L 4 KR 1027/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 KR 985/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1027/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. März 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens die Gewährung von Krankengeld für mehrere Zeiträume zwischen dem 17. November 2017 bis 12. Juli 2018.

Die 1987 geborene Klägerin war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ab 25. Januar 2017 in der Krankenversicherung der Arbeitslosen. Ab dem 12. Juni 2017 war sie wegen einer depressiven Störung arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 31. Juli 2017 bezog sie weiterhin Arbeitslosengeld. Nach zunächst durchgehender Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch A1 bis zum 21. August 2017 attestierte diese mit einer auf den 4. September 2017 datierten Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Arbeitsunfähigkeit bis 28. September 2017, anschließend mit weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis 16. November 2017.

Mit Bescheid vom 28. September 2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin Krankengeld vom 1. bis 21. August 2017 i.H.v. 48,11 € (netto) täglich. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag lehnte sie die Gewährung von Krankengeld über den 21. August 2017 hinaus ab. Erst am 4. September 2017 sei erneut Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe aber keine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld mehr bestanden. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hiergegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 17. September 2018 (S 15 KR 1599/18) ab. Auf die Berufung der Klägerin, mit der sie die Gewährung von Krankengeld über den 21. August 2017 bis zum 18. Dezember 2017 begehrte, änderte das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 5 KR 3695/18) den angefochtenen Gerichtsbescheid mit Urteil vom 1. Juli 2020 ab, verurteilte die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2018, der Klägerin Krankengeld über den 21. August 2017 hinaus bis zum 16. November 2017 zu gewähren, und wies die Berufung im Übrigen zurück. Die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit am 22. August 2017 sei rechtzeitig festgestellt worden, so dass ein durchgehender Anspruch auf Krankengeld über den 21. August 2017 hinaus bestehe. Ab dem 17. November 2017 ruhe der Anspruch jedoch mangels rechtzeitiger Meldung der Arbeitsunfähigkeit. Die erstmals im Berufungsverfahren vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17. November 2017 sei nach Inhalt der Verwaltungsakte und nachvollziehbarer Mitteilung des Terminvertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung dieser nicht bekannt. Der Vortrag der Klägerin, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei wohl im Zuge der Umbauarbeiten in der zuständigen Niederlassung der Beklagten verloren gegangen, sei insofern nicht substantiiert. Die dagegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerin und der Beklagten wurden durch Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Dezember 2020 verworfen (B 3 KR 41/20 B).

Über den 16. November 2017 hinaus bescheinigte A1 der Klägerin Arbeitsunfähigkeit, wie folgt: (die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen tragen jeweils den Eingangsstempel der Bezirksdirektion S1 der Beklagten, KundenCenter C1, mit dem Zusatz „Post“)

 

Feststellung

Beginn

Ende

Eingang

17.11.2017

22.08.2017

18.12.2017

10.01.2018

18.12.2017

22.08.2017

15.01.2018

27.12.2017

„12.06.17“
ausgestellt am 19.12.2017

21.06.2017

15.01.2018

27.12.2017

15.01.2018
ausgestellt am 7.02.2017

15.01.2018

15.02.2018

16.02.2018

15.02.2018

15.01.2018

15.03.2018

28.02.2018

16.03.2018

15.01.2018

16.04.2018

27.03.2018

16.04.2018

15.01.2018

14.05.2018

17.04.2018

„22.05.18“
ausgestellt am 15.05.2018

15.05.2018

12.06.2018

07.06.2018

13.06.2018

15.05.2018

12.07.2018

21.06.2018


Ein Attest der A1 vom 19. Juli 2017 („Wir bestätigen hiermit, dass [die Klägerin] seitdem 12.06.2017 ununterbrochen bis auf weiteres arbeitsunfähig erkrankt ist“), trägt den Eingangsstempel des Kundencenters vom 27. Dezember 2017 („Post“).

