L 11 BA 84/18

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 132/14
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 11 BA 84/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


1. Die Tätigkeit als Fahrlehrer kann als selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung ausgeübt werden.
2. Für die Statusfeststellung ist das Fahrlehrergesetz nicht allein ausschlaggebend.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. September 2018 sowie der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2014 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag vom 22. Oktober 2013 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie die Gerichtskosten für das Klage- und Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Aufhebung einer Statusfeststellung gegenüber dem Beigeladenen zu 1. für den Zeitraum vom 10. März 2008 bis zum 6. Januar 2009.

Der Kläger ist Inhaber der Fahrschule T. in D. Am 10. März 2008 unterzeichneten er und der Beigeladene zu 1. einen „Anstellungsvertrag“, in dem sich der Beigeladene zu 1. als Arbeitnehmer verpflichtete, als angestellter Fahrlehrer beim Kläger zu arbeiten.

In diesem Vertag ist Folgendes geregelt:

§ 1 Aufgabengebiet und sonstige Pflichten des Arbeitnehmers

„Dem Arbeitnehmer obliegt insbesondere die Aufgabe, Bewerber um eine Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen auszubilden sowie bei der praktischen Fahrprüfung zu begleiten. Er ist hierbei verpflichtet, die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere diejenigen des Fahrlehrergesetzes und der darauf beruhenden Rechtsvorschriften zu beachten und sich im Übrigen an die Anweisungen des Arbeitgebers zu halten.“

(…)

„§ 2 Arbeitsort

Arbeitsort ist der Sitz der Fahrschule. Soweit betrieblich erforderlich kann der Arbeitnehmer auch am Sitz von Zweigstellen der Fahrschule beschäftigt werden, wenn dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist.

§ 3 Arbeitszeit

Die monatliche Arbeitszeit beträgt __________ Stunden a _____________Minuten bei ______________ Arbeitstagen pro Woche.“

[handschriftlicher Hinweis „ohne Regelung“].

(…)

„§ 4 Vergütung [handschriftlicher Hinweis „ohne Regelung“].

„Der Arbeitnehmer erhält ein gleichbleibendes monatliches Bruttogehalt von EUR _______.“

(…)

„§ 5 Nebentätigkeiten

Für die Dauer des Vertragsverhältnisses hat der Arbeitnehmer jede Tätigkeit außerhalb der Fahrschule zu unterlassen, die die Erfüllung seiner Arbeitsleistung beeinträchtigen würde oder eine Konkurrenztätigkeit darstellt.“

( …)

„§ 9 Krankheit

Der Arbeitnehmer hat im Falle von Krankheit nach Maßgabe des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Fortzahlung seines Durchschnittsverdienstes (ohne Überstundenvergütung) aus den vergangenen dreizehn Wochen für die Dauer von sechs Wochen.“

(...) [handschriftlicher Hinweis „ohne Regelung“]

„§ 10 Urlaub

Der jährliche Urlaubsanspruch beträgt _____________[handschriftlicher Hinweis „ohne Regelung„] _______Werktage.“

Der Beigeladene zu 1. war im streitgegenständlichen Zeitraum mit eigener Firma als Aufbereiter für Fahrzeuge und Boote selbstständig tätig. Er beabsichtigte zudem perspektivisch, eine eigene Fahrschule zu eröffnen, was dem Kläger auch bekannt war.

Seit dem 7. Januar 2009 ist der Beigeladene zu 1. im Besitz einer eigenen Fahrschulerlaubnis für die Ausbildung mit Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmaschinen der Klassen A, BE, CE und betreibt seitdem eine eigene Fahrschule in B.-W.

Im Mai 2010 stellte der Beigeladene zu 1. einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status als Fahrlehrer beim Kläger und beantragte, dass bei ihm kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) festzustellen sei.

