L 9 BA 1572/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 21 BA 2761/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 BA 1572/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, welcher seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 Euro festgesetzt.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Arzt für die Klägerin während seiner Einsätze in der Zeit seit 10.07.2019 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung unterliegt.

Die Klägerin ist Leistungserbringerin im Bereich der Suchthilfe und der Kinder- und Jugendhilfe. Sie betreibt u.a. ambulante Suchtberatungsstellen sowie tagesklinische und stationäre Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe in Baden-Württemberg. Der 1946 geborene Beigeladene ist Neurologe, Psychiater und Dipl.-Psychologe und war bis 2016 in eigener Praxis tätig. Seither bezieht er eine Altersrente aus dem Versorgungswerk der Ärzte sowie Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und arbeitet an zwei Vormittagen die Woche als angestellter Arzt für seinen Praxisnachfolger. Weiter ist er als Gutachter für verschiedene Auftraggeber tätig.

Am 17.06.2019 schlossen die Klägerin, vertreten durch den damaligen Geschäftsführer, und der Beigeladene nach vorherigen Gesprächen zwischen den beiden, einen „Vertrag über freie Mitarbeit“ bzw. „Vertrag über eine Honorartätigkeit in freier Mitarbeit“ mit folgendem Inhalt (vollständig):

„§ 1 Tätigkeit
(1). S1 wird ab 01.07.2019 in den Fachstellen Sucht B1 und R1 als Arzt auf Honorarbasis tätig.
(2) Er führt seine Tätigkeit in eigener Verantwortung aus. Er unterliegt bei der Durchführung der Tätigkeit keinen Weisungen Auftraggebers. Gegenüber Arbeitnehmern des Auftraggebers hat der freie Mitarbeiter keine Weisungsbefugnis.
§ 2 Umfang der Tätigkeit
(1) Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die beauftragte Tätigkeit einen Zeitaufwand von monatlich max. 12 Stunden erfordert.
(2) Der freie Mitarbeiter unterliegt in der Ausgestaltung seiner Arbeitszeit keinen Einschränkungen oder Weisungen seitens des Auftraggebers.
§ 3 Verschwiegenheit
Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, über die im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt gewordenen betrieblichen lnterna des Auftraggebers Stillschweigen gegenüberitten zu bewahren, soweit er nicht durch gesetzliche oder behördliche Vorschriften zur Offenbarung verpflichtet ist. Insbesondere die gesetzliche Schweigepflicht zu beachten.
§ 4 Vergütung
Der freie Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein Stundenhonorar i.H.v. 100,00 Euro pro Stunde. Er rechnet seine Tätigkeit gegenüber dem Auftraggeber monatlich ab.

§ 5 Beendigung des Vertrages
Beide Parteien haben das Recht, den Vertrag durch eine ordentliche Kündigung gemäß der gesetzlichen Kündigungsfrist, § 621 BGB, zu beenden. Eine Kündigungserklärung bedarf der Schriftform.
§ 6 Sonstige Vereinbarungen
(1) Von der Möglichkeit des Abschlusses eines Arbeitsvertrages ist in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht worden. Eine Umgehung gesetzlicher, insbesondere arbeitsrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften ist nicht beabsichtigt. Dem freien Mitarbeiter soll vielmehr die volle Entscheidungsfreiheit über die Verwendung seiner Arbeitskraft belassen werden.
(2) Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
(3) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird die Gültigkeit des Vertrages im Übrigen nicht berührt. Die Parteien werden eine unwirksame Bestimmung durch eine dem erstrebten Zweck möglichst nahekommende Vereinbarung ersetzen. Dasselbe gilt, falls sich eine unbeabsichtigte Regelungslücke zeigen sollte.“


