L 4 KR 799/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 2060/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 799/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 9. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 96,04 € festgesetzt.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung einer ambulanten Operation unter Berücksichtigung von Zuschlägen für einen Simultaneingriff.

Die Klägerin ist Trägerin des Kreiskrankenhauses E1 (im Folgenden Krankenhaus), das durch Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen ist. Des Weiteren besteht eine Zulassung für die Durchführung ambulanter Operationen im Krankenhaus nach § 115b Abs. 2 SGB V.

Der 1948 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte F1 (Versicherter) wurde auf Überweisung des behandelnden Orthopäden (Diagnose: Innenmeniskusläsion links) im Krankenhaus der Klägerin am 17. Dezember 2015 ambulant operiert.

Im Operations(OP)-Bericht vom 17. Dezember 2015 wurden als Diagnosen u.a. M94.26 (Chrondomalizie – Unterschenkel [Fibula, Tibia, Kniegelenk]) und M23.32 (Sonstige Meniskusschädigungen: Hinterhorn des Innenmeniskus) sowie als durchgeführte Maßnahmen 5-812.5 (Arthroskopische Operation am Gelenkknorpel und an den Menisken: Meniskusresektion, partiell) und 5-812.eh (Arthroskopische Knorpelglättung <Chondroplastik>, Kniegelenk) genannt. Zum Verlauf der Operation wurde aufgeführt:
„Einbringen des Arthroskopes über das anterolaterale Portal in den oberen Recessus. Auffüllen des Gelenkes mit Spülflüssigkeit und Spülen bis man Sicht erhält. Nach Anlegen eines anteromedialen Arbeitsportals erfolgt die Resektion der Plica infrapatellaris zur Verbesserung der Sichtkontrolle. Einbringen eines Tasthakens und diagnostischer Rundgang im Gelenk. Dabei ergeben sich folgende Befunde … Danach abwechselnd Einbringen eines Shavers und verschiedener Stanzen und Teilresektion des Innenmeniskushinterhorns und Außenmeniskushinterhorns. Mit dem Shaver Glättung der instabilen Knorpelanteile an der medialen Femurkondyle und retropatellar. Um einen besseren Arbeitswinkel zu erhalten, ist hierzu ein Portalwechsel notwendig.“
Im OP-Protokoll wurden als „Beginn/Ende chirurg. Maßn.“ 08:21 bis 09:22 Uhr, als „Schnitt-Naht“ 08:32 bis 09:13 Uhr sowie „Beginn Neben-Op. um 08:50“ angegeben.
Im Narkoseprotokoll wurden Beginn und Ende einer durchgehenden Narkosezeit von 90 Minuten vermerkt; auf Bl. 32 der Patientenakte wird Bezug genommen.

Die Klägerin stellte der Beklagten am 13. Januar 2016 unter Berücksichtigung der Gebührenordnungspositionen (GOP) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) 31142K (Endoskopischer Gelenkeingriff <Arthroskopie> der Kategorie E2, OP-Schlüssel: 5-812.5), 31822K (Anästhesie und/oder Narkose, OP-Schlüssel: 5-812.5), 31148 (Zuschlag zu den Gebührenpositionen 31141 bis 31147, OP-Schlüssel: 5-812.eh; 66,66 €) und 31828 (Zuschlag zu den Anästhesieleistungen nach den Gebührenordnungspositionen 31821 bis 31827, OP-Schlüssel: 5-812.eh; 29,38 €) einen Betrag in Höhe von 767,52 in Rechnung.

Die Beklagte beanstandete bei der Klägerin, dass die Abrechnung der Ziffern für den Simultaneingriff mit den angelieferten Daten nicht plausibel sei, und erstattete in der Folge nur den geminderten Betrag (664,75 €).

Mit Schreiben des K1 vom 11. April 2016 wandte die Klägerin ein, für die Abrechnung eines Simultaneingriffs i.S.d. EBM sei ein „gesonderter Zugangsweg“ erforderlich, für den aber ein Wechsel der Optik, des Instrumentierkanals oder des Einstellwinkels ausreiche. Dies entspreche der einschlägigen Kommentierung. Im Fall des Versicherten habe ein solcher Wechsel des Einstellwinkels stattgefunden. Auch seien Beginn und Dauer des Zweiteingriffs ausreichend dokumentiert.