Der Beigeladene zu 1. führte auf Nachfrage der Beklagten zu seinen Tätigkeiten beim Kläger mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 vertiefend aus: Seine Beauftragung sei meist fernmündlich erfolgt. Die Zuteilung der Fahrschüler (ca. 3-5 Fahrschüler pro Monat) sei pauschal vom Kläger vorgenommen worden. Die Art, der Ort der Fahrstunde sowie die Fahrtzeit seien dagegen durch ihn selbst bestimmt worden. Ziel sei es gewesen, die Fahrschüler bis zur Prüfungsreife im praktischen Teil auszubilden. Der zeitliche Umfang seiner Tätigkeit sei durch ihn selbst bestimmt worden. Dieser sei abhängig von der Zeitplanung der Fahrschüler und ihm selbst gewesen. Er habe einen Zweitschlüssel des Fahrschulfahrzeuges des Klägers gehabt und sei daher unabhängig von allen anderen gewesen. Es habe auch keine Kontrolle seiner Arbeit bzw. keine Abnahme durch den Kläger stattgefunden. Bei einer eigenen Verhinderung habe er niemanden informieren müssen. Die Vergütung sei wochenweise erfolgt. Rechnungsgrundlage sei ein Betrag von 12,00 € für 45 Minuten Ausbildung gewesen. Eigene Betriebsmittel habe er nicht einsetzen müssen. Nach beigefügten Rechnungen vom 25. Oktober 2008 und vom 13. Dezember 2008 forderte der Beigeladene zu 1. vom Kläger 257,04 € bzw. 314,16 €. Unter dem 7. März 2008 stellte er unter der Firmenbezeichnung „D.   “ einen Betrag von 357,00 € in Rechnung.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 hörte die Beklagte den Kläger und den Beigeladenen zu 1. jeweils an, dass beabsichtigt sei, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Der Beigeladene zu 1. trat dem in einem Schreiben vom 3. November 2010 entgegen und führte aus: Er sei zu keiner Zeit von dem Kläger abhängig beschäftigt gewesen. Er habe die Zeit mit den Fahrschülern selbst geplant und organisiert. Insoweit habe es keinerlei Vorgaben durch den Kläger gegeben. Der Anstellungsvertrag sei nur deswegen abgeschlossen worden, um den Eintrag bei der Fahrerlaubnisbehörde zu bekommen. Da er den Fahrschulwagen des Klägers habe nutzen können, sei seine Vergütung geringer gewesen, als wenn er sein eigenes Fahrschulauto benutzt hätte. Zusammenfassend sei von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen.

Der Kläger teilte in einem Schreiben vom 7. November 2010 mit: Der Beigeladene zu 1. hätte auch andere Fahrschüler, nicht nur die seiner Fahrschule, betreuen können. Zudem habe der Beigeladene zu 1. seine Arbeitszeit frei bestimmen können und sei nicht von seinen Weisungen abhängig gewesen. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass der Beigeladene zu 1. kein Fahrlehrer im Anstellungsverhältnis habe sein wollen und sollen. Schließlich habe dieser seine eigene Firma gehabt. Der Beigeladene zu 1. habe ihm bei der Abarbeitung eines Großauftrages geholfen. Der Standardvertrag sei nur aus fahrlehrerrechtlichen Gründen geschlossen worden, damit der Beigeladene zu 1. Fahrschüler habe ausbilden können. Der Beigeladene zu 1. sei nur für geleistete Fahrstunden vergütet worden. Daher habe dieser auch ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. Dezember 2010 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Fahrlehrer beim Kläger seit dem 10. März 2008 als abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde und demzufolge ab dem 10. März 2008 eine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Der Beigeladene zu 1. sei in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert gewesen. Nach § 1 Abs. 2 Fahrlehrergesetz (FahrlG) dürfe von der Fahrlehrererlaubnis nur zusammen mit der Fahrschulerlaubnis oder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Inhaber einer Fahrschule Gebrauch gemacht werden. Fahrlehrer seien daher nur dann als selbstständige Lehrer anzusehen, wenn sie neben der Fahrlehrererlaubnis auch die zur Leitung einer Fahrschule berechtigende Fahrschulerlaubnis besäßen. Selbstständig könne ein Fahrlehrer auch dann sein, wenn dieser – ohne im Besitz einer Fahrschulerlaubnis zu sein – zumindest Mitunternehmer oder Gesellschafter einer Fahrschule sei. Beide möglichen Fallkonstellationen seien beim Beigeladenen zu 1. nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 18. Juli 2012 nahm die Beklagte einen Überprüfungsbescheid vom 16. November 2011 zurück und stellte fest, dass der Beigeladene zu 1. als selbständiger Fahrlehrer ab dem 7. Januar 2009 für den Kläger nicht mehr im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen sei.

