S 37 AS 506/23

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Oldenburg (NSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Oldenburg (NSB)
Aktenzeichen
S 37 AS 506/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 
Leitsätze

1. Auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraums besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf höhere vorläufige Leistungen.
2. Eine Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Kosten der Unterkunft kann sich neben der ausdrücklichen Erklärung auch schlüssig aus dem Vortrag der Kläger ergeben.
3. Bei der Deckelung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach der Wohngeldtabelle sind die Werte aus der Anlage 1 des § 12 WoGG um die Klimakomponente nach § 12 Abs. 7 WoGG zu erhöhen. Die Klimakomponente ist nicht bereits im Sicherheitszuschlag von 10 % enthalten.

hat die 37. Kammer des Sozialgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2024 durch den Richter am Sozialgericht E. sowie die ehrenamtlichen Richterinnen F. und G. für Recht erkannt:

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 5. Juli 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2023 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Dezember 2023 verurteilt, der Klägerin für die Zeit von August 2023 bis Januar 2024 weitere Leistungen in Höhe von monatlich 36,32 € zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Bewilligung weiterer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hinsichtlich ihrer Kosten der Unterkunft.

Die Klägerin steht seit dem Jahr 2017 im Bezug von Leistungen nach dem SGB II bei Beklagten. Seit Beginn des Leistungsbezuges wohnt die Klägerin in H. in einer Wohnung mit einer Kaltmiete von 320 € und Nebenkosten in Höhe von 180 € im Monat. Die Heizkosten betrugen in der Zeit von August 2023 bis Januar 2024 monatlich 52 €. Mit der ersten vorläufigen Bewilligung mit Bescheid vom 22. Dezember 2017 wies der Beklagte zugleich darauf hin, dass die tatsächliche Nettokaltmiete in Höhe von 320 € die Angemessenheitsgrenze des Beklagten von 236 € für einen Einpersonenhaushalt überschreite und forderte die Klägerin zur Senkung ihrer Kosten bis zum 31. Juni 2018 auf. Seit Juli 2018 berücksichtigt die Beklagte bei der Leistungsberechnung hinsichtlich der Bruttokaltmiete monatliche Kosten in Höhe von 416 €. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus 236 € für die Kaltmiete und 180 € für Nebenkosten. Eine Abrechnung der Betriebskosten seitens des Vermieters gegenüber der Klägerin erfolgt nicht.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2023 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit von August 2023 bis Januar 2024 vorläufige Leistungen in Höhe von monatlich 519,55 €. Bei der Berechnung der Leistungen berücksichtigte der Beklagte eine Grundmiete in Höhe von 416 € sowie Heizkosten in Höhe 52 €. Zur Begründung führte der Beklagte hinsichtlich der Kosten der Unterkunft aus, dass die Obergrenze für angemessene Kosten der Unterkunft 363,50 € betrage. Bei der Berechnung der Unterkunftskosten legte der Beklagte das Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft 2022 Bericht vom 20.04.2022 (Konzept) zugrunde, wonach der Zuständigkeitsbereich der Beklagten in drei Vergleichsräume aufgeteilt wird. Für einen Einpersonenhaushalt im Vergleichsraum Mitte, zu dem die Stadt H. gehört, ergeben sich angemessene Kosten der Unterkunft in Höhe von 363,50 €. Die tatsächliche Brutto-Kaltmiete mit 500 € überschreite diese Grenze. Für die bisher anerkannte Brutto-Kaltmiete von 416 € gelte jedoch Bestandsschutz.

Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein. Zur Begründung wurde für die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, dass das bei der Berechnung der Leistungen zugrunde gelegte Konzept nicht schlüssig sei, so dass die angemessenen Kosten der Unterkunft anhand der Werte aus der Anlage 1 zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zu ermitteln seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2023 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Werte aus der Anlage 1 zu § 12 WoGG keine Anwendung finden, da der Beklagte über ein schlüssiges Konzept verfüge.

Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, am 4. Oktober 2023 Klage vor dem Sozialgericht Oldenburg erhoben. Zur Begründung wird für die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, dass die Reduzierung der Kosten der Unterkunft rechtswidrig sei, da diese nicht auf einem schlüssigen Konzept beruhe. Der Beklagte greife auf einen Mietspiegel des Landkreises I. zurück, der bereits seit vielen Jahren nicht mehr zur Anwendung kommen. Die von dem Beklagten vorgenommene Neuberechnung entspreche ebenfalls nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept, da hierin die Vergleichsräume willkürlich festgesetzt worden seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 5. Juli 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2023 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Dezember 2023 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Bewilligungsabschnitt August 2023 bis Januar 2024 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 36,32 € zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2023 hat der Beklagte den ab Januar 2024 zu berücksichtigenden Regelbedarf angepasst und die Leistungsberechnung im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der berücksichtigten Kosten der Unterkunft, unverändert belassen.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2024 hat das Gericht unter anderem die in dem Verfahren S 37 AS 1179/19 von dem Beklagten eingereichten Stellungnahmen des Konzepterstellers J. K. vom 20. Januar 2023, 6. April 2023 und 5. Mai 2023 beigezogen und zugleich Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme bzw. Nachbesserung des zugrunde gelegten Konzeptes gegeben.