Am 10.07.2019 war der Beigeladene erstmals und ist seither ein- oder mehrfach monatlich, in der Regel mittwochs nachmittags, für die Klägerin in deren Suchtberatungsstellen R1 und B1 tätig. Die Tätigkeit des Beigeladenen beinhaltet die Untersuchung von Personen, die eine ambulante Rehabilitation bei der Klägerin beginnen möchten, in körperlicher, neurologischer und psychiatrischer Hinsicht darauf, ob sie hierfür geeignet bzw. dazu in der Lage sind (Eingangsuntersuchungen), ferner die Untersuchung von Personen, deren ambulante Rehabilitationsmaßnahme bei der Klägerin endet, im Hinblick auf den Behandlungsfortschritt der Rehabilitanden sowie mögliche Weichenstellungen für die Zukunft (Abschlussuntersuchungen). Eine Therapie, Behandlung oder Verordnung von Medikamenten gegenüber Rehabilitanden durch den Beigeladenen erfolgt nicht. Er führt auch keine Sprechstunde durch, begleitet und betreut die Rehabilitanden nicht während der Rehabilitation und zeichnet nicht als Arzt für die Durchführung der Rehabilitation verantwortlich. Selten führt der Beigeladene mit Mitarbeitern der Klägerin eine Supervision durch, wenn aus dem Team der Suchtberatung eine Einschätzung zu einem Patienten benötigt wird. Die Eingangs- und Abschlussuntersuchungen führt der Kläger ausschließlich in den Räumlichkeiten der Beratungsstellen Sucht der Klägerin in B1 oder R1 durch. Dort befinden sich auch alle Patientenakten. Der Beigeladene sichtet vor den Untersuchungen die den jeweiligen Rehabilitanden betreffende Patientenakte in den Räumlichkeiten der Klägerin für einige Minuten. In den Räumen der Klägerin benutzt der Beigeladene für seine Untersuchungen einen dortigen Untersuchungsraum mit Stuhl, Tisch und Untersuchungsliege, während er Kleingeräte wie Stethoskop und Reflexhammer selbst mitbringt. Der Beigeladene dokumentiert die Untersuchungen und seine Einschätzung jeweils unter Verwendung eines in den Räumen der Klägerin vorhandenen PCs in einem Formblatt oder einem von der Klägerin zur Verfügung gestellten Formular der jeweiligen Kostenträger der Rehabilitationsmaßnahme. Seine Angaben in den Formblättern werden von Mitarbeitern der Klägerin in das von den Kostenträgern vorgegebene Formular für Rehabilitationsabschlussberichte eingetragen. Nach Fertigstellung der Rehabilitationsabschlussberichte durch Eintragungen u.a. der Therapeuten und des verantwortlichen Arztes zum Verlauf der Maßnahme werden die Berichte dem Beigeladenen häufig zur Mitzeichnung neben den Therapeuten, der Einrichtungsleitung und dem verantwortlichen Arzt bei seinem nächsten Erscheinen in den Räumen der Klägerin vorgelegt bzw. im Einzelfall auch per E-Mail mit der Bitte um Rücksendung nach Ausdruck und Unterschrift übersandt. Seinen Zeitaufwand rechnet der Beigeladene monatlich mit der Klägerin ab, wobei er nur die vor Ort aufgebrachte Zeit, nicht auch Fahrzeiten in Rechnung stellt. Nach Absprache führt der Beigeladene seine Tätigkeit für die Klägerin mittwochs nachmittags durch, ein- oder mehrmals monatlich, eine oder mehrere Stunden. Er gibt mehrere Wochen im Voraus der Klägerin bekannt, an welchen Tagen er grundsätzlich Zeit hat und fragt in der Regel spätestens eine Woche vorher bei der Klägerin an, ob und ggf. wie viele Patienten für den folgenden Mittwoch einbestellt sind und ob eine Supervision ansteht. Wenn für einen Mittwoch keine Untersuchungen von der Klägerin anberaumt sind und keine Supervision ansteht, wird der Beigeladene an diesem Mittwoch nicht tätig, wenn nur wenige Patienten zur Eingangs-/Abschlussuntersuchung an einem Einsatztag anstehen, finden an diesem Tag weniger Termine statt, wenn mehr Patienten anstehen, dann mehr Termine, wobei ein Termin mit vorheriger Sichtung der Patientenakte und Eingabe des Ergebnisses in den PC je Patient laut Absprache mit der Klägerin in der Regel circa eine Stunde dauert. Wenn der Beigeladene an einem Einsatztag verhindert ist, werden die für diesen Tag vereinbarten Termine verlegt oder ein anderer Arzt nimmt die Termine wahr. Die Verlegung und/oder Vertretung wird von der Klägerin organisiert. Wenn ein Patient zum vereinbarten Termin zur Untersuchung nicht erscheint, erhält der Beigeladene seine Wartezeit von der Klägerin vergütet. Die Kontaktaufnahme zu den Patienten erfolgt ausschließlich durch die Klägerin.

Am 13.08.2019 (Eingang bei der Beklagten) stellten die Klägerin und der Beigeladene bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen. Nach vorheriger Anhörung teilte die Beklagte der Klägerin und dem Beigeladenen mit Bescheid jeweils vom 02.12.2019 mit, dass in dem Auftragsverhältnis des Beigeladenen als Arzt bei der Klägerin seit dem 10.07.2019 Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung sowie Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2020 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.06.2020 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und auf die Besonderheiten von ärztlichen Tätigkeiten im ambulanten Bereich gegenüber dem stationären Bereich hingewiesen. Zwar müssten nach dem Gemeinsamen Rahmenkonzept der Deutschen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Krankenversicherung (Kostenträger) zur ambulanten medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker mindestens drei therapeutische Mitarbeiter hauptberuflich in der Einrichtung tätig sein und ein Arzt mit mindestens drei Stunden je Woche pro Gruppe das Therapiekonzept ärztlich verantworten und leiten. Diese ärztliche Aufgabe erfülle aber nicht der Beigeladene. Er sei nur für die ärztliche Untersuchung und Betreuung der Rehabilitanden an vereinbarten Sprechtagen in den Räumlichkeiten der Klägerin und für die ärztliche Beratung des Teams zuständig. Sie bediene sich u.a. des Beigeladenen zur Erfüllung ihrer Leistungsverpflichtung gegenüber den Trägern der Rehabilitationsmaßnahme (RV oder KV); dies allein bewirke aber nicht die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Der Beigeladene sei in seiner Zeiteinteilung völlig frei, werde nur nach dem ärztlichen Bedarf der Patienten und seinen eigenen zeitlichen Möglichkeiten tätig, nur ein Richtwert von 12 Stunden pro Monat sei festgelegt. Die Sprechtage würden zwischen Klägerin und Beigeladenem abgestimmt. Die Behandlung folge nicht in einem festgelegten Tagesablauf, die Einrichtung richte sich nach dem Beigeladenen, ggf. würden Behandlungen oder Termine verlegt. Der Beigeladene habe das alleinige fachliche Entscheidungsrecht bezüglich seiner Leistungen. Dass er seine Leistungen in den Räumlichkeiten der Klägerin erbringe, sei der Natur der Sache geschuldet. Da die Reha-Einrichtung Anlaufstelle für die Patienten sei, sei es zweckmäßig, diese nicht an verschiedene Stellen zu verweisen. Ein unternehmerisches Risiko in Form von Kapitaleinsatz für die Tätigkeit sei nicht erforderlich und auch nicht ausschlaggebend. Ein Unternehmerrisiko bestehe aber insoweit, als der Erfolg des Einsatzes der Arbeitskraft für den Auftraggeber nicht gewiss sei. Nur für tatsächlich aufgewandte Arbeitsstunden erhalte der Beigeladene eine Vergütung, nicht im Krankheits- oder Urlaubsfall. Wegen der hohen Stundenvergütung habe er höhere Verdienstchancen als er sie in einem vergleichbaren Arbeitsverhältnis hätte, auch habe er damit die Möglichkeit zur Eigenvorsorge, was ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei.

