Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die Beschwerde – über die gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Verbindung mit § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet – ist zulässig (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 1, 3, Abs. 7 Satz 3 RVG in Verbindung mit § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG), jedoch nicht begründet. Eine Terminsgebühr ist für das unter dem Aktenzeichen S 63 AS 4906/16 registrierte Verfahren nicht festzusetzen.
Nach Satz 1 Nr. 2 der Anmerkung zu Nr. 3106 der Anlage 1 („Vergütungsverzeichnis“) zu § 2 Abs. 2 RVG (im Folgenden: VV RVG) entsteht eine fiktive Terminsgebühr, wenn das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entscheidet „und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann“. Gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) „kann mündliche Verhandlung beantragt werden“, wenn die Berufung „nicht gegeben“ ist. Das ist der Fall, wenn die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung bedarf und das Sozialgericht es abgelehnt hat, die Berufung zuzulassen.
In der Rechtsmittelbelehrung, die dem in der Sache S 63 AS 4906/16 ergangenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2020 beigefügt ist, heißt es, dass „dieser Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden“ könne. Dass diese Belehrung vermutlich falsch ist (der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG belief sich vermutlich auf weniger als 750,00 €, da die Kläger des unter dem Aktenzeichen S 63 AS 4906/16 registrierten Verfahren zuletzt nur noch für 74 Tage ‹vom 17. Dezember 2015 bis zum 29. Februar 2016› und nur noch für die Klägerin zu 2› Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ‹SGB II› geltend gemacht hatten und der Beklagte der Klägerin zu 2› diese Leistungen bis zum 16. Dezember 2015 ‹mit Änderungsbescheid vom 14. März 2017› in Höhe von durchschnittlich 6,28 € täglich bewilligt hatte ‹74 Tage x 6,28 € = 464,72 €›), ist unerheblich. Denn die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des Sozialgerichts Berlin war nicht verpflichtet/befugt zu prüfen, ob diese Rechtsmittelbelehrung richtig ist.
Zwar haben der UdG und die im Festsetzungsverfahren zur einer Entscheidung berufenen Gerichte von Amts wegen eigenverantwortlich zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfügungsanspruch besteht. Sie sind dabei nicht an das Vorbringen des beigeordneten Rechtsanwalts gebunden und auf den Akteninhalt beschränkt, sondern haben mit allen einer Verwaltungsbehörde zu Gebote stehenden Mitteln die materielle Wahrheit zu erforschen (vgl. Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, § 55 Rn. 31, 32). Gebunden sind sie jedoch an a) den Antrag des Rechtsanwalts (nach dem Rechtsgedanken des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO „ne ultra petita“ ‹vgl. Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, § 55 Rn. 19; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, § 55 Rn. 26›), b) an alle vorangegangenen gerichtlichen Entscheidungen, durch die ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse dem Grunde nach begründet oder die Erforderlichkeit von Auslagen festgestellt worden ist, c) an die Verfahrensgestaltung durch das Prozessgericht (vgl. Hartung, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 55 Rn. 36; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, § 55 Rn. 24, 25) sowie d) an alle Verfügungen, die der Richter des Hauptsacheverfahrens getroffen hat. Lediglich dann, wenn die „Verfügung“ ein rechtliches nullum darstellt, weil der Gesetzgeber dafür eine bestimmte Form vorgeschrieben hat und diese nicht eingehalten ist, kann die „Verfügung“ keine kostenrechtliche Bindung entfalten (vgl. Bayerisches Landessozialgericht ‹LSG›, Beschluss vom 18. Dezember 2014, L 15 SF 322/14 E; Bayerisches LSG, Beschluss vom 11. September 2015, L 15 SF 249/15 E).
