L 7 BA 1125/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 BA 1959/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 BA 1125/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst tragen.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Oktober 2017 für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin streitig.

Die zum 31. Dezember 2003 gegründete Klägerin hat ausweislich des Gesellschaftsvertrages den Zweck, das von der Familie G1 erwirtschaftete Vermögen gesamthänderisch zu binden und durch einheitliche Verwaltung zum Wohle der Familie in seinem Bestand zu sichern. Persönlich haftender Gesellschafter mit einer Einlage von 30.000,00 Euro war bis zu seinem Tod am 3. August 2016 Herr E1 G1. Danach trat Herr A1 S1 in die Stellung des Komplementärs ein. Der persönlich haftende Gesellschafter, die Beigeladene zu 1) sowie Frau B1 G2 sind mit einer Einlage von jeweils 30.000,00 Euro und Frau H1 G1 mit einer Einlage von 10.000,00 Euro an der Klägerin beteiligt. In dem Gesellschaftsvertrag vom 8. Dezember 2003 wurden u.a. folgende Regelung getroffen:

„§ 4 Kapitalbeteiligung
[...]
(3) Kommanditisten sind mit folgenden Einlagen:
Frau H1 G1    10.000,00 Euro
Frau E2 S1     30.000,00 Euro
Frau B1 G230.000,00 Euro
(4) Die Kapitalanteile sind fest; sie können nur durch Änderung des Gesellschaftsvertrages geändert werden. Sie bilden zusammen das Festkapital der Gesellschaft.
[…]

§ 5 Geschäftsführer

(1) Die Geschäftsführung obliegt dem persönlich haftenden Gesellschafter. Er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
[…]

§ 7 Geschäftsführervergütung

(1) Der Geschäftsführer hat Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die er im Interesse der Gesellschaft macht.

(2) Eine Vergütung für seine Tätigkeit steht dem persönlich haftenden Geschäftsführer nicht zu, es sei denn, dass die Gesellschafter eine solche ausdrücklich zubilligen.

§ 8 Gesellschafterbeschlüsse

(1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlussfassung.

(2) Den Gesellschaftern stehen folgende Stimmrechte zu:
Komplementär E1 G1            60 Stimmen
Kommanditisten
H2 G1                         5
E2 S1                          16
B1 G3             16
                                                                       97
Die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung erfolgt nach diesen Stimmrechten.

(3) Der Beschlussfassung der Gesellschafter unterliegen:
a) die Zubilligung einer Vergütung für den persönlich haftenden Gesellschafter (§ 7 Abs. 2).
            […]
c) die Entlastung des persönlich haftenden Gesellschafters sowie die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber Gesellschaftern
d) Die Bestimmung der von den Gesellschaftern zu entnehmenden Beträge (§ 13)
[…]
g) die Ausschließung eines Gesellschafters (§ 16)
h) die Änderung des Gesellschaftsvertrages (§ 21)

(3) Soweit in diesem Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich etwas Anderes bestimmt ist, werden die Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Einer Mehrheit von 75% der Stimmen bedürfen Beschlüsse in den in Abs. 2 lit. e, f, g und h genannten Angelegenheiten. Enthaltungen werden bei den Abstimmungen nicht mitgezählt.

(4) Die Gesellschafter sind auch in ihren eigenen Angelegenheiten stimmberechtigt, es sei denn, dass es sich um ihre Entlastung, ihre Befreiung von einer Verbindlichkeit, ihre Ausschließung aus der Gesellschaft oder um eine Entziehung eines ihnen zustehenden Rechts aus wichtigem Grund handelt.
[…]

§ 12 Gewinn- und Verlustrechnung

(1) Im Verhältnis der Gesellschafter zueinander ist als verteilungsfähiger Gewinn oder Verlust derjenige Gewinn oder Verlust anzusehen, der sich [nach] Maßgabe der folgenden Bestimmungen ergibt.
a) Auszugehen ist von dem Gewinn oder Verlust, der sich aus dem Jahresabschluss ergibt.
b) Soweit hierin enthalten, sind die Beträge abzusetzen, die der persönlich haftende Gesellschafter aufgrund des § 7 Abs. 2 (oder als Geschäftsführer einer Gesellschaft, an der die Gesellschaft - unmittelbar oder mittelbar - beteiligt ist) erhalten.
c) Hinzuzurechnen sind die Sollzinsen, die von den Gesellschaftern gemäß § 10 Abs. 3 zu vergüten sind. Dementsprechend sind die Habezinsen anzusetzen.

