S 13 BA 8/24

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
13
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 BA 8/24
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


I. Der Bescheid der Beklagten vom 18.04.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2024 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Dem Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.


T a t b e s t a n d :


Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen in seiner Tätigkeit für den Kläger als Insolvenzverwalter der A. vom 08.06.2012 bis 02.10.2013.

Mit Beschluss des Amtsgerichts C-Stadt - Insolvenzgericht - vom 09.12.2009 (xxxxx/xx) wurde über das Vermögen der A. das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft war damals eingestellt, sämtliche Arbeitsverhältnisse waren Ende 2009 beendet, ein Geschäftslokal existierte nicht mehr. Der Beigeladene war Alleingesellschafter der Am., die alleinige Kommanditistin der A. war. Über ihr Vermögen wurde 2010 ebenfalls ein Insolvenzverfahren eröffnet. Weiter war der Beigeladene Alleingesellschafter der A1., die alleinige Komplementärin der A. war. Auch über ihr Vermögen wurde 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis hat der Beigeladene und nicht der satzungsmäßige Geschäftsführer die Geschicke der Gesellschaften gelenkt und die maßgeblichen Entscheidungen getroffen (Seite 16 der SG-Akte).

Am 30.08.2022 stellte der Beigeladene bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status im Rahmen seiner Tätigkeit für den Auftraggeber "H." ab 01.05.2012 (h1 = Kanzlei h. w. w., deren Partner der Kläger war).

Im von der Beklagten übersandten Fragebogen machte der Beigeladene unter dem 28.09.2022 unter anderem folgende Angaben:
Er habe mitgewirkt bei der Sachverhaltsaufklärung im Rahmen der Insolvenzverfahren A., Am., A2, A1., F1 und A3. Seine Arbeitsleistung sei täglich durch zwei Anwälte geprüft worden, seine Arbeitszeit sei zwischen 8:00 und 18:00 Uhr gewesen, wenn die Büros besetzt gewesen seien. Er habe seine Arbeit im Besprechungsraum der h1 ableisten müssen. Eine Eingliederung in die dortige Arbeitsorganisation habe es nicht gegeben, der Beigeladene sei separat von allen anderen Mitarbeitern geführt worden. Im Hinblick auf die Preisgestaltung (seiner Tätigkeit) seien die Preise der Insolvenzordnung maßgeblich gewesen. Eigene Arbeitsmittel habe er nicht benutzt, diese seien ihm gestellt worden, vom Radiergummi bis zum PC.

Im Laufe des Verwaltungsverfahrens hat der Beigeladene weitere Angaben gemacht:
Der Besprechungsraum der h1 in N., in dem er tätig gewesen sei, habe sich außerhalb des Büros der h1 befunden. Er habe keinen Zutritt zu den Büros gehabt, es habe täglich eine kurze Besprechung mit ihm stattgefunden, die bearbeiteten Unterlagen des jeweiligen Tages seien dann kopiert worden, ein Satz der Kopien sei ihm ausgehändigt worden, der andere sei bei der h1 verblieben (Seite 22 der Beklagtenakte - BA - 1). Der Beigeladene habe Arbeitslisten über seine Tätigkeit erstellt. Fortbildungsmaßnahmen, Beurteilungen oder Zeugnisse, Urlaubsabsprachen, Dienstpläne, Hilfskräfte für seine Tätigkeit und Vorarbeiten durch andere Mitarbeiter habe es nicht gegeben. Die Arbeitszeit sei frei gewesen, solange die Büros geöffnet gewesen seien. Jeder einzelne von ihm bearbeitete Vorgang sei geprüft worden. Eigenes Kapital habe er nicht eingesetzt (Seite 115 BA 1).

Da der Beigeladene weitere geforderte Unterlagen bei der Beklagten nicht einreichte, teilte diese mit Schreiben vom 28.12.2022 (mit Rechtsmittelbelehrung) dem Beigeladenen mit, dass man das Verwaltungsverfahren eingestellt habe. Nach einer Kontaktaufnahme durch den Beigeladenen am 09.01.2023 setzte die Beklagte das Verwaltungsverfahren fort.

Auf Seite 152 BA 1 findet sich ein Schreiben des Beigeladenen an h1 vom 06.06.2012, mit dem der Beigeladene eine "Vorschussrechnung" in Höhe von insgesamt 1.000,- € für 25 geleistete Stunden stellt. Er weise darauf hin, dass er Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG sei. Es folgen in der Beklagtenakte Bestätigungen der e1, der damaligen Arbeitgeberin des Beigeladenen (Arbeitsvertrag siehe Seite 26 ff. SG-Akte), über entfallene Arbeitsstunden des Beigeladenen, die er wegen seiner Tätigkeit für den Kläger nicht bei der e1 habe ableisten können, außerdem ein "Tätigkeitsnachweis" für den Zeitraum 10.05.2012 bis 28.05.2012, in dem der Beigeladene detailliert auflistete, welche Tätigkeiten (für die Insolvenzverwaltung) er an den jeweiligen Tagen in welchem zeitlichen Umfang ausgeführt hatte. Dementsprechend teilte die Klägerseite dem Beigeladenen mit Schreiben vom 06.06.2012 mit, dass dem Beigeladenen unter Zugrundelegung eines Verdiensts von 23,08 €/Stunde bei seinem Arbeitgeber Erstattungen (für dort ausgefallenen Verdienst) zur Anweisung gebracht worden seien.

