Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
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Im Streit steht der Anspruch auf Rezepturzuschläge für zytostatikahaltige parenterale Lösungen.
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Der klagende Apothekeninhaber stellte 2014 auf ärztliche Verordnung zytostatikahaltige parenterale Lösungen für Versicherte der beklagten Krankenkasse her. Verordnet worden waren in den streitigen Abrechnungsfällen je Verordnungsblatt "2x Azacitidin" mit jeweils mehr als 50 mg Wirkstoff; nach der Fachinformation für das Arzneimittel sollten Dosen über 100 mg zu gleichen Teilen auf zwei Spritzen aufgeteilt werden. Der Kläger rechnete je Verordnung zwei Zuschläge für zwei Spritzen mit hergestellter Zubereitung ab. Die Beklagte beanstandete die zunächst von ihr vergüteten zwei Zuschläge, hielt nur einen je Verordnung für abrechnungsfähig und rechnete die beanstandeten Zuschläge gegen spätere unstreitige Vergütungsforderungen des Klägers auf (Retaxierung). Abgerechnet werden könne nach der Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 des Vertrags über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen ("Hilfstaxe") nur je Verordnung ein Zuschlag, denn der hier geregelte Zuschlag "pro applikationsfertiger Einheit" knüpfe nicht an die einzelne Spritze, sondern an die ärztlich verordnete Gesamttagesdosis an.
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Das SG hat die auf Zahlung einbehaltener Vergütung von 5994,74 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 2.8.2018). Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung verurteilt: Der Kläger habe den Zuschlag zutreffend je hergestellter Spritze angesetzt, da jede Spritze eine applikationsfertige Einheit im Sinne der Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 der Hilfstaxe sei. Dies ergebe sich aus dem für die Auslegung der Abrechnungsbestimmung maßgeblichen Wortlaut. Verordnet worden seien je Verordnung zwei Spritzen, die je für sich eine applikationsfertige Einheit seien. Auch aus dem systematischen Zusammenhang innerhalb der Hilfstaxe ergebe sich, dass mit dem Begriff der applikationsfertigen Einheit nicht auf die Gesamtmenge je Verordnung abgestellt werde (Urteil vom 10.3.2022).
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 12 SGB V. Die Hilfstaxe sei vom LSG rechtsfehlerhaft so ausgelegt worden, dass damit den Apotheken eine doppelte Abrechnung des Zuschlags ermöglicht werde, wo eine solche Abrechnung von den Vertragspartnern der Hilfstaxe nicht beabsichtigt gewesen sei und unnötig hohe Kosten für das Gesundheitswesen verursache. Vielmehr setze die Hilfstaxe die applikationsfertige Einheit mit dem Bedarf eines Tages (ärztlich verordnete Gesamttagesdosis) gleich.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 10. März 2022 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Der vom Kläger abgerechnete Rezepturzuschlag je Spritze ist rechtmäßig, weshalb die von der Beklagten vorgenommene Retaxierung rechtswidrig ist und der Kläger Anspruch auf Auszahlung der einbehaltenen Vergütung hat.
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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die vorinstanzlichen Entscheidungen und der vom Kläger geltend gemachte Vergütungsanspruch in Höhe von 5994,74 Euro nebst Zinsen, dem die Beklagte im Wege der Retaxierung einen Erstattungsanspruch in dieser Höhe wegen des vom Kläger im Zeitraum von März bis Oktober 2014 bei jeder Abgabe der verordneten zwei Spritzen mit dem Wirkstoff Azacitidin berechneten Rezepturzuschlags entgegenhält. Das hierauf gerichtete Zahlungsbegehren verfolgt der Kläger im Gleichordnungsverhältnis zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse gemäß § 54 Abs 5 SGG zutreffend mit der echten Leistungsklage (stRspr; vgl zum Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis BSG vom 22.2.2023 B 3 KR 7/21 R BSGE 135, 254 = SozR 42500 § 129 Nr 16, RdNr 8).
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2. Die Rechtsgrundlagen für den Anspruch auf Vergütung eines Rezepturzuschlags bei der Zubereitung zytostatikahaltiger Arzneimittel ergeben sich aus gesetzlichen, untergesetzlichen und vertraglichen Regelungen (vgl zum Vergütungsanspruch im Einzelnen BSG vom 22.2.2023 B 3 KR 7/21 R BSGE 135, 254 = SozR 42500 § 129 Nr 16, RdNr 9 f).