(2) der verteilungsfähige Gewinn oder Verlust wird unter den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Pflichteinlagen verteilt.

§ 13 Entnahmen

(1) Die Gesellschafter beschließen jährlich in der ordentlichen Gesellschafterversammlung (Abs. 1), was die einzelnen Gesellschafter entnehmen dürfen. Die Gesellschafter können ihren Beschluss nachträglich ändern, zum Nachteil eines Gesellschafters jedoch nur, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt.
[…]“

§ 20 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages erhielt durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 19. Oktober 2010 und Annahme am 3. November 2010 folgende Fassung:
„Der Komplementär E1 G1 tritt hiermit seinen Gesellschaftsanteil gem. § 4 Abs. 2 samt Stimmrecht gem. § 8 Abs. 2 und Guthaben auf Privatkonten gem. § 10 Abs. 3 aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt seines Todes und unter der auflösenden Bedingung des Vorversterbens an den diese Abtretung annehmenden A1 S1 ab.“

Mit notarieller Urkunde vom 28. Oktober 2008 wurden Frau H1 G1 und der Beigeladenen zu 1) von der Klägerin – je einzeln – Vollmacht zu ihrer Vertretung in allen Angelegenheiten des Vollmachtgebers, sowohl bei Gerichten und anderen Behörden als auch gegenüber allen natürlichen und juristischen Personen des Privat- und Gesellschaftsrechts und des öffentlichen Rechts, insbesondere auch gegenüber Geld- und Kreditinstituten in jeder Richtung und ohne jede Ausnahme, soweit eine Vertretung gesetzlich zulässig ist, erteilt. Die Vollmacht enthält weiter folgende Bestimmungen:

„Die Vollmacht erstreckt sich auf alle Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen (einschließlich der Eingehung von Verbindlichkeiten), Verfügungen, Prozesserklärungen, Prozesshandlungen etc., die vom Vollmachtgeber und ihm gegenüber vorgenommen werden können, insbesondere in folgenden Angelegenheiten:
1. grundstücks- und sachenrechtliche Angelegenheiten, nämlich
a) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten in jeder denkbaren Art sowie auf den Abschluss der hierzu erforderlichen obligatorischen und sachenrechtlichen Verträge;
b) Verfügungen über dingliche Rechte aller Art und in jeder Beziehung, also insbesondere bei Löschungen, Inhaltsänderungen, Abtretungen, Freigabeerklärungen, Rangänderungen usw. sowie bei Eingehung von Löschungsverpflichtungen im Sinne der §§ 1179, 1163 BGB;
c) Baulasten in beliebigem Umfang zu bestellen,
d) Berichtigungen des Grundbuchs sowohl beim Eigentum als auch bei Grundpfandrechten oder sonstigen dinglichen Rechten sowie bei Bestellungen dinglicher Rechte aller Art,
e) Erwerb und Erklärungen jeglicher Art in Zwangsversteigerungsverfahren (Abgabe von Geboten und sonstiger Verfahrenserklärungen und -handlungen);

2. gesellschaftsrechtliche und Handelsregisterangelegenheiten auf
a) Anmeldungen zum Handelsregister jeglicher Art;
b) Gründung von Gesellschaften und Abgabe aller hierzu und zur Durchführung erforderlichen Erklärungen;
c) Kapitalerhöhungen und Erklärungen zwecks Übernahme des erhöhten Kapitals;
d) Satzungsänderungen jeder Art von Gesellschaften, an denen der Vollmachtgeber beteiligt ist;
e) Erwerb oder Veräußerung von Geschäftsanteilen und Abschluss der dazu erforderlichen schuldrechtlichen Verträge;
f) Beschlüsse, die die Umwandlung eines Unternehmens zum Inhalt haben und Abgabe aller hierzu und zur Durchführung erforderlichen Erklärungen.

3. Schuldanerkenntnisse in einfacher und vollstreckbarer Form einschließlich der Zwangsvollstreckungsunterwerfung gemäß § 800 ZPO und der persönlichen Zwangsvollstreckungsunterwerfung in das gesamte Vermögen im Zusammenhang mit Grundstücken.

Jeder Bevollmächtigte ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit; er kann Untervollmacht erteilen und hat das Recht zur Vollmachtübertragung.
[...]“

Wegen des weiteren Umfangs der Vollmacht wird auf die notarielle Urkunde vom 28. Oktober 2008 Bezug genommen. Seit dem 27. April 2017 hat die Beigeladene zu 1) Einzelprokura mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen, mit der Ermächtigung zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken.

