S 10 KR 1231/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Heilbronn (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 1231/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Von einer selbst künstlerisch tätigen Stahlbildhauerin angebotene Kurse können „Lehre von Kunst“ sein, wenn den Teilnehmern vorrangig Fähigkeiten und Fertigkeiten zur eigenständigen aktiven Ausübung künstlerischer Betätigungen vermittelt werden.

 

Gericht:

Sozialgericht Heilbronn

 

Datum:

20.11.2020

 

Aktenzeichen:

S 10 KR 1231/19

 

Entscheidungsart:

Urteil

 

 

 

 

 

 

Normenkette:

§ 1 KSVG, § 2 S 1 KSVG

 

Titelzeile:

Künstlersozialversicherung – künstlerische Tätigkeit – Lehre von Kunst

 

Leitsatz:

Von einer selbst künstlerisch tätigen Stahlbildhauerin angebotene Kurse können „Lehre von Kunst“ sein, wenn den Teilnehmern vorrangig Fähigkeiten und Fertigkeiten zur eigenständigen aktiven Ausübung künstlerischer Betätigungen vermittelt werden.

 

 

 

 

 

Tenor:

Der Bescheid vom 08.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2019 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, bei der Klägerin die Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz ab dem 09.05.2018 festzustellen.

 

Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand:

 

Streitig ist die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) für ihre Tätigkeit als Stahlbildhauerin und Anbieterin entsprechender Kurse.

 

Die am 08.08.1960 geborene Klägerin erlernte zunächst den Beruf der Krankenschwester. Nach dem Abschluss der allgemeinen Fachhochschulreife beendete sie 1996 erfolgreich ihr Studium zur Diplom-Sozialpädagogin. Sie arbeitete bis 2011 als Sozialpädagogin, ist seitdem hauptberuflich selbstständig tätig und bietet u.a. Kunstkurse an. Sie ist seit Juni 2013 bei der I. freiwillig gesetzlich krankenversichert.

 

Am 20.02.2012 beantragte die Klägerin erstmals bei der Beklagten die Feststellung nach dem KSVG. Im „Fragebogen zur Prüfung der Versicherungspflicht“ gab sie an, im Bereich bildende Kunst/Design als experimentelle Künstlerin/Objektemacherin sowie als Pädagogin/Ausbildende im Bereich bildende Kunst/Design selbstständig und erwerbsmäßig tätig zu sein. Sie biete Kunstkurse an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin vom 15.02.2012 sowie den beigefügten beruflichen Lebenslauf nebst der vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

 

Nach Vorlage weiterer Unterlagen, u.a. des Umsatz- und Rentabilitätsplanes für den Antrag zur Existenzgründung bei der Agentur für Arbeit C. (darin werden jährliche Einnahmen aus dem Betrieb einer Photovoltaik-Anlage in Höhe von 9.200 Euro ausgewiesen), lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 22.03.2012 ab. Dies begründete die Beklagte im Wesentlichen damit, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um eine (kunst-)handwerkliche handle. Diese gehöre nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur unter besonderen Voraussetzungen zum Bereich der Kunst. Auch wenn die hergestellten Produkte gestalterische Elemente mit eigenschöpferischem Charakter aufwiesen und als Unikate vermarktet würden, so genüge dies allein noch nicht für eine Anerkennung deren Herstellers als Künstler im Sinne des KSVG. Gestalterische Elemente seien nämlich bei zahlreichen Arbeiten unabdingbar, die unzweifelhaft dem Bereich des Handwerks zuzuordnen seien (Keramiker, Goldschmied, Tischler, Steinmetz u.v.m.). Gerade diese Individualität eines Produkts/einer Leistung zeichne das Handwerk aus und unterscheide es von der industriellen Produktion, ohne dass hierzu die Entfaltung einer über eine kunsthandwerkliche Gestaltung hinausgehende schöpferische Leistung notwendig sei. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen fertige die Klägerin Skulpturen, Objekte sowie Möbeleinzelstücke an und gebe Kreativkurse im Bereich kreatives Schweißen und Plasmaschneiden. Wer – wie die Klägerin – einen Beruf mit deutlicher handwerklicher Prägung ausübe, müsse, um als Künstler im Sinne des § 2 KSVG zu gelten, aufgrund der erstellten Werke oder erbrachten Leistungen in den einschlägigen fachkundigen Kreisen als Künstler anerkannt sein. Anhaltspunkte hierfür seien, so das BSG, die Erwähnung in Künstlerlexika, der Erhalt von Auszeichnungen als Künstler (z.B. ein Design-Preis), die Aufnahme in einen Berufsverband der Künstler oder Designer durch eine fachkundig besetzte Aufnahmejury sowie die Teilnahme an Kunstausstellungen. Unterlagen, die auf die Anerkennung in Fachkreisen schließen ließen, habe die Klägerin nicht vorgelegt. Die Teilnahme an Kunsthandwerksmärkten oder Ausstellungen im kunsthandwerklichen bzw. gewerblichen Umfeld sei kein Beleg für eine Künstlereigenschaft.