Im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2024 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nachfolgende Beweisanträge gestellt.

1. Es wird beantragt, zu der Frage, ob die Herausnahme der Gemeinde L. aus dem Mittelbereiche H. und die dann erfolgte Zuordnung zu den Gemeinden M. und N. eine sachfremde Aufspaltung des Vergleichsraums H. darstellt, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

2. Es wird weiter beantragt, zu der Frage, ob die Gemeinde L. durch eine räumliche Nähe und Pendelverpflichtung mit der Metropole O. geprägt ist und aus diesem Grund einen Vergleichsraum im Sinne eines infrastrukturell verbundenen homogenen Lebens- und Wohnbereiches mit den Gemeinden M. und N. darstellen und aufgrund der Datensätze aus M. und N. ein ausreichend großer Raum besteht, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

3. Es wird beantragt, zu der Frage, ob die Beziehung der Gemeinde L. zur Gemeinde H. so gravierend sind, dass die Bezugspunkte der Gemeinde L. nicht auch einem anderen Mittelbereiche bzw. Teilmittelbereichen zugeordnet werden können, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

4. Zum Beweis der Tatsache, dass die erhobenen 99 Datensätze privater Vermieter geeignet sind, diese als Teilgruppe entsprechend ihres Anteils repräsentativ zu berücksichtigen, wird beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

5. Zum Beweis der Tatsache, dass die Fallzahlen, die hinsichtlich der privaten Vermieter für die einzelnen Tabellenfelder genutzt werden, unter Berücksichtigung mathematisch statistisch anerkannter Grundsätze ausreichend sind, um die Auswertung darauf zu stützen, wird beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

6. Zum Beweis der Tatsache, dass die mittels der Quantilsregression gewichteten Daten privater Vermieter eine ausreichende Aussagekraft besitzen und mittels der erhobenen Daten eine Quantitätsregression ermittelt werden durfte und die sich aus dieser ergebenden Mietobergrenze valide und repräsentativ sind, wird beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 5. Juli 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2023 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Dezember 2023, mit dem der Beklagte der Klägerin vorläufige Leistungen für die Zeit von August 2023 bis Januar 2024 bewilligt hat. Eine abschließende Entscheidung über die zunächst vorläufig bewilligten Leistungen ist bisher noch nicht ergangen. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem jeweiligen Begehren (Luik/Harich/Kemper, 6. Aufl. 2024, SGB II § 41a Rn. 34). Vorliegend begehrt die Klägerin ausweislich der Klageschrift die Bewilligung weiterer Leistungen im Hinblick auf die von dem Beklagten bei der Berechnung der Leistungen berücksichtigten Kosten der Unterkunft. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, da es sich bei der Bewilligung vorläufiger Leistungen nach § 41 a SGB II um eine gebundene Entscheidung handelt (BeckOGK/Kallert, 1.3.2022, SGB II § 41a Rn. 260).

Dabei ist der Gegenstand des Verfahrens auf höhere Leistungen im Hinblick auf die vom Beklagten bei der Berechnung der vorläufigen Leistungen berücksichtigten Kosten der Unterkunft begrenzt. Bei den Kosten für Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungssätze, sodass der Streitgegenstand insofern wirksam begrenzt werden kann (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14 AS 23/07 R, juris Rn. 12). Neben der ausdrücklichen Begrenzung des Streitgegenstandes, kann sich eine solche Begrenzung auch aus dem Vortrag der Kläger ergeben (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. August 2022 – L 15 AS 105/2, juris Rn. 19). Bei verständiger Würdigung der Klageschrift ergibt sich, dass sich das Begehren der Klägerin allein auf die Bewilligung weiterer Leistungen im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft bezieht. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der in der Klageschrift vom 4. Oktober 2023 enthaltene Antrag ausdrücklich auf die Verurteilung zu weiteren Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in gesetzlicher Höhe gerichtet ist und sich die in der Klageschrift enthaltene Begründung der Klage ausschließlich zu den von dem Beklagten berücksichtigten Kosten der Unterkunft verhält, so dass gegen den streitgegenständlichen Bescheid nur im Hinblick auf die berücksichtigen Kosten der Unterkunft beschränkt Klage erhoben worden ist.