Der mit der Prüfung der Abrechnung beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) bestätigte im Gutachten des M1 vom 8. August 2016 insbesondere die OP-Schlüssel 5-812.5 und 5-812.eh. Die Voraussetzungen für die Zuschläge zu der hierfür ausgewiesenen Gebührenposition seien mangels Simultaneingriffs hingegen nicht erfüllt. Die Anlage eines weiteren Portals, um Einzelbereiche des Kniegelenkes besser zu erreichen, stelle keinen gesonderten Zugang dar. Die Durchführung einer Arthroskopie am Kniegelenk sei nicht auf zwei Zugangswege beschränkt. Auch der Wechsel der Optik oder des Instrumentariums von einem Portal auf das andere begründe nicht die Annahme eines gesonderten Zugangsweges.

Mit Widerspruchschreiben des K1 machte die Klägerin geltend, für die Abrechenbarkeit eines Simultaneingriffs sei es nicht relevant, dass eine Arthroskopie nicht auf zwei Portale beschränkt sei. Maßgeblich sei, dass der Nebeneingriff, hier die Glättung der instabilen Knorpelanteile an der Femurkondyle und retropatellar, mittels eines gesonderten Zugangswegs erfolgt sei. Für die Beurteilung komme es nicht darauf an, wie viele Zugänge vorher im Rahmen des Haupteingriffs schon angelegt worden seien, wenn jedenfalls für den Simultaneingriff ein gesonderter Zugangsweg genutzt werde. Für diesen gesonderten Zugangsweg reiche es bei endoskopischen Höhleneingriffen auch aus, dass ein bereits gelegter Zugang genutzt werde, dabei jedoch ein Portalwechsel erfolge. Diese systematische Auslegung trage der Besonderheit eines minimalinvasiven Diagnose- und Therapieverfahrens Rechnung, bei dem ein Körperhohlraum durch eine Kamera (Endoskop) inspiziert werde.

In weiteren MDK-Gutachten vom 28. März 2017 und 29. Mai 2018 bestätigte G1 die Beurteilung des Vorgutachtens. Entgegen den Ausführungen der Klägerin sei wegen des Zweiteingriffs keine deutliche Erweiterung des primären Zugangs erforderlich gewesen, die für den Ersteingriff allein nicht erforderlich gewesen wäre. Es sei kein Eingriff an einem anderen Organsystem (Binnenstrukturen des linken Kniegelenkes) bzw. in einer anderen OP-Region (z.B. Gegenseite) erfolgt. Die von der Klägerin angeführte Notwendigkeit des Portalwechsels sei im OP-Bericht nicht dokumentiert. Es sei lediglich eine Gesamt-Schnitt-Naht-Zeit von 08:32 bis 09:13 Uhr dokumentiert. Eine Abgrenzung von Haupt- und Simultaneingriff sei nicht ersichtlich. Bei minimalinvasiven Eingriffen, die grundsätzlich mehrere Portale benötigten, stelle die Gesamtheit der Inzisionen für die zur Durchführung des operativen Eingriffs notwendigen Portale den „operativen Zugangsweg“ dar, da diese die Gelenkseröffnung über einen großen Zugang ersetzten. Des Weiteren fehle es vorliegend an einer differenziert dokumentierten Abgrenzung der für den Haupt- und Simultaneingriff erforderlichen OP-Zeiten über das Anästhesieprotokoll oder den OP-Bericht, aus der die geforderte Überschreitung der tatsächlichen Schnitt-Naht-Zeit des Haupteingriffs nachvollzogen werden könne.