 

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2012 als unbegründet zurückwies. Nach den vorgelegten Nachweisen sei die Klägerin schwerpunktmäßig im Bereich der Kreativkurse tätig. Bei den angebotenen Kursen im Kreativschweißen handle es sich um kunsthandwerkliche Kurse. Die Tätigkeit eines Metallbildners sei in der Anlage B Abschnitt 1 der Handwerksordnung als zulassungsfreies Handwerk aufgeführt. Der Inhalt dieser Kurse sei daher kunsthandwerklich geprägt.

 

Am 09.05.2018 (Bl. 97 d. Verwaltungsakten) beantragte die Klägerin erneut bei der Beklagten die Feststellung nach dem KSVG. Im „Fragebogen zur Prüfung der Versicherungspflicht“ gab sie an, im Bereich bildende Kunst/Design als Bildhauerin sowie als „Kunstdozentin-Metall“ selbstständig und erwerbsmäßig tätig zu sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Fragebogen beigefügten Unterlagen Bezug genommen. Auf Aufforderung der Beklagten legte die Klägerin mit Schreiben vom 23.07.2018 weitere Unterlagen vor. Sie legte dar, dass sich ihre ausgeübten Tätigkeiten in etwa so prozentual aufteilen ließen: Bildhauerin und Teilnahme an Kunstausstellungen ca. 30 Prozent, Kunstdozentin gesamt ca. 70 Prozent, aufgeteilt auf Lehrtätigkeiten, die der aktiven Kunstausübung der Lehrenden dienen sowie Stahlkunstkurse.

 

Die Beklagte lehnte den Antrag nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen durch Bescheid vom 08.10.2018 mit im Wesentlichen inhaltsgleicher Begründung wie zuvor ab.

 