Am 22. Oktober 2013 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 7. Dezember 2010 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) für den Zeitraum vom 10. März 2008 bis zum 6. Januar 2009. Bei Erlass des Bescheides sei von falschen Tatsachen bzw. falschen rechtlichen Erwägungen ausgegangen worden. In einem rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. Dezember 2011, – 9 S 2245/11 –, sei entschieden worden, dass Fahrlehrer nach § 1 Abs. 2 FahrlG auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden könnten. Bei der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. müsse es sich daher nicht zwingend um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt haben. Mit Bescheid vom 27. November 2013 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 7. Dezember 2010 ab. Hiergegen legte der Kläger am 4. Dezember 2013 Widerspruch ein und wiederholte sein bisheriges Vorbringen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2014 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 3. April 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) D. erhoben und ausgeführt: Es komme auf den Besitz einer Fahrschulerlaubnis bei der Bewertung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht an. Die einschränkende Auslegung des Fahrlehrergesetz (FahrlG) durch die Beklagte greife in unverhältnismäßiger Weise in die durch Art. 12 Grundgesetz (GG) geschützte Berufsausübungsfreiheit der Fahrlehrer ein. Aus diesem Grunde sei die im FahrlG enthaltenen Beschränkung der beruflichen Tätigkeit von Fahrlehrern im Lichte der Berufsfreiheit so auszulegen, dass den Fahrlehrern und Fahrschulen eine möglichst freie Betätigung in ihrem Tätigkeitsrahmen erhalten bleibe. Die von der Beklagten vorgenommene einschränkende Auslegung der Vorschrift sei verfassungswidrig und der darauf gestützte Bescheid rechtswidrig. Dies werde auch durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Oktober 2012, – 4 K 4032/11 –, bestätigt.

Das SG hat mit Beschluss vom 29. Oktober 2015 den Beigeladenen zu 1. beigeladen.

Mit Gerichtsbescheid vom 4. September 2018 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage der Statusfeststellung des Beigeladenen zu 1. sei § 7a SGB IV. Die Kammer schließe sich dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 11. November 2014, – 5 R 910/12 –, an, wonach Fahrlehrer, die lediglich im Besitz einer Fahrlehrerlaubnis, nicht jedoch einer Fahrschulerlaubnis seien, bei der Tätigkeit für eine fremde Fahrschule stets der Sozialversicherungspflicht als abhängig Beschäftigte unterlägen. Von der Fahrlehrerlaubnis dürfe nach § 1 Abs. 4 Satz 1 FahrlG in der hier geltenden Fassung nur zusammen mit der Fahrschulerlaubnis oder im Rahmen eines Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses mit dem Inhaber einer Fahrschule Gebrauch gemacht werden. Daraus folge, dass Fahrlehrer für eine fremde Fahrschule nicht auf Honorarbasis tätig werden dürften. An dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 1 FahrlG habe sich auch durch die seit dem 1. Januar 2018 geltenden Neufassung des FahrlG (Fassung vom 30. Juni 2017) bis auf die Streichung des Begriffs „Ausbildungsverhältnisses“ nichts geändert. Zudem sprächen die tatsächlichen Verhältnisse für eine abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1. sei weder Mitunternehmer noch Gesellschafter der Fahrschule des Klägers gewesen. Er habe ausschließlich Fahrschüler des Klägers betreut. Auch sei er in dessen betriebliche Organisation eingegliedert gewesen. Demnach habe er kein eigenes Unternehmerrisiko getragen. Auch seien die Ausbildungsfahrten auf Fahrzeugen des Klägers und nicht mit eigenen Fahrzeugen des Beigeladenen zu 1. durchgeführt worden, was ebenfalls für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spreche.

Der Kläger hat gegen den ihm am 8. Oktober 2018 zugestellten Gerichtsbescheid am 29. Oktober 2018 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Das SG habe unberücksichtigt gelassen, dass der Beigeladene zu 1. zusätzlich zu der Tätigkeit bei ihm selbstständig in der Fahrzeug- und Bootsaufbereitung tätig gewesen sei. Zudem habe dieser auch eine eigene Fahrschule eröffnen wollen und ihn lediglich unterstützt, ohne von ihm weisungsgebunden angestellt zu sein. Auch sei der Beigeladene zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum privat krankenversichert gewesen und habe bereits selbst entsprechende Beiträge gezahlt. Es habe daher keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. September 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Rücknahme des Bescheids vom 7. Dezember 2010, abgeändert durch den Bescheid vom 18. Juli 2012, festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 10. März 2008 bis zum 6. Januar 2009 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide sowie die Ausführungen der Vorinstanz für zutreffend.

Der Senat hat mit Beschluss vom 21. April 2021 die Beigeladenen zu 2. bis 5. beigeladen. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

In einer Nichtöffentlichen Sitzung vom 25. August 2022 hat der Beigeladene zu 1. erklärt: Er sei 15 Jahre bei der Bundeswehr beschäftigt gewesen. Sein aktiver Dienst habe im Jahr 2007 geendet. Angeschlossen habe sich eine 3-jährige Phase, in der er zu 70 % beihilfeberechtigt und zu 30 % privat krankenversichert gewesen sei.

Der Kläger hat eine Lohnsteuerbescheinigung des Beigeladenen zu 1. für das Jahr 2008 vorgelegt. Hiernach habe dieser ein Ruhegehalt aus seiner Bundeswehrzeit in Höhe von 18.832,43 € erhalten. Er habe daher mit dem Honorar des Klägers nicht seinen Lebensunterhalt bestritten, zumal er seit 2002 auch noch über eine eigene Firma mit einer Fahrzeug- und Bootsaufbereitung verfügt habe.