Die die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf die Bewilligung weiterer vorläufiger Leistungen, ist zulässig.

Der Zulässigkeit der Klage steht vorliegend auch nicht entgegen, dass der Bewilligungszeitraum im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufen ist. Erlässt das Jobcenter einen vorläufigen Verwaltungsakt nach § 41a Abs. 1 SGB II, so kann die Leistungsbegehrende – solange der vorläufige Verwaltungsakt einerseits noch nicht unanfechtbar und andererseits noch nicht erledigt ist – hiergegen ebenso wie gegen einen endgültigen Verwaltungsakt mit Widerspruch vorgehen und nach dessen Erfolglosigkeit gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen (BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R, juris Rn. 20). Auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraums besteht grundsätzlich noch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf höhere vorläufige Leistungen. Der Antrag auf eine abschließende Entscheidung nach § 41a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB II stellt nicht ohne Weiteres einen das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lassenden „leichteren“ Weg für höhere Leistungen dar (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Juni 2020 – L 21 AS 476/20 B, juris Rn. 6). Dies gilt auch dann, wenn der Grund der Vorläufigkeit – insbesondere die ungeklärte Höhe des erzielten Einkommens – nach Ablauf des Bewilligungszeitraums weggefallen ist (a.A. Winkler SGB II/Apel, 3. Aufl. 2024, SGB II § 41a Rn. 94 m.w.N.). Entscheidend ist allein, ob die statthaften Klagen gegen die vorläufige Leistungsbewilligung ausnahmsweise deshalb unzulässig sind, weil die Klagen selbst im Falle ihres Erfolges für die Klägerin keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen können, die begehrte gerichtliche Entscheidung ihre Stellung also weder gegenwärtig noch zukünftig verbessern würde (BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R, juris Rn. 10). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Klägerin durch die Bewilligung weiterer vorläufiger Leistungen ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst. Auf ein hypothetisches künftiges Alternativverhalten der beklagten Behörde im Rahmen der endgültigen Leistungen kommt es unter Rechtsschutzgesichtspunkten nicht an. Die vorläufige Leistungsbewilligung ist eine Leistung sui generis und ein aliud gegenüber der endgültigen Leistung (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 139/10 R, juris Rn. 15). Ob eine gesonderte endgültige Leistungsfestsetzung ergeht oder der Vorläufigkeitsvorbehalt aufgrund der Fiktionswirkung nach § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II entfällt, steht auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraums nicht fest. Die Entscheidung über die endgültige Leistungsfestsetzung nach § 41a Abs. 3 SGB II obliegt der Behörde und nicht dem Gericht. Sie erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag der Leistungsempfängerin. Würde man die Leistungsempfängerin hingegen allein auf die Möglichkeit zur Beantragung einer endgültigen Leistungsfestsetzung nach § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II verweisen, bestünde für sie zugleich das Risiko einer geringeren Leistungsfestsetzung aufgrund des im Bewilligungszeitraum erzielten Einkommens, da sie ihren Antrag nach § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II, anders als im gerichtlichen Verfahren, nicht auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränken kann. Für das Gericht ist jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb die Klägerin in der Zeit der noch möglichen abschließenden Leistungsfestsetzung anders behandelt werden sollte, als während des Bewilligungszeitraums oder nach Erlass einer endgültigen Leistungsfestsetzung. In diesen Fällen ist die Leistungsempfängerin berechtigt, ohne das Risiko geringerer Leistungen aus der Berücksichtigung von erzieltem Einkommen, den Streitgegenstand auf die Kosten der Unterkunft und Heizung zu begrenzen. Eine solche unterschiedliche Behandlung lässt sich auch nicht mit dem Argument der Prozessökonomie rechtfertigen, weil die gerichtliche Entscheidung über die endgültige Leistungsfestsetzung zwar bewirken kann, einen möglichen weiteren Prozess zu verhindern, jedoch den Prüfungsumfang des Gerichts im bereits anhängiger Verfahren erheblich ausweiten würde und damit die Prozessführung nicht ökonomischer, sondern aufwändiger gestalten würde (a.A. Dietrich Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, 5. Ergänzungslieferung 2024, § 41a SGB 2, Rn. 606; Luik/Harich/Kemper, 6. Aufl. 2024, SGB II § 41a Rn. 35). So würde in den Fällen, in denen die Klägerin den Streitgegenstand – wie vorliegend – auf die Kosten der Unterkunft beschränkt hat, das Gericht allein diesen Teil der Leistungsberechnung überprüfen. Andernfalls müsste das Gericht jedoch sämtliche Aspekte der Leistungsberechnung überprüfen, was dazu führen würde, dass das eigens hierfür vorgesehen Verwaltungsverfahren auf das Gericht übertragen wird. Das Gericht würde dann nicht mehr die Verwaltung überprüfen, sondern vielmehr an deren Stelle die Ermittlungen vornehmen müssen. Für eine solche Übertragung der Entscheidungskompetenz von dem Leistungsträger auf das Gericht, findet sich im Gesetz hingegen keine Grundlage. Vielmehr schreibt § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II eindeutig und ausschließlich dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Kompetenz zur abschließenden Entscheidung zu, die auch konkludent erfolgen kann (noch zur Ermessensentscheidung nach § 328 Abs. 1 SGB III: BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R, juris Rn. 21). Solange eine solche abschließende Entscheidung – ggfs. im Wege der Fiktion – nicht ergangen ist, darf das Gericht ausschließlich über weitere vorläufige Leistungen entscheiden, da allein diese Gegenstand des Verfahrens sind.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 5. Juli 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2023 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Dezember 2023 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da die Klägerin im vorliegend streitigen Zeitraum von August 2023 bis Januar 2024 einen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 36,32 € hat.