Nach entsprechender Anhörung vom 16.03.2023, allerdings mit Schwierigkeiten im Rahmen der von der Klägerseite begehrten Akteneinsicht (vgl. Seite 2 des Widerspruchsschriftsatzes vom 12.05.2023), stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18.04.2023 fest, dass der Beigeladene vom 08.06.2012 bis 02.10.2013 als Sachbearbeiter im Rahmen des Insolvenzverfahrens bei RA Sch., Insolvenzverwalter der A., eine abhängige Beschäftigung ausgeübt habe. Zur Begründung wurde in dem Bescheid ausgeführt, dass für eine abhängige Beschäftigung folgende Merkmale sprächen: Die Tätigkeit sei namens und im Auftrag des Insolvenzverwalters ausgeübt worden. Der Auftragnehmer sei in die Betriebsorganisation eingegliedert gewesen. Der Auftragnehmer erfülle den Betriebszweck des Insolvenzverwalters. Und die Abrechnung sei auf Grundlage detaillierter Stundenaufzeichnungen erfolgt. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit lägen demgegenüber nicht vor.

Am 03.05.2023 sprach der Beigeladene bei der Beklagten vor und wies darauf hin, dass das Ende der Beschäftigung der 31.01.2014 gewesen sei (wohl unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts C-Stadt vom 11.03.2020, 51 T 33/20, Seite 172 SG-Akte). Er habe allerdings bis dato noch keine Kündigung erhalten.

Mit Schreiben vom 12.05.2023 (Seite 287 BA 2) kündigte der Kläger "höchstvorsorglich und ohne negatives Präjudiz für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses [...] ein etwaiges Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin/der Insolvenzmasse mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt."

Ebenfalls am 12.05.2023 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.04.2023 ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus (Schriftsätze vom 12.05.2023 und 25.07.2023): 
Zum einen sei der Bescheid unter Verletzung rechtlichen Gehörs für den Kläger ergangen. 
Zum anderen seien dessen Feststellungen auch in der Sache unzutreffend. Der Beigeladene sei nie Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin und auch nicht der Insolvenzmasse gewesen. Er habe vielmehr bis zu seiner Inhaftierung die Geschäfte der Schuldnerin faktisch geführt. Der Beigeladene habe als faktischer Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin die Akten von dieser in den vormaligen Kanzleiräumen der Insolvenzverwaltung eingesehen, um damit die ihm gemäß §§ 101 Abs. 1, 97 InsO obliegende insolvenzrechtliche Verpflichtung zur Auskunft zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Insolvenzschuldnerin erfüllen zu können. Dabei sei der Beigeladene bei seiner Aktendurchsicht und anschließenden Auskunftserteilung lediglich beschränkt gewesen durch die Öffnungszeiten der Kanzlei und die Verfügbarkeit eines Mitarbeiters des Klägers, der den Beigeladenen als Externen habe beaufsichtigen können. Im Übrigen sei der Beigeladene vollkommen frei gewesen in seiner Zeiteinteilung und der Reihenfolge der Themen, über die er sodann beleghaft Auskunft habe geben sollen. 
Der Beigeladene habe für seine Tätigkeit auch kein Stundenentgelt erhalten. Vielmehr habe er eine pauschale Aufwandsentschädigung aus der Insolvenzmasse erhalten, konkret von dem kraft gesetzlichem Treuhandverhältnis aufgrund der klägerischen Stellung als Insolvenzverwalter, mithin als Partei kraft Amtes, geführten Insolvenzsonderkonto, d.h. aus Mitteln der Insolvenzschuldnerin bzw. (wirtschaftlich) von deren Insolvenzgläubigern. Diese Zahlungen seien auf ausdrückliches Verlangen des Beigeladenen erfolgt und hätten sich an der Nettoverdiensteinbuße bei der e1 orientiert.
Ein Weisungs- bzw. Direktionsrecht sei gegenüber dem Beigeladenen zu keinem Zeitpunkt seitens des Klägers oder seiner Mitarbeiter ausgeübt worden. Ihm gegenüber sei lediglich das Hausrecht ausgeübt worden. Der Beigeladene habe keinen Zugriff auf Briefpapier, E-Mail-Signatur etc. des Klägers nehmen können.