Ähnlich dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO – für das anerkannt ist, dass dieses auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten ist, mit der Folge, dass die Klärung streitiger Tatsachen und komplizierterer Rechtsfragen in diesem Verfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich ist, in dem folglich nur Einwände, deren tatsächliche Voraussetzungen unstreitig oder ohne Schwierigkeiten aus den Akten zu ermitteln sind, ausnahmsweise berücksichtigt werden können (vgl. Bundesgerichtshof ‹BGH›, Beschluss vom 22. November 2006, IV ZB 18/06; Goldbeck, in: Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 104 Rn. 24; Schulz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 104 Rn. 34) – ist das Verfahren nach § 55 RVG ein vereinfachtes, stark formalisiertes Betragsfestsetzungsverfahren, das nicht der Klärung komplizierter materiell-rechtlicher Fragen dient (vgl. Kammergericht ‹KG›, Beschluss vom 4. November 2011, 1 Ws 133/10; Volpert, in: Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 55 Rn. 1, 90). Da im Verfahren nach § 104 ZPO der Rechtspfleger, also ein Beamter des gehobenen Justizdienstes (vgl. § 21 Nr. 1 Rechtspflegergesetz und §§ 1, 2 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung der Rechtspfleger des Landes Berlin), im Verfahren nach § 55 RVG hingegen der UdG, also in der Regel ein Beamter des mittleren Justizdienstes (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsstellenordnung für die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und für die Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg, § 3 Abs. 2 Geschäftsstellenordnung für das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg und die Sozialgerichte des Landes Brandenburg und § 1 Kostenverfügung ‹(KostVfg›), entscheidet, und da im Verfahren nach § 55 RVG die Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 6 Satz 4 RVG), im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO hingegen die Rechtsbeschwerde zugelassen werden kann (vgl. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO), ist das Verfahren nach § 55 RVG einfach zu halten (vgl. Landesarbeitsgericht ‹LAG› Nürnberg, Beschluss vom 22. Oktober 2015, 2 Ta 118/15). Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts soll mit „geringst möglichem Verwaltungsaufwand“ festgestellt werden können (vgl. Volpert, in: Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 55 Rn. 2). Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG sind demzufolge gering (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 12. Januar 2016, L 15 SF 47/15 E; Bayerisches LSG, Beschluss vom 24. März 2020, L 12 SF 271/16 E; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Oktober 2016, L 15 SF 229/14 E; Thüringer LSG, Beschluss vom 20. Februar 2019, L 1 SF 294/18 B). Daraus folgt einerseits, dass der UdG grundsätzlich nicht prüfen darf/muss, ob die gebührenauslösende Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalt erforderlich war (vgl. Müller/Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, § 55 Rn. 51; Volpert, in: Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 55 Rn. 72; Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. Mai 2018, L 12 SF 94/18; vgl. auch: Oberlandesgericht ‹OLG› Stuttgart, Beschluss vom 22. Mai 2007, 8 W 169/07: „Müsste der Urkundsbeamte tatsächlich jede gebührenrechtlich relevante Tätigkeit des Rechtsanwalts auf ihre Notwendigkeit hin überprüfen, würde dies eine unzulässige Einflussnahme auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts bedeuten, der in eigener Verantwortung entscheidet, wie er für den Rechtssuchenden im Rahmen der Beratungshilfe am besten tätig wird. Dem Urkundsbeamten fehlt hierfür zudem die Kompetenz. Nur dem Rechtsanwalt stehen alle Informationen zur Verfügung, die ihm eine interessengerechte Tätigkeit für den Rechtssuchenden ermöglichen. Dagegen kann der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, der kein Volljurist ist, auf Grund der meist wenigen ihm bekannten Informationen nicht beurteilen, ob der Rechtsanwalt zu gebührenintensiv gearbeitet hat […].“), und andererseits, dass der beigeordnete Rechtsanwalt Gebührentatbestände, deren Berechtigung nicht offenkundig und auch nicht unschwer den Gerichts- oder Verfahrensakten zu entnehmen ist, im Festsetzungs-, Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren substantiiert darlegen und gemäß § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 104 Abs. 2 ZPO glaubhaft machen muss (vgl. Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, § 55 Rn. 15; Hartung, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 55 Rn. 18; Müller-Rabe, in: Gerold/ Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, § 55 Rn. 21; Volpert, in: Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 55 Rn. 25).
Da sich den Akten, die das Sozialgericht Berlin für das unter dem Aktenzeichen S 63 AS 4906/16 registrierte Verfahren angelegt hat, nicht ohne Schwierigkeiten entnehmen lässt, dass die dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 2020 beigefügte Rechtsmittelbelehrung vermutlich unrichtig ist, die Antragstellerin dies auch weder in ihrem Antrag vom 25. Januar 2022 noch im weiteren Verlauf des Festsetzungs- und Erinnerungsverfahrens substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht hat (mit Schriftsatz vom März 2022 trug sie lediglich vor, dass der „Gerichtsbescheid nicht berufungsfähig“ sei, „weil sich aufgrund des Obsiegens keine Beschwer in Höhe von 750,00 €“ ergebe), ist der Beschluss der UdG des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2022 nicht zu beanstanden.
Einer Antwort auf die Frage, ob eine fiktive Terminsgebühr nach den Sätzen 1 Nr. 2 der Anmerkungen zu Ziffern 3104, 3106 VV RVG auch dann entsteht, wenn ein An-trag auf mündliche Verhandlung zwar „an sich“ zulässig ist, weil „die Berufung nicht gegeben ist“, im konkreten Fall aber mangels Beschwer unzulässig ist (vgl. dazu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof ‹VGH›, Beschluss vom 27. Februar 2020, 8 C 18.1889; Verwaltungsgericht ‹VG› Stuttgart, Beschluss vom 28. Oktober 2021, A 5 K 2984/21), bedarf es nicht.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).