Die Klägerin hat gemäß § 19 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit §§ 7, 9, 11 ff. SGB II Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Klägerin ist leistungsberechtigt im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, denn sie hat das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig, hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme der Kosten ihrer Unterkunft nach §§ 19 Abs. 1 Satz 3, 22 Abs. 1 SGB II in der hier nach dem Geltungszeitraumprinzip (BSG vom 19.10.2016 – B 14 AS 53/15 R, juris Rn. 15) anzuwendenden Fassung vom 16. Dezember 2022 bzw. ab dem 1. Januar 2024 in der aktuellen Fassung vom 22. Dezember 2023. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft entsprechen dabei der Bruttokaltmiete, welche sich aus dem Mietzins und den kalten Betriebskosten zusammensetzt (Eicher/Luik/Harich/Luik, 5. Aufl. 2021, SGB II § 22 Rn. 55). Diese belaufen sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf monatlich 500 €. Die Heizkosten wurden im gesamten streitigen Zeitraum in tatsächlicher Höhe von 52 € berücksichtigt.

Die Klägerin hat vorliegend keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft nach § 20 Abs. 1 Satz 7 SGB II. Danach sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die den angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Vorschrift begründet eine Obliegenheit zur Kostensenkung. Ergibt der Vergleich zwischen tatsächlichen Unterkunftskosten und der Referenzmiete, dass die Aufwendungen der konkret angemieteten Wohnung höher sind als die angemessene Referenzmiete, ist der Hilfeempfänger angehalten, Maßnahmen zur Kostensenkung einzuleiten (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, juris Rn. 30). Sind Kostensenkungsmaßnahmen nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, werden die tatsächlichen Aufwendungen zwar zunächst übernommen, nach dem Gesetzeswortlaut "in der Regel jedoch längstens für sechs Monate". Die Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft bleibt der durch sachliche Gründe begründungspflichtige Ausnahmefall und die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt auch bei Unmöglichkeit oder subjektiver Unzumutbarkeit bestehen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, juris Rn. 32). Kennt der Hilfebedürftige seine Obliegenheit zur Senkung der Kosten seiner Unterkunft und sind Kostensenkungsmaßnahmen sowohl subjektiv zumutbar als auch möglich, kann er die Erstattung seiner Aufwendungen ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Maßnahmen wirksam werden könnten, nur noch in Höhe der Referenzmiete, also der Aufwendungen für eine angemessene Wohnung verlangen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, juris Rn. 31). Ein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten nach § 22 Abs. 1 Satz 7 SGB II scheitert vorliegend bereits daran, dass der Beklagte mit Bescheid vom 22. Dezember 2017 ein wirksames Kostensenkungsverfahren durchgeführt hat. Hierin hat der Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Kosten der Unterkunft die von dem Beklagten für einen Einpersonenhaushalt als angemessen erachteten Unterkunftskosten von 236 € übersteigen und zur Kostensenkung bis zum 31. Juni 2018 aufgefordert.

Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten als Teil der angemessenen Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 32/09 R, juris Rn. 11). Dabei hat die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft in zwei größeren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln. Dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 19). Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie ("Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis") nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wiederum in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen: (1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 20).

Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, juris 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs. 1 bis 5 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz [WoFG]) in Verbindung mit § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs. 4 WoFG (als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs. 2 WoBindG a.F.) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Nach Abschnitt B 7.1 a) der Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen in der Fassung vom 1. September 2011 (Nds. MBl. Nr. 38/2011 S. 718) gilt bei Mietwohnungen für Alleinstehende eine Wohnfläche bis 50 m² als angemessen.