Hiergegen erhob die Klägerin am 07.11.2018 Widerspruch. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie als freischaffende, freiberufliche Künstlerin in großem Maße künstlerische Unikate aus Stahl fertige. Diese Kunstobjekte präsentiere sie sowohl in eigenen als auch externen Ausstellungen. Sie sei in regionalen Künstlergruppen und Künstlervereinen engagiert. Der Schwerpunkt ihrer Kurse sei die freie Gestaltungen von Plastiken aus Stahl. Es könne doch nur jemand Kunst unterreichten, der dazu qualifiziert sei, also selbst Künstler sei. Ihre Stahlbildhauerkurse schlüsselten sich wie folgt auf: Ca. 65 Prozent der künstlerischen Arbeit seien Stahlbildhauerkurse, die ausschließlich in ihren Atelierräumen stattfänden. Weitere 5 Prozent seien Kurse ausschließlich über die Volkshochschule.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2019 als unbegründet zurück. Erwerbsmäßig sei eine Tätigkeit, wenn sie als Beruf zum Zwecke der Erzielung von Arbeitseinkommen ausgeübt werde. Die Tätigkeit müsse darauf gerichtet sein, den Lebensunterhalt damit zu verdienen. § 1 KSVG fordere mithin die Ausübung einer bezahlten künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit. Diese Umsätze müssten darüber hinaus geeignet sein, einen nicht unwesentlichen Anteil am Bestreiten des Lebensunterhaltes beizutragen. Die Klägerin habe sich am 09.05.2018 als selbständige Stahlbildhauerin und Dozentin für Kreativschweiß- und Stahlbildhauerkurse zwecks Prüfung der Versicherungspflicht gemäß § 1 KSVG an die Beklagte gewandt. Gemäß § 2 KSVG sei Künstler im Sinne dieses Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schaffe, ausübe oder lehre. § 2 KSVG beziehe sich nur auf solche Lehrtätigkeiten, die der aktiven Kunst- bzw. Publizistikausübung der Auszubildenden dienten. Gegenstand der Lehrtätigkeit müsse die Vermittlung praktischer oder theoretischer Kenntnisse sein, die sich auf die Fähigkeiten oder Fertigkeiten der Auszubildenden bei der Ausübung von Kunst bzw. Publizistik auswirkten. Die Kurse Kreativschweiß- und Stahlbildhauerkurse böte die Klägerin in ihrer Atelierwerkstatt sowie an Volkshochschulen an. Es werde beispielhaft auf die Rechnungen an die Volkshochschulen Wallhausen, Unterland und Öhringen verwiesen. Die Teilnehmer erlernten das Stahlbildhauen und Plasmaschneiden von Objekten, Skulpturen, Stelen, Plastiken, Bildern Tieren, Möbeln und Lampen. Es werde der Umgang mit den entsprechenden Geräten (Schweißgerät, Plasmaschneider, Winkelschleifer oder Schlagschere) sowie die Verarbeitung des Materials Stahl gelehrt. Entsprechend ihrer Angaben vom 06.02.2019 erziele sie 70 Prozent ihres Arbeitseinkommens aus den Kreativkursen in der eigenen Werkstatt sowie an den Volkshochschulen. Bei den ausgeübten Kursen handele es sich jedoch um kunsthandwerkliche Kurse. So sei die Tätigkeit eines Metallbildners in der Anlage B des Abschnitts 1 der Handwerksordnung als zulassungsfreies Handwerk aufgeführt. Der Inhalt der Kurse sei daher kunsthandwerklich geprägt. Ihre Tätigkeit als Stahlbildhauerin sei als künstlerische Tätigkeit gemäß § 2 KSVG zu beurteilen. Da die Klägerin jedoch lediglich 30 Prozent ihres Arbeitseinkommens aus dem Verkauf ihrer Stahlobjekte erziele, sei keine Versicherungspflicht gemäß § 1 KSVG gegeben. Die Eigenschaft als versicherungspflichtige Künstlerin käme nur solchen Personen zu, bei denen die künstlerische Tätigkeit als Wesensmerkmal angesehen werden könne. Bei einem – wie hier – aus unterschiedlichen Tätigkeiten zusammengesetzten Berufsbild könne daher von einem künstlerischen Beruf nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente das Gesamtbild prägten, Kunst also den Schwerpunkt der Berufsausübung bilde. Es werde auf die Urteile des BSG vom 07.12.2006 (Az. B 3 KR 11/06 R, in juris) und vom 01.10.2009 (Az. B 3 KS 2/08 R und B 3 KS 3/08 R, beide in juris) verwiesen. Bei der Prüfung, ob schwerpunktmäßig eine künstlerische/publizistische Tätigkeit ausgeübt werde und mithin Versicherungspflicht nach dem KSVG bestehe, ist vorrangig auf die jeweilige Vergütung in den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen abzustellen. Bei dem hier zu bewertenden Tätigkeitsprofil überwiege der künstlerische Aspekt nicht. Der Widerspruch habe daher keinen Erfolg.

 

