1. Die Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die nach dem Tod des Leistungsberechtigten ausgezahlt worden sind, erfolgt gegenüber dem Erben nach § 50 Abs 2 SGB X.
2. Soweit in der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht wurden und der Empfänger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, hat das Jobcenter bei Erlass des Erstattungsverwaltungsakts kein Ermessen auszuüben.
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Juli 2022 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.468 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Verfahren darüber, ob der Beklagte und Berufungskläger (im weiteren Beklagter) vom Kläger und Berufungsbeklagten (im weiteren Kläger) als Alleinerbe die Erstattung von Leistungen verlangen kann, die nach dem Tod an einen Leistungsempfänger erbracht worden sind.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 6. Oktober 2015 des 1952 geborenen N. M. hatte der Beklagte mit Bescheid vom 8. Oktober 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum von November 2015 bis Oktober 2016 i.H.v. 729 €/Monat bewilligt. Mit dem Änderungsbescheid vom 29. November 2015 hatte der Beklagte ab Januar 2016 Leistungen i.H.v. 734 €/Monat bewilligt. Die Auszahlung war auf das Konto des Leistungsbeziehers erfolgt.
Am 5. April 2016 teilte der Kläger dem Beklagten telefonisch mit, dass sein Vater am 26. Februar 2016 verstorben sei. Er reichte am 6. April 2016 die Sterbeurkunde vom 4. März 2016 ein. Der Beklagte teilte ihm daraufhin mit, dass Leistungen bis 30. April 2016 gezahlt worden seien.
Mit Erstattungsbescheid vom 26. Mai 2016 machte der Beklagte eine Erstattung i.H.v. 1.468 € gegenüber dem Kläger geltend. Der Leistungsanspruch habe mit dem Ende des Monats, in dem der Leistungsbezieher verstorben sei, geendet. Zahlungen seien jedoch bis zum 30. April 2016 erfolgt. Die Überzahlung sei daher nach § 50 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) durch den Kläger zu erstatten, wenn dieser Erbe sei. Die Regelungen in § 45 und § 48 SGB X gälten entsprechend. Ein Vertrauensschutz bestehe für den Kläger nicht. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Überweisungen fehlerhaft gewesen seien.
Mit dem Widerspruch vom 17. Juni 2016 wandte sich der Kläger gegen den Erstattungsbescheid. Er sei Erbe seines verstorbenen Vaters geworden und habe bereits einen Erbschein beantragt. Er habe bisher keinen Zugriff auf die Kontounterlagen gehabt und könne daher nicht bestätigen, ob ein Betrag i.H.v. 1.468 € eingegangen sei. Mit weiterem Schreiben vom 17. August 2016 legte der Kläger den Erbschein vom 14. Juni 2016 vor. Er wies darauf hin, dass nach dem Tod des Erblassers noch Mieten und andere Verbindlichkeiten wie Telefon und Versicherungen vom Konto abgebucht worden seien. Von dem verbliebenen Geld seien die Beerdigungskosten gezahlt worden. Ein Nachlass sei daher nicht vorhanden und er berufe sich auf § 1990 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Für die Monate März und April 2016 seien nach dem Tod des Leistungsempfängers insgesamt 1.468 € auf dessen Konto überwiesen worden. Dieser Betrag gehöre nicht zum Nachlass und sei vom Erben nach § 50 Abs. 2 SGB X zu erstatten. Der Kläger als Erbe seines Vaters könne sich nicht auf Vertrauensschutz in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X berufen, da ihm die Fehlerhaftigkeit der Überweisungen bekannt gewesen sei.
Der Kläger hat am 5. Januar 2017 Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. Februar 2017 an das örtlich zuständige SG Magdeburg verwiesen.
Der Kläger hat darauf verwiesen, dass er von der Überweisung der Leistungen auf das Konto des Verstorbenen zunächst keine Kenntnis gehabt habe. Erst bei Sichtung der Kontounterlagen am 29. April 2016 habe er die Zahlungen festgestellt. Zwischenzeitlich seien jedoch die Mieten für März und April 2016 sowie weitere Kosten für Strom und Telefon vom Konto abgebucht worden. Mit dem verbliebenen Guthaben seien Beerdigungskosten bezahlt worden, so dass letztlich kein Nachlass vorhanden gewesen sei. Er sei letztlich nicht bereichert. Ihm könne auch kein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden. Vielmehr habe er sich selbst an den Beklagten gewandt und um Klärung gebeten. Darüber hinaus hätte der Beklagte Ermessen ausüben müssen, da er diesem gegenüber als Außenstehender und nicht als Leistungsempfänger anzusehen sei.