Für einen angemessenen Wohnungsstandard muss die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, Urteil vom 17.09.2020 – B 4 AS 11/20 R, juris Rn. 17). In Übereinstimmung hiermit definiert das Konzept 2018 den einfachen Standard anhand der Nettokaltmiete pro Quadratmeterpreis. Ein solches Vorgehen ist gerade bei häufigkeitsorientierten Konzepten, zu denen das hier zu beurteilende zählt, nicht zu beanstanden. Diese gehen von der schlüssigen Grundannahme aus, dass sich in der Nettokaltmiete alle Wohnwertmerkmale als mietpreisbestimmende Faktoren spiegeln, die einfache Wohnung wird als die billige Wohnung definiert (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. März 2021 – L 12 AS 1846/17, juris Rn. 43). Wohnungen ohne Bad oder Sammelheizung wurden im Rahmen der Datenerhebung ausgesondert (Seite 6 des Konzeptes), da sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in der Regel das unterste Marktsegment repräsentieren, welches für eine dauerhafte Anmietung nicht zumutbar ist (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 85/09 R, juris Rn. 23).

Dagegen ist die in dem vom Beklagten angewandten Konzept erfolgte Festlegung der Vergleichsräume für das Gericht nicht nachvollziehbar, da die Vergleichsräume in sich widersprüchlich gebildet wurden.

Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist, innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt. Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, juris Rn. 21). Nach der auch für schlüssige Konzepte im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II entsprechend anzuwendenden gesetzgeberischen Vorgabe in § 22b Abs. 1 Satz 4 SGB II bildet das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters zunächst einen Vergleichsraum, der indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen sein kann, für die jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmt werden können. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveau in Betracht (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 23). Dabei kann es verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges Konzept in diesem Sinne zu erstellen und den damit unmittelbar zusammenhängenden Vergleichsraum oder ggf. mehrere Vergleichsräume zu bilden, weil weder aus § 22 SGB II noch aus §§ 22a bis 22c SGB II die Anwendung eines bestimmten Verfahrens rechtlich zwingend ableitbar ist (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 25).

Die getroffene Festlegung der Vergleichsräume ist gerichtlich voll überprüfbar. Eine Rechtsgrundlage oder dogmatische Herleitung für die von dem Beklagten beanspruchte Einschätzungsprärogative besteht nicht (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 18). Bei dieser Kontrolle der Verwaltung ist deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung zu tragen, so dass die gerichtliche Kontrolle als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet ist. Zur Umsetzung der gerichtlichen Kontrolle ist zunächst Aufgabe des Gerichts, die Rechtmäßigkeit des vom Beklagten ermittelten abstrakten Angemessenheitswerts sowohl im Hinblick auf die Festlegung des Vergleichsraums als auch hinsichtlich der Erstellung eines schlüssigen Konzepts zu überprüfen. Ist die Ermittlung dieses abstrakten Angemessenheitswerts rechtlich zu beanstanden, ist dem Beklagten Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf. nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen. Gelingt es dem Jobcenter nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen, ist das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache nicht befugt, seinerseits eine eigene Vergleichsraumfestlegung vorzunehmen. Vielmehr kann das Gericht zur Herstellung der Spruchreife, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden ist, auf diesen zurückgreifen. Andernfalls sind mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmten Angemessenheitswerts die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem WoGG zuzüglich eines Zuschlages von 10 % (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 26 - 31).

Dabei bestehen für das Gericht zunächst keine Bedenken an dem Vorgehen des Beklagten zur Bildung der Vergleichsräume auf der Grundlage der Einteilung der vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) gebildeten Mittelbereiche. Die vom BBSR gebildeten Mittelbereiche sollen insoweit die Verflechtungsbereiche um ein Mittelzentrum oder einen mittelzentralen Verbund abbilden, in dem eine ausreichende Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des gehobenen Bedarfs erfolgen soll, so dass sich hieraus das zu erwartende Verhalten der Bevölkerung bei der Inanspruchnahme von Infrastrukturen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge sowie bei der beruflichen Mobilität ergibt. In ihrer Abgrenzung orientieren sich die Mittelbereiche an den Entfernungen, Lagebeziehungen, Verkehrsanbindungen und traditionellen Bindungen zwischen Gemeinden. Dabei geht die Abgrenzung der BBSR-Mittelbereiche zunächst von den landesplanerisch ausgewiesenen Mittelzentren und -bereichen aus und nimmt eine eindeutige Zuordnung einer Gemeinde zu einem Mittelbereich vor. Die räumliche Zuordnung der Gemeinden zu einem Versorgungsbereich erfolgt anhand der Pendlerverflechtung und Erreichbarkeit, gemessen als Fahrzeit im Pkw-Verkehr (https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/deutschland/regionen/bbsr-mittelbereiche/Mittelbereiche.html). Damit weisen die Kriterien des BBSR eine starke Ähnlichkeit zu den zuvor dargestellten Kriterien des Bundessozialgerichts auf, nach denen sich ein homogener Lebens- und Wohnbereich aufgrund der räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere der verkehrstechnischen Verbundenheit ergibt, und können als geeignete Grundlage zur Festlegung der Vergleichsräume herangezogen werden (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. März 2021 – L 12 AS 1846/17, juris Rn. 50; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. April 2021 – L 5 AS 526/16, juris Rn. 58; Forschungsbericht des Bundesministerium Arbeit, Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), Januar 2017, Seite 158).