Die Beigeladene zu 1) war – auch – im streitigen Zeitraum für die Klägerin tätig und stellte dieser jeweils Rechnungen „für Verwaltungsarbeiten“, in denen die Mehrwertsteuer gesondert ausgewiesen war, und zwar für das Jahr 2014 über insgesamt 41.080,00 Euro, für das Jahr 2015 über 38.180,00 Euro, für das Jahr 2016 über 40.390,00 Euro und für das Jahr 2017 über 36.000,00 Euro. Diese Aufwendungen wurden im Aufwandskonto der Klägerin verbucht und wurden in der steuerlichen Ergebnisermittlung unter „Sonderbetriebseinnahmen: Vergütung für Verwaltertätigkeit“ der Beigeladenen zu 1) geführt.

Vom 20. August 2018 bis zum 31. Januar 2019 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Beigezogen waren die Berichte über die Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2014 bis 2017. Auf die mit Schreiben vom 6. Februar 2019 erfolgte Anhörung teilte die Klägerin der Beklagten unter dem 4. März 2019 mit, die entgeltliche Geschäftsführung durch die Beigeladene zu 1) sei aufgrund mündlicher Vereinbarung mit deren Vater E1 G1 als Komplementär ausgeführt und stets steuerlich anerkannt worden. Mit Bescheid vom 15. März 2019 stellte die Beklagte für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 fest, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit als Kommanditistin bei der Klägerin seit dem 19. August 2005 bis zum 31. Oktober 2017 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung betrage insgesamt 66.391,57 Euro. Nachdem trotz mehrfacher Erinnerungen keine Arbeitsverträge der Beigeladenen zu 1) sowie Rechnungsbelege aus dem Konto 4903 vorgelegt worden seien, ergehe die Entscheidung nach Aktenlage. Die Beigeladene zu 1) könne aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Regelungen nicht maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen. Bei der Vergütung der Beigeladenen zu 1) handele es sich um Tätigkeitsvergütungen, die bei der Klägerin als Aufwand gebucht würden. Sie stellten keine Vorwegentnahmen entsprechend der Gewinn- und Verlustrechnung dar, es handle sich deshalb um Arbeitsentgelt. Ansprüche auf Beiträge verjährten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Im Rahmen der Betriebsprüfung könnten daher Beitragsforderungen ab dem 1. Januar 2014 geltend gemacht werden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 16. April 2019 Widerspruch mit der Begründung, die Mitarbeit der Beigeladenen zu 1) als Gesellschafterin beruhe allein auf dem Gesellschaftsvertrag. Sie sei für die verwaltenden Angelegenheiten und die Unternehmenstätigkeit der Gesellschaft tätig. Über die Gesellschaftertätigkeit hinaus sei sie als selbständige Beraterin für die Vermietung, Verwaltung, Akquise, Bewirtschaftung und Instandhaltung von Immobilien tätig, nehme mithin also eine Vielzahl operativer Tätigkeiten wahr. Einer ihrer Auftraggeber hierbei sei auch die Klägerin. Die Tätigkeit erfolge auf Grundlage eines noch mit Herrn E1 G1 lediglich mündlich geschlossenen Dienstleistungsvertrages. Hinsichtlich ihrer Beratungstätigkeit könne die Beigeladene zu 1) frei über ihre Arbeitstage und ihre Arbeitszeit verfügen. Auch erbringe diese die Beratungsdienstleistungen ganz überwiegend in ihrem eigenen Büro und nicht in den Räumlichkeiten der Klägerin und setze hierzu auch ihre eigenen Arbeitsmittel ein. Für ihre Tätigkeiten und die erbrachten Leistungen erstelle sie monatlich gegenüber den verschiedenen Gesellschaften Rechnungen. Hierbei werde der Aufwand der Tätigkeiten mit 40,00 Euro pro Stunde abgerechnet. Die Tätigkeitsvergütungen der Beigeladenen zu 1) seien bei der Klägerin als Vorwegentnahmen ausgewiesen und auch bei der Beigeladenen zu 1) steuerlich entsprechend behandelt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2020, auf den Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 22. Mai 2020 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2020 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit bei der Klägerin nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt.