Am 29. Juni 2021 beantragte die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. Juni 2021 die Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2017 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie habe auch für die Zeit nach dem 16. November 2017 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erhalten und jeweils persönlich im Kundencenter C1 abgegeben. Da die Beklagte die Bescheinigungen scheinbar nicht erhalten habe, sei sie nun selbst in C1 vorstellig geworden und habe sich Kopien der dort vorhandenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aushändigen lassen. Beigefügt waren die in obiger Tabelle aufgeführten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2021 nahm die Beklagte den Bescheid vom 28. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Februar 2018 teilweise zurück und anerkannte im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit vom 12. Juni 2017 bis 12. Juli 2018 einen Grundanspruch auf Krankengeld über den 16. November 2017 hinaus bis zum 12. Juli 2018. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe jedoch in den Zeiträumen 17. November 2017 bis 18. Dezember 2017, 19. Dezember bis 26. Dezember 2017, 16. Januar bis 15. Februar 2018, 16. bis 27. Februar 2018, 16. bis 26. März 2018, 15. Mai bis 6. Juni 2018 und 13. bis 20. Juni 2018, da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 17. November 2017, 18. Dezember 2017, 15. Januar 2018/7. Februar 2018, 15. Februar 2018, 16. März 2018, 15. Mai 2018/22. Mai 2018 und 13. Juni 2018 erst nach Ablauf von einer Woche nach dem jeweiligen ärztlichen Feststellungstag eingereicht worden seien.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, sämtliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen unverzüglich nach Erhalt von ihrer behandelnden Ärztin bei der Filiale in C1 persönlich abgegeben zu haben. Dort sei offenbar während des Umbaus des Gebäudes die ordnungsgemäße Organisation des Posteingangs nicht sichergestellt gewesen, was allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten falle. Diese sei gehalten, auch während eines Umbaus einer Filiale den sicheren Zugang von Dokumenten und den taggleichen Eingangsstempel auf abgegebenen Bescheinigungen sicherzustellen. Dass ein Organisationsmangel vorliege, zeige sich schließlich auch daran, dass die Beklagte im Berufungsverfahren vor dem LSG Baden-Württemberg noch behauptet habe, die Bescheinigungen seien überhaupt nicht eingereicht worden, während sie nun den Erhalt zwar einräume, aber deren Verspätung behaupte.

Für die Zeiträume vom 27. Dezember 2017 bis 15. Januar 2018, 28. Februar bis 15. März 2018, 27. März bis 15. April2 2018, 16. April bis 14. Mai 2018, 7. bis 12. Juni 2018 und 21. Juni bis 12. Juli 2018 überwies die Beklagte der Klägerin Krankengeld in Höhe von insgesamt 5.436,43 € (Schreiben vom 6. April 2022).

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2022 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 30. März 2022 Klage beim SG, zu deren Begründung sie über ihr bisheriges Vorbringen hinaus ausführte, die Beklagte sei im Widerspruchsbescheid auf ihre Darlegung eines Organisationsverschuldens überhaupt nicht eingegangen. Dieses folge schon daraus, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachweislich einen Eingangsstempel erhalten hätten, dem zuständigen Sachbearbeiter aber im Berufungsverfahren L 5 KR 3695/18 unbekannt gewesen seien. Im Anschluss an dieses Verfahren habe ihr Ehemann direkt in der Filiale in C1 nachgefragt und dort sämtliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus dem Zeitraum November 2017 bis Juni 2018 ausgedruckt erhalten. Sie habe die jeweiligen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen immer selbst in der Filiale in C1 abgegeben oder in den dortigen Briefkasten geworfen, zumeist sogar direkt nach dem Arztbesuch, da sich die Filiale auf dem Weg von der Ärztin zu ihrer Wohnung befinde. Dies habe sie immer allein, also nicht in Beisein ihres Ehemannes, gemacht. Dieser habe aber die E-Mail-Korrespondenz mit der Beklagten geführt. Ergänzend legte sie die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vor (Bl. 12/15 der SG-Akte).

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Dass die Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Kundencenter C1 abgegeben habe, werde nicht in Zweifel gezogen. Dies sei lediglich ihrem Terminvertreter im Berufungsverfahren L 5 KR 3695/18 im Zeitpunkt der dortigen mündlichen Verhandlung nicht bekannt gewesen, da sie im elektronischen Archiv nicht gespeichert gewesen seien. Auch während des damaligen Umbaus des Gebäudes sei das Kundencenter immer von montags bis freitags zu den üblichen Öffnungszeiten besetzt und auch der Briefkasten immer zugänglich gewesen.