Zugleich ist der Beklagte auch berechtigt, von den gewählten Raumabgrenzungen aus sachlichen Gründen abzuweichen. Dies ist vorliegend erforderlich, da die Mittelbereiche des BBSR nicht identisch mit dem Zuständigkeitsgebiet des Beklagten sind. So sind die Gemeinden M. und N. vom Mittelbereich O. umfasst und die Gemeinde Jade ist Teil des Mittelbereichs Varel, dessen restlichen Gemeinden im Landkreis Friesland liegen. Diese sachlichen Gründe müssen jedoch in der Gemeinde gegeben sein, die aus der zugrunde gelegten Raumabgrenzung herausgenommen werden soll. Nicht zulässig ist es hingegen, eine Gemeinde, die eigentlich einem anderen Vergleichsraum im Sinne eines homogenen Lebens- und Wohnbereichs zuzuordnen ist, herauszunehmen, um hierdurch einen weiteren Vergleichsraum mit Gemeinden zu bilden, die für sich nicht über eine hinreichende Größe im Sinne eines homogenen Lebens- und Wohnbereichs verfügen. Zur Vermeidung einer kleinteiligen Zersplitterung dürften Gemeinden, die nicht über eine ausreichende Größe verfügen, vielmehr den bestehenden Vergleichsräumen zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 5. August 2021 – B 4 AS 82/20 R, juris Rn. 28). In diesem Sinne hat der Beklagte in zulässiger Weise die Gemeinde Jade dem Mittelbereich H. zugeordnet.

Da die Gemeinden M. und N. nach dem Konzept keinen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung darstellen und deshalb nicht als eigenständiger Vergleichsraum angesehen werden können, hat der Beklagte die Gemeinde L. aus dem Mittelberiech H. herausgenommen und den Gemeinden M. und N. zugeordnet. Dabei waren die Umstände für die Herausnahme der Gemeinde L. aus dem Mittelbereich H. nicht in der Gemeinde selbst, sondern vielmehr in der Größe der Gemeinden M. und N. begründet (Seite 9 des Konzeptes). Mit der Neuzuordnung sollten so dem nicht ausreichend großen Raum der Wohnbebauung Mietwertdaten verschafft werden, um über eine ausreichende Größe zu verfügen. Da in der Gemeinde L. selbst kein sachlicher Grund für diese Neuzuordnung gegeben ist, stellt dies eine willkürliche Aufspaltung des als homogenen Lebens- und Wohnbereichs anzusehenden Mittelbereichs H. dar.

Entsprechende sachliche Gründe für eine Herausnahme der Gemeinde L. benennt weder das Konzept noch die Stellungnahme von P. vom 20. Januar 2023. Soweit auf Seite 9 des Konzeptes behauptet wird, dass die Gemeinde L. ebenfalls durch die räumliche Nähe und Pendelverflechtungen mit der Metropole O. geprägt ist, steht diese Einschätzung im Widerspruch zu den von dem Beklagten selbst zugrunde gelegten Raumabgrenzungen des BBSR. Diese basieren auf den räumlichen Verflechtungen und berücksichtigen das zu erwartende Verhalten der Bevölkerung bei der Inanspruchnahme von Infrastruktur und Einrichtung der Daseinsgrundversorgung sowie die berufliche Mobilität. Damit beinhalten die Mittelbereiche nach ihrer Definition genau die Räume, die aufgrund der räumlichen Nähe, Infrastruktur und insbesondere der verkehrstechnischen Verbundenheit insgesamt einen homogenen Lebens- und Wohnbereich abbilden. Gegen eine Zuordnung der Gemeinde L. zu den Gemeinden M. und N. spricht insbesondere auch der in der Stellungnahme vom 20. Januar 2023 angeführte Pendleratlas. Aus diesem ergibt sich, dass im Jahr 2020 mehr Personen nach H. als nach O. gependelt sind (https://www.deutschlandatlas.bund.de/DE/Karten/Wie-wir-uns-bewegen/100-Pendlerdistanzen-Pendlerverflechtungen.html). So sind zwischen L. und H. 500 bis unter 1.000 Personen und zwischen L. und O. nur 200 bis unter 500 Personen gependelt. Pendelverflechtungen zwischen L. und M. sowie zwischen L. und N. sind überhaupt nicht verzeichnet. Dagegen pendelten zwischen M. und O. 500 bis unter 1.000 Personen und zwischen N. und O. 1.000 bis unter 2.000. Anders als bei den Gemeinden M. und N. ergibt sich für die Gemeinde L. also gerade nicht, dass die unmittelbar an die Gemeinde H. angrenzende Gemeinde durch die räumliche Nähe oder durch Pendlerverflechtungen mit O. geprägt ist. Die Bildung der Vergleichsräume anhand der Mittelbereiche mit der Herausnahme der Gemeinde L. ist damit in sich widersprüchlich und für das Gericht nicht nachvollziehbar, da der Beklagte die Aufspaltung des Mittelbereichs Mitte mit den Kriterien begründet, die der Bildung dieses Mittelbereichs nach dem BBSR zugrunde liegen.