Mit Beschluss vom 7. Dezember 2020 hat das SG die Beigeladene zu 1) sowie die Krankenkasse und Pflegekasse beigeladen. Die Agentur für Arbeit S2 hat mitgeteilt, keinen Antrag auf Beiladung zu stellen.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. März 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beigeladene zu 1) sei nicht aufgrund eines Gesellschaftsverhältnisses, sondern im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin tätig. Gegen ein Tätigwerden auf der Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses spreche bereits die Tatsache, dass die Mitarbeit der Beigeladenen zu 1) nicht auf einer im Gesellschaftsvertrag festgelegten Mitarbeitspflicht beruhe. Der Gesellschaftsvertrag vom 8. Dezember 2003 enthalte keine Regelung, wonach die Kommanditisten verpflichtet seien, der Gesellschaft ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sei damit nicht auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages, sondern aufgrund einer eigenständigen Rechtsbeziehung zwischen ihr und der Klägerin erfolgt. Zwar liege kein schriftlicher Vertrag vor, für eine mündliche Vereinbarung spreche jedoch die Ausführung der Beigeladenen zu 1) im Schreiben vom 4. März 2019, dass die entgeltliche Geschäftsführung aufgrund mündlicher Vereinbarung mit ihrem Vater als Komplementär ausgeführt und stets steuerlich anerkannt worden sei. Gegen eine Verpflichtung zur Ausübung der Tätigkeit aus dem Gesellschaftsverhältnis spreche auch, dass nur die Beigeladene zu 1) als Kommanditistin eine entsprechende Vergütung für Verwaltertätigkeiten erhalte. Bei der Tätigkeitsvergütung für die Beigeladene zu 1) handele es sich auch nicht um eine vorweggenommene Gewinnentnahme, denn die Aufwendungen für die Beigeladene zu 1) seien im Aufwandskonto verbucht, die bei der Gewinnermittlung entsprechend abgesetzt würden. Die Beigeladene zu 1) habe auch im Falle des Verlustes die an sie geleisteten Zahlungen nicht an die Klägerin zurückzahlen müssen. Am Jahresende finde auch kein Ausgleich nach der tatsächlich geleisteten Arbeit statt, weshalb die Regelung der Tätigkeitsvergütung nicht dem Tätigwerden als Gesellschafter entspreche. Die Beigeladene zu 1) könne als Gesellschafterin auch nicht die Geschicke der Klägerin und damit die Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich beeinflussen. Als Kommanditistin sei sie nicht zur Geschäftsführung der KG berufen. Sie unterliege als Kommanditistin dem Weisungsrecht des Komplementärs, da allein diesem die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustehe. Mit einem Stimmrecht von 16 von 97 Stimmen habe sie keinen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können. Hieran ändere auch die ihr eingeräumte Prokura nichts, denn auch hierdurch erlange sie nicht das Recht, als Geschäftsführerin zu agieren. Etwas Anderes folge auch nicht aus der am 28. Oktober 2008 erteilten Einzelvertretungsvollmacht. Die Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) in ihrer Tätigkeit für die Klägerin keinen Einzelweisungen unterlegen habe und hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Art der Tätigkeit frei sei, spreche nicht gegen die organisatorische Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin. Ein wesentliches unternehmerisches Risiko sei bei der Beigeladenen zu 1) ebenfalls nicht erkennbar. Das alleinige Risiko, keine Aufträge mehr zu erhalten, genüge hierfür nicht.