In der Beklagtenakte befindet sich ein Zwischenbericht des Klägers an das Amtsgericht C-Stadt - Insolvenzgericht - vom 03.05.2012 (xxxxx/xx), wonach mit dem Beigeladenen vor dem Hintergrund dessen grundsätzlicher Verpflichtung zur Auskunft und Mitwirkung als faktischer Geschäftsführer auf der einen Seite und dem nachvollziehbaren Wunsch des Beigeladenen, durch die Erfüllung dieser Verpflichtung keine wirtschaftlichen Einbußen auf der anderen Seite hinnehmen zu müssen sowie an einem Erfolg seiner Bemühungen zu partizipieren, eine Vereinbarung herbeigeführt worden sei. Diese wird in dem Zwischenbericht u.a. wie folgt beschrieben: "2. Für seine Unterstützung wird Herr E. an einem Erfolg der Durchsetzung von Ansprüchen dergestalt beteiligt, dass er bei Sachverhalten, die bislang noch nicht rechtshängig gemacht wurden, einen Anteil von 10 % erhält. Berechnungsgrundlage ist dabei der Betrag, der aus der Realisierung des Anspruches auf dem Anderkonto eingeht. [...] 3. Um Herrn E. die für seine Unterstützung erbetene, zeitnahe Kompensation für seinen Verdienstausfall zu ermöglichen, wird ihm konkret entgangener Verdienst ersetzt, sofern Herr E. nachweist, dass er diese Einkünfte auch tatsächlich anderenfalls erzielt hätte und dies durch seine Unterstützung des Insolvenzverwalters unterbleibt. [...] Die Zahlung dieses Betrages erfolgt ausdrücklich unter späterer Anrechnung auf die unter Ziffer 2. angeführte erfolgsabhängige Vergütung."
(Laut Kläger habe er dem Beigeladenen für den streitigen Zeitraum ca. 19.000,- € aus der von ihm verwalteten Masse der Insolvenzschuldnerin erbrachte, vgl. Seite 649, 824 ff. BA 3; laut Beschluss des Landgerichts C-Stadt vom 11.03.2020 (xxxxx/xx) sind an den faktischen Geschäftsführer (= Beigeladener) 8.385,72 € geflossen.)

Der Beigeladene hat im Widerspruchsverfahren mit am 06.06.2023 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben dahingehend Stellung genommen, dass er in die Vereinbarung nur unter der Bedingung eingewilligt habe, dass es ein Angestelltenverhältnis geben werde bzw. dass dieser Punkt mit dem Insolvenzgericht abzuklären sei. Weiter sei vereinbart worden: Ihm seien alle Unkosten und der Ausfall des Gehalts der Firma E1 zu ersetzen, zusätzlich würden alle Sachbearbeitungen bei Erfolg mit 10 % Erfolgsprovision honoriert, aber er müsse ein Kleingewerbe anmelden, um seine Unkosten in Rechnung zu stellen. Dies habe er dann auch gemacht. Arbeitsplatz sei das Büro der h1 in N. gewesen. Er habe einen separaten Raum mit Schreibtisch und Büroutensilien bekommen. Kopien seien für ihn von den Mitarbeiterinnen der h1 angefertigt worden. Mit diesen Kopien habe er jeden Abend einen Tagesbericht abgeliefert. Er besitze die Unterlagen heute noch in ca. zehn Aktenordnern. Er, der Beigeladene, denke, dass er kein Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin gewesen sei und auch nicht der Insolvenzmasse, sondern nur des Klägers und dessen Gesellschaft h1. An diese habe er auch seine Rechnungen gerichtet. Sollten für deren Begleichung Gelder der Masse verwendet worden sein, sei dies Untreue und Betrug sowie persönliche Bereicherung. Die Behauptung, er hätte die Verpflichtung gehabt, in irgendeiner Form mitzuwirken, halte er für gewagt. Er müsse gar nichts, er könne, wenn er wolle. Seine Zeiteinteilung habe im Zusammenspiel mit der Betriebsorganisation der h1 stattgefunden. Dass es gewisse flexible Arbeitszeiten gegeben habe, sei eine Selbstverständlichkeit in der heutigen Zeit. Die Erklärung, die Entlohnung könne nur über eine Selbstständigkeit erfolgen, habe sich im Nachhinein als Lüge herausgestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2024 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die im Widerspruchsverfahren abgegebenen Stellungnahmen enthielten keine neuen, für die Feststellung des sozialrechtlichen Status relevanten Sachverhalte. Bei der gebotenen Gesamtabwägung seien sämtliche Umstände zu berücksichtigen, auch solche, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentlich-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt seien oder auf sonstige Weise in der Natur der Sache lägen (BSG, Urteil vom 19.10.2021, B 12 KR 29/19 R). Irrelevant sei, dass der Beigeladene für weitere Auftraggeber tätig werden könne. Die freie Gestaltung der Arbeitszeit werde durch die Geschäftszeiten der Kanzlei faktisch begrenzt. Diese Einschränkung sei als persönliche Abhängigkeit eines Arbeitnehmers zu qualifizieren und widerspreche einer freien Arbeitszeitgestaltung. Im Übrigen würden heutzutage generell Arbeitszeitmodelle zunehmend flexibler gehandhabt, sodass freie Arbeitszeiten im Rahmen der Betriebsöffnungszeiten durchaus als arbeitnehmertypisch angesehen werden könnten.

Dagegen hat der Kläger am 08.02.2024 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben und seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft (Schriftsätze vom 07.02.2024 und 14.05.2024). Für die Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen im Zeitraum vom 08.06.2012 bis 02.10.2013 bestehe bereits kein Feststellungsinteresse, namentlich weil sich hieraus ableitende Beitragsansprüche bereits verjährt wären. Das Verhalten des Beigeladenen sei treuwidrig. Dieser sei dem Kläger als (Klein)unternehmer gegenübergetreten, während er jetzt, im Nachhinein, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis für sich postuliere. Ein solches habe aber nie bestanden. Es liege in der Natur der Sache, dass bereits aus Datenschutzgründen die Akten der Schuldnerin in den Räumlichkeiten der Insolvenzverwalterkanzlei des Klägers einzusehen gewesen seien. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin sei seit dem Jahr 2009 eingestellt. Eine irgendwie geartete Arbeitsorganisation in Form einer Arbeitsstelle, von Beschäftigten, Vorgesetzten, Betriebsmitteln und eines Betriebszwecks sei seit Jahren nicht mehr vorhanden gewesen. Auch in die Kanzleiorganisation des Klägers als (Mit)inhaber der Insolvenzverwalterkanzlei sei der Beigeladene nicht eingegliedert gewesen. Dies könne allerdings dahinstehen; die Beklagte habe derartige Feststellungen nicht getroffen.