Die Beklagte ist der Klage unter Verweise auf den Inhalt ihrer Bescheide entgegengetreten. Der mit Beschluss des SG vom 15.02.2021 zum Verfahren beigeladene Arzt hat mitgeteilt, dass er auch für die Deutsche Rentenversicherung als Gutachter tätig sei und seines Erachtens kein wesentlicher Unterschied zwischen dieser Tätigkeit und der Tätigkeit für die Klägerin bestehe. Es seien keine festen Zeiten mit der Klägerin vereinbart. Die Untersuchungen könnten genauso gut bei ihm zuhause durchgeführt werden, nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit würde er sie in den Räumen der Klägerin durchführen. Außerdem bringe er seine eigenen Untersuchungsgeräte mit.

In einem Termin des SG zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 24.09.2021 haben Beigeladener und Klägerin klargestellt, dass der Beigeladene keine Behandlungen durchführt und keine Medikamente verordnet, auch keine Patienten während der ambulanten Rehabilitation betreut, sondern nur die Eingangs- und Abschlussuntersuchungen und gelegentlich Supervisionen für das Team durchführt. Hierzu und auf die weiteren Angaben der Beteiligten wird auf das Protokoll vom 24.09.2021 Bezug genommen.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 25.01.2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarung und deren tatsächlicher Umsetzung sei eine Eingliederung des Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin festzustellen, auch fehle es an einem Unternehmerrisiko des Beigeladenen, was im Rahmen einer Gesamtabwägung zu einer abhängigen Beschäftigung führe. Entgegen der vertraglichen Regelung biete die tatsächliche Vertragsdurchführung überwiegende Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung. Dass der Beigeladene im Wesentlichen hinsichtlich der Art der Ausübung seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterliege, stelle kein starkes Indiz für eine Selbstständigkeit dar. Insoweit bestehe eine Gemeinsamkeit mit den sog. Honorarärzten im Krankenhaus, zu deren Tätigkeit das BSG dies bereits entschieden habe. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche auch die weitgehend freie Ausgestaltungsmöglichkeit in zeitlicher Hinsicht. Dennoch liege keine selbstständige Tätigkeit vor, da jedenfalls eine betriebliche Eingliederung in gewissem Umfang vorliege. Denn die Zuweisung der Patienten, deren Einbestellung, Terminabsprachen und ggf. -verschiebungen übernehme ausschließlich die Klägerin, die Untersuchungen fänden in den Räumen der Klägerin unter Nutzung des dortigen Mobiliars statt, das vorbereitende Aktenstudium ebenfalls, auch sämtliche Patientenakten würden bei der Klägerin aufbewahrt. Die Aufnahme- und Abschlussberichte fertige der Beigeladene an dem PC der Klägerin in deren Untersuchungszimmer, für den Abschlussbericht werde der Bogen der Leistungsträger verwendet. Im Rahmen der Terminabsprache finde eine organisatorische Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Beratungsstelle statt. Zudem berate der Beigeladene gelegentlich die in der Einrichtung tätigen Sozialarbeiter auf deren Anfrage, so dass in gewisser Weise auch eine inhaltliche Zusammenarbeit mit den mit der Betreuung der Reha-Maßnahme betrauten Mitarbeitern der Klägerin erfolge. Dass der Beigeladene darüber hinaus nicht in die Behandlung der Patienten während der Rehabilitation eingebunden sei, sei Ausdruck der ihm vereinbarungsgemäß obliegenden speziellen Aufgaben und stelle kein erhebliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit dar. Ein Unternehmerrisiko trage der Beigeladene nicht. Er setze neben seiner Arbeitskraft lediglich Kleingeräte ein, bekomme den Einsatz seiner Arbeitskraft nach Stunden und sogar etwaige vergebliche Wartezeit bei Nichterscheinen von Patienten vergütet und rechne ausschließlich gegenüber der Klägerin, so dass insoweit kein Ausfallrisiko bestehe. Zwar sei ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit die relativ hohe Vergütung von 100 Euro je Stunde, dies sei aber dem Willen der Beteiligten geschuldet, eine selbstständige Tätigkeit begründen zu wollen und könne nicht ausschlaggebend ins Gewicht fallen, da die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit offensichtlich dem vertraglich festgelegten Willen widerspreche. Es gebe keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne, dass sich der Auftraggeber durch die Vereinbarung eines Zuschlags zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbar abhängigen Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht „freikaufen“ könne. Daher komme der Entgelthöhe angesichts der übrigen festgestellten Tatsachen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch die vertragliche Vereinbarung, keine Arbeitnehmerschutzrechte zu gewähren, sei kein aussagekräftiges Indiz, sondern nur Ausdruck des vereinbarten Willens. Da nach der Gesamtabwägung aller Indizien eine abhängige Beschäftigung vorliege, bestehe eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung vor. Eine geringfügige Beschäftigung, die nach § 7 Abs. 1 SGB V zur Versicherungsfreiheit des Beschäftigten führen könne, liege nicht vor. Nach der insoweit maßgeblichen vorausschauenden Beurteilung bei Aufnahme der Beschäftigung sei davon auszugehen, dass das Arbeitsentgelt des Beigeladenen die Geringfügigkeitsgrenze gem. § 8 Abs. 1 SGB IV in der ab 01.01.2019 geltenden Fassung von 450 Euro regelmäßig überschreite, was auch tatsächlich der Fall gewesen sei. Zu Recht habe die Beklagte den Beginn der Versicherungspflicht auf den 10.07.2019 festgestellt, an diesem Tag habe der Beigeladene erstmals seine Tätigkeit für die Klägerin aufgenommen. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV lägen angesichts des Eingangs des Statusfeststellungsantrags bei der Beklagten am 13.08.2019 nicht vor.

Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 02.05.2023 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.05.2023 zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Klägerin. Sie rügt, die im Urteil erfolgte Gesamtabwägung widerspreche den im Erörterungstermin gemachten Äußerungen des Gerichts und erfasse den Sachverhalt nicht zutreffend. Dass der Beigeladene die Einrichtung und wesentlichen Betriebsmittel der Klägerin kostenfrei nutze und seine Vergütung direkt von ihr erhalte, habe lediglich praktische Gründe und sei kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Dass der Beigeladene vor Ort die Akten lese und das Gutachten erstelle, haben ebenfalls nur praktische Gründe. Ein arbeitsteiliges Zusammenarbeiten mit den Mitarbeitern der Klägerin erfolge in keiner Weise, weder Hilfestellungen noch Weisungen erfolgten. Es gebe keinerlei zeitliche Vorgaben, die Obergrenze von 12 Stunden monatlich sei keine Arbeitszeitvereinbarung, sondern eine einvernehmliche Schätzung des ungefähren Aufwands zur Orientierung. Die Zuweisung der Patienten über die Klägerin erfolge, weil der Beigeladene als Gutachter tätig werde und eine Zuweisung durch den Auftraggeber von Begutachtungen allgemein üblich sei. Die Terminabsprache sei keine rechtlich wesentliche organisatorische Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Beratungsstelle, auch Handwerker müssten den Zeitpunkt ihrer Leistungserbringung absprechen. Die Beantwortung fachlicher Fragen im Rahmen einer Supervision sei nicht Ausdruck eines Weisungsrechts der Klägerin, sondern eine Beauftragung im Einzelfall. Der Beigeladene liefere als Gutachter und externer Sachverständiger lediglich die fachlichen Grundlagen, nach denen der Heilbehandlungsprozess erfolge und erstelle nach Ende der Heilbehandlung bzw. Rehabilitation eine gutachtliche Stellungnahme zum Ergebnis.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Januar 2023 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 2. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2020 festzustellen, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Arzt für die Klägerin seit 10. Juli 2019 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Gründe der streitigen Bescheide und des Urteils des Sozialgerichts. Zu den Angaben des Beigeladenen im Erörterungstermin vom 11.06.2024, dass er inzwischen nur noch wenige Einsatztage bei der Klägerin habe, weist die Beklagte darauf hin, dass es sich im Hinblick auf das Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung um eine Prognoseentscheidung bei Aufnahme der Beschäftigung handle und keine rückschauende Betrachtung stattfinde. Im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte Grenze von 12 Stunden im Monat bei einem Stundenlohn von 100 Euro sowie den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Rechnungen sei die Prognose des Nichtvorliegens einer Geringfügigkeit zutreffend gewesen. Soweit von einer nachträglich eingetretenen Geringfügigkeit ausgegangen würde, wäre die Neufassung des § 7a SGB IV zu beachten, die ab dem Zeitpunkt einer Aufhebung der streitigen Feststellung der Versicherungspflicht anzuwenden wäre, so dass nicht mehr über die Frage der Versicherungspflicht, sondern nur noch über die Frage des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit entschieden würde.

Die Berichterstatterin des Senats hat mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Hierzu wird auf das Protokoll vom 11.06.2024 Bezug genommen. Im Nachgang hierzu haben die Klägerin bzw. der Beigeladene die weiteren Rechnungen bis einschl. Juni 2024 vorgelegt und die Beteiligten zu der Frage einer etwaigen Geringfügigkeit der Tätigkeit Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig.

Gegenstand der Berufung der Klägerin sind neben dem Urteil des SG vom 15.01.2023 die Bescheide vom 02.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2019, mit denen die Beklagte zum einen gegenüber der Klägerin, zum anderen gegenüber dem Beigeladenen festgestellt hat, dass der Beigeladene in seiner Tätigkeit für die Klägerin seit 10.07.2019 aufgrund abhängiger Beschäftigung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung unterliegt.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.01.2023 zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin macht ihr auf Abänderung der ergangenen Bescheide und auf Feststellung der Versicherungsfreiheit des Beigeladenen in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung ab 10.07.2019 gerichtetes Begehren prozessual statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG geltend. Die Bescheide der Beklagten sind jedoch rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung der Versicherungsfreiheit des Beigeladenen auch in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 10.07.2019.