Am 9. Juli 2018 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) mit dem Begehren, die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 96,94 € zzgl. Zinsen zu verurteilen. Zur Begründung hat sie über ihr vorgerichtliches Vorbringen hinaus ausgeführt, die in Ziffern 2 und 3 der Präambel des EBM geregelten Voraussetzungen eines Simultaneingriffs seien erfüllt. Eine gesonderte Diagnose, wegen der ein Zweiteingriff an einem anderen Tag durchgeführt werden könnte, sei mit M94.26 gegenüber M23.32 gegeben. Der gesonderte operative Zugangsweg ergebe sich aus dem Portalwechsel, der nicht im Rahmen des Haupteingriffs, sondern des Simultaneingriffs erforderlich geworden sei, was im OP-Bericht dokumentiert sei. Der durchgeführte Simultaneingriff habe ausweislich des OP-Berichts und des OP-Protokolls („Neben-OP“) mehr als 15 Minuten gedauert. Der erste Eingriff habe von 08:32 bis 08:50 Uhr gedauert, der Simultaneingriff ab diesem Zeitpunkt bis um 09:13 Uhr. Ob der Portalwechsel bei arthroskopischen Operationen einen gesonderten Zugangsweg darstelle, sei eine rechtliche Frage. Das Sachverständigengutachten (dazu unten) überzeuge auch medizinisch nicht. Hierzu legte sie die Stellungnahme des K1 vom 8. September 2020 vor; auf Bl. 81/84 der SG-Akte wird insoweit Bezug genommen.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die bisherigen MDK-Gutachten entgegen. Des Weiteren müssten in der Gesamtbetrachtung beide Behandlungsschritte als ein zusammenhängender ambulanter Eingriff und damit als ein abrechnungsfähiger Behandlungsschritt angesehen werden. Dies ergebe sich schon aus dem engen zeitlichen Zusammenhang der beiden Behandlungsschritte. Ergänzend legte sie die MDK-Gutachten der G1 und des W1 vom 30. November 2021 (Bl. 100/115 der SG-Akte), vom 23. Februar 2022 (Bl. 122/136 der SG-Akte) und vom 18. August 2022 (Bl. 142/149 der SG-Akte) vor, die das Ergebnis der bisherigen MDK-Gutachten bestätigten. Ergänzend wurde in diesen ausgeführt, die degenerative Chondropathie (M94.26) sei nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 27. November 2015 (Änderung der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung: Arthroskopie des Kniegelenks bei Gonarthrose) von der Behandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zunächst ausgeschlossen. Ob die Voraussetzungen der in diesem Beschluss geregelten Ausnahme im Behandlungsfall vorgelegen hätten, sei nach der vorliegenden Dokumentation nicht durchgängig nachvollziehbar. Die Zeitangabe im OP-Protokoll sei für die Abgrenzbarkeit des Haupt- und des weiteren Eingriffs allein nicht hinreichend geeignet, da der OP-Bericht für ein paralleles Vorgehen spreche und der Portalwechsel vom Operateur davon zeitlich losgelöst dargestellt werde.

Das SG bestellte den H1 zum gerichtlichen Sachverständigen. Dieser kam in seinem Gutachten vom 26. Juni 2020 zu dem Ergebnis, dass ein Simultaneingriff nicht vorgelegen habe. Die Merkmale einer zusätzlichen, vom Haupteingriff unterschiedlichen Diagnose sowie eines gesonderten operativen Zugangswegs seien nicht erfüllt. Die verschlüsselten Diagnosen beträfen einzelne Gelenkanteile des operierten Kniegelenkes. Vorliegend habe es weder eine Unterbrechung der Operation noch eine Neupositionierung noch weitergehende Maßnahmen gegeben, die eine Abgrenzung der Behandlungsmaßnahmen zwischen der Arthroskopie und der anschließenden Knorpelglättung als unterschiedliche Maßnahmen begründeten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 19. September 2021 hielt der Sachverständige in Auseinandersetzung mit den Einwänden der Klägerin an seiner Einschätzung fest; auf Bl. 90/93 der SG-Akte wird insoweit Bezug genommen.

Mit Urteil vom 9. Januar 2023 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Abrechnung eines Simultaneingriffs seien nicht erfüllt. Zwar sei mit der Diagnose M94.26 (Chrondomalizie - Unterschenkel [Fibula, Tibia, Kniegelenk]) eine vom Haupteingriff unterschiedliche Diagnose (M23.32) gegeben gewesen. Es fehle allerdings an der weiteren Vorrausetzung eines gesonderten operativen Zugangsweges. Bei der gebotenen wortlautorientierenden Auslegung der Abrechnungsvorschriften sei der Zugangsweg seinem Wortsinn nach der Weg, der als Zugang zu einem Ort bzw. einer Stelle diene. Bei der minimalinvasiven Chirurgie stelle die Gesamtheit der Portale an Stelle des großen Hautschnittes beim offen chirurgischen Vorgehen einen operativen Zugangsweg dar. Bei ausschließlichem Wechsel des Instrumentierkanals unter Nutzung der bereits vorhandenen Portale liege auch keine vergleichbare Situation vor wie bei einer im offenen chirurgischen Verfahren deutlichen Erweiterung des primären Zugangs, die nur wegen des Zweiteingriffs erforderlich werde. Die Abrechenbarkeit der Zuschlagspositionen bei minimalinvasiven Eingriffen sei bei einer solchen Auslegung auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern bei Anlage eines weiteren Portals möglich. Offenbleiben könne, ob über das OP- bzw. Narkoseprotokoll eine Überschreitung der Schnitt-Naht-Zeit dokumentiert sei.