Die Beklagte ist mit Schriftsätzen vom 05.03.2024 und 13.06.2024 bei ihrer bisherigen Auffassung geblieben. Selbst wenn man nicht von einem Arbeitsverhältnis ausgehen möchte, so könne dennoch ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger in dessen Eigenschaft als Insolvenzverwalter und dem Beigeladenen bestanden haben.

Der Beigeladene hat mit am 26.04.2024, 24.07.2024 und 02.09.2024 eingegangenen Schriftsätzen mitsamt Anlagen zur Klage ausführlich Stellung genommen. Zur Rechtslage sage er nichts. Im Gerichtsverfahren werde er als Zeuge auf die Fragen des Gerichts antworten. Über seine Arbeit habe es fast täglich Abschlussbesprechungen gegeben, in denen die von ihm bearbeiteten Unterlagen übergeben, kopiert und ihm zur weiteren Bearbeitung zurückgegeben worden seien. Es seien 120 Umzugskartons mit Unterlagen gewesen. Insgesamt besitze er 11 Aktenordner über die maßgeblichen Vorgänge. Als faktischer Geschäftsführer sei er zu gar nichts verpflichtet. Der Kläger versuche, ihn schlecht zu machen durch falsche Angaben zu seiner Haftdauer und zum Wert seiner Zuarbeiten. Er habe nicht Akteneinsicht in den Kanzleiräumen genommen, sondern eine Sortierung und eine Ordnung von Unterlagen vorgenommen. Die vom Kläger angegebene Aufstellung der Rechnungen sei nicht ganz korrekt. Der Zeitraum, in dem er für seine Arbeit für den Kläger bezahlt worden sei, habe sich mindestens vom 08.06.2012 bis zum 16.07.2014 erstreckt. Obwohl er den Kläger mehrfach aufgefordert habe, das Beschäftigungsverhältnis mit ihm zu kündigen, habe dieser dies erst zum 12.05.2023 getan. Diese Kündigung sei falsch, da weder eine Kündigungsfrist noch die Schwerbehinderung des Beigeladenen berücksichtigt worden sei.
Ihm sei von h1 ein Kleingewerbe zur Abarbeitung der offenen Sachverhalte vorgeschlagen worden mit dem Hinweis, dass es sonst keine Bezahlungsmöglichkeit gebe. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass dies gelogen gewesen sei.
Zu seiner Mitwirkung als faktischer Geschäftsführer sei zu sagen, dass ihm nicht bekannt sei, dass dies ein verbotener Vorgang wäre. Er habe sich auch selbst als faktischen Geschäftsführer bezeichnet, um die Überheblichkeit des Insolvenzverwalters zu beschreiben.

Zu den Gerichtsakten ist (über den Beigeladenen) der Beschluss des Landgerichts C-Stadt vom 11.03.2020 (xxxxx/xx) gelangt (sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters/Klägers wegen Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung). Dort heißt es u.a.:
"Das Amtsgericht C-Stadt hat in der angefochtenen Entscheidung diesbezüglich zwar zutreffend ausgeführt, dass der faktische Geschäftsführer zur umfassenden Auskunft und Mitwirkung wie der Schuldner selbst verpflichtet sei, die Insolvenzordnung eine Honorierung für die Erfüllung von Mitwirkungspflichten nicht vorsehe und Schuldner grundsätzlich verpflichtet seien, die geschuldeten Pflichten unentgeltlich zu erbringen. Es hat auch zutreffend angenommen, dass die Unterstützungsleistungen nach Zeit- und Arbeitsaufwand zumutbar sein müssen, also nur ein Tätigwerden in begrenztem Umfang erfordern dürfen, ohne die Erwerbsfähigkeit des Schuldners dadurch substantiell zu beeinträchtigen [...]. Allerdings hat es dabei unberücksichtigt gelassen, dass nach wohl allgemeiner Meinung eine angemessene Vergütung aus der Masse zu entrichten ist, wenn die Mitwirkung sich zu einer ständigen Mitarbeit auswächst, die eine berufliche Vollzeittätigkeit nicht mehr zulässt, und es dem Insolvenzverwalter in diesem Fall unbenommen bleibt, mit dem Schuldner einen Dienstvertrag zu schließen, der eine aus der Masse zu zahlende angemessene Vergütung vorsieht [...]. Die mit dem faktischen Geschäftsführer getroffene Vereinbarung eines Ersatzes entgangenen Verdienstes und darauf anzurechnender erfolgsabhängiger Vergütung ist gemessen an diesen Maßstäben nicht zu beanstanden und führt daher nicht zur Kürzung der Insolvenzverwaltervergütung [...]."