In der Öffentlichen Sitzung des Senats vom 31. August 2023 hat der Beigeladene zu 1. erklärt, dass er weiterhin für den streitigen Zeitraum als Selbstständiger bewertet werden wolle. Er sei bereits 10 Jahre bei der Bundeswehr als Fahrlehrer tätig gewesen. Er habe für den Kläger aushelfen wollen, bis er seine eigene Fahrschulerlaubnis erhalten habe. Für die Fahrschulbehörde sei eine Bescheinigung erforderlich gewesen, dass er für den Kläger tätig sei. Er habe diesem Rechnungen gestellt, die er später an seinen Steuerberater weitergegeben habe. Der Kläger sei auf ihn zugekommen und habe gefragt, wie viel Zeit er habe. Dann habe er sich bereit erklärt, 2-3 Fahrschüler zu übernehmen. Eine Ablehnung von Fahrschülern wäre ihm auch möglich gewesen. Von den Fahrschülern habe er die Kontaktdaten bekommen und sich um den Rest allein gekümmert. Die Fahrschülerzuteilung sei nach Priorität erfolgt. Es sei darum gegangen, dass bestimmte Schüler in kürzester Zeit die Ausbildung hätten absolvieren sollen. Den Kläger kenne er aus verschiedenen Lehrgängen. Eine Kontrolle durch diesen sei nicht erfolgt. Der Kläger sei von ihm über den jeweiligen Stand der Fahrschüler informiert worden. Dies sei auch notwendig gewesen, um bei Schwierigkeiten für die Fahrschüler weitere Stunden beim Arbeitsamt beantragen zu können. Es sei ihm darum gegangen, für seine eigene Selbstständigkeit als Fahrlehrer so viel wie möglich mitnehmen zu können (z.B. Materialfragen usw.). Die Prüfungsreife der Schüler habe er allein festgestellt, auch den Prüfungstermin mit der Dekra selbst abgestimmt und an der Prüfung auch allein teilgenommen. Der Kläger habe mit der Prüfung nichts zu tun gehabt.

Der Kläger hat in der Öffentlichen Sitzung erklärt: Zu dem Beigeladenen zu 1. habe eine Vertrauensbeziehung bestanden. Dieser habe den LKW genutzt und er habe sich um den PKW-Bereich gekümmert. Wenn der Beigeladene zu 1. keine Zeit gehabt habe, habe er auch selbst den LKW genutzt. Der Beigeladene habe ihm seine freien Zeiträume für die LKW-Ausbildung mitgeteilt. Daran habe er sich dann orientiert. Er habe zwei weitere Mitarbeiter gehabt, die 10 Pflichtstunden täglich hätten leisten müssen. Diese hätten im Gegensatz zum Beigeladenen zu 1. ca. 10 € pro Stunde bekommen. Bei diesen Mitarbeitern sei er auch mal zur Kontrolle mitgefahren. Die Dekra-Rechnungen seien von seiner Fahrschule bezahlt worden. Auch die Kommunikation mit dem Arbeitsamt sei über ihn gegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist überwiegend begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Rücknahme einer Statusentscheidung für den vergangenen Zeitraum vom 10. März 2008 bis zum 6. Januar 2009 aufgrund des bestandskräftigen Bescheides vom 7. Dezember 2010, abgeändert durch den Bescheid vom 18. Juli 2012, ist § 44 SGB X.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X).

§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X findet hier keine Anwendung. Im Statusfeststellungsverfahren geht es nicht um die Erbringung von Sozialleistungen oder Erhebung von Beiträgen, (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 13. Januar 2021, – L 2 KR 202/16 –; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. April 2023, – L 1 BA 103/19 –, zitiert nach juris mit weiteren Nachweisen).

Rechtsgrundlage ist § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats, jedoch nicht auf die von ihm beantragte Feststellung, dass der Beigeladene zu 1. vom 10. März 2008 bis zum 6. Januar 2009 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Der bestandskräftige Bescheid vom 7. Dezember 2010, abgeändert durch den Bescheid vom 18. Juli 2012, ist insoweit rechtswidrig, da er zu Unrecht eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. für den Zeitraum der Tätigkeit beim Kläger vom 10. März 2008 bis zum 6. Januar 2009 festgestellt hat (im Folgenden: zu 1.). Für die Vergangenheit gibt § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X dem Kläger jedoch nur einen Anspruch auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung (im Folgenden: zu 2.).

1.