Der Beklagte hat darauf verwiesen, dass sich die Bewilligungsentscheidungen aufgrund des Todes des Vaters nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hätten, so dass die Rückforderung gegenüber dem Kläger nach § 50 Abs. 2 SGB X geltend gemacht worden sei. Die nach dem Tod gezahlten Beträge gehörten nicht zum Nachlass, so dass der Entreicherungseinwand nicht eingreife. Ermessenserwägungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgrund der Sonderregelungen in § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2, 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, Arbeitsförderung (SGB III) nicht anzustellen.
Mit Urteil vom 19. Juli 2022 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 26. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2016 aufgehoben und den Streitwert auf 1.468 € festgesetzt. Der Erstattungsbescheid sei rechtswidrig, da der Beklagte bei seiner Entscheidung kein Ermessen ausgeübt habe. Nach der Rechtsprechung des BSG sei dies aufgrund der Verweisung in § 50 Abs. 2 SGB X auf § 45 SGB X erforderlich. Dies gelte auch für den Fall, dass – wie hier – der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 11. August 2022 zugestellte Urteil am 9. September 2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat weiterhin darauf verwiesen, dass eine Ermessensentscheidung nicht habe getroffen werden müssen. Dies ergebe sich aus der Sonderregelung in § 40 SGB II i.V.m. § 330 SGB III.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Magdeburg vom 19. Juli 2022 (Az. S 33 AS 516/17) aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 26. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2016 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufrechterhaltung des Urteils des SG Magdeburg vom 19. Juli 2022 die Berufung zurückzuweisen.
Er hat auf das aus seiner Sicht zutreffende Urteil des SG verwiesen. Es sei eine Ermessensentscheidung erforderlich gewesen, da die Regelungen in § 330 SGB III für ihn als Außenstehenden im Verhältnis zum Beklagten nicht anzuwenden seien.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16. Januar 2023 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2023 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
1. a.
Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne eine mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
b.
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft, da der Beschwerdewert aufgrund des Erstattungsbetrags i.H.v. 1.468 € über 750 € liegt.
2.
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das erstinstanzliche Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ist zulässig, aber unbegründet gewesen. Der Erstattungsbescheid vom 26. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte fordert von ihm zu Recht Leistungen i.H.v. 1.468 € zurück.
a.
Als Rechtsgrundlage für den Erstattungsbescheid sind § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 50 Abs. 2, 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 SGB X heranzuziehen.
b.
Der Erstattungsbescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
aa.
Der angefochtene Bescheid ist nicht wegen fehlender Anhörung des Klägers (§ 24 SGB X) schon formell rechtswidrig. Denn diese wurde durch das Widerspruchsverfahren, in dem sich der Kläger zu allen relevanten Punkten äußern konnte, geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X, vgl. BSG Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 10/14 R, juris, Rn. 21).
bb.
Der Erstattungsbescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB X. Hierfür ist ausreichend, dass der zu erstattende Betrag beziffert wurde. Dies ist vorliegend der Fall. Der Beklagte hatte im Bescheid vom 26. Mai 2016 dargelegt, dass auf das Konto des Verstorbenen noch 1.468 € für den Zeitraum bis 30. April 2016 gezahlt worden seien. Dieser Betrag sei zu erstatten. Für den Kläger war damit ohne weiteres erkennbar, was der Beklagte zu regeln bezweckte, so dass er sein Verhalten danach ausrichten konnte (vgl. BSG Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 30/09 R, juris, Rn. 16).
cc.
Der Beklagte hatte auch die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten, der nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X entsprechend anwendbar ist. Er hatte am 5. April 2016 Kenntnis darüber erhalten, dass der Leistungsempfänger am 26. Februar 2016 verstorben und daher eine Überzahlung für März und April 2016 eingetreten war. Der Erstattungsbescheid war noch im Mai 2016 bekannt gegeben worden.
c.
Der Erstattungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 50 Abs. 2, 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 SGB X sind erfüllt.
aa.
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt für das Verfahren nach dem SGB II das SGB X. Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind Leistungen zu erstatten, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind. §§ 45 und 48 SGB X gelten entsprechend. Nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.
Dem Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 2 SGB X steht auch kein vorrangiger Rücküberweisungsanspruch gegen das kontoführende Kreditinstitut nach § 40 Abs. 5 Satz 2 SGB II i.V.m. § 118 Abs. 3 bis 4a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) entgegen. Diese Verweisung ist erst zum 1. August 2016 und damit nach der Zahlung in das SGB II eingefügt worden. Für die Zeit vor dem 1. August 2016 verblieb daher nur die Möglichkeit, den Erben nach § 50 Abs. 2 SGB X bei Erfüllung der dortigen Voraussetzungen in Anspruch zu nehmen.
