Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2023 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.368,50 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde gegen das aus der Beschlussformel ersichtliche Urteil des Sozialgerichts Berlin (SG), mit welchem die auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 3.368,50 € gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
II.
Die Beschwerde der Klägerin, über die der Senat nach § 144 Abs. 4 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss außerhalb der mündlichen Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter entscheidet (§ 12 Abs. 1 S. 2 SGG), ist zulässig. Sie ist gemäß § 145 Abs. 1 S. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen statthaft. Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in der Entscheidung des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) nach § 145 Abs. 4 S. 1 SGG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes – wie hier - bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 € nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG). Diese Voraussetzungen liegen vor: Der Beschwerdewert der vorliegenden Klage richtet sich nach dem Begehren der Klägerin, die vom Beklagten eine Erstattung von nur 3.368,50 € begehrt. Das SG hat die Berufung ausdrücklich nicht zugelassen. Auch die Ausnahme des § 144 Abs. 1 S. 2 SGG liegt nicht vor, weil keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als zwölf Monate im Streit sind.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
- die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
- das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Diese Voraussetzungen sind sämtlich nicht erfüllt.
Es ist nicht ersichtlich, dass der Fall grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im Allgemeininteresse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; allein ein Individualinteresse genügt nicht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 144 Rn. 28). Die Rechtsfrage muss zudem klärungsbedürftig und klärungsfähig sein, wobei eine Klärungsbedürftigkeit schon dann zu verneinen ist, wenn die aufgeworfene Frage bereits entschieden oder durch Auslegung der Rechtsvorschriften eindeutig zu beantworten ist (vgl. Keller, ebendort). Zwar liegt zur von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob die sog. Schuldnerschutzregelung des § 30 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) auch versorgungsträgerübergreifend angewendet werden darf, soweit ersichtlich, keine ober- oder höchstrichterliche Entscheidung vor, jedoch beantwortet sich die Frage – eben hierauf hat bereits das SG im angefochtenen Urteil zutreffend hingewiesen – unmittelbar aus dem Gesetz. § 30 VersAusglG bestimmt:
(1) Entscheidet das Familiengericht rechtskräftig über den Ausgleich und leistet der Versorgungsträger innerhalb einer bisher bestehenden Leistungspflicht an die bisher berechtigte Person, so ist er für eine Übergangszeit gegenüber der nunmehr auch berechtigten Person im Umfang der Überzahlung von der Leistungspflicht befreit. Satz 1 gilt für Leistungen des Versorgungsträgers an die Witwe oder den Witwer entsprechend.
(2) Die Übergangszeit dauert bis zum letzten Tag des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Versorgungsträger von der Rechtskraft der Entscheidung Kenntnis erlangt hat.
(3) Bereicherungsansprüche zwischen der nunmehr auch berechtigten Person und der bisher berechtigten Person sowie der Witwe oder dem Witwer bleiben unberührt.
Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht eindeutig gegen eine versorgungsträgerübergreifende Anwendung der Vorschrift. Bei der Auslegung der Norm bildet der aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, dem besonderen Sprachgebrauch des Gesetzes und dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn den Ausgangspunkt und bestimmt zugleich die Grenze der Auslegung (vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 2007, S. 163 ff.). § 30 Abs. 1 VersAusglG spricht unmissverständlich nur einen Versorgungsträger an.
Auch der sich aus dem Wortlaut von § 30 Abs. 1 VersAusglG ergebende Schutzzweck zugunsten der Versorgungsträger, Doppelleistungen zu vermeiden und sie vor mehrfacher Inanspruchnahme zu schützen, ist nicht dazu angetan, die Klägerin in den persönlichen Anwendungsbereich der Norm miteinzubeziehen. Die von der Vorschrift angesprochene Fallkonstellation ergibt sich, wenn Versorgungsträger Versorgungen zu erbringen haben, die aufgrund des Versorgungsausgleichs ab Rechtskraft der Entscheidung zu kürzen sind. Entscheidungen über den Versorgungsausgleich werden nach § 224 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) mit Rechtskraft wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist der Versorgungsträger verpflichtet, Leistungen an einen (neu) Berechtigten aufgrund des Versorgungsausgleichs zu erbringen. Gleichzeitig ist die Versorgung des Pflichtigen aufgrund der Teilung zu kürzen. Bezieht der Ausgleichspflichtige aus einem mit dem Berechtigten geteilten Anrecht bereits Versorgungsleistungen, besteht die Gefahr, dass die Versorgung an den Ausgleichspflichtigen in vollem Umfang weitergezahlt wird, obwohl dem Berechtigten aufgrund des Versorgungsausgleichs bereits ein Leistungsanspruch zusteht. Diese Überschneidung ist dem Umstand geschuldet, dass der Zeitpunkt der Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung zunächst nur in der Sphäre des Familiengerichts bekannt wird und den beteiligten Versorgungsträgern nach Eintritt der Rechtskraft gemäß § 46 FamFG mitzuteilen ist. Oft ist dann die Rente für den Folgemonat schon angewiesen. Um den Versorgungsträgern deshalb die technische Umsetzung der Versorgungsausgleichsentscheidung zu erleichtern und ihnen eine Übergangsfrist zu gewähren, ohne mehrfacher Inanspruchnahme ausgesetzt zu sein, bestimmt § 30 VersAusglG eine Leistungsbefreiungsfrist. Sie besteht gegenüber dem neu im Versorgungsausgleich Berechtigten (Abs. 1 S. 1) und gegenüber der Witwe oder dem Witwer (Abs. 1 S. 2). Die Übergangsfrist beginnt mit der Kenntnis des Versorgungsträgers von der Rechtskraft und endet mit dem Ende des Monats, der der Kenntnis folgt (Abs. 2). Abs. 3 regelt, dass Bereicherungsansprüche zwischen dem neuen, aufgrund des Versorgungsausgleichs Berechtigten und dem bisherigen Berechtigten sowie der Witwe oder dem Witwer unberührt bleiben, die darauf beruhen, dass trotz der Kürzung die volle Versorgungsleistung an den bisher aus dem ungeteilten Anrecht allein Berechtigten erbracht wurde (vgl. Fricke in: beck-online.Großkommentar, Stand 1. Februar 2023, § 30 VersAusglG Rn. 1).