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Gestützt auf die insoweit seither unverändert gebliebene Ermächtigungsgrundlage in § 78 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AMG (idF der Bekanntmachung vom 12.12.2005, BGBl I 3394), durch Rechtsverordnung Preise für Arzneimittel, die in Apotheken hergestellt und abgegeben werden, festzusetzen, bestimmte im streitigen Zeitraum § 5 AMPreisV (idF des AMNOG vom 22.12.2010, BGBl I 2262) Apothekerzuschläge bei der Abgabe von Zubereitungen aus Stoffen, die in Apotheken angefertigt werden: einen Festzuschlag auf die Apothekeneinkaufspreise von Stoffen und Fertigarzneimitteln (Abs 1 Nr 1, Abs 2) und einen Rezepturzuschlag (Abs 1 Nr 2, Abs 3). Trifft die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker mit dem GKV-Spitzenverband Vereinbarungen über die Höhe des Rezepturzuschlags, so sind die vereinbarten Zuschläge abweichend von § 5 Abs 3 AMPreisV bei der Preisberechnung zu berücksichtigen (§ 5 Abs 5 Satz 1 AMPreisV, vgl auch § 5 Abs 6 AMPreisV). Solche abweichenden Regelungen enthielt im streitigen Zeitraum der Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (sog Hilfstaxe, hier idF vom 10.9.2009 mit Ergänzungsvereinbarungen, mit Anlagen). Nach § 2 Abs 2 dieser Hilfstaxe werden für bestimmte Rezepturen Rezepturzuschläge nach § 5 Abs 5 AMPreisV auf Vorschlag der technischen Kommission nach § 3 dieses Vertrags vereinbart und sind die Regelungen zu diesen Rezepturen als Anlagen Bestandteil dieses Vertrags und der Abrechnung zugrunde zu legen.
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Die hier maßgebliche Anlage 3 der Hilfstaxe (idF bis zum 31.8.2014 sowie ab 1.9.2014) enthält Regelungen für die Preisbildung für parenterale Lösungen. Während in Teil 1 allgemeine Bestimmungen für die Preisbildung aus der Summe der Preise für die in der Zubereitung enthaltenen Stoffe und des Preises für Primärpackmittel, zuzüglich des in den nachfolgenden Teilen festgelegten Zuschlags ("Arbeitspreis"), enthalten sind (Ziffer 2.1) sowie Festlegungen für die Bildung der abrechnungsfähigen Menge getroffen werden, wonach bei parenteralen Zubereitungen abrechnungsfähig ärztliche Verordnungen sind, die den Bedarf von bis zu einer Woche umfassen, soweit es sich um nach Art und Menge identische Zubereitungen (applikationsfertige Einheiten) handelt (Ziffer 3.1), und eine Charge als die an einem Tag je Verordnung hergestellte Anzahl identischer applikationsfertiger Einheiten definiert wird (Ziffer 3.3.), enthält Teil 2 der Anlage 3 die Preisbildung für zytostatikahaltige parenterale Lösungen, die den nach § 5 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 3 und 6 AMPreisV abrechenbaren Rezepturzuschlag ersetzt. Für die Herstellung zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen ist nach Ziffer 6 der Anlage 3 Teil 2 "pro applikationsfertiger Einheit" ein Zuschlag von 79 Euro (ab 1.9.2014 von 81 Euro) abrechnungsfähig.
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3. Diese Regelungen sind als normenvertragliche Abrechnungsbestimmungen nach ständiger Rechtsprechung auch des Senats streng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Ihren Zweck können Vergütungsregelungen, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Fällen vorgesehen sind, nur erfüllen, wenn sie keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belassen (stRspr; vgl BSG vom 22.2.2023 B 3 KR 7/21 R BSGE 135, 254 = SozR 42500 § 129 Nr 16, RdNr 15 mwN).
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4. Ausgehend hiervon berechtigt jede je für sich abgabefertige und je für sich vollständige, hergestellte Zytostatikazubereitung als applikationsfertige Einheit zur Abrechnung eines Rezepturzuschlags. Applikationsfertige Einheit im Sinne des Rezepturzuschlags der Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 der Hilfstaxe ist danach hier jede einzelne injektionsfertige Spritze mit hergestellter Zubereitung.
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a) Der Rezepturzuschlag fällt je hergestellter Spritze an, die eine für sich vollständige Zubereitung enthält. Die applikationsfertige Einheit bezieht sich für die Abrechnungsfähigkeit des Rezepturzuschlags nach dem Wortlaut von Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 der Hilfstaxe nicht auf die einem Versicherten pro Tag zu verabreichende Gesamtdosis eines Wirkstoffs, sondern auf das Ergebnis des Herstellungsprozesses iS des § 4 Abs 14 AMG (idF des Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 25.5.2011, BGBl I 946), hier die jeweils hergestellten Spritzen. Applikationsfertig in diesem wörtlichen Sinne ist eine Einheit auch dann, wenn es zur Erreichung der ärztlich verordneten Gesamttagesdosis einer weiteren applikationsfertigen Einheit bedarf, hier einer zweiten Spritze. Diesem Wortlautverständnis der vorliegend maßgeblichen vertraglichen Zuschlagsregelung steht nicht entgegen, dass eine verordnete Tagesdosis aus mehreren applikationsfertigen Einheiten bestehen kann, selbst wenn diese auf einmal zu verabreichen sein sollten. Die Abrechnungsbestimmung zum Rezepturzuschlag bezieht sich nach ihrem Wortlaut nicht auf die ärztlich verordnete Gesamttagesdosis hergestellter zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen.