Der Bescheid vom 7. Dezember 2010, abgeändert durch den Bescheid vom 18. Juli 2012, ist rechtswidrig.

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Dabei ist Gegenstand der Feststellung nicht das insoweit lediglich als Element anzusehende Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses. Ziel des Statusfeststellungsverfahrens ist vielmehr die verbindliche Feststellung des Versicherungspflichtverhältnisses (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. Februar 2019, – B 12 R 8/18 R –, Rn. 21; Urteil vom 11. März 2009, – B 12 R 11/07 R –, Rn. 14 ff; Urteil vom 4. Juni 2009, – B 12 R 6/08 R –, Rn. 20 ff, zitiert nach juris).

Nach der zum Zeitpunkt des Bescheides vom 7. Dezember 2010, abgeändert durch den Bescheid vom 18. Juli 2012, geltenden Rechtslage unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Beigeladene zu 1. war bei dem Kläger nicht abhängig beschäftigt.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung liegen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vor, wenn eine Tätigkeit nach Weisungen ausgeübt wird und im Rahmen dieser eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt. Abzugrenzen ist eine die Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit. Eine Beschäftigung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen. Dabei setzt die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit voraus, dass alle nach Lage des konkreten Einzelfalles als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, mit diesem Gewicht in die Gesamtschau eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden. Dieses Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen (vgl. zum Vorstehenden u.a. BSG, Urteile vom 25. April 2012, – B 12 KR 24/10 R –, und vom 12. November 2015, – B 12 KR 10/14 R –, zitiert nach juris).

Ausgangspunkt der Prüfung, ob der Beigeladene zu 1. für den Kläger im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder als Selbstständiger tätig geworden ist, ist zunächst die für die Tätigkeit maßgebliche vertragliche Vereinbarung. Weichen jedoch die vertraglichen Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, so sind die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, – B 12 KR 26/02 R –, zitiert nach juris). Sofern zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben fehlen und die zu prüfende Tätigkeit sowohl als abhängige Beschäftigung, als auch als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden kann, kommt den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Arbeitgeber/Auftraggeber zwar keine allein ausschlaggebende, jedoch eine gewichtige Rolle zu (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2018, – B 12 R 3/17 –, Rn. 13 zitiert nach juris). Zwar haben es die Vertragsparteien nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärungen auszuschließen. Ihrem Willen, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille gerade den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände sowohl für eine selbstständige Tätigkeit als auch für eine abhängige Beschäftigung sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015, – B 12 KR 16/13 R –, zitiert nach juris).

Nach diesen rechtlichen Maßstäben spricht bereits der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. geschlossene Vertrag vom 10. März 2008 eher gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Zwar finden sich in diesem Vertrag für den Beigeladenen zu 1. durchaus Begriffe wie Anstellungsvertrag bzw. Arbeitnehmer und zudem Vertragsformulierungen, die für einen Arbeitsvertrag mit typischen Rechten und Pflichten zwischen beiden Vertragsparteien sprechen könnten. Auf der anderen Seite bleibt der Vertrag in den entscheidenden Vertragsbestandteilen wie Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub mit der handschriftlichen Formulierung „ohne Regelung“ offenbar bewusst ohne konkreten Vertragsinhalt. Dies stützt die Einlassung des Klägers und des Beigeladenen zu 1., mit der Fertigung der Vertragsurkunde lediglich eine „Bescheinigung“ für die Fahrerlaubnisbehörde erstellt haben zu wollen, jedoch zu keinem Zeitpunkt gewollt zu haben, einen Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Die Bedeutung dieser Vertragsurkunde darf dabei nicht überschätzt werden. Nach der glaubhaft gemachten Zielrichtung der Vereinbarung sollte dieser Vertrag „an sich“ überhaupt nicht gelten, sondern diente lediglich dazu, die rechtlichen Voraussetzungen nach dem FahrlG gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde zu dokumentieren. Ein ernsthafter Wille zum Abschluss eines Arbeitsvertrages lag weder beim Kläger noch beim Beigeladenen zu 1. vor. Dies haben beide in der mündlichen Verhandlung auch übereinstimmend und nochmals mitgeteilt.