Die Anwendung des § 50 Abs. 2 SGB X tritt auch nicht deshalb hinter einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurück, da der Erbe als außenstehender Dritter anzusehen wäre. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die öffentlich-rechtliche Zielrichtung der Zahlung entfallen wäre oder gar nicht bestanden hätte (BSG, Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 165/11 R, juris, Rn. 21 f.; auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Dezember 2008, L 13 AS 651/07, juris, Rn. 16). Eine solche Konstellation kann z.B. bei Zahlungen an den Vermieter vorliegen (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 21. Januar 2013, L 7 AS 381/12, juris, Rn. 36 ff.).
Dies ist jedoch vorliegend nicht gegeben. Der Beklagte hatte zur Erfüllung einer vermeintlich bestehenden Leistungsverpflichtung gegenüber dem Verstorbenen gezahlt. Der Grund für die Überzahlung war vorliegend die Fortwirkung des im Rahmen der ursprünglichen Leistungsbewilligung eingerichteten Dauerauftrags des Beklagten für dessen Konto. Es bestanden trotz der Beendigung des öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen dem Beklagten und dem ursprünglichen Leistungsberechtigten nachwirkende Rechte und Pflichten, in die der Kläger als Erbe und Gesamtrechtsnachfolger eingetreten ist (BSG, a.a.O., juris, Rn. 21 und 22). Die Rechtsprechung und Literatur gehen daher übereinstimmend davon aus, dass der Erbe für Zahlungen nach dem Tod des Leistungsberechtigten nach § 50 Abs. 2 SGB X haftet. Der Leistungsträger ist also nicht auf den (allgemeinen) öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu verweisen (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012, B 13 R 105/11 R, juris, Rn. 20; Löcken in Luik/Harich, 6. Aufl. 2024, SGB II, § 40, Rn. 120; Kallert in beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 1. August 2021, § 40, Rn. 150 ff.). Dies wird auch durch die gesetzliche Regelung in § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI bestätigt, wonach ein Anspruch gegen den Erben nach § 50 SGB X unberührt bleibe.
bb.
Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind erfüllt, weil der Beklagte ohne Rechtsgrund Leistungen auf das bisherige Konto des Verstorbenen über den Sterbemonat hinaus gezahlt hatte. Die ursprüngliche Leistungsbewilligung mit dem Bescheid vom 8. Oktober 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 29. November 2015 hatte sich nach § 39 Abs. 2 SGB X durch den Tod des Leistungsberechtigten auf sonstige Weise erledigt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18. März 1999, B 14 KG 6/97 R, juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 10. Juli 2012, B 13 R 105/11 R, juris, Rn. 20; Löcken in Luik/Harich, 6. Aufl. 2024, SGB II, § 40 Rn. 115). Dieser ist am 26. Februar 2016 verstorben, so dass jedenfalls für März und April 2016 eine rechtsgrundlose Zahlung vorlag.
cc.
Der Kläger ist auch Schuldner der Erstattungsforderung. Er ist ausweislich des vorgelegten Erbscheins vom 14. Juni 2016 Alleinerbe seines Vaters und damit in sämtliche Rechte und Pflichten nach § 1922 Abs. 1 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Dies beinhaltet auch die Rechtsnachfolge hinsichtlich der Inhaberschaft des Girokontos, auf das die Leistungen nach dem SGB II ausgezahlt worden sind. Insoweit hat das SG zutreffend festgestellt, dass die Zahlungen nicht Bestandteil des Nachlasses des Vaters des Klägers geworden sind. Vielmehr waren die Zahlungen an den Kläger selbst erfolgt. Der Einwand, dass der Nachlass für die Rückerstattung unzureichend sei (§ 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB), ist daher unerheblich.
dd.
Des Weiteren sind die Voraussetzungen des § 45 SGB X, der nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X entsprechend anwendbar ist, erfüllt. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. gemäß Satz 3 Nr. 3 nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstige die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird in den zuletzt wiedergegebenen Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.
Da im Rahmen des § 50 Abs. 2 SGB X kein Verwaltungsakt aufgehoben wird, bezieht sich die Prüfung des Vertrauensschutzes auf die faktische Leistungsgewährung, d.h. hier die Überweisungen für März und April 2016 nach dem Tod des Leistungsberechtigten.
Nach Auffassung des Senats kann sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Überzahlungen nach dem Tod des ursprünglichen Leistungsberechtigten waren anhand der Kontobewegungen für den Kläger klar erkennbar und sind von diesem nach Einsicht in die Kontounterlagen im April 2016 auch erkannt worden. Dem Kläger musste auch klar sein, dass eine Leistungsberechtigung für diese Zahlungen für März und April 2016 nicht mehr bestanden hatte. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den verstorbenen Vater konnten nicht mehr beansprucht werden. Dies zeigt auch der Umstand, dass der Kläger – wenn auch verspätet – den Todesfall beim Beklagten mitgeteilt hatte. Von einer Rechtmäßigkeit der Zahlungen an ihn selbst konnte der Kläger nicht ausgehen, da der Beklagte ersichtlich in Erfüllung der ursprünglichen und vermeintlich noch bestehenden Leistungsbewilligung an den Verstorbenen gezahlt hatte.
ee.