Gegen dieses ihr am 13. Februar 2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. März 2023 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Zu deren Begründung hat sie über ihr bisheriges Vorbringen hinaus ausgeführt, der Portalwechsel sei nicht im Rahmen des Haupteingriffs erfolgt, sondern sei im Rahmen der arthroskopischen Knieglättung erforderlich gewesen. Dies sei auch nachvollziehbar im OP-Bericht dokumentiert. Die rechtliche Auffassung des SG zum gesonderten Zugangsweg sei nicht richtig. Sie würde bedeuten, dass bei arthroskopischen Höhleneingriffen Simultaneingriffe per se ausgeschlossen wären. Denn gleich wie viele Portale angelegt würden, sie würden immer einen Zugangsweg bilden. Die Differenzierung des SG nach „komplexen Pathologien“ sei kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal. Die GOP 31148 („Zuschlag zu den Gebührenordnungspositionen 31141 bis 31146 bei Simultaneingriffen sowie zu der Gebührenordnungsposition 31147“) verweise ausdrücklich auf die endoskopischen Gelenkeingriffe, so dass es auch zulässige Abrechnungskonstellationen geben müsse. Andernfalls liefe die Regelung ins Leere. Das von der Beklagten angeführte Beispiel einer arthroskopischen Operation am linken und rechten Knie in einem operativen Setting überzeuge nicht. Auch die Kostenträgerseite teile ihre, der Klägerin, Rechtsauffassung, so etwa die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein. Durch die im OP-Protokoll festgehaltenen Zeiten, einschließlich des vermerkten Beginns der Neben-OP seien die jeweiligen Schnitt-Naht-Zeiten hinreichend dokumentiert. Ein Widerspruch zwischen OP-Bericht und OP-Protokoll liege entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Bereits das SG habe festgestellt, dass unstreitig eine vom Haupteingriff unterschiedliche Diagnose vorgelegen habe. Die nun geäußerten Zweifel der Beklagten seien nicht begründet worden und ohnehin falsch.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 9. Januar 2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 96,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 14. Januar 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend. Zwar sei bereits zweifelhaft, ob überhaupt vom Vorliegen einer gesonderten Diagnose ausgegangen werden könne. Das SG habe aber zutreffend ausgeführt, dass der Anspruch insbesondere deshalb scheitere, weil kein gesonderter operativer Zugangsweg gegeben sei. Entgegen der Zweifel der Klägerin bedeute die Auslegung des SG nicht, dass bei arthroskopischen Höhleneingriffen Simultaneingriffe per se ausgeschlossen seien. Bei den betroffenen Gelenken handle es sich um paarige Gelenke. Der EBM bilde in der GOP 31148 einfach nur die mögliche Paralleloperation ab, d.h. beispielsweise einen Simultaneingriff am rechten und linken Knie und entfalte bei einseitigen arthroskopischen Operationen deshalb kaum Relevanz. Obwohl vom SG offengelassen, sei auch die Überschreitung der Schnitt-Naht-Zeit des Haupteingriffs nicht durch das OP- und/oder Narkoseprotokoll nachgewiesen. Im konkreten Fall seien die einzelnen Eingriffe mit ihren jeweiligen Teilschritten nicht voneinander abgrenzbar.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Patientenakte der Klägerin, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig. Die Berufung ist aufgrund der Zulassung im angefochtenen Urteil des SG insbesondere statthaft; an die Zulassung ist der Senat gebunden (§§ 143, 144 Abs. 3 SGG).

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Zahlung einer Restvergütung für die ambulant in deren Klinik am 17. Dezember 2015 durchgeführte Operation des Versicherten in Höhe von 96,04 € für Zuschläge wegen eines Simultaneingriffs nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 14. Januar 2016. Soweit die Beklagte die Rechnung der Klägerin um weitere Beträge gekürzt hatte, hat die Klägerin dies schon im Verwaltungsverfahren akzeptiert und insoweit bereits keine Klage erhoben. Entsprechend verweist die Klägerin im Verfahren auch auf ihren „Teilwiderspruch“.