Nach den glaubhaften Einlassungen des Beigeladenen zu 1. und des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2023 hatte der Beigeladene zu 1. im Unternehmen des Klägers einen herausgehobenen Sonderstatus inne, der mit der typischen Stellung eines Arbeitnehmers unvereinbar ist. So unterlag der Beigeladene zu 1. keinem Weisungsrecht hinsichtlich der Ausgestaltung der praktischen LKW-Fahrstunden. Der Beigeladene zu 1. bestimmte die Anzahl der zu übernehmenden Fahrschüler und konnte diese auch ablehnen. Die konkrete Ausgestaltung der praktischen LKW-Ausbildung war dem Beigeladenen zu 1. allein überlassen, da er über die Kontaktdaten der Fahrschüler Termine vergeben bzw. auch verschieben konnte. Im Ergebnis gab damit der Beigeladene zu 1. vor, wann von ihm der LKW genutzt werde und wann das Fahrzeug vom Kläger selbst zu Ausbildungszwecken eingesetzt werden konnte. Der Kläger orientierte sich dabei konsequent an den Zeitvorgaben des Beigeladenen zu 1. und passte sich diesen an. Dies widerspricht einer typischen Arbeitnehmerstellung so deutlich, dass eine Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit als Fahrlehrer naheliegt. Der Kläger hat sein sehr entgegenkommendes Verhalten gegenüber dem Beigeladenen zu 1. auch nachvollziehbar begründet. Er benötigte wegen zahlreicher LKW-Fahrschüler eine Unterstützung und kannte den Beigeladenen zu 1. von Lehrgängen bereits als langjährigen und erfahrenen Fahrlehrer der Bundeswehr, der sich in näherer Zukunft als Fahrlehrer selbstständig machen wollte. Zudem war der Beigeladene zu 1. mit seinem eigenen Unternehmen bereits lange Jahre selbstständig tätig und konnte vom Kläger daher auch als vertrauenswürdiger und gleichberechtigter Unternehmer angesehen werden. Vor diesem speziellen Hintergrund ist es dem Senat einleuchtend, warum der Kläger dem ohnehin schon selbstständig tätigen Beigeladenen zu 1. einen Sonderstatus in der Zeitgestaltung einräumen wollte. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene zu 1. in die fremden Betriebsabläufe des Klägers eingegliedert war, auch wenn er den LKW des Klägers nutzen konnte. Dieser hat dem Beigeladenen zu 1. keine Organisationsabläufe vorgegeben, sondern ihm im Gegenteil „freie Hand“ gelassen, wann er die praktischen Stunden in Absprache mit den Fahrschülern konkret durchführen wollte. Auch arbeitete der Beigeladene zu 1. ohne jede Kontrolle des Klägers und ohne jeden Bezug zu dessen Arbeitsnehmern, was angesichts der langjährigen Erfahrung des Beigeladenen zu 1. als Fahrlehrer auch nicht nötig war. Auch konnte der Beigeladene zu 1. das gesamte Prüfungsverfahren bei der Dekra eigenständig organisieren und durchführen. Die gelegentlichen Hinweise zu den Ausbildungsentwicklungen der Fahrschüler an den Kläger waren schon wegen möglicher Zusatzstunden, die vom Kläger beim Arbeitsamt beantragt werden mussten, unverzichtbar und änderten das Gesamtbild einer im Wesentlichen eigenverantwortlichen Gestaltungsfreiheit des Beigeladenen zu 1. nicht.

Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. über keinen eigenen Fahrschulwagen für die Ausbildungsfahrten verfügte und die Möglichkeit hatte, die vorhandenen Betriebsmittel des Klägers und weitere vermögensrechtliche Vorteile (Steuer, Versicherung) im eigenen Interesse für seine Ausbildungsstunden zu nutzen, hat zwar dessen eigenes unternehmerisches Risiko deutlich reduziert, führt aber zu keiner anderen Bewertung. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass der Beigeladene zu 1. keinesfalls von den Einkünften des Klägers abhängig war. Vielmehr verfügte er über ein existenzsicherndes Ruhegeld der Bundeswehr und zudem über eigene Einkünfte aus seiner eigenen Firma. Der Kläger als Firmeninhaber hat dabei nicht, was ihm bei einem Arbeitsnehmer möglich gewesen wäre, auf die Durchführung bestimmter LKW-Stunden bestanden, sondern umgekehrt, sich an den Zeitfreiräumen des Beigeladenen zu 1. orientiert. Genau dies entsprach auch der Interessenlage des Beigeladenen zu 1., der bereits durch seine eigenen Aktivitäten mit Blick auf den Aufbau seiner eigenen Fahrschule und seine eigene Firma in der Auto- und Bootsaufbereitung diese große Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf die Ausbildungsfahrten benötigte. Auch dies betont die unternehmerische Freiheit des Beigeladenen zu 1. in seiner Zeitgestaltung und bestärkt den bloßen Aushilfscharakter seiner Tätigkeit beim Kläger als bloßer Subunternehmer. Beispielsweise erlangte der Beigeladene zu 1. im Oktober und Dezember 2008 nur geringe Einkünfte von unter 350,00 € und hätte ohne sein Ruhegeld und seinen Gewinn aus der eigenen Firma seinen Lebensunterhalt mit der Tätigkeit beim Kläger nicht bewältigen können. Für eine Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. spricht weiter, dass er seine Ausbildungsstunden unter seiner Firma selbst abgerechnet hat, was in seine steuerliche Veranlagung der eigenen Unternehmung auch tatsächlich eingegangen ist. Für eine Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. kann weiter angeführt werden, dass er nur für die inhaltlich begrenzte praktische LKW-Ausbildung zuständig war und beispielsweise keinerlei Theoriestunden in der Fahrschule des Klägers abhalten oder sich mit dessen Mitarbeitern abstimmen musste. Auch hat und musste der Kläger dem Beigeladenen zu 1. keine Ausbildungskonzepte antragen, da dieser über eine weitreichende Erfahrung als Fahrlehrer bei der Bundeswehr verfügte. Die für eine Arbeitnehmerstellung sprechenden Gesichtspunkte (insbesondere wegen des geringen unternehmerischen Risikos und der geringen Vergütung) treten dahinter zurück.