Gegenstand einer Statusfeststellung nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 29.03.2017 ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG allein das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Versicherungspflicht. Die zum 01.04.2022 in Kraft getretene Neufassung des § 7a SGB IV findet auf das vorliegende Verfahren, in dem die streitige Tätigkeit bereits vor dem 01.04.2022 ausgeübt und die angefochtenen Bescheide vor dem 01.04.2022 erlassen wurden, auch wenn die Tätigkeit nach dem 01.04.2022 weiterhin ausgeübt wird, noch keine Anwendung (vgl. zum Geltungszeitraumprinzip allgemein BSG, Urteil vom 19.10.2026 – B 14 AS 53/15 R -, juris Rn. 15; zum intertemporalen Recht BSG, Beschluss vom 15.06.2023 – B 12 BA 6/23 B-, juris Rn. 9; str., wie hier: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03.2024 - L 8 BA 2524/23 -, juris Rn. 41; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.01.2023 – L 1 BA 67/19 -, juris Rn. 55 m. w. N., Revision anhängig unter B 12 BA 2/23 R - zur Rechtsfrage: Welche Konsequenzen hat die Neufassung des § 7a SGB IV auf noch nicht bestandskräftige Statusfeststellungsbescheide des Rentenversicherungsträgers nach § 7a SGB IV aF bei fortlaufend ausgeübter Tätigkeit?; Hessisches LSG, Urteil vom 14.12.2023 – L 8 BA 9/22 -, juris Rn. 22; a.A.: Anwendbarkeit nur der Neuregelung vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2023 – L 5 BA 1650/22 -, juris Rn. 58; a.A.: Anwendbarkeit der Altregelung bis 31.03.2022 und Anwendbarkeit der Neuregelung ab 01.04.2022 SG Ulm, Urteil vom 20.06.2024 – S 13 BA 2280/22 -, juris Rn. 24 ff. m.w.N.).

Die streitgegenständlichen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte war zu ihrem Erlass gemäß § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV sachlich zuständig und hat die Beteiligten vor Erlass gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört. Die Bescheide sind auch hinreichend bestimmt und beschränken sich nicht auf eine unzulässige Feststellung von Elementen eines Rechtsverhältnisses. Die Beklagte hat mit der Feststellung der Versicherungspflicht nicht auf den Zeitpunkt abgestellt, ab dem die zwischen den Beteiligten am 17.06.2019 getroffene vertragliche Vereinbarung gelten sollte (01.07.2019), sondern den Beginn der Versicherungspflicht auf den 10.07.2019 festgelegt, den Tag des ersten Einsatzes des Beigeladenen, und damit erkennbar auf die Einzelaufträge je Einsatztag abgestellt. Die Begrenzung auf die tatsächlichen Einsatzzeiten genügt auch ohne Benennung aller konkreten Tage den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Statusfeststellungsbescheids (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 23.04.2024 – B 12 BA 9/22 R -, juris Rn. 12 m.w.N.).

Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Insoweit haben die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden und das SG im angefochtenen Urteil zutreffend die Rechtsgrundlage für die getroffene Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>) und in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB XI>) und die ständige Rechtsprechung des BSG zur hierbei maßgeblichen Abgrenzung einer Beschäftigung im Sinne des
§ 7 Abs. 1 SGB IV von einer selbstständigen Tätigkeit dargestellt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Unter Anwendung dieser Grundsätze gelangt der Senat ebenso wie das SG zu der Überzeugung, dass unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Lebenssachverhalts nach deren Gewichtung und Gesamtwürdigung der Beigeladene in seinen Einsätzen für die Klägerin abhängig beschäftigt ist und damit der Versicherungspflicht wie von der Beklagten festgestellt unterliegt.

Soweit die Klägerin mit der Berufung rügt, das SG habe auf Entscheidungen des BSG zu Ärzten im stationären Bereich abgestellt, während der beigeladene Arzt vorliegend im ambulanten Bereich zum Einsatz kommt, und insoweit gravierende Unterschiede zu berücksichtigen seien, ist darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder erfolgt. Es daher möglich, dass ein und derselbe Beruf je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (z.B. BSG, Urteil vom 22.03.2018 - B 12 R 6/18 R -, juris Rn. 16 m.w.N.). Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung nicht auf Umstände im stationären Bereich, sondern zutreffend auf die konkreten Umstände des vorliegenden, im ambulanten Rehabilitationsbereich liegenden Einzelfalles abgestellt.

Auch soweit die Klägerin rügt, das SG habe eine überraschende Entscheidung getroffen, nachdem die Vorsitzende im Erörterungstermin gewichtige Indizien für eine selbstständige Tätigkeit gesehen habe, ist darauf hinzuweisen, dass das SG keine konkrete Entscheidung in Aussicht gestellt und keine Indizien im angefochtenen Urteil berücksichtigt hat, die nicht bereits vorher Gegenstand des Verfahrens waren.