3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 96,04 € zuzüglich Zinsen aufgrund ambulanter Krankenhausbehandlung.

a) Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2023 – B 1 KR 1/23 R – juris, Rn. 12 m.w.N.; Urteil vom 29. Juni 2023 – B 1 KR 20/22 R – juris, Rn. 15 m.w.N.; Urteil vom 17. Dezember 2019 – B 1 KR 19/19 R – juris, Rn. 8 m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 13. November 2013 – B 3 KR 33/12 R – juris, Rn. 9). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Dies gilt auch für den geltend gemachten Zinsanspruch. Insofern reicht die Bezugnahme auf den Basiszinssatz aus (vgl. Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 253 Rn. 132 m.w.N.).

b) Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von weiteren 96,04 € für die ambulante Krankenhausbehandlung des Versicherten am 17. Dezember 2015.

aa) Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs für die ambulante Operation ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V (in der ab dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, BGBl. I, S. 378) i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG; in der ab dem 25. März 2009 geltenden Fassung des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes vom 17. März 2009, BGBl. I, S. 534), § 115b Abs. 2 Satz 4 SGB V (in der ab dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 2011, BGBl I, S. 2983) und § 7 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages nach § 115b Abs. 1 SGB V - Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus (AOP-Vertrag; in der ab dem 1. Juni 2012 geltenden Fassung).

Nach § 109 Abs. 4 Satz 1 SGB V wird das Krankenhaus mit einem Versorgungsvertrag nach § 109 Abs. 1 SGB V für die Dauer des Vertrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Krankenhausbehandlung wird u.a. ambulant (§ 115b SGB V) erbracht (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung zu führen (§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Die ambulante Durchführung von Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe wird für die gesetzlich versicherten Patienten nach § 115b SGB V vergütet (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KHEntgG). Gemäß § 115b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB V vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe und einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte. Die Leistungen werden unmittelbar von den Krankenkassen vergütet (§ 115b Abs. 2 Satz 4 SGB V). Die im Katalog nach § 3 AOP-Vertrag aufgeführten ambulant durchführbaren Operationen und stationsersetzenden Eingriffe und die nach den §§ 4, 5 und 6 AOP-Vertrag erbrachten Leistungen des Krankenhauses und der Vertragsärzte werden auf der Grundlage des EBM, seiner Abrechnungsbestimmungen und gegebenenfalls des Bewertungsmaßstabs für kassenärztliche Leistungen und der Ersatzkassen-Gebührenordnung nach einem festen Punktwert außerhalb der budgetierten und pauschalierten Gesamtvergütungen vergütet (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 AOP-Vertrag).

Der Vergütungsanspruch umfasst die Leistungen, zu denen das sie erbringende Krankenhaus zugelassen ist, die dem Leistungskatalog des § 115b SGB V unterfallen, die das Krankenhaus sachlich und rechnerisch richtig abrechnet sowie die es wirtschaftlich und qualitätsgerecht erbracht hat (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 23/15 R – juris, Rn. 12 m.w.N.).

bb) Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind erfüllt. Die Beklagte ist – wie sie auch nicht bestreitet – verpflichtet, die ambulante Krankenhausbehandlung ihres Versicherten in der nach §§ § 108 Nr. 2, 115b Abs. 2 SGB V zugelassenen Klinik der Klägerin am 17. Dezember 2015 zu vergüten. Beim Versicherten lagen bei Aufnahme zur stationären Behandlung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung vor. Am 17. Dezember 2015 war der Versicherte wegen Meniskusschädigungen und Chrondomalizie des linken Kniegelenks mit Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen behandlungsbedürftig. Dies entnimmt der Senat der Patientenakte der Klägerin, insbesondere dem OP-Bericht, und dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit. Unabhängig von den auf die MDK-Gutachten gestützten Zweifeln der Beklagten an der Zulässigkeit der operativen Therapie gerade der Chrondomalizie hat diese die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung selbst nicht in Abrede gestellt.

cc) Die Voraussetzungen für die Zuschlags-GOP 31148 und 31828 sind hingegen nicht erfüllt.

