittelbar“ auf den Abweg. Zum anderen hat die Klägerin nicht einmal auch nur behauptet, ihr Bruder habe ihr Motorrad am Vorabend unerlaubt bzw. in verbotener Eigenmacht genutzt. Ein (Benzin-)„Diebstahl“ ist hingegen gerade dadurch gekennzeichnet, dass unerwartet und gegen den Willen des Betreffenden in dessen Sphäre bzw. Rechtsgüter widerrechtlich eingegriffen wird. Auch davon kann keine Rede sein, denn der bloße Umstand, dass der Bruder der Klägerin - so ihr Vorbringen - ihr nicht gesagt haben soll, dass er das Motorrad am Vorabend noch gefahren ist, enthält nicht einmal ansatzweise auch nur die Behauptung, der Bruder habe dies - ähnlich wie bei einem Diebstahl - unerlaubt respektive „widerrechtlich“ oder auch nur unerwartet getan. Es liegt auch unter Risiko- und Einflusssphärengesichtspunkten allein bei dem Versicherten, etwaige Fahrzeugnutzungen, noch dazu innerhalb der Familie, in geeigneter Weise zu unterbinden bzw. entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen respektive jedenfalls eine Nutzung, da (typischerweise anders als bei einem Diebstahl) individuell kalkulierbar, einzuplanen und damit gerade vorherzusehen (vgl. auch insoweit die Erwägungen des BSG a.a.O. Rn. 19). All dies ist der Einflussnahme durch den Unternehmer von vornherein entzogen und es würde zu einem Wertungswiderspruch führen - so ebenfalls zu Recht das BSG (a.a.O.) im Grundsätzlichen -, wenn der vorausschauende Versicherte regelmäßig nicht unter Versicherungsschutz stünde, wohingegen der nicht vorsorgende Versicherte in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen würde; dies gilt umso mehr, wenn der angeführte (vermeintliche) Kraftstoffmangel wie hier gerade nicht auf einem (unvorhersehbaren) Diebstahl beruht, sondern auf einer nicht unterbundenen Fahrzeugnutzung durch ein Familienmitglied oder die unterlassene Aufforderung, das Fahrzeug nach einer entsprechenden Nutzung nur aufgetankt wieder abzustellen. Auch dies unterscheidet den vorliegenden Fall grundlegend von einem „Benzindiebstahl“.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.