Der Kläger kann sich auch nicht auf Entreicherung berufen. Im Anwendungsbereich des § 50 Abs. 2 SGB X finden weder der öffentlich-rechtlich Erstattungsanspruch noch die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung nach §§°812 ff. BGB Anwendung (BSG, Urteil vom 18. März 1999, B 14 KG 6/97 R, juris, Rn. 14; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, 3. Ergänzungslieferung 2024, § 50 SGB X, Rn. 56).
Unabhängig davon war Kläger auch nicht entreichert. Denn er hatte die Befreiung von Verbindlichkeiten erlangt, die ihm gegenüber erst entstanden waren, nachdem er in die Vertragsverhältnisse des Verstorbenen eingetreten war (Mietforderungen, Telefonkosten, Versicherungsbeträge).
ff.
Schließlich ist entgegen der Auffassung des SG und des Klägers der Erstattungsbescheid nicht deshalb materiell rechtswidrig, weil der Beklagte kein Ermessen ausgeübt hatte.
Das BSG hat bereits in seiner Entscheidung vom 22. August 2012 (B 14 AS 165/11 R, juris, Rn. 28) ausgeführt, dass die Ermessensausübung durch die in § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II angeordnete ebenfalls entsprechende Geltung des § 330 Abs. 2 SGB III ausgeschlossen ist (vgl. auch LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. Oktober 2016, L 6 AS 97/14; LSG Sachsen, Urteil vom 7. Juni 2012, L 3 AL 208/09; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Dezember 2008, L 13 AS 651/07 und Urteil vom 12. Juni 2013, L 3 AL 1677/11, jeweils veröffentlicht in juris). Der Senat schließt sich dieser Auslegung ausdrücklich an. Die Regelung des § 330 Abs. 2 SGB III dient in einer Massenverwaltung der Verfahrensökonomie. Sie berücksichtigt zudem, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X die Ermessensausübung regelmäßig nicht zugunsten des Empfängers der Leistung ausfallen wird, da dann gerade kein Grund für das Behaltendürfen der Leistungen ersichtlich ist.
Entsprechendes gilt jedoch auch im Falle des § 50 Abs. 2 SGB X (BSG, Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 165/11 R, juris, Rn. 31). Es bestehen im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür, warum Empfänger von Leistungen ohne gesicherte Rechtsposition anders zu behandeln sein sollten als Empfänger von Leistungen aufgrund eines Verwaltungsakts.
Soweit der Kläger darauf verweist, dass die Rechtsprechung des BSG nicht zu einer Situation nach Eintreten eines Erbfalls ergangen sei, ist dies nicht zutreffend. Das BSG hat ausdrücklich ausgeführt: „Gründe für eine die in § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II aF angeordnete Geltung des § 330 Abs. 2 SGB III einschränkende Auslegung in den Fällen des § 50 Abs. 2 SGB X sind - wie dargelegt - nicht zu erkennen.“ (Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 165/11 R, juris, Rn. 33). Wie bereits dargelegt, ist der Kläger als Alleinerbe nicht als außenstehender Dritter anzusehen, sondern unterfällt dem Anwendungsbereich des § 50 Abs. 2 SGB X.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass selbst bei einem außenstehenden Dritten und der Eröffnung des Anwendungsbereichs des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs keine Ermessenserwägungen anzustellen wären. Insoweit ist nicht ersichtlich, woraus die Besserstellung des Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Leistungsberechtigten abgeleitet werden sollte.
gg.
Die Höhe der Erstattung ergibt sich aus der Überzahlung für die beiden streitigen Monate i.H.v. insgesamt 1.468 €.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Es handelt sich um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren, weil weder der Kläger noch der Beklagte zu den privilegierten Personen i.S.d. § 183 Satz 1 bis 3 SGG gehören. Insbesondere ist der Kläger nicht als Leistungsempfänger, sondern als Erbe seines ursprünglich leistungsberechtigten Vaters am Verfahren beteiligt. Damit trägt er die Gerichtskosten in beiden Rechtszügen und seine außergerichtlichen Kosten.
4.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage und unter Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
5.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG. Vorliegend ist ein Betrag i.H.v. 1.468 € zwischen den Beteiligten streitig, so dass der Streitwert in dieser Höhe festzusetzen war.