Am 27.06.2023 hat der Beigeladene Klage gegen den Kläger (" Sch. in Kanzlei h1") zum C. erhoben (), unter anderem mit dem Ziel der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12.05.2023 nicht aufgelöst sei und dass der dortige Beklagte (= Kläger) verurteilt werde, an den Kläger (= Beigeladener) 679.728,- € brutto (= Vergütung für den Zeitraum 01.01.2013 bis einschließlich 31.05.2023) zuzüglich Zinsen zu zahlen. Der (dortige) Kläger (= Beigeladener) habe seit dem 02.10.2013 seine Arbeitsleistung ausschließlich im Homeoffice erbracht, daher sei das C. örtlich zuständig.

Mit Beschluss vom 12.01.2024 hat das Arbeitsgericht den Kläger (= Beigeladenen) darauf hingewiesen, dass bereits nicht ansatzweise ausreichend vorgetragen sei, weshalb hier von einem Arbeitsverhältnis auszugehen sein solle. Auch die Zahlungsklage sei nicht ansatzweise schlüssig dargelegt, da nach dem Vortrag des Klägers (= Beigeladenen) das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht ansatzweise erkennbar sei. Der Kammer sei auch nicht ersichtlich, wie sich der Betrag in Höhe von 679.728,- € brutto errechne. Dem Kläger (= Beigeladenen) werde daher nahegelegt, die Klage mangels Erfolgsaussichten zurückzunehmen. Dem ist der Beigeladene schließlich mit Schriftsatz vom 24.02.2024 nachgekommen.

Im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 06.08.2024 hat der Beigeladene nochmals die Abläufe seiner Tätigkeit in den Kanzleiräumen des Insolvenzverwalters/Klägers beschrieben. Bei den Recherchen habe er auch Unregelmäßigkeiten seiner früheren Mitarbeiter festgestellt. Gegen diese habe er dann selbst von zuhause aus ohne Bezugnahme auf den Kläger oder h1 Strafanzeige gestellt. (Ob auch eine diesbezügliche Beauftragung von Seiten der Insolvenzverwaltungskanzlei des Klägers erfolgte, blieb zwischen Beigeladenem und Kläger strittig.) Seine Firmen seien als Versicherungsmakler und in der Verwaltung fremder und eigener Immobilien tätig gewesen. Das Kapital für alle Firmen sei nur von ihm gekommen. Geschäftsführer sei Herr J. V. gewesen. Ihm habe er eine Provision bzw. Gewinnbeteiligung in Aussicht gestellt, falls es gut laufe. Das Ziel seines Statusfeststellungsantrags sei die Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei h1.

Die Vorsitzende hat im Erörterungstermin angekündigt, den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen. Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.

Die Klägerin beantragt (Klageschriftsatz vom 07.02.2024),
1. den Bescheid der Beklagten vom 18.04.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2024 aufzuheben.
2. Die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 05.03.2024),
      die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Das Gericht konnte über die Klage aufgrund des von den Beteiligten jeweils erklärten Einverständnisses hierzu ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Nach Auffassung des Gerichts sind in Rechtsstreitigkeiten um Statusfeststellungen nach § 7a SGB IV - wie vorliegend - die Versicherungsträger der einzelnen Versicherungszweige nicht nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.10.2018, L 10 BA 2747/18).

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zu bejahen Der Kläger sieht sich einem ihn belastenden Verwaltungsakt gegenüber, gegen den er sich wehren darf - ungeachtet der Tatsache, dass nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV Beitragsnachforderungen aufgrund des von der Beklagten festgestellten (vermeintlichen) Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr auf ihn zukommen können und die dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV angesichts der Gesamtumstände vorliegend nicht in Betracht kommt. 

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.04.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2024, mit dem die Beklagte gegenüber dem Kläger und dem Beigeladenen festgestellt hat, dass Letzterer vom 08.06.2012 bis zum 02.10.2013 als Sachbearbeiter eine abhängige Beschäftigung beim Kläger als Insolvenzverwalter ausgeübt habe. 

Der anwaltlich vertretene Kläger hat explizit (nur) eine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen die o.g. Bescheide erhoben - und nicht zusätzlich eine Feststellungsklage (vgl. § 55 Abs. 3 SGG) mit dem Ziel der Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit. Das war auch zulässig (vgl. hierzu etwa BSG; Urteil vom 14.03.2018, B 12 R 5/16 R). Wer von einer Entscheidung im Statusfeststellungsverfahren beschwert ist, kann sich darauf beschränken, diese Entscheidung anzufechten und sich im Erfolgsfall mit ihrer Aufhebung zufriedenzugeben. Hält wie hier das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil kein Beschäftigungsverhältnis bestanden hat, bedarf es keines zusätzlichen Feststellungsausspruchs, um den Betroffenen vor weiteren ihn belastenden Maßnahmen zu schützen (vgl. LSG D-Stadt-Brandenburg, Urteil vom 02.09.2020, L 9 BA 60/19).

Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 18.04.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.01.2024 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn der Beigeladene übte seine Tätigkeit als "Sachbearbeiter" im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung beim Kläger als Insolvenzverwalter aus.