Mit Urteil vom 6. März 2023 wies das SG die Klage ab. Der Anspruch auf Krankengeld habe in den von der Beklagten genannten Zeiträumen geruht, da die entsprechenden Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit der Beklagten nicht spätestens innerhalb einer Woche gemeldet worden seien. Die Meldung werde erst durch den Zugang bei der Krankenkasse bewirkt. Gegen die Abgabe am Tag der jeweiligen ärztlichen Behandlung streite bereits der hiervon abweichende Eingangsstempel der Beklagten. Bei dem behördlichen Eingangsstempel handle es sich um eine öffentliche Urkunde, die den vollen Beweis für die Richtigkeit des durch den Stempel angegebenen Eingangsdatums erbringe. Der grundsätzlich zulässige Gegenbeweis erfordere den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen genügten nicht. Der klägerische Vortrag, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zumeist persönlich an der Infothek abgegeben, jedoch nie gesehen zu haben, dass ein Eingangsstempel aufgebracht worden sei, könne als wahr unterstellt werden. Die hieraus gezogene Schlussfolgerung, die Post sei nicht am Tag des Eingangs, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt gestempelt worden, lasse sich durch nichts belegen und sei damit lediglich spekulativ. Dem Vortrag der Klägerin, die Bescheinigungen zumeist direkt vom Rückweg von der Arztpraxis zu ihrer Wohnung in der Filiale C1 vorbeigebracht zu haben, da diese „auf dem Weg liege“, stehe entgegen, dass diese in entgegengesetzter Richtung liege.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. März 2023 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat. Die Beklagte habe nicht dargelegt, wie sie in der Filiale sichergestellt habe, dass es einen taggleichen Eingangsstempel gegeben habe und wie die zeitnahe Sachbearbeitung sichergestellt worden sei. Sie selbst habe beobachtet, dass die persönlich abgegebenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in Empfang genommen und dann ungestempelt ins Postfach gelegt worden seien. Außerdem habe sie die Auskunft erhalten, dass sämtliche Post aus C1 in K1 gescannt werde. Ergänzend hat sie vorgetragen, am 22. Dezember 2017 an eine Mitarbeiterin der Beklagten eine – vorgelegte – E-Mail geschrieben zu haben, wonach sie am 22. Dezember 2017 eine erneute Erklärung ihrer behandelnden Psychiaterin einreichen werde. Daher sei davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 19. Dezember 2017 und das Attest der A1 vom selben Tag noch am Tag der E-Mail abgegeben worden seien und nicht erst am 27. Dezember 2017, wie der Eingangsstempel besage. Die Arbeitsunfähigkeit ab dem 19. Dezember 2017 sei der Beklagten jedenfalls innerhalb einer Woche im Sinne des Gesetzes mitgeteilt worden. Hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17. November 2017 sei deren Abgabe ebenfalls in C1 nachweisbar. Wenn allerdings Schriftstücke vom 18. bzw. 19. Dezember 2017 nachweislich spätestens am 27. Dezember 2017 eingegangen seien, wirke es sonderbar, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17. November 2017 einen Stempel mit dem Datum 10. Januar 2018 trage. Auch ihr Ehemann habe sich intensiv um Beratung hinsichtlich des Krankengeldes bemüht und u.a. die Auskunft erhalten, dass wegen der Umbauarbeiten ein persönliches Gespräch mit einem Sachbearbeiter in der Filiale in C1 nicht möglich sei. Auch hätten sie und ihr Ehemann auf ihre E-Mails lediglich Abwesenheitsnotizen erhalten. Ansprechpartner hätten wiederholt gewechselt. Zusammengefasst habe bei der Beklagten während des Umzugs Chaos geherrscht und es eine persönliche Beratung nicht gegeben. Niemand habe sie, die Klägerin, darauf hingewiesen, dass sie auch während des laufenden Widerspruchsverfahrens binnen Wochenfrist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einreichen müsse. Es stelle sich auch die Frage, ob nicht bereits die E-Mails von Oktober bis Januar ausreichten, um von einer Kenntnis der Beklagten von der dauerhaften Erkrankung und durchgehenden Arbeitsunfähigkeit auszugehen bzw. der fehlenden Sicherstellung einer Erreichbarkeit. Zur Untermauerung ihres Vorbringens hat sie umfangreiche E-Mail-Korrespondenz zwischen ihr bzw. ihrem Ehemann mit der Beklagten vorgelegt.