Das Gericht hat die Stellungnahme aus dem Verfahren S 37 AS 1179/19 mit Schreiben vom 15. Februar 2024 zu dem Verfahren beigezogen und Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben. Da der Beklagte von der Möglichkeit zur Nachbesserung keinen Gebrauch gemacht hat und ein qualifizierter Mietspiegel nicht vorliegt, ist aufgrund des Erkenntnisausfalls hinsichtlich der angemessenen Referenzmiete auf die Wohngeldtabelle zu dem WoGG der Anlage 1 des § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlags in Höhe von 10 Prozent im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze zurückzugreifen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 50/09 R, juris Rn. 27; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R, juirs Rn. 25 - 28). Dabei ist der Wohnort der Klägerin nach der Anlage zu § 1 Absatz 3 Wohngeldverordnung (WoGV) der Mietenstufe II zuzuordnen, so dass sich nach der Anlage 1 zu § 12 WoGG, welche sich vorliegend aus § 23 WoGV ergibt, für einen Einpersonenhaushalt ein Tabellenwert von 392 € ergibt.

Dieser Wert ist um die Klimakomponente nach § 12 WoGG um 19,20 € zu erhöhen. Die Klimakomponente ist nicht bereits im Sicherheitszuschlag von 10 % enthalten. Hintergrund des zu den Tabellenwerten der Wohngeldtabelle gewährten Sicherheitszuschlages ist, dass der mit der Gewährung von Wohngeld verfolgte Zweck ein anderer als derjenige der Leistungen nach dem SGB II ist (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, juris Rn. 18). Bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des WoGG handelt es sich nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Die in der Anlage 1 zu § 12 WoGG enthaltenen Werte erheben insoweit keinen Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen. Vielmehr handelt es sich bei dem Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum. Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R, juris 27-28).

Dagegen erfasst der Sicherheitszuschlag nicht zugleich auch die aufgrund der flächendeckenden Gebäudesanierung zu erwartenden Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt, die mit der Klimakomponente nach § 12 Abs. 7 WoGG aufgefangen werden sollen. Danach erhöhen die in der Tabelle enthaltenen Beträge als Klimakomponente die Höchstbeträge nach § 12 Abs. 1 WoGG. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll mit dem Zuschlag die im Zuge der energetischen Gebäudesanierung zu erwartende strukturelle Erhöhung der Wohnkosten ausgleichen werden (BT-Drs. 20/3936, Seite 63f.). Hintergrund ist dabei der bestehende Investitionsbedarf zur Modernisierung des Gebäudesektors zur Erreichung der im Klimaschutzgesetz kodifizierten Klimaziele. So belaufen sich die Kosten des Mietwohnungsbestandes nach der Gesetzesbegründung auf 800 Milliarden €. Aus diesen Investitionen seitens der Vermieter entsteht zugleich ein Mieterhöhungsspielraum, so dass zu erwarten ist, dass sich die Mieten strukturell erhöhen werden (BT-Drs. 20/3936/ Seite 65). Anders als die Fortschreibung der Wohngeldtabelle nach § 43 WoGG, der die vergangenheitsbezogenen Preisentwicklungen ausgleichen soll, richtet sich die Klimakomponente damit zukunftsgerichtet auf die zu erwartenden Preissteigerungen aufgrund der umfassenden energetischen Sanierung im Gebäudesektor (BT-Drs. 20/3936/ Seite 65). Die Berücksichtigung der Klimakomponente dient demnach dazu, die zu erwartenden Preissteigerung unmittelbar aufzufangen und nicht erst im Rahmen der nächsten Fortschreibung die eingetretenen Preissteigerungen für die Zukunft zu berücksichtigen. Das Gesetz ist darauf ausgerichtet, eine Verdrängung einkommensschwacher Haushalte bei der Konkurrenz um Wohnraum zu verhindern und damit Zugang zum Wohnungsmarkt sicherzustellen. Zu diesen einkommensschwachen Haushalten gehören auch Leistungsempfänger nach dem SGB II, die über kein oder nur geringes Einkommen verfügen. Von den zu erwartenden Preissteigerungen sind sie im gleichen Maße betroffen wie Wohngeldempfänger. Während der Sicherheitszuschlag die vergangenheitsbezogenen Werte der Wohngeldtabelle aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzung von WoGG und SGB II absichern soll, ist die Klimakomponente auf die zukünftige Preisentwicklung ausgerichtet und ist damit nicht bereits in dem Sicherheitszuschlag von 10 % enthalten.