Gegen den ihr am 16. März 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am Montag den 17. April 2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beigeladene zu 1) sei für sie als selbständige Beraterin für die Immobilienbewirtschaftung tätig. Hierzu gehörten die selbständige Beratung für die Vermietung, Verwaltung, Akquise, Bewirtschaftung und Instandhaltung von Immobilien sowie operative Tätigkeiten wie die Weisungserteilung an externe und interne Hausverwaltungen inklusive der Überwachung dieser Tätigkeiten, die Erteilung rechtsverbindlicher Unterschriften auf Verträgen, den Schriftverkehr sowie die Kontrolle des Zahlungsverkehrs. Einer der Auftraggeber der Beigeladenen zu 1) sei die Klägerin, daneben sei sie für weitere Unternehmen, nämlich die G4 GmbH & Co. KG, die S1 GmbH und die J1 S3 S.A., tätig. Die Beigeladene zu 1) erstelle monatlich für die erbrachten Leistungen gegenüber den verschiedenen Gesellschaften Rechnungen und weise die sodann abgeführte Umsatzsteuer darin aus. Sie handele als selbständige Unternehmerin stets einhergehend mit dem Risiko, keine Aufträge mehr zu erhalten. Sie habe hinsichtlich ihrer Beratungstätigkeit frei über ihre Arbeitstage und ihre Arbeitszeit verfügen können und sei weder weisungsabhängig noch in die Ordnung des Betriebes der Klägerin eingebunden gewesen. Nach außen sei sie stets ohne jegliche Weisungsgebundenheit gegenüber Banken, Rechtsanwälten und Geschäftspartnern aufgetreten. Dies ergebe sich auch durch die notarielle Urkunde vom 28. Oktober 2008, worin ihr der Komplementär E1 G1 für besondere Angelegenheiten der Gesellschaft Einzelvertretungsvollmacht erteilt habe, so z.B. für den Erwerb, die Veräußerung und Belastung von Grundstücken, die Bestellung von Baulasten, die Bestellung von dinglichen Rechten, Satzungsänderungen und anderen Rechtsgeschäften besonderer Art. Sie erbringe ihre Beratungsdienstleistungen auch ganz überwiegend in ihrem eigenen Büro und nicht in den Räumlichkeiten der Klägerin und setze hierzu auch ihre eigenen Arbeitsmittel ein. Sei ein Kommanditist in seiner ausgeübten Tätigkeit selbst handelnder Mitunternehmer, könne er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (<BSG>, Urteil vom 27. Juli 1972 – 2 RU 122/70) nicht in derselben Tätigkeit versicherungspflichtig beschäftigt sein, denn er erbringe in diesem Fall die Leistung/Tätigkeit auch für sich selbst, er sei dann nicht in ein für ihn fremdes Unternehmen eingebunden und weisungsabhängig, sondern in sein eigenes und trage in der Tätigkeit unmittelbar als Gesellschafter das Unternehmerrisiko. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit gegenüber mehreren Auftragnehmern ausgeübt und Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis geschrieben habe. Zusammenfassend sei davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 1) „zufällig“ zugleich Kommanditistin der Klägerin sei, mit ihrer Beratungstätigkeit aber keine Gesellschafterpflicht erfülle. Die beiden Stellungen als Selbständige und Gesellschafterin (Kommanditistin) stünden abstrakt nebeneinander.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. März 2023 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft. Ein Ausschlussgrund gemäß § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben.

Die Klage war insoweit unzulässig, als mit ihr die Feststellung begehrt worden war, dass die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin selbständig tätig war. Denn Gegenstand des angefochtenen Bescheids ist lediglich die Festsetzung einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1). Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.Oktober 2022 – B 12 R 7/20 R – juris Rdnr. 13) kommt Verwaltungsakten, die nach einer Betriebsprüfung ergangen sind, eine materielle Bindungswirkung (nur) insoweit zu, als Versicherungs- und/oder Betragspflicht und Beitragshöhe personenbezogen für bestimmte Zeiträume festgestellt worden sind. Dies ist dann der Fall, wenn – wie vorliegend – die Beschäftigten und die Zeiträume in den Anlagen „Berechnung der Beiträge“ und „Nachweis der Beiträge“ ausgewiesen sind und in dem Bescheid darauf verwiesen wird. Eine darüber hinausgehende Bindungswirkung, insbesondere für nicht von der Betriebsprüfung umfasste Zeiten, kommt dem Bescheid dagegen nicht zu. Soll der Erwerbsstatus in einem Auftragsverhältnis insgesamt geprüft werden, ist das Feststellungsverfahren nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) durchzuführen. Nur insoweit eröffnet auch § 55 Abs. 3 SGG in der ab dem 1. April 2022 geltenden Fassung die Möglichkeit einer Feststellungsklage dahingehend, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird, vor dem Hintergrund, dass in Verfahren nach § 7a SGB IV nicht mehr die Versicherungspflicht, sondern allein der Erwerbsstatus als Element einer daraus resultierenden Versicherungspflicht festgestellt wird (vgl. BT-Drs. 19/29893, 35). Andere Fallgestaltungen als solche nach § 7a SGB IV, wie z.B. Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV, sind nicht betroffen; hier ist eine Klage auf Feststellung eines (versicherungspflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses als Elementenfeststellungsklage unzulässig (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, § 55 Rdnr. 14). Den Feststellungsantrag hat die Klägerin im Berufungsverfahren jedoch nicht mehr weiterverfolgt, sondern lediglich die Aufhebung des Gerichtsbescheids des SG und der angefochtenen Bescheide geltend gemacht.

Die Berufung ist im Übrigen zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – neben der erstinstanzlichen Entscheidung des SG vom 14. März 2023 – der Bescheid vom 15. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2020, mit welchem die Beklagte anlässlich der bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Oktober 2017 die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) in allen Zweigen der Sozialversicherung festgestellt und eine Nachforderung in Höhe von 66.391,57 Euro festgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin zutreffend mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG).

Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Entscheidung ist § 28p Abs. 1 SGB IV in der Fassung vom 15. April 2015. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere ist die Klägerin vor Erlass des angefochtenen Bescheids auch angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>). Die Beklagte war auch gem. § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV zuständig für den Erlass des angefochtenen Bescheids und des Widerspruchsbescheids.

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB IV>), nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>) und der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Elftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB XI>). Die Verpflichtung zur Zahlung der Umlage für das Insolvenzgeld (UI) beruht auf § 359 Abs. 1 Satz 1 SGB III, die Verpflichtung zur Zahlung der Umlagen U1 (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) und U2 (Mutterschaftsleistungen) beruht auf § 7 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG),
 
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Die Eingliederung setzt aber nicht notwendig die Einordnung in eine betriebliche Organisationseinheit, eine Betriebsstätte oder einen Haushalt voraus, sondern kann sich in der Ausübung einer dem Betriebszweck dienenden und ihm untergeordneten Tätigkeit erschöpfen (Rolfs in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Aufl. 2024, § 7 SGB IV Rdnr. 12). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 1. Februar 2022 – B 12 KR 37/19 R – juris Rdnr. 12, BSG, Urteil vom 13. März 2023 – B 12 R 6/21 R – juris Rdnr. 13). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 23. Mai 2017 – B 12 KR 9/16 R – juris Rdnr. 24).

Bei der Prüfung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rdnr. 14 m.w.N.). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie z.B. vereinbaren, eine selbständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person – als selbständig oder beschäftigt – allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rdnr. 24; BSG, Urteil vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – juris Rdnr. 24).

Nach diesen Grundsätzen überwiegen bei der Beigeladenen zu 1) zur Überzeugung des Senats in der Zusammenschau aller Aspekte die Einzelaspekte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Wie das SG zutreffend festgestellt bzw. ausgeführt hat, war die Beigeladene zu 1) nicht aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses für die Klägerin tätig. Hierfür spricht, dass sich eine Verpflichtung zur Mitarbeit nicht aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt. Dieser enthält keine Regelung, wonach die Kommanditisten verpflichtet sind, ihre Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Eine Tätigkeit aufgrund gesellschaftsrechtlicher Pflichten liegt damit nicht vor. Auch wurde die Vergütung der Beigeladenen zu 1) als Aufwendungen im Aufwandskonto verbucht und bei der Gewinnermittlung entsprechend abgesetzt. Gegen eine eigenständige Dienstleistungspflicht der Kommanditisten spricht auch, dass nur die Beigeladene zu 1) eine Vergütung für ihre Verwaltungstätigkeit erhalten hat, nicht jedoch die sonstigen Kommanditisten. Es handelte sich somit nicht um eine vorweggenommene Gewinnentnahme; die Beigeladene zu 1) hatte auch im Falle eines Verlustes die an sie geleisteten Zahlungen nicht an die Klägerin zurückzuzahlen. Soweit die Klägerin demgegenüber zunächst die Auffassung vertreten hat, die Vergütung der Beigeladenen zu 1) stelle eine vorweggenommene Gewinnbeteiligung dar, diese entspreche nicht der Mitarbeit der tätigen Kommanditistin, sondern sei entsprechend nach Gewinn und Verlust der Kapitalanteile abgestuft, entspricht dies nicht den tatsächlichen Verhältnissen, denn die Bezahlung der Beigeladenen zu 1) erfolgte nach der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit. Die Beigeladene zu 1) war deshalb in der von ihr ausgeübten Tätigkeit gerade nicht selbst handelnde Mitunternehmerin, so dass dadurch eine versicherungspflichtige Beschäftigung in derselben Tätigkeit ausgeschlossen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 1972 – 2 RU 122/70).

Aus der mit dem vormaligen Komplementär der Klägerin getroffenen mündlichen Abrede über die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) ist nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit zu schließen. Vereinbart war nach den Angaben der Beigeladenen zu 1), dass sie für die Vermietung, Verwaltung, Akquise, Bewirtschaftung und Instandhaltung der Immobilien der Klägerin zuständig war und hierbei insbesondere an externe und interne Hausverwaltungen Weisungen erteilen und deren Tätigkeit überwachen sollte sowie den Schriftverkehr für die Klägerin zu führen und deren Zahlungsverkehr zu überwachen hatte.