(1) Die durchgeführte partielle Meniskusresektion und die arthroskopische Knorpelglättung waren 2015 jeweils in Abschnitt 1 Anlage 1 zum AOP-Vertrag (ambulant durchführbare Operationen und sonstige stationsersetzende Eingriffe gemäß § 115b SGB V aus Anhang 2 zu Kapitel 31 des EBM) unter 5-812.5 OPS (Arthroskopische Operation am Gelenkknorpel und an den Menisken: Meniskusresektion partiell) bzw. 5-812.eh (Arthroskopische Operation am Gelenkknorpel und den Menisken: Knorpelglättung [Chondroplastik]: Kniegelenk) als Maßnahme der Kategorie 2 gelistet und zählen damit zu den (auch) ambulant durchführbaren Operationen nach § 3 AOP-Vertrag. Die Leistungen erfolgten vorliegend ambulant.

(2) Die Zuordnung der Eingriffe entsprechend des OPS zu den Gebührenordnungspositionen ist im Anhang 2 EBM aufgelistet. Es gelten zusätzlich die in der Präambel zu Anhang 2 sowie zu den einzelnen Unterabschnitten aufgelisteten Rahmenbedingungen (EBM Kapitel 31.2 ambulante Operationen, 31.2.1 Präambel Nr. 7).

Anhang 2 trifft in 2.1 Präambel u.a. folgende Regelungen:
Die nachfolgende tabellarische Aufstellung umfasst die nach OPS codierten operativen Eingriffe der Abschnitte 31.2 und 36.2, die zugeordnete OP-Leistung, die OP-Kategorie, die in diesem Zusammenhang berechnungsfähigen Überwachungskomplexe, die postoperativen Behandlungskomplexe bei Durchführung auf Überweisung und bei Durchführung durch den Operateur sowie die zugeordneten Narkoseleistungen. Die Zuordnungen der OPS-Codes zu den OP-Kategorien gelten für ambulante und belegärztliche Operationen gleichermaßen. Die den OPS-Codes zugeordneten OP-Leistungen, Überwachungskomplexe sowie die Narkosen sind in der Tabelle jeweils gesondert für die Kapitel 31 und 36 ausgewiesen. Nach belegärztlichen Eingriffen sind keine Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 31.4 berechnungsfähig, daher ist dort keine Zuordnung erfolgt.
Erfolgen mehrere operative Prozeduren unter einer Diagnose und/oder über einen gemeinsamen operativen Zugangsweg, so kann nur der am höchsten bewertete Eingriff berechnet werden.
Abweichend von 2. kann bei Simultaneingriffen (zusätzliche, vom Haupteingriff unterschiedliche Diagnose und gesonderter operativer Zugangsweg) die durch das OP- und/oder das Narkoseprotokoll nachgewiesene Überschreitung der Schnitt-Naht-Zeit des Haupteingriffes durch die zusätzliche Berechnung der entsprechenden Zuschlagspositionen berechnet werden. Die berechnungsfähige Höchstzeit bei Simultaneingriffen entspricht der Summe der Zeiten der Einzeleingriffe. Als Berechnungsgrundlagen für Simultaneingriffe gelten folgende Zeiten:
Kategorie 1: 15 Minuten,
Kategorie 2: 30 Minuten,
Kategorie 3: ...

Erfolgen unterschiedliche operative Eingriffe gleichzeitig durch zwei Operateure einer Berufsausübungsgemeinschaft bzw. eines medizinischen Versorgungszentrums, so ist der Haupteingriff entsprechend der höchst bewerteten Kategorie abzurechnen. Der parallel dazu stattfindende Simultaneingriff durch den zweiten Operateur kann entsprechend dem OP- bzw. Narkose-Protokoll mit den entsprechenden Zuschlägen für Simultaneingriffe berechnet werden. Die Narkose kann in diesem Fall nur entsprechend des Haupteingriffs berechnet werden.

Maßgeblich für die Berechnung der Zuschlagspositionen für Simultaneingriffe nach Nr. 3 ist nicht die Überschreitung der kalkulatorischen Schnitt-Naht-Zeit der Kategorie des Haupteingriffes, sondern die Überschreitung der tatsächlichen Schnitt-Naht-Zeit des jeweiligen Haupteingriffes.

Die beiden geltend gemachten Zuschlags-GOP 31148 und 31828 beinhalten jeweils einen Zuschlag zu den Gebührenordnungspositionen 31141 bis 31146, bzw. 31821 bis 31826 bei Simultaneingriffen. Obligater Leistungsinhalt ist jeweils:
Schnitt-Naht-Zeit je weitere vollendete 15 Minuten,
Nachweis der Schnitt-Naht-Zeit über das Anästhesieprotokoll oder den OP-Bericht,
je weitere vollendete 15 Minuten Schnitt-Naht-Zeit.