Dagegen hat die Klägerin am 21.03.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben. Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass sie die Entscheidung der Beklagten als willkürlich erachte. Bspw. kenne sie Künstlerkollegen, die der gleichen Tätigkeit wie sie nachgingen und Mitglied in der Künstlersozialkasse seien. Außerdem erhielte sie kein Engagement oder Mitgliedschaft als Künstlerin und renommierte Kunstdozentin an namhaften Kunstakademien, Kunstvereinen, Künstlergruppen, wenn sie nicht alle Qualitäten einer Künstlerin und Kunstdozentin aufweisen könnte. Sonst würde sie bspw. kaum die Firma W. zum Thema „Gemeinsam Kunst schaffen“ als Dozentin gewinnen wollen. Sie sei seit 30 Jahren selbständig als freiberufliche Künstlerin und Kunstdozentin in Stahlbildhauerei tätig und verdiene damit ihren kompletten Lebensunterhalt. Sie erhalte dabei keinerlei Unterstützung von öffentlicher oder privater Seite. Sie sei weder als Kunsthandwerkerin mit Serien noch als Designerin tätig. Ihre Kunstkurse würden von Kunstinteressierten, Künstlern und Galleristen besucht, die oft selbst Mitglied bei der Beklagten seien. Neben der Tätigkeit als Kunstdozentin habe sie im Jahr 2019 u.a. an folgenden Örtlichkeiten ihre Werke ausgestellt: Rathaus F., S. Kunsttage, Kreisparkasse C., Straßengalerie V., Boutique A. G. S. H., Kursergebnisse Fa. W. sowie B. in B. Trauungssaal. Ferner verweise sie auf ihre Internetseite, auf der alle ihre Tätigkeiten als Künstlerin und Kunstdozentin belegt seien. In den Kursen in ihren Atelierräumen würden keine kunsthandwerklichen Gebrauchsgegenstände hergestellt, sondern zum Kreieren von Objekten, Assemblagen, Plastiken, Bildern, Skulpturen sowie Stelen im schöpferischen Sinne angeleitet. Die Formensprache stehe im Vordergrund. Da Kunst auch immer mit Können und damit mit Erlernen von Techniken zu tun habe, stehe in ihren Kursen die künstlerische Begleitung und Formgebung im Vordergrund. Allerdings sei es unabänderlich in den sicheren Umgang mit gefährlichen Maschinen einzuweisen, aber auch auf die vielseitigen Möglichkeiten und die damit verbundenen Techniken. Diese Tatsache mache ihre Kurse jedoch nicht zu kunsthandwerklichen. Dies gelte lediglich für ihre Kurse „Kreatives Schweißen und Plasmaschneiden“. Diese stellten allerdings nur einen kleinen Teil ihrer Einkünfte dar, zu ca. 20 Prozent. Ihre Haupttätigkeit sei jedoch zu 80 Prozent Künstlerin und Kunstdozentin. Sie habe im Jahr 2019 ihre Teilnahme an Ausstellungen verdoppeln können. Sie sei aktives Mitglied als freischaffende Künstlerin und Kunstdozentin bei der Kunstakademie E., im B. Kreis, bei der Künstlergemeinschaft Straßengalerie unter freiem Himmel V., bei Art-H. sowie der freien Künstlergemeinschaft H./M. T. Sie sei wegen ihrer Photovoltaikanlage umsatzsteuerpflichtig.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Bescheid vom 08.10.2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14.03.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihr die Versicherungspflicht nach dem KSVG ab dem 09.05.2018 festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte trägt vor, dass die angefochtene Entscheidung rechtmäßig sei. Die Klägerin biete Kreativschweiß- und Stahlbildhauerkurse in ihrer Atelierwerkstatt sowie an Volkshochschulen an. Die Kursteilnehmer erlernten das Stahlbildhauern und Plasmaschneiden von Objekten, Skulpturen, Stelen, Plastiken, Bildern, Tieren, Möbeln und Lampen. Es werde der Umgang mit den entsprechenden Geräten (Schweißgerät, Plasmaschneider, Winkelschleifer oder Schlagschere) sowie die Verarbeitung des Materials Stahl gelehrt. Nach ihren eigenen Angaben vom 06.02.2019 erziele die Klägerin 70 Prozent ihres Arbeitseinkommens aus den Kreativkursen in der eigenen Werkstatt sowie an den Volkshochschulen. Bei den ausgeübten Kursen handle es sich nicht um künstlerische, sondern um kunsthandwerkliche Kurse. Die Tätigkeit eines Metallbildners sei in der Anlage B des Abschnitts 1 der Handwerksordnung als zulassungsfreies Handwerk aufgeführt. Der Inhalt der Kurse sei daher kunsthandwerklich geprägt und qualifiziert nicht für eine künstlerische Tätigkeit im Sinne von § 2 KSVG. Die Tätigkeit der Klägerin als Stahlbildhauerin sei als künstlerische Tätigkeit zu werten. Da sie jedoch lediglich 30 Prozent ihres Arbeitseinkommens aus dem Verkauf ihrer Stahlobjekte erziele, könne keine Versicherungspflicht nach § 1 KSVG festgestellt werden. Die Eigenschaft als versicherungspflichtige Künstlerin käme nur solchen Personen zu, bei denen die künstlerische Tätigkeit als Wesensmerkmal angesehen werden könne. Bei einem – wie hier – aus unterschiedlichen Tätigkeiten zusammengesetzten Berufsbild könne daher von einem künstlerischen Beruf nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente das Gesamtbild prägten, Kunst also den Schwerpunkt der Berufsausübung bilde. Bei der Prüfung, ob schwerpunktmäßig eine künstlerische Tätigkeit ausgeübt werde und mithin Versicherungspflicht nach dem KSVG bestehe, sei vorrangig auf die jeweilige Vergütung in den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen abzustellen. Bei dem hier zu bewertenden Tätigkeitsprofil überwiege der künstlerische Aspekt gerade nicht. Sie mache zwar im Klageverfahren geltend, dass sich die Zahl ihrer Ausstellungen 2019 verdoppelt habe. Nicht belegt habe sie allerdings, dass sich durch diese Aktivitäten auch die Verkäufe ihrer Objekte entsprechend erhöhten. Eine Versicherungspflicht nach dem KSVG komme vorliegend nicht in Betracht, weil die Klägerin ihre Einkünfte überwiegend aus ihrer kunsthandwerklichen Lehrtätigkeit erziele. Hinzu kämen ihre Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit des Betriebs der Photovoltaikanlage. Eine überwiegend künstlerische Tätigkeit sei daher nicht feststellbar.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zur Darstellung des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des SG und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klage ist als kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig und begründet.