Zutreffend ist zwar, dass die Beigeladene zu 1) keinem umfassenden Weisungsrecht hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Art der Tätigkeit unterworfen war. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin im Wesentlichen durch die Beigeladene zu 1) ausgeübt wurde und diese deshalb im Wesentlichen die Rahmenbedingungen bestimmen konnte, innerhalb derer die Tätigkeit ausgeübt wurde. Denn sie verfügte über die für die Führung des Unternehmens maßgeblichen Kenntnisse. Hinsichtlich des Kriteriums einer Weisungsabhängigkeit der Tätigkeit ist weiter zu berücksichtigen, dass zum einen eine inhaltliche oder fachliche Weisungsbefugnis insbesondere bei hochqualifizierten Tätigkeiten eingeschränkt ist und zum anderen aufgrund der Digitalisierung von Arbeitsvorgängen eine örtliche und zeitliche Präsenz nur noch in geringem Maße erforderlich ist. So hat das BSG bereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Chefärzten (BAGE 11, 225) ausgeführt, dass das Weisungsrecht insbesondere bei sog. Diensten höherer Art – heute würde man von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen – aufs Stärkste eingeschränkt sein kann. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in solchen Fällen „zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ (BSG; Urteil vom 29. März 1962 – 3 RK 74/57BSGE 16, 289, 294; BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rdnr. 29). Hierbei ist nicht Voraussetzung, dass es sich um Dienstleistungen höherer Art handelt. Maßgeblich ist vielmehr, dass für die Ausübung der entsprechenden Tätigkeit Kenntnisse erforderlich sind, die eine eigeninitiative Ausübung zulassen, dass mit anderen Worten die einzelnen Arbeitsschritte nicht nach jeweiliger Anweisung erfolgen, sondern eine eigenständige Gestaltungsmacht voraussetzen.

Zudem ist weiter auf das Kriterium der Eingliederung in eine fremd vorgegebene Arbeitsorganisation abzustellen. Eine fehlende Eingliederung und damit eine selbständige Tätigkeit liegt dabei nicht schon vor, wenn der Betreffende organisatorisch auf der Arbeitgeber- oder Unternehmerseite steht und er die Geschicke einer Gesellschaft oder eines Unternehmens im Wesentlichen eigenständig lenkt. Die Tätigkeit bleibt vielmehr fremdbestimmt, solange sie fremden Interessen dienen und sie sich gerade als – wenn auch herausgehobener – Bestandteil einer nach wie vor fremden Arbeitsorganisation innerhalb eines fremden Betriebs darstellen (Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., Stand 6. September 2021, § 7 Rdnr. 92). Die Beigeladene zu 1) hat zwar über eigene Büroräume verfügt, in denen sie ihre Tätigkeit ausgeübt hat, und hierbei nach ihren Angaben auch eine eigene Büroausstattung verwendet. Allerdings ist weiter zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) im Kontakt nach außen mit Kunden, Geschäftspartnern und Banken nicht als Dritte, sondern als Repräsentantin bzw. Vertreterin der Klägerin aufgetreten ist.

Insoweit ist weiter zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) zwar als Kommanditistin Gesellschafterin der Klägerin ist, jedoch keinen bestimmenden Einfluss aufgrund ihres Anteils bzw. aufgrund des Gesellschaftsvertrags auf die Geschicke der Klägerin ausüben konnte. Maßgeblich für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status ist hierbei, ob ihr auch die Rechtsmacht zustand, ihr nicht genehme Weisungen zu verhindern. Dies war jedoch nicht der Fall. Unbeachtlich ist insoweit, ob es tatsächlich zu Weisungen durch den Komplementär gekommen ist. Denn nach der Rechtsprechung des BSG ist nur eine im Gesellschaftsvertrag selbst unmittelbar angelegte Regelung in der Lage, eine sozialversicherungsrechtlich beachtliche Weisungsfreiheit zu gewährleisten (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R – juris Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 – B 12 R 2/19 R – juris Rdnr. 20). Die Maßgeblichkeit des rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhaltens der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine „Schönwetter-Selbständigkeit“ lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG, Urteil vom 8. Juli 2020 – B 12 R 2/19 R – juris Rdnr.  17; BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rdnrn. 15, 23 m.w.N.). Aus der faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts kann nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R – juris Rdnr. 25 m.w.N.). Unbeachtlich ist deshalb auch, dass der Komplementär während seiner Auslandsaufenthalte von seinem Weisungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.

Es sind auch keine sonstigen einzelfallbezogenen Umstände gegeben, die im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung wesentlich gegen eine für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Abhängigkeit sprechen würden. Dass die Beigeladene zu 1) faktisch weiterhin wie eine Geschäftsführerin tätig war, frei schalten und walten konnte und die Geschäfte der Klägerin faktisch allein betrieben hat, kann – wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt – eine aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen bestehende Weisungsgebundenheit nicht beseitigen.