Der Senat hält dabei die Argumentation der Beklagten und des SG unter Verweis auf das Urteil des Bayerischen LSG (a.a.O.), ordnungsrechtliche Bestimmungen aus dem FahrlG für das entscheidende Abgrenzungskriterium zu halten, um zu einer abhängigen Beschäftigung zu gelangen, für nicht überzeugend. Zwar kann dem seit dem 1. Oktober 1969 unveränderten § 1 Abs. 4 FahrlG entnommen werden, dass von der Fahrlehrerlaubnis nur zusammen mit einer Fahrschulerlaubnis oder im Rahmen eines Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses mit dem Inhaber einer Fahrschule Gebrauch gemacht werden darf. Der Kläger musste daher, um möglichen Einwänden der Fahrerlaubnisbehörde bei einer Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. entgegenzutreten, einen Arbeitsvertrag vorlegen. Demgegenüber hätte eine Subunternehmereigenschaft des Beigeladenen zu 1. formal dem FahrlG widersprochen.

Das Bayerische LSG hat diese Rechtslage im Urteil vom 11. November 2014, – B 5 R 910/12 –, dann auch zum Anlass genommen, eine selbstständige Tätigkeit als Fahrlehrer für generell gesetzlich ausgeschlossen zu halten, und dies mit dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 4 FahrlG begründet. Nur auf diese Weise könne der Gesetzeszweck sichergestellt werden, ständige Weisungen und Kontrollen des Inhabers der Fahrschule sicherzustellen. Allein diese Auslegung gewährleiste damit die Schutzpflicht des Fahrschulinhabers gegenüber den Fahrschülern und garantiere eine hinreichende Kontrolle seiner Ausbildung. Diese Argumentation hat weitere Unterstützung in der sozialrechtlichen Rechtsprechung erfahren (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 23. Oktober 2018, – L 9 KR 263/13 –; Hessisches LSG, Urteil vom 6. Mai 2020,– L 1 BA 15/18 –, zitiert nach juris).

Nach Auffassung des Senats kann es bei der Abgrenzungsfrage, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder abhängig beschäftigt anzusehen ist, weder allein noch entscheidend auf ordnungsgesetzliche Normen ankommen.

Das BSG hat immer wieder hervorgehoben, dass es bei der Abwägung zwischen den Gesichtspunkten, die für eine abhängige oder selbstständige Tätigkeit sprechen, auf die Frage der ordnungsrechtlichen Zulässigkeit der jeweiligen Tätigkeit grundsätzlich nicht entscheidend ankommen kann. Beispielsweise hat das BSG im Urteil vom 24. März 2016, – B 12 KR 20/14 R –, juris ausgeführt, dass das Zulassungserfordernis für Heilmittelerbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht darüber entscheidet, ob die für diese sozialversicherungsrechtlich tätige Person stets im Status eines abhängig Beschäftigten steht oder nicht. Gleiches gilt für Familienhelferinnen, die rechtmäßig ihre Tätigkeit wohl nur in einem Beschäftigungsverhältnis ausüben dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2012, – B 12 KR 24/10 R –, juris). Erst in einem Fall der offenkundigen Sittenwidrigkeit einer Tätigkeit, die hier erkennbar nicht vorliegt, kann ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis unter Umständen ausgeschlossen werden (vgl. für Telefonsex: BSG, Urteil vom 10. August 2000, –B 12 KR 21/98. –, juris).