 

Der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14.03.2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat bei der Klägerin die Versicherungspflicht nach dem KSVG ab dem 09.05.2018 festzustellen.

 

Gemäß § 1 KSVG werden selbständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie

1.        die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und

2.        im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch.

 

Die zweite Variante kann hier dahinstehen, denn die Klägerin beschäftigt keine Arbeitnehmer.

 

Als Künstler im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet § 2 Satz 1 KSVG denjenigen, der Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt.

 

Bei einem – wie hier – aus mehreren Arbeitsgebieten zusammengesetzten gemischten Berufsbild kann von einer künstlerischen Tätigkeit nur ausgegangen werden, wenn gerade die künstlerischen Tätigkeitselemente das Gesamtbild der Beschäftigung prägen, die Kunst also den Schwerpunkt der Berufsausübung bildet. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, für die Feststellung des Gesamtbildes der Tätigkeit vor allem die Einzelfelder der Tätigkeit heranzuziehen, mit denen die überwiegenden Einkünfte erzielt werden und dort den Schwerpunkt der Tätigkeit anzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2019 – B 3 KS 2/18 R –, juris Rn. 18 m.w.N.).

 

Der Tätigkeitschwerpunkt der Klägerin mit dem sie ihre überwiegenden Einkünfte erzielt, liegt auf den von ihr angebotenen Kursen. Davon ist auch die Beklagte überzeugt, die den Anteil in Höhe von 30 Prozent, den die Klägerin direkt durch ihre Tätigkeit als Stahlbildhauerin erzielt, selbst als künstlerische Tätigkeit bewertet.

 

Doch die von der Klägerin angebotenen Kurse stellen nach Auffassung der erkennenden Kammer „Lehre von Kunst“ im Sinne des § 2 Satz 1 KSVG dar.

 

Ein Unterricht stellt „Lehre von Kunst“ im Sinne des KSVG dar, wenn den Teilnehmern vorrangig Fähigkeiten und Fertigkeiten zur eigenständigen aktiven Ausübung künstlerischer Betätigungen vermittelt werden. Ein Unterricht mit künstlerischen Elementen gehört nicht zu den vom KSVG erfassten Lehrtätigkeiten, wenn er in erster Linie pädagogischen oder therapeutischen Zielen dient (BSG, Urteil vom 01.10.2009 – B 3 KS 3/08 R –, juris 1. LS). Gegenstand der Lehrtätigkeit muss daher vorrangig die Vermittlung praktischer oder theoretischer Kenntnisse sein, die den Fähigkeiten und Fertigkeiten der Unterrichteten zur Ausübung bzw. Schaffung von Kunst dienen. Steht bei dem angebotenen Unterricht die aktive Kunstausübung im Vordergrund, ist es auch unerheblich, wenn daneben pädagogisch-didaktische Zwecke verfolgt werden (BSG, Urteil vom 01.10.2009 – B 3 KS 3/08 R –, juris Rn. 22).