Allein hieran wird deutlich – und deshalb spricht der Wortlaut eben auch nur vom Versorgungsträger in der Einzahl -, dass die Vorschrift ihren Schutz vor einer Doppelleistung nicht versorgungsträgerübergreifend meinen kann. Es besteht kein Bedürfnis, die Klägerin in den Anwendungsbereich miteinzubeziehen. Sie ist – auch hierauf hat das SG im angefochtenen Urteil zutreffend hingewiesen - gar nicht durch eine Doppelleistung gefährdet. Dies ergibt sich aus § 101 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Satz 1 der Vorschrift bestimmt, dass, wenn nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt ist, die Rente der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert wird, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass der Rentenbescheid mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben ist und die §§ 24 und 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht anzuwenden sind. Für diesen Fall verhindert allein schon der Anwendungsausschluss der §§ 24, 48 SGB X Doppelzahlungen. Ohne den Anwendungsausschluss könnte der Rentenbescheid erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgehoben werden, nämlich in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Bösgläubigkeit des Begünstigten i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X. Der Ausgleichspflichtige würde in der Zwischenzeit noch die ungekürzte Rente erhalten, währenddessen die Rente des Ausgleichsberechtigten bereits rückwirkend erhöht ist (vgl. Kuszynski in: BeckOK Sozialrecht, 70. Edition 1. September 2023, SGB VI § 101 Rn. 7). Hieraus folgt, dass im Fall der Klägerin zur Verhinderung von Doppelzahlungen ein Rückgriff auf § 30 VersAusglG nicht nötig ist, weil die Klägerin bereits durch § 101 Abs. 3 S. 2 SGB VI verfahrensrechtlich vor Doppelzahlungen geschützt ist. Soweit § 101 Abs. 3 S. 4 SGB VI bestimmt, dass § 30 VersAusglG unberührt bleibt, eröffnet dies dem betroffenen Versorgungsträger die Möglichkeit, die Schuldnerschutzregelung anzuwenden und den Ausgleichsberechtigten auf das Bereicherungsrecht zu verweisen (vgl. § 30 Abs. 3 VersAusglG), wenn beide Ehegatten bzw. Lebenspartner eine Rente beziehen. Anderenfalls muss der Versorgungsträger gemäß § 101 Abs. 3 S. 2 SGB VI die Überzahlung aufheben und vom Ausgleichspflichtigen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zurückfordern (vgl. Kuszynski, a.a.O., Rn. 9).
Es besteht auch keine Divergenz i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Maßgeblich kommt es darauf an, ob ein abstrakter Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung von einem der Entscheidung der dort genannten Gerichte zu entnehmenden abstrakten Rechtssatz abweicht. Erst wenn das SG seiner Entscheidung einen mit einer solchen Entscheidung nicht übereinstimmenden Rechtssatz zugrunde gelegt hat und dadurch eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt, die der Rechtsauffassung des jeweiligen Gerichts im Grundsätzlichen widerspricht (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020 § 160 Rn. 14), liegt Divergenz vor. Eine solche Divergenz ergibt sich nicht aus dem klägerischen Vorbringen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Ein im Beschwerdeverfahren beachtlicher Verfahrensmangel liegt ebenfalls nicht vor. Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, sondern auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 144 Rn. 31 ff.). Die angefochtene Entscheidung muss auf dem Verfahrensmangel beruhen können und dieser muss ausdrücklich gerügt werden (vgl. Keller, a.a.O., § 144 Rn. 35 f.). Hiervon ausgehend fehlt es bereits an einer Rüge der Klägerin.
Mit der Zurückweisung der Beschwerde wird das Urteil des SG rechtskräftig, § 145 Abs. 4 S. 3 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.