Auch die Höhe der Vergütung der Beigeladenen zu 1) spricht nicht maßgeblich für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, da sie nicht signifikant von dem für Angestellte mit entsprechenden Tätigkeiten Üblichen abweicht (BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R – juris Rdnr. 50).

Denkbar wäre zwar eine selbständige Tätigkeit in der Weise, dass die Beigeladene zu 1) für die Klägerin als Selbständige Dienstleistungen erbracht hat. Grundsätzlich ist es zwar möglich, dass ein Mitgesellschafter als Selbständiger ein weiteres Unternehmen betreibt und dieses Leistungen an die Gesellschaft erbringt. Eine solche Form der Leistungserbringung ist hier jedoch nicht gegeben. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) diente vielmehr gerade ausschließlich dem Gesellschaftszweck der Klägerin, der Verwaltung von Immobilien. Die Beigeladene zu 1) hat für die Klägerin nicht lediglich beratende Tätigkeiten ausgeführt, sondern war unmittelbar im Rahmen der Erreichung des Betriebszwecks der Klägerin tätig. Ihre Tätigkeit bestand ausweislich der Widerspruchsbegründung in der Wahrnehmung einer Vielzahl operativer Tätigkeiten wie Vermietung, Verwaltung, Akquise, Bewirtschaftung und Instandhaltung von Immobilien. Hiervon umfasst war die Weisungserteilung an externe und interne Hausverwaltungen inklusive der Überwachung dieser Tätigkeiten, die Erteilung rechtsverbindlicher Unterschriften auf Verträgen, die Durchführung des Schriftverkehrs und die Kontrolle des Zahlungsverkehrs. Sie hat damit sämtliche Unternehmensaktivitäten ausgeübt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betriebszweck stehen.

Gegen eine selbständige Tätigkeit spricht auch maßgeblich die der Beigeladenen zu 1) am 28. Oktober 2008 erteilte Vollmacht zur Vertretung der Klägerin. Danach war sie bevollmächtigt zur Vertretung der Klägerin in allen Angelegenheiten der Gesellschaft, sowohl bei Gerichten und anderen Behörden als auch gegenüber allen natürlichen und juristischen Personen des Privat- und Gesellschaftsrechts und des öffentlichen Rechts, insbesondere auch gegenüber Geld- und Kreditinstituten in jeder Richtung und ohne jede Ausnahme, soweit eine Vertretung gesetzlich zulässig ist. Dies spricht dafür, dass die Beigeladene zu 1) nicht als externe Beraterin, sondern im Rahmen der ihr erteilten umfassenden Vollmacht gleichsam wie ein Geschäftsführer tätig geworden ist.

Unbeachtlich ist danach, dass für die Beigeladene zu 1) kein Anspruch auf Urlaub und auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vereinbart worden ist. Denn Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden (z.B. Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw. Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, lassen ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu (vgl. § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu.
Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbständigkeit im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rdnr. 27).

Auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum für weitere Auftraggeber tätig war, ist kein relevantes Indiz für eine abhängige oder selbständige Tätigkeit, da sich die streitige Feststellung nur auf das konkrete Auftragsverhältnis bezieht und hierbei maßgeblich die Umstände dieses konkreten Verhältnisses in die Gesamtabwägung einzustellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rdnr. 31 f.). Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) jeweils nur für weitere Unternehmen tätig war, an denen sie als Kommanditistin bzw. Gesellschafterin beteiligt ist. Ein werbendes Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen (Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., Stand 6. September 2021 – § 7 Rdnr. 97), das als Indiz für eine selbständige Tätigkeit gewertet werden könnte, lag nicht vor.

Ein wesentliches unternehmerisches Risiko trug die Beigeladene zu 1) im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin ebenfalls nicht. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R – juris Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R – juris Rdnr. 25). Eigenes Kapital hat die Beigeladene zu 1) lediglich in Form ihrer Büroausstattung eingesetzt, ohne dass insoweit eine Gefahr des Verlustes bestanden hätte. Ebenso hat sie ihre Arbeitskraft nicht mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Sie bezog vielmehr eine feste Vergütung von 40 Euro je Stunde und hatte somit im konkreten Auftragsverhältnis nicht das Risiko zu tragen, dass der Einsatz ihrer Arbeitskraft nicht mit einem Entgelt entlohnt wird.

Unbeachtlich für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird, ist schließlich das Ergebnis steuerrechtlicher Prüfungen.

Gegen die Höhe und die Berechnung der durch die Beklagte nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben, Fehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Der Beklagte hat die Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie keinen Antrag gestellt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.





 

Rechtskraft
Aus
Saved