 

Die erkennende Kammer gelangt bei Würdigung der vorliegenden Aktenlage sowie insbesondere der ausführlichen Schilderung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 20.11.2020 zu dem Ergebnis, dass die seitens der Klägerin angebotenen Kurse den Teilnehmern schwerpunktmäßig Fähigkeiten oder Fertigkeiten vermitteln, die auf die eigenständige Ausübung der Betätigung als künstlerisch tätiger Stahlbildhauer gerichtet sind. Demnach suchen sich die Teilnehmer bei den Fünf-Tages-Kursen auf dem Schrottplatz selbst ihre Werkstoffe aus. Die Klägerin leitet sie dazu an, ihre Objekte individuell zu gestalten. Der Schwerpunkt liegt auf der Herstellung künstlerischer Objekte, Skulpturen, Plastiken und Assemblagen. Dass die Klägerin ihre Kursteilnehmer auch in den Gebrauch von Trennscheiben, Schneidbrennern und Schweißgeräten einweisen muss, liegt für die erkennende Kammer auf der Hand. Eine ungelernte Handhabung birgt erhebliches Verletzungspotential und würde die Klägerin einem nicht unerheblichen Haftungsrisiko aussetzen. Dies macht die Kurse der Klägerin jedoch nicht zu (kunst-)handwerklichen Kursen. Die Klägerin bildet nicht für die Handwerkskammer Metallbildner aus, sondern lehrt ihre Teilnehmer selbst künstlerisch und eigenschöpferisch mit dem Werkstoff Metall tätig zu werden. Der dem KSVG zugrundeliegende Kunstbegriff verlangt eine eigenschöpferische Leistung, ein relativ geringes Niveau der Leistung genügt. Entscheidend ist, ob dem Schaffen eine schöpferische Leistung zugrunde liegt, die über den Bereich des Handwerklichen hinaus geht (vgl. Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 15.02.2005 – L 11 KR 1315/04 –, juris Rn. 25). Die erkennende Kammer ist davon überzeugt, dass die Teilnehmer der Kurse eigenschöpferisch tätig werden. Ob jeder von ihnen dann das künstlerische Niveau der Klägerin erreicht, um möglicherweise selbst von seiner Kunst oder eben der Lehre dieser leben zu können, kann dahinstehen. Ebenso kann dahin stehen, ob die Klägerin neben dem Hauptzweck der Kurse auch pädagogisch-didaktische Zwecke mit ihrem Unterricht verfolgt.

 

Die Klägerin übt diese Lehre von Kunst nach Auffassung der erkennenden Kammer auch erwerbsmäßig aus. Das Merkmal der „erwerbsmäßigen“ Ausübung der Tätigkeit soll zum Ausdruck bringen, dass die künstlerische Tätigkeit zum Zwecke des Broterwerbs und nicht nur aus Liebhaberei ausgeübt werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 – B 3 KR 10/97 R –, juris Rn. 11). Zwar bezieht die Klägerin zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil auch Einnahmen aus dem Betrieb ihrer Photovoltaik-Anlage, jedoch bilden die Teilnehmergebühren der angebotenen Kurse weiterhin den Hauptteil ihrer Einkünfte und stufen ihre Lehrtätigkeit keinesfalls zur bloßen Liebhaberei herab.

 

Nach alledem war die Beklagt dazu zu verpflichten, bei der Klägerin die Versicherungspflicht nach dem KSVG festzustellen.

 

Nach § 8 Abs. 1 1. Alt. KSVG beginnt die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung mit dem Tag, an dem die Meldung des Versicherten nach § 11 Abs. 1 KSVG eingeht, hier dem 09.05.2018.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und folgt der Hauptsache.

Rechtskraft
Aus
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