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b) Anderes folgt nicht unter Einbeziehung systematischer Zusammenhänge innerhalb der Anlage 3 der Hilfstaxe. Vielmehr knüpft danach die Abrechnung des herstellenden Apothekers an die ärztliche Verordnung an (Teil 1 Ziffer 3.1) hier "2x Azacitidin" und die Preisbildung an die Zubereitung (Teil 1 Ziffer 2.1) und werden applikationsfertige Einheiten mit einzelnen Zubereitungen gleichgesetzt (Teil 1 Ziffer 3.1, Teil 5 Ziffer 6). Zudem wird in der Anlage 3 der Hilfstaxe die an einem Tag je Verordnung hergestellte Anzahl identischer applikationsfertiger Einheiten als Charge bezeichnet (Teil 1 Ziffer 3.3). An diesen Begriff knüpft indes die Zuschlagsregelung in Teil 2 Ziffer 6 nicht an; abrechnungsfähig ist nach dieser ein Zuschlag für die Herstellung zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen "pro applikationsfertiger Einheit" und nicht pro Charge. Ein Bezug des abrechnungsfähigen Rezepturzuschlags auf die ärztlich verordnete Gesamttagesdosis ergibt sich daher auch nicht aus systematischen Erwägungen.
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c) Eine andere Auslegung ergibt sich auch nicht aus systematischen Erwägungen im Vergleich mit § 5 Abs 3 Satz 1 AMPreisV. Nur für die dort benannten Fälle, soweit in der Hilfstaxe nicht abweichende Vereinbarungen getroffen sind, gelten sich vom Wortlaut der Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 der Hilfstaxe unterscheidende Regelungen des Rezepturzuschlags. Anders als diese Regelungen in der AMPreisV stellt die Hilfstaxe in Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 allein auf die applikationsfertige Einheit als Anknüpfungspunkt für den Rezepturzuschlag ab (vgl zur Unterschiedlichkeit der Regelungen LSG Baden-Württemberg vom 29.1.2024 L 4 KR 3239/21 juris RdNr 36, 38).
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5. Hätte die vertragliche Zuschlagsregelung einen Rezepturzuschlag für eine verordnete Gesamttagesdosis zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen vorsehen sollen, hätte dies von den Vertragspartnern der Hilfstaxe so ausdrücklich vereinbart werden müssen. Deren Vereinbarung eines Zuschlags pro applikationsfertiger Einheit und damit je hergestellter einzelner abgabefertiger Zubereitung (hier: je injektionsfertiger Spritze) überschreitet nicht den gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Gestaltungsspielraum der Vertragspartner (vgl zu diesem Maßstab BSG vom 22.2.2023 B 3 KR 7/21 R BSGE 135, 254 = SozR 42500 § 129 Nr 16, RdNr 17).
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Dass diese Vereinbarung insbesondere das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) verletzen könnte, ist auch vor dem Hintergrund des Revisionsvorbringens der Beklagten nicht ersichtlich. Vielmehr stellt die Regelung als Abrechnungsbestimmung im Gefüge eines vorgegebenen Vergütungssystems nicht auf den konkreten Arbeitsaufwand im Einzelfall ab, sondern vereinfacht unter Anknüpfung an die zählbare applikationsfertige Einheit die Abrechnung und leistet eine Mischkalkulation.
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6. Auf dieser Grundlage hat der Kläger nach Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 der Hilfstaxe einen Vergütungsanspruch unter Berücksichtigung eines Rezepturzuschlags für die Herstellung des verordneten Arzneimittels als zytostatikahaltige parenterale Lösung für jede applikationsfertige Einheit im Primärpackmittel Spritze. Der abgerechnete Zuschlag je Spritze mit hergestellter Zubereitung steht in Übereinstimmung mit der vertraglichen Abrechnungsbestimmung. Der Kläger hatte auch keinen Anlass, die Verordnung von "2x Azacitidin" mit jeweils mehr als 50 mg Wirkstoff für unplausibel und vor Herstellung und Abrechnung für mit dem verordnenden Arzt klärungsbedürftig zu halten. Die Herstellung von zwei Spritzen je Verordnung ist durch die Fachinformation zum Arzneimittel Vidaza® für Dosen über 100 mg mit dem Wirkstoff Azacitidin vorgesehen; dem entspricht die ärztliche Verordnung. Diese Verordnung eines Rezepturarzneimittels hat der Kläger als herstellender Apotheker nach einer Plausibilitätsprüfung unter pharmazeutischen Gesichtspunkten umzusetzen gehabt (§ 7 Abs 1 und 1b ApBetrO idF der Vierten Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung vom 5.6.2012, BGBl I 1254).
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Zu Recht beansprucht der Kläger danach die Auszahlung der einbehaltenen Vergütung für die nicht im Streit stehende Versorgung von Versicherten der Beklagten (vgl zur Aufrechnung einer Krankenkasse mit anderweitigen Vergütungsansprüchen nur BSG vom 22.2.2023 B 3 KR 7/21 R BSGE 135, 254 = SozR 42500 § 129 Nr 16, RdNr 18 mwN).
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Die rechtmäßige Zinsberechnung beruht auf dem unbestrittenen Zinsbeginn und der geltend gemachten Höhe (§ 288 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 BGB).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.