Bei Vertragsgestaltungen wie vorliegend, in denen die Übernahme einzelner Dienste individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen. Relevant sind daher vorliegend nur die in der Zeit seit 10.07.2019 erbrachten Einzeleinsätze des Beigeladenen für die Klägerin. Außerhalb dieser liegt schon deshalb keine die Versicherungspflicht begründende entgeltliche Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung des Beigeladenen besteht, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben und diese umgekehrt auch kein Entgelt zu leisten hat. Der Beigeladene ist Altersrentner, an zwei Vormittagen je Woche als angestellter Arzt bei seinem Praxisnachfolger und überdies für verschiedene Auftraggeber gutachtlich tätig. Mit der Klägerin ist nur der Einsatz in der Regel mittwochs nachmittags in einem zeitlichen Umfang von monatlich maximal 12 Stunden vereinbart.

Der konkrete Inhalt der Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin ergibt sich vorliegend nicht aus dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag, der zum Inhalt der auszuübenden Tätigkeit lediglich die Angabe „als Arzt“ enthält. Auch hat die Klägerin über ihre Bevollmächtigten noch im Widerspruchsverfahren und teilweise im Klageverfahren vorgetragen, dass der Beigeladene für die ärztliche Betreuung der Patienten mit allen zugehörigen Tätigkeiten im Rahmen der Reha-Maßnahmen oder bei akuten Erkrankungen zuständig sei und sich sein zeitlicher Einsatz nach dem ärztlichen Bedarf der Patienten richte. Im Rahmen der Erörterungstermine vor dem SG und der Berichterstatterin des Senats haben die Klägerin und der Beigeladene aber übereinstimmend klargestellt, dass der Beigeladene gemäß mündlicher Absprache mit dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin vor Abschluss des Vertrages vom 17.06.2019 an seinen Einsatztagen für die Klägerin als Arzt dergestalt tätig ist, dass er Eingangs- und Abschlussuntersuchungen von Rehabilitanden durchführt, in Vorbereitung dieser Untersuchungen die Krankenakten der betreffenden Rehabilitanden sichtet und das Ergebnis der Untersuchungen sowie seine gutachtliche Einschätzung mittels Eingabe in den PC der Klägerin dokumentiert, höchst selten führt er auf Anfrage aus dem Therapeutenteam der Klägerin für diese eine Supervision durch. In keinem Fall ist er als Behandler der Rehabilitanden oder verantwortlicher Arzt für die Rehabilitationsmaßnahmen tätig.

In Ausübung dieser Tätigkeit ist der Beigeladene entgegen dem Berufungsvortrag der Klägerin in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden und unterliegt keinem unternehmerischen Risiko, was gewichtige Indizien für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen sind, die in der Gesamtabwägung alle weiteren Indizien überwiegen. Ausschlaggebend für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ist, dass der Beigeladene in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in die von der Klägerin zur Erfüllung der sie treffenden Verpflichtungen organisierten Abläufe der ambulanten Rehabilitation eingegliedert ist, ohne hierauf nachhaltig unternehmerischen Einfluss nehmen zu können.

Eine nahezu vollständige Eingliederung in den Betrieb der Klägerin ist in räumlicher Hinsicht gegeben. Der Beigeladene übt die Tätigkeit an seinen Einsatztagen
seit dem 10.07.2019 ausschließlich in den Räumlichkeiten der Klägerin aus. Dort nutzt er im Wesentlichen Betriebsmittel der Klägerin unentgeltlich. Ihm wird für die Untersuchungen ein Untersuchungszimmer mit Mobiliar zur Verfügung gestellt, ebenso ein PC, in den der Beigeladene unter Nutzung des EDV-Systems der Klägerin die Ergebnisse seiner Untersuchungen eingibt. Zwar tragen die Beteiligten übereinstimmend vor, dass die Ausübung der Tätigkeit in den Räumen der Klägerin lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit erfolge, da die Beratungsstellen ohnehin die Anlaufstellen für die Rehabilitanden seien, allerdings finden tatsächlich keine Untersuchung außerhalb der Räumlichkeiten der Klägerin statt und hält der Beigeladene selbst kein Untersuchungszimmer mit Ausstattung auf eigene Kosten für die Tätigkeit für die Klägerin vor.

Insoweit besteht entgegen dem Vortrag des Beigeladenen auch ein Unterschied zu den gutachtlichen Tätigkeiten des Beigeladenen für andere Auftraggeber. Denn diese Tätigkeit für andere Auftraggeber führt der Beigeladene nach seinen Angaben in den Räumlichkeiten seines Praxisnachfolgers aus, hat diese aber so zu terminieren, dass sie den dortigen Praxisablauf nicht stören.

Die Einsatztage des Beigeladenen bei der Klägerin finden ausschließlich bei der Klägerin statt. Einzig für den Fall, dass er einen durch die Mitarbeiter der Klägerin fertiggestellten Rehabilitationsabschlussbericht mitzeichnen soll und eine Unterschriftsleistung zum Zeitpunkt seines nächsten Einsatztages in den Räumlichkeiten der Klägerin zeitlich nicht passend ist, wird dem Beigeladenen der betreffende Bericht zur Unterschriftsleistung mit der Aufgabe, den Bericht auszudrucken und unterschrieben zurückzusenden, per E-Mail zugesandt und von ihm zuhause unterschrieben. Im Übrigen führt der Beigeladene seine Tätigkeit für die Klägerin ausschließlich in den Räumen unter unentgeltlicher Nutzung deren Ausstattung aus. Es werden ihm auch keine Patientenakten zur Vorbereitung auf die Untersuchungen zugeleitet, sondern diese werden in den Räumen der Klägerin gelagert und vom Beigeladenen zur Vorbereitung der Untersuchungen auch dort eingesehen.