Voraussetzungen für die geltend gemachten Zuschlags-GOP sind mithin ein Simultaneingriff i.S.d. 2.1 Präambel Nr. 3 sowie die durch das OP- und/oder das Narkoseprotokoll bzw. den OP-Bericht nachgewiesene Überschreitung der Schnitt-Naht-Zeit des Haupteingriffes. Der Simultaneingriff setzt seinerseits eine zusätzliche, vom Haupteingriff verschiedene Diagnose und einen gesonderten operativen Zugangsweg voraus.

(3) Haupteingriff im Sinne dieser Regelungen war vorliegend die arthroskopische partielle Meniskusresektion (OPS 5-812.5). Unabhängig von der Frage, ob 2.1 Präambel Nr. 13 insoweit eine allgemeine Vorgabe zur Bestimmung des Haupteingriffs (auch bei Durchführung durch nur einen Operateur) enthält, kann die Bestimmung des Haupteingriffs vorliegend nicht nach der dortigen Vorgabe erfolgen. Denn sowohl der OPS 5-812.5 als auch der OPS 5-812.eh für den Zweiteingriff (Arthroskopische Knorpelglättung <Chondroplastik>, Kniegelenk) führen nach dem EBM Anhang 2 beide in die GOP 31142 und sind damit gleich bewertet. Eine nach 2.1 Präambel Nr. 13 vorausgesetzte Höherbewertung eines Eingriffs liegt mithin nicht vor. Da der degenerative Abriss des Innenmeniskushinterhorns die die Operation auslösende Indikation darstellte und damit ursächlich die Beschwerden verursachte, ist dieser als medizinische Hauptdiagnose und die diesbezügliche Intervention (OPS 5-812.5) als medizinische Hauptleistung zu bewerten. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht auch nicht streitig.

(4) Die Voraussetzungen eines Simultaneingriffs waren vorliegend nicht vollständig erfüllt. Jedenfalls ist für den Zweiteingriff ein gesonderter operativer Zugangsweg nicht dokumentiert.

(a) Für die durchgeführte arthroskopische Operation erfolgten zwei Inzisionen, um die notwendigen Portale anzulegen: Über das anterolaterale Portal wurde zunächst das Arthroskop in den oberen Recessus eingebracht. Danach wurde das anteromediale Arbeitsportal angelegt. Weitere Portale wurden nicht angelegt. Dies entnimmt der Senat dem OP-Bericht. Mittels dieser beiden Portale erfolgten sowohl der Haupt- als auch der Zweiteingriff, also die Meniskusteilresektion und die Knorpelglättung (Chondroplastik). Auch die Klägerin macht gerade nicht geltend, für den Zweiteingriff seien zusätzliche Portale erforderlich geworden.

(b) Der Senat kann offenlassen, ob die Ansicht der Klägerin zutrifft, ein gesonderter operativer Zugangsweg liege bei endoskopischen „Höhleneingriffen“ schon dann vor, wenn wegen des Zweiteingriffs ein Wechsel der Optik, des Instrumentierkanals oder des Einstellwinkels erfolge.