Rechtsgrundlage für die angegriffene Verwaltungsentscheidung ist § 7a Abs. 2 SGB IV idF ab 01.04.2022 (der Antrag auf Statusfeststellung erfolgte erst danach, am 30.08.2022; vgl. zur maßgebliche Fassung des § 7a SGB IV: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.12.2022, L 3 BA 53/18; SG D-Stadt, Urteil vom 18.04.2024, S 210 BA 196/20). Danach entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund über Anträge auf Statusfeststellung auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt.

Fraglich ist bereits, ob der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids formell rechtmäßig ergangen ist. Die Beklagte war für seinen Erlass gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV sachlich zuständig, weil im Zeitpunkt der Antragstellung offensichtlich kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet war (§ 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Bzgl. eines etwaigen Anhörungsmangels im Verwaltungsverfahren (vgl. § 7a Abs. 4 SGB IV, § 24 Abs. 1 SGB X) konnte jedenfalls im Widerspruchsverfahren Heilung eintreten, § 41 Abs. 2 SGB X

Es stellt sich aber die Frage, ob die Beklagte bzgl. einer bereits rund zehn Jahre zurückliegenden Tätigkeit überhaupt noch eine Statusfeststellung treffen durfte. Eine Statusfeststellung für eine zum Antragszeitpunkt beendete Tätigkeit ist zwar im Grundsatz, aber nicht schrankenlos möglich. Für die Durchführung und die gerichtliche Überprüfung gelten bei bereits längere Zeit beendeten Tätigkeiten dahingehend gesteigerte Anforderungen, dass die von der Statusfeststellung erfasste Tätigkeit über ihre Beendigung hinaus noch eine gegenwärtige Wirkung erzeugen muss (ausführlich dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.11.2022, L 1 BA 91/19). Welche Wirkung dies vorliegend sein könnte, ist unklar - das arbeitsgerichtliche Verfahren hat der Beigeladenen durch Klagerücknahme beendet, etwaige Beitragsnachforderungen sind verjährt, Anhaltspunkte, dass vorliegend die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV einschlägig sein könnte, sind nicht ersichtlich.

Letztlich kann diese Frage offenbleiben, weil die angefochtenen Bescheide jedenfalls materiell rechtswidrig sind. Denn es lag keine Beschäftigung des Beigeladenen beim Kläger vor.

Im streitgegenständlichen Zeitraum in den Jahren 2012/2013 war Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung § 7 Abs. 1 SGB IV (idF ab 12.04.2012). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). 

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (BSG, Urteil vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das eigene Unternehmerrisiko gekennzeichnet (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (z.B. BSG, Urteil vom 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R).

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von diesen Grundsätzen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Das Gesamtbild der Arbeitsleistung bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ausgangspunkt der Prüfung sind die Vereinbarungen, die die Beteiligten - schriftlich oder gegebenenfalls auch nur mündlich - getroffen haben. Danach ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere tatsächliche Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R). Fehlen zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben und kann die zu prüfende Tätigkeit sowohl in der Form einer Beschäftigung als auch in der einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden, kommt den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Arbeitgeber/Auftraggeber zwar keine allein ausschlaggebende, aber doch eine gewichtige Rolle zu. Zwar haben es die Vertragsparteien nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der Rechtsprechung des BSG aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 14.03.2018, B 12 R 3/17 R).

Nach den genannten Grundsätzen ist das Gericht der Überzeugung, dass der Beigeladene in der Zeit vom 08.06.2012 bis zum 02.10.2013 beim Klägerin keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.

Geht man zunächst von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Kläger und Beigeladenem aus, so ist festzuhalten, dass diese kein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis vereinbart haben und dies auch wussten und wollten. So hat der Beigeladene im Juni 2012 eine Vorschussrechnung in Höhe von 1.000,- € gestellt unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass er Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG sei. Auch die vom Beigeladenen später gestellten Rechnungen erfolgten unter diesem Hinweis. Wenn der Beigeladene demgegenüber zehn Jahre später (Schriftsatz vom 06.06.2023) behauptet, er habe in eine Mitarbeit im Insolvenzverfahren überhaupt nur unter der Bedingung eingewilligt, dass es ein Angestelltenverhältnis geben werde, erscheint dies wenig glaubhaft.

Auch die tatsächlichen Umstände des Einsatzes bestätigen, dass kein Beschäftigungsverhältnis zwischen Kläger und Beigeladenem vorlag.

Der Beigeladene war nicht in die Struktur der klägerischen Insolvenzverwalterkanzlei im Rahmen seiner streitgegenständlichen Tätigkeit eingegliedert. Er hatte dort kein eigenes Büro, sondern sortierte und bearbeitete die Unterlagen "seiner" insolventen Gesellschaften - und nur dieser - im ihm dafür zur Verfügung gestellten Besprechungsraum der h1, der sich außerhalb der eigentlichen Büroräume von h1 befand und zu dem er - als Externer und gerade anders als arbeitnehmertypisch - nur Zutritt durch Mitarbeiter von h1 erhielt. Zu den eigentlichen Büroräumen von h1 hatte der Beigeladenen keinen Zutritt. Dass er Büromaterialien wie Schreibgeräte von h1 benutzte, führt zu keiner Eingliederung beim Kläger oder bei h1, vielmehr durfte der Beigeladene Briefpapier und E-Mail-Signatur von h1, die eine solche Eingliederung zum Ausdruck bringen würden, gerade nicht benutzen. Dass der Beigeladene den Ort seiner Tätigkeit nicht beliebig wählen durfte, macht ihn nicht zum abhängig Beschäftigten, sondern war Gründen des Datenschutzes geschuldet sowie der Tatsache, dass die - ursprünglich von den insolventen Unternehmen des Beigeladenen stammenden - Unterlagen dem Kläger als Insolvenzverwalter überantwortet worden waren.