Neben der räumlichen Eingliederung ist auch eine zeitliche Eingliederung in die Organisation der Klägerin gegeben. Der Beigeladene wird in der Regel mittwochs nachmittags ab 14 Uhr für die Klägerin tätig, ein oder mehrmals monatlich. Nach vorheriger Vereinbarung der möglichen Einsatztage erfolgt eine Festlegung der tatsächlichen Einsatztage und Uhrzeiten durch die Klägerin, indem diese Patienten für eine Untersuchung durch den Beigeladenen einbestellt und etwaigen Supervisionsbedarf feststellt. Circa eine Woche vorher wird dem Beigeladenen von der Klägerin mitgeteilt, ob am folgenden Mittwoch sein Einsatz erforderlich wird und ggf. in welchem zeitlichen Umfang, wobei die Beteiligten sich auch darüber abgesprochen haben, dass der zeitliche Aufwand je Untersuchung regelmäßig circa eine Stunde in Anspruch nimmt, was auch für die zeitlichen Abstände der Einbestellungen relevant ist. Damit ist der Beigeladene zwar grundsätzlich frei in der zeitlichen Einteilung insoweit, als er vorab selbst bestimmen kann, an welchen Tagen er grundsätzlich für einen Einsatz zur Verfügung steht. Allerdings richtet sich die Frage des Ob und der Dauer des tatsächlichen Einsatzes sodann nach dem Erfordernis der Klägerin, insbesondere danach, ob und ggf. wie viele Rehabilitanden die Klägerin zur Untersuchung durch den Beigeladenen einbestellt.

Dass der Beigeladene ausweislich der bis Juni 2024 vorgelegten Rechnungen bisher in keinem Monat die vertraglich vereinbarte maximale Stundenanzahl von 12 Stunden erreicht hat, spricht nicht gegen eine Einbindung in den Betrieb der Klägerin und die persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen, sondern ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass in keinem Monat von der Klägerin so viele Untersuchungstermine für den Beigeladenen vereinbart wurden, dass er diese Grenze je erreicht hätte.

Auch eine organisatorische Zusammenarbeit des Beigeladenen mit den Mitarbeitern der Klägerin und insoweit eine in gewissem Maße vorhandene arbeitsteilige Tätigkeit erfolgt in der Hinsicht, dass bei Verhinderung des Beigeladenen an einem Einsatztag die Mitarbeiter der Klägerin Kontakt mit den einbestellten Rehabilitanden aufnehmen und deren Untersuchungstermine verlegen oder aber eine Vertretung des Beigeladenen dergestalt organisieren, dass sie einem anderen für sie tätigen Arzt den Einsatz übertragen. Der Beigeladene selbst tritt weder in Kontakt zu den Rehabilitanden noch zu den Kostenträgern noch zu einem anderen Arzt, der ihn vertreten könnte und vereinbart weder Termine noch verlegt er diese. Der Beigeladene tritt überhaupt nicht nach außen auf. Er rechnet weder mit den Rehabilitanden, die er untersucht, noch mit den Kostenträgern der Rehabilitationsmaßnahmen ab. Soweit der Beigeladene das Ergebnis seiner Untersuchungen nicht bereits selbst in das Formular der Kostenträger für Rehabilitationsentlassungsberichte eingibt, übertragen Mitarbeiter der Klägerin seine in ein Formblatt eingegebenen Angaben in das Formular der Kostenträger und legen es ihm danach zur Mitzeichnung neben den Therapeuten, dem verantwortenden Arzt und der Einrichtungsleitung vor.
 
Die Klägerin bedient sich dabei des Beigeladenen zur Erfüllung der sie gegenüber den Kostenträgern der Rehabilitationsmaßnahmen treffenden Pflichten. Zwar hat er nicht die ärztliche Leitung der Maßnahmen inne, was die Klägerin und der Beigeladene übereinstimmend erklärt haben. Aber die Klägerin ist auch nach eigenem Vortrag im Verhältnis zu den Kostenträgern dazu verpflichtet, die Rehabilitanden zu Beginn und zum Ende der Maßnahmen ärztlich untersuchen zu lassen. Diese Aufgabe übernimmt der Beigeladene an seinen Einsatztagen für sie. Auch insoweit ist er in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden. Seine Dokumentation der Eingangs- und Abschlussuntersuchungen stellen einen Teil des Inhalts der von den Kostenträgern geforderten Abschlussberichte dar, die er auch zusammen mit den weiteren Mitarbeitern der Klägerin, deren Angaben ebenfalls Teil des Berichts sind, unterzeichnet.

Neben dieser in mehreren Bereichen vorliegenden Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin fällt es nicht entscheidend ins Gewicht, dass der Beigeladene keinen fachlichen Weisungen unterliegt. Denn die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisten (sog. Diensten höherer Art) kann das Weisungsrecht auf das Stärkste eingeschränkt sein. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Dies ist vorliegend der Fall, da sich die Tätigkeit des Beigeladenen unter Berücksichtigung der räumlichen, zeitlichen und organisatorischen Einbindung anhand der tatsächlichen Handhabung der Aufgabenzuweisung und -erfüllung im Wesentlichen als funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess der Klägerin darstellt.