Die Klägerin führt insoweit an, dass ein Portalwechsel notwendig geworden sei, um einen besseren Arbeitswinkel zu erhalten (insbesondere Schreiben des K1 vom 11. April und 21. September 2016 sowie 8. September 2020). Der vorliegenden Dokumentation ist jedoch nicht zu entnehmen, dass dieser Portalwechsel (allein) wegen des Zweiteingriffs erfolgte und nicht (auch) für den Haupteingriff. Im OP-Bericht wird nicht ausdrücklich festgehalten, dass der Haupteingriff vor dem Portalwechsel bereits abgeschlossen war. Vielmehr wurde nur ausgeführt: „Um einen besseren Arbeitswinkel zu erhalten, ist hierzu ein Portalwechsel notwendig.“. Eine Beschränkung auf den Zweiteingriff ergibt sich hieraus nicht. Selbst wenn man das „hierzu“ nicht auf den besseren Arbeitswinkel (ohne konkreten Bezug zu einem oder beiden Eingriffen), sondern auf die zuvor beschriebenen Maßnahmen bezieht, ergibt sich keine ausschließliche Zuordnung zum Zweiteingriff: „Danach [nach Befundfeststellung] abwechselnd Einbringen eines Shavers und verschiedener Stanzen und Teilresektion des Innenmeniskushinterhorns und Außenmeniskushinterhorns. Mit dem Shaver Glättung der instabilen Knorpelanteile an der medialen Femurkondyle und retropatellar.“ So hatten auch die G1 und W1 in ihren Gutachten vom 23. Februar und 18. August 2022, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerten konnte (vgl. etwa BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R – juris, Rn. 19; BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51; zur Heranziehbarkeit als gerichtliche Entscheidungsgrundlage: BSG, Urteil vom 12. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 13), zutreffend dargelegt, dass die Ausführungen im OP-Bericht ein paralleles Vorgehen in Bezug auf Teilresektionen des Innen- und Außenmeniskushinterhorns sowie darüber hinaus auch Glättung der instabilen Knorpelanteile an der medialen Femurkondyle und retropatellar (vgl. auch „abwechselnd“) beschreiben. Es erfolgt keine eindeutige zeitliche Abgrenzung jedes dieser Teiloperationsschritte. Insbesondere zum Portalwechsel fehlen konkretisierende Angaben, wann dieser zu welchem konkreten Teiloperationsschritt erfolgte. Allein aufgrund der Lage der bei der Chondroplastik geglätteten Knorpelfläche kann nicht entnommen werden, dass der Portalwechsel allein wegen des Zweiteingriffs erfolgt. Denn diese liegt zwischen den beiden im Rahmen des Haupteingriffs behandelten Menisken und war von Beginn der Operation an im Blickfeld des Operateurs, was der Senat der Darstellung des Sachverständige H1 sowie der Befunddarstellung im OP-Bericht vor Portalwechsel entnimmt.

(5) Selbst, wenn man davon ausginge, dass der Portalwechsel allein zur Durchführung des Zweiteingriffs erfolgte, sind die Voraussetzungen der Zuschlags-GOP nicht erfüllt. Denn es fehlt jedenfalls an der durch das OP- und/oder das Narkoseprotokoll bzw. den OP-Bericht nachgewiesenen Überschreitung der Schnitt-Naht-Zeit des Haupteingriffes.

In OP-Bericht und OP-Protokoll sind nicht für beide Eingriffe sowohl der jeweilige Beginn als auch das Ende angegeben. Der OP-Bericht enthält keine konkreten Zeitangaben. Das OP-Protokoll dokumentiert „Beginn/Ende chirurg. Maßn.“ mit 08:21 bis 09:22 Uhr. Dies betrifft die Operation insgesamt, also Haupt- und Zweiteingriff gemeinsam. Auch die Schnitt-Naht-Zeit wird mit 08:32 bis 09:13 Uhr nur insgesamt angegeben. Das Ende des Haupteingriffs ist nicht ausdrücklich festgehalten, so dass nicht festgestellt werden kann, wann dieser vor dem angegebenen Ende der chirurgischen Maßnahmen um 09:22 Uhr tatsächlich vollständig abgeschlossen war. Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus der im OP-Protokoll dokumentierten Angabe „Beginn Neben-Op. um 08:50“. Denn dies beinhaltet weder explizit noch automatisch oder zwingend einen vorherigen Abschluss des Haupteingriffs. Dem OP-Protokoll ist solches nicht zu entnehmen. Aus dem OP-Bericht kann dies ebenso wenig gefolgert werden. Denn dessen Inhalt spricht, wie oben unter (4) ausführlich dargestellt, gerade für ein paralleles Vorgehen, also einem mehrfachen Wechsel zwischen Haupt- und Zweiteingriff (vgl. „abwechselnd“). Im Narkoseprotokoll wurden lediglich Beginn und Ende einer durchgehenden Narkosezeit von 90 Minuten vermerkt. Somit kann anhand der relevanten Dokumentation (Narkose- oder OP-Protokoll bzw. -bericht) das Ende des Haupteingriffs, die für diesen erforderliche Schnitt-Naht-Zeit und damit deren Überschreitung nicht festgestellt werden. 

dd) In Ermangelung eines Hauptanspruchs geht auch der geltend gemachte Antrag auf Verzinsung ins Leere.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist der Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen, da eine individuelle Tatfrage zu beurteilen war.

6. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.  



 

Rechtskraft
Aus
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