Der vorliegend anzuwendende Wert nach dem WoGG von 411,20 € ist um einen Sicherheitszuschlag von 10 % zu erhöhen, so dass sich vorliegend eine Obergrenze von 452,32 € ergibt. Abzüglich der bereits bewilligten monatlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von 416 € ergibt sich für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ein weiterer monatlicher Bedarf in Höhe von 36,32 €.

Das Gericht war vorliegend nicht gehalten, weitere Ermittlungen zur Überprüfung des von dem Beklagten angewandten Konzeptes durchzuführen. Insbesondere war das Gericht nicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Anträge des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2024 verpflichtet. Bei den Anträgen handelt es sich um Beweisanregungen an das Gericht, da es sich bei den Fragen, ob die Herausnahme der Gemeinde Q. eine sachfremde Erwägung darstellt, ob die Gemeinde L. und die Gemeinden M. und N. einen infrastrukturell verbundenen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen und ob die Beziehung der Gemeinde L. zu der Gemeinde H. gravierend ist, nicht um Tatsachen, sondern vielmehr um Folgerungen aus der von dem Beklagten angewandten Grundlage zur Vergleichsraumbildung. Die Prüfung, ob die von dem Beklagten gebildeten Vergleichsräume den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspricht, konnte das Gericht aufgrund eigener Sachkunde selbst vornehmen, ohne dass es hierfür einer Begutachtung durch einen Sachverständigen von Amts wegen bedurfte. Nach § 103 Satz 1 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird jedoch begrenzt durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 103 Rn. 7). Insoweit muss das Gericht weder ein unschlüssiges Konzept mit Hilfe eines Sachverständigen schlüssig noch ein nicht nachvollziehbares Konzept durch eine sachverständige Begutachtung für das Gericht verständlich machen. Vielmehr ist die Erstellung eines schlüssigen Konzeptes Aufgabe des Leistungsträgers (Roos/Wahrendorf/Müller, 1. Aufl. 2014, SGG § 103 Rn. 42, beck-online). Ist ein Konzept nach Auffassung des Gerichts nicht schlüssig, so ist der jeweilige Leistungsträger verpflichtet, durch ergänzende Stellungnahmen oder ggfs. Nachbesserung das Konzept einer nachvollziehbaren Kontrolle zugänglich zu machen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 29).

Die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ebenfalls anzuerkennenden Kosten für Heizung hat der Beklagte im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum in tatsächlicher Höhe berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG

Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die zu treffende Entscheidung sich über den Einzelfall hinaus auswirkt (Breitenwirkung) und von der Antwort auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage abhängt (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 144 SGG (Stand: 21.11.2023), Rn. 35). Die Frage, ob die Klimakomponente nach § 12 Abs. 7 WoGG bei der Bemessung der Angemessenheitsgrenze nach dem WoGG zu berücksichtigen ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich auch nicht aus höchstrichterlichen Entscheidungen vergleichbarer Regelungen, die ausreichende Anhaltspunkte zu ihrer Beantwortung geben (BSG, Beschluss vom 21. Januar 1993 – 13 BJ 207/92, juris Rn. 7). Soweit ersichtlich, ist die Klimakomponente ausschließlich in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 17. Januar 2024 – L 32 AS 1179/23 B ER, juris Rn. 17; Beschluss vom 19. Juni 2023 – L 18 AS 512/23 B ER, juris Rn. 5) und dem Sozialgericht Landshut (Beschluss vom 16. Juli 2024 – S 7 AS 166/24, juris Rn. 31) berücksichtigt worden.

Rechtskraft
Aus
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