Die vom Bayerischen LSG (a.a.O.) vertretene Auffassung, aus § 1 Abs. 4 FahrlG ein entscheidendes Argument dafür herzuleiten, dass die Fahrlehrertätigkeit nur in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erbracht werden kann, kann vor dem Hintergrund dieser BSG-Rechtsprechung nicht überzeugen. Ordnungsgesetzliche Vorschriften können, sofern nicht die Grenze der Sittenwidrigkeit oder sogar der Strafbarkeit erreicht ist, nicht entscheidend für die Statusentscheidung herangezogen werden. Vielmehr ist die ordnungsgesetzliche Rechtslage umfassend in die Abwägung des jeweiligen Einzelfalls einzubeziehen, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder als abhängige Beschäftigung zu werten ist.

2.

Aus der Rücknahme für die Vergangenheit folgt ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme, da keine Ermessensreduzierung auf Null besteht. Bei dem streitigen Statusfeststellungsbescheid vom 7. Dezember 2010, abgeändert durch Bescheid vom 18. Juli 2012, handelt es sich um einen rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakt. Denn dieser ist Grundlage für die Forderung von Sozialbeiträgen vom Kläger. Einen Rechtsanspruch auf Rücknahme hat der Kläger nicht, weil die Beklagte für Sachverhalte, die vergangen sind, im Gegensatz zu Regelungen mit Zukunftswirkung (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X) ein Ermessen hat. § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X lässt der Beklagten dabei eine weitgehende Entscheidungsfreiheit. Er gibt weder der Rechtssicherheit (Beständigkeit der Entscheidung) noch der Einzelfallgerechtigkeit grundsätzlichen Vorrang, sondern geht von einer Gleichrangigkeit aus (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 1987, –11b RAr 60/86 –, juris). Deshalb kann weder die Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides noch die eingetretene Bindungswirkung entscheidender Grund für die Ablehnung der Rücknahme sein. Die Lücken in der Ermessensentscheidung der Beklagten führen daher nur zu einer Verpflichtung auf eine neue Ermessenentscheidung. Dabei ist es nicht Aufgabe des Senats, die jeweiligen Maßstäbe dieser Ermessenausübung vorzugeben. Dies hat die Beklagte selbst zu tun.

Jedenfalls kann sich auch nicht die Beklagte auf eine Ermessensreduzierung auf Null berufen, die eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zwingend hätte ausschließen können. Eine Ermessensreduzierung auf Null wäre nur dann anzunehmen, wenn die Rücknahme des Bescheides rechtlich geschützte Interessen des von der Statusfeststellung Betroffenen berühren könnte (dazu BSG Urteil vom 29. März 2022, B 12 R 2/20 R, juris). Die Statusfeststellung nach § 7a SGB IV betrifft die rechtlich geschützten Interessen des Auftragnehmers/Arbeitnehmers bzw. des Auftraggebers/Arbeitgebers und hat damit Drittwirkung. Diese Entscheidung kann gegenüber den Beteiligten eines Statusverfahrens daher nur einheitlich ergehen. Im vorliegenden Fall gehen der Beigeladene zu 1. wie auch der Kläger übereinstimmend davon aus, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. keiner abhängigen Beschäftigung entsprach. Damit machen beide ein übereinstimmendes Interesse an der Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 7. Dezember 2010 in der Abänderung vom 18. Juli 2012 geltend. Vertrauensschutzerwägungen zu Gunsten des Beigeladenen zu 1. spielen daher keine Rolle.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dass der Kläger – entgegen seines Antrages – nur eine Aufhebung des angegriffenen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erreichten konnte, rechtfertigt es nicht, eine gesonderte Kostenquote zu bilden, da der Kläger zum ganz überwiegenden Teil im Rechtsstreit obsiegt hat (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Demgegenüber war die Beklagte nicht zur Tragung der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. nach § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO zu verurteilen. Denn der Beigeladene zu 1. hat keinen eigenständigen Antrag gestellt. Dies gilt auch für die anderen Beigeladenen.

Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da der Senat von der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ausgeht. Die Frage, inwieweit sich aus dem FahrlG entscheidungserhebliche Argumente für eine Statusentscheidung ableiten lassen, hat das BSG noch nicht abschließend entschieden. Hierbei handelt es sich weder um auslaufendes Recht noch um eine bloße Einzelfallproblematik, da sich das FahrlG in seinen ordnungsgesetzlichen Vorschriften nicht wesentlich geändert hat. Aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung ist daher eine Klärung durch das Revisionsgericht erforderlich.

Der Streitwert ergibt sich aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2, Gerichtskostengesetz (GKG). Hierbei ist der Senat vom Auffangstreitwert ausgegangen. Nach Mitteilung der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Erörterungstermin vom 25. August 2022 hat der Kläger die Forderung der Beigeladenen zu 3. in Höhe von 8.529,09 € bezahlt, so dass diese Forderungshöhe den Streitwert nicht mehr bestimmen kann.

Rechtskraft
Aus
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