Auch bestand bzgl. Zeit und Art der Arbeitsleistung kein Weisungsrecht des Klägers gegenüber dem Beigeladenen. Letzterer konnte - innerhalb der Kanzleiöffnungszeiten - kommen und gehen, wann er wollte; es gab keinerlei Dienstpläne, Urlaubsabsprachen oder sonstige Arbeitsaufteilung zwischen dem Beigeladenen und den Mitarbeitern des Klägers. Wie der Beigeladene die Umzugskartons mit Unterlagen durcharbeitete, war ihm überlassen. Am Abend fand eine kurze Besprechung der Arbeitsergebnisse statt und der Beigeladene bekam immer einen Satz Unterlagen mit nach Hause von dem, was er an diesem Tag bearbeitet hatte, was für einen abhängig Beschäftigten gänzlich untypisch wäre. Außerdem hatte der Beigeladene jeden Abend Tätigkeitsnachweise vorzulegen, auch dies wäre nicht typisch für einen Arbeitnehmer/Beschäftigten.

Die Art der Bezahlung des Beigeladenen für die streitgegenständliche Tätigkeit spricht ebenfalls gegen eine abhängige Beschäftigung. Gezahlt wurde nicht ein Arbeitsentgelt in Abhängigkeit von den für den Kläger geleisteten Stunden, sondern es wurde eine Erfolgsprovision von 10 % aus der Realisierung von Ansprüchen auf dem Anderkonto vereinbart - und zwar nicht aus Mitteln von h1 oder des Klägers, sondern aus der Insolvenzmasse. Vorab und unter Anrechnung auf diese Erfolgsprovision sollte dem Beigeladenen sein Verdienstausfall im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses bei der Firma E1 ersetzt werden, sofern es zu einem solchen Ausfall aufgrund seiner Mitwirkung im Insolvenzverfahren kam. Gezahlt wurde also nicht ein Arbeitsentgelt für Arbeitsstunden für den Kläger, sondern eine Verdienstausfallentschädigung, sofern der Beigeladene wegen seiner Mitwirkung im Insolvenzverfahren nicht für die Firma E1 arbeiten konnte. Hatte bzw. hätte er an Wochenenden oder während seines Urlaubs bei seinem Arbeitgeber, Firma E1, sich ins Insolvenzverfahren eingebracht, so hatte bzw. hätte er für diese Stunden auch keine Kostenerstattung erhalten. Der Beigeladene erhielt nur dann eine Verdienstausfallentschädigung, wenn er entsprechende Bestätigungen seines Arbeitgebers E1 dem Insolvenzverwalter vorlegte. Auch dies spricht klar gegen ein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter/Kläger und dem Beigeladenen. Ein Arbeitsentgelt wird für geleistete Arbeit beim Arbeitgeber gezahlt, nicht für etwaige entfallende Arbeitsstunden bei einem anderen Arbeitgeber. Anders als die Beklagte im Bescheid vom 18.04.2023 annimmt, erfolgte also gerade keine Abrechnung auf Grundlage detaillierter Stundenaufzeichnungen beim Kläger als Arbeitgeber, sondern die Stundenaufzeichnungen (beim Arbeitgeber E1, nicht beim Kläger) dienten nur der Feststellung des Verdienstausfalls des Beigeladenen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch das C. der Überzeugung ist, dass zwischen Kläger und Beigeladenem kein Arbeitsverhältnis gegeben war, vgl. dessen richterlichen Hinweis vom 12.01.2024 im Verfahren : "[...] bereits nicht ansatzweise ausreichend vorgetragen, weshalb hier von einem Arbeitsverhältnis auszugehen sein soll." Wenngleich - wie sich aus dem Wort "insbesondere" in § 7 Abs. 1 SGB IV ergibt - eine Beschäftigung u.U. auch dann bestehen kann, wenn kein Arbeitsverhältnis vorliegt (z.B. bei zivilrechtlich unwirksamen Verträgen oder Ausbildungsverhältnissen, vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 7 Abs. 1 SGB IV (Stand: 06.09.2021), Rn. 61), ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), ist die grundsätzliche und vorrangige Bedeutung des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der mit ihm hergestellten Verknüpfung zum zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis zu sehen (Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 7 Abs. 1 SGB IV (Stand: 06.09.2021), Rn. 44). Mangels Weisungsrecht gegenüber dem und Eingliederung des Beigeladenen in die Organisation der Insolvenzverwalterkanzlei des Klägers sieht das Gericht keine Veranlassung, vorliegend bezüglich eines Beschäftigungsverhältnisses zu einer anderen Schlussfolgerung als das Arbeitsgericht bezüglich eines Arbeitsverhältnisses zu gelangen.