Ebenfalls ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist, dass der Beigeladene in seinen Einsätzen für die Klägerin keinem unternehmerischen Risiko unterliegt. Unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen und der tatsächlichen Handhabung vermag der Senat in Übereinstimmung mit dem SG ein unternehmerisches Risiko des Beigeladenen nicht zu erkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Eigenes Kapital muss der Beigeladene nicht einsetzen, es werden ihm die Räumlichkeiten und die erforderlichen Betriebsmittel kostenfrei gestellt. Einzig wenige Kleingeräte wie ein Stethoskop bringt er mit, wobei der Beigeladene nicht angegeben hat, dass er diese erst für die Ausübung der Tätigkeit bei der Klägerin angeschafft hätte und ausschließlich hierfür (nicht auch für seine Tätigkeit als angestellter Arzt bei seinem Praxisnachfolger und seine Tätigkeit als Gutachter für verschiedene Auftraggeber) verwenden würde. Der Beigeladene hatte damit allenfalls einen sehr geringfügigen Kapitaleinsatz zur Anschaffung weniger Kleingeräte. Ansonsten hält er weder Räumlichkeiten noch Ausstattung vor, so dass kein Risiko besteht, diesen Einsatz von Kapital oder laufenden Mietkosten nur in einem zeitlich geringen Umfang tatsächlich nutzen zu können. Neben den genannten Kleingeräten setzt der Beigeladene nur seine eigene Arbeitskraft für die Klägerin ein. Auch insoweit besteht kein Ausfallrisiko, da er weder gegenüber den Rehabilitanden noch gegenüber den Kostenträgern der Rehabilitationsmaßnahmen abrechnet, sondern ausschließlich gegenüber der Klägerin und er ihr alle aufgewandten Arbeitsstunden gegen einen festen Stundenlohn in Rechnung stellen kann. Selbst die aufgebrachte Wartezeit bei Nichterscheinen eines von der Klägerin zur Untersuchung durch den Beigeladenen einbestellten Rehabilitanden wird dem Beigeladenen in Absprache mit der Klägerin von dieser vergütet. Der Erfolg des Einsatzes der Arbeitskraft ist damit für den Beigeladenen nicht ungewiss. Ein unternehmerisches Risiko ist zudem nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Solche sind weder im Hinblick auf die vertragliche Vereinbarung noch die tatsächliche Handhabung ersichtlich.
Der Beigeladene hat keine Chance, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient zu gestalten, dass er das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten entscheidend beeinflussen könnte. Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkret verrichteten Tätigkeit ankommt, ist das einzig in Betracht kommende Risiko des Beigeladenen, keine weiteren Folgeeinsatztage mehr zugewiesen zu bekommen, für die Frage seines Status in dieser Tätigkeit irrelevant. Denn aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folge kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R -, juris Rn. 36 m.w.N.). Nicht entscheidend ins Gewicht fällt damit, dass der Beigeladene nicht in jedem Monat der Tätigkeit Stunden in Rechnung gestellt hat und die Anzahl der je Monat erhaltenen Aufträge und deren zeitlicher Umfang ständig schwanken.

Da nach dem Gesamtbild die Indizien für eine abhängige Beschäftigung überwiegen, kommt dem von diesem Ergebnis abweichenden Willen der Vertragsparteien keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Zwar wollten die Klägerin und der Beigeladene ausdrücklich keinen Arbeitsvertrag schließen und damit die an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abbedingen bzw. vermeiden. Solchen vertraglichen Regelungen kommt bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung aber keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und – jedenfalls für das Sozialrecht – das Fehlen von Umständen, die eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnen, ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken, rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2024 – B 12 BA 9/22 R –, juris Rn. 17 m.w.N.).

Es bestehen auch keine sonstigen Anhaltspunkte, die mit einem derartigen Gewicht für Selbstständigkeit sprechen würden, dass sie die Eingliederung des Beigeladenen und das Fehlen eines Unternehmerrisikos auf- oder überwiegen könnten. Dies gilt auch für die vereinbarte Honorarhöhe. Weil diese ebenfalls zur Disposition der Vertragsparteien steht, kann ihr allenfalls dann eine indizielle Bedeutung beigemessen werden, wenn, anders als vorliegend, die Umstände der Tätigkeit gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2024 – B 12 BA 8/22 R -, juris Rn. 24 B -, juris Rn. 24 m.w.N.).
 

Damit unterliegt der Beigeladene während seiner Einsätze bei der Klägerin aufgrund abhängiger Beschäftigung, wie von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden festgestellt, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung. Der Beigeladene ist auch nicht aufgrund anderer Vorschriften von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ausgenommen. Insbesondere ist er nicht wegen Geringfügigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB IV i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) versicherungsfrei. Die Tätigkeit des Beigeladenen ist nicht zeitgeringfügig auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres ihrer Eigenart nach oder im Voraus vertraglich begrenzt. Auch ist sie nicht entgeltgeringfügig. Die Einkünfte des Beigeladenen aus der Tätigkeit bei der Klägerin bleiben nicht regelmäßig unter der Geringfügigkeitsgrenze, auch wenn diese starken Schwankungen unterliegen.

Die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt (§ 154 Abs. 3 VwGO), es entspricht daher der Billigkeit, seine Kosten nicht der Klägerin aufzuerlegen.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.


Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) endgültig auf 5.000 Euro festgesetzt. Dies entspricht dem Auffangstreitwert, da lediglich über das Vorliegen einer Sozialversicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung entschieden wird, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.


 

Rechtskraft
Aus
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