Schließlich ist zu beachten, dass die konkrete Tätigkeit des Beigeladenen die Erfüllung einer ihn treffenden Pflicht im Insolvenzverfahren nach §§ 97,101 InsO darstellte.

Nach § 97 Abs. 2 InsO hat der Schuldner oder seine organschaftlichen Vertreter den Insolvenzverwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu "unterstützen". Den Schuldner treffen demnach aktive Mitwirkungspflichten, er hat nach Zeit- und Arbeitsaufwand zumutbare Unterstützungstätigkeiten - grundsätzlich unentgeltlich - zu erbringen (vgl. J. Schmidt in: Kayser/Thole, Insolvenzordnung (Heidelberger Kommentar), 11. Auflage 2023, 1. Unterstützung und Mitwirkung, Rn. 39 ff.). Ist der Insolvenzschuldner, wie vorliegend, keine natürliche Person, so trifft die Mitwirkungspflicht des § 97 Abs. 2 InsO die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners, § 101 Abs. 1 Satz 1 InsO. Dies gilt auch für faktische organschaftliche Vertreter (Graf-Schlicker in: Graf-Schlicker, InsO, 6. Auflage 2022, § 101 InsO, Rn. 6).

Den Beigeladenen trifft die Mitwirkungspflicht nach der Insolvenzordnung als faktisches Organ bzw. faktischen Geschäftsführer der A.. Er vertrat faktisch die Gesellschaft und lenkte deren Geschicke. Letztlich stand der Beigeladene allein (und nicht Herr V.) hinter dem Gesellschaftskonstrukt um die A. und führte tatsächlich deren Geschäfte, was der Beigeladene auch selbst so darstellte und sich dementsprechend auch selbst als faktischen Geschäftsführer bezeichnete. Auch das Amtsgericht und das Landgericht C-Stadt erachteten den Beigeladenen als faktischen Geschäftsführer (vgl. Landgericht C-Stadt, Beschluss vom 11.03.2020, xxxxx/xx). Damit unterlag der Beigeladene als - faktisches - Vertretungsorgan der Mitwirkungspflicht nach § 101 Abs. 2 InsO.

Als faktischer Geschäftsführer ist der Beigeladene auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zum Arbeitnehmer bzw. Beschäftigten des Insolvenzverwalters geworden. Nach § 80 Abs. 1 InsO geht durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Die Stellung des Beigeladenen blieb davon jedoch unberührt. Mag auch der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis sich auf die Wirksamkeit rechtsgeschäftlichen Handelns des Beigeladenen ausgewirkt haben (§§ 81, 82 InsO), so wurde er nicht zum Beschäftigten des Insolvenzverwalters bzw. Klägers, weil er nicht in dessen Dienste zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit unter Eingliederung in eine vom Kläger vorgegebene Arbeitsstruktur verpflichtet war, siehe oben. Es ging darum, mit Unterstützung des Beigeladenen noch möglichst viele Forderungen der bzw. "seiner" insolventen Schuldnerin zu realisieren. Zum Teil nutzte der Beigeladene die im Rahmen der streitigen Tätigkeit gewonnenen Erkenntnisse auch dafür, um selbst noch gegen ehemalige Mitarbeiter (strafrechtlich) vorzugehen. Auch wenn die unternehmerische Handlungsfreiheit des Beigeladenen durch die Insolvenzeröffnung beschränkt war, leistete er letztlich keine fremdnützige, sondern eigennützige Arbeit (vgl. insofern zur Arbeitnehmereigenschaft auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.09.2008 - 10 Sa 162/08).

Nur wenn die Mitwirkung nach §§ 97 Abs. 2, 101 Abs. 1 Satz 1 InsO im Rahmen des Insolvenzverfahrens einen gewissen zeitlichen Rahmen überschreitet (wie es wohl vorliegend der Fall war), kann u.U. eine aus der Masse zu zahlende angemessene Vergütung auf der Grundlage eines entsprechenden Dienstvertrages vereinbart werden. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kommt hierfür nur ein Dienst-, nicht aber ein Arbeitsvertrag in Betracht (vgl. z.B. J. Schmidt in: Kayser/Thole, Insolvenzordnung (Heidelberger Kommentar), 11. Auflage 2023, 1. Unterstützung und Mitwirkung, Rn. 39; Schilken in: Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl. 2007, § 97 Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners, Rn. 32) - eben weil es an einer Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb des Insolvenzverwalters fehlt. 

Insgesamt sprechen damit die ganz überwiegenden Gesichtspunkte gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Rahmen der streitgegenständlichen Tätigkeit 2012/2013. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten, die die maßgeblichen Kriterien für eine Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit zwar benennen, die tatsächlichen konkreten Umstände aber nur sehr rudimentär darunter subsumieren, sind daher rechtswidrig und aufzuheben. Den Beweisanträgen der Klägerseite bzgl. des Nichtvorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses musste das Gericht mangels Entscheidungserheblichkeit nicht weiter nachgehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden der Beklagten nicht auferlegt, da der Beigeladene keine Anträge gestellt und damit auch kein Prozessrisiko auf sich genommen hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Bezüglich der Zuziehung eines Bevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren ergeht ein gesonderter Beschluss.



 

Rechtskraft
Aus
Saved