Der Berichterstatter hat am 23. Mai 2023 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt. In diesem hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben, wonach sie der Klägerin Krankengeld auch für die Zeit vom 18. Dezember bis 26. Dezember 2017 auszahle. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnisses angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen fortgesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 23. Mai 2023 Bezug genommen (Bl. 75/77 der Senatsakte).

Zur weiteren Begründung hat die Klägerin ausgeführt, unbeachtet geblieben sei bisher auch, dass die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) im Falle einer unbefristeten Krankschreibung nicht gelte. Erst recht finde sie keine Anwendung, wenn die Krankenkasse die auf unabsehbare Zeit attestierte Arbeitsunfähigkeit gar nicht anzweifle, sondern sich lediglich – wie vorliegend – aus hiervon unabhängigen Rechtsgründen nicht zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet sehe. Die Ruhensvorschrift finde wegen Verstoßes der Beklagten gegen die Beratungspflicht nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) keine Anwendung. Sie und ihr Ehemann hätten, insbesondere in den E-Mails vom 2. Oktober 2017 und 5. Januar 2018, mehrfach um ein persönliches Gespräch gebeten, um sich persönlich beraten zu lassen, was zu tun sei, damit sie, die Klägerin, einen Anspruch auf Krankengeld erhalte. Dies habe sich nicht auf das ursprüngliche Problem der Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung beschränkt. Die Beklagte habe bereits im Oktober 2017, erneuert im Dezember 2017, Kenntnis über eine unbefristet fortbestehende Arbeitsunfähigkeit gehabt. Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei insoweit nicht erforderlich. Eine bestimmte Form werde nicht verlangt. Eine schriftliche, mündliche oder fernmündliche Mitteilung genüge. Wenn, wie sich aus der E-Mail vom 22. Dezember 2017 ergebe, während der allgemeinen Öffnungszeiten in der Filiale niemand erreichbar gewesen sei, könne auch niemand einen Posteingangsstempel auf den Bescheinigungen angebracht haben. Wenn zwei Bescheinigungen von vor Weihnachten datierten und sie, die Klägerin, nachweislich vor dem 22. Dezember 2017 und am 22. Dezember 2017 bei der Beklagten habe vorsprechen wollen, müsste es zwei verschiedene Eingangstempeln aus dem Zeitraum vom 19. bis 22. Dezember 2017 geben. Dies spreche für eine unzureichende Organisation zur Sicherstellung eines taggleichen Eingangsstempels. Die Beklagte treffe aber eine entsprechende Organisationspflicht (Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. August 2020 – L 9 KR 234/19 – juris), so dass sie sich wegen des Verstoßes hiergegen nicht auf die Ausschlussfrist berufen dürfe (Verweis auf BSG, Urteil vom 26. März 2020 – B 3 KR 9/19 R – juris). Ihr, der Klägerin, Ehemann habe mehrfach bei der Beklagten angerufen, sei selbst praktizierender Arzt und hätte somit telefonisch jederzeit die durchgängige Arbeitsunfähigkeit seiner Frau erklären können. Aus diesem Grund sei dieser als Zeuge zu vernehmen für die von ihm geführten Telefonate mit der Beklagten und zu der Frage, wann die Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Beklagten eingereicht habe.

Die Klägerin hat (schriftsätzlich) beantragt:

„Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom Az.: S 23 KR 985/22 wird abgeändert, der Bescheid vom 27.12.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2022 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt den Bescheid vom 28.09.2017 zurückzunehmen und der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe vom 16.11.2017 bis zum 12.07.2018 zahlen.“

Die Beklagte hat (schriftsätzlich) beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Atteste vom 28. September 2017 und 19. Dezember 2017 habe A1 auf der Grundlage der Patientenakte erstellt. Eine persönliche Untersuchung der Klägerin zur Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit habe sie an keinem der beiden Tage durchgeführt. Die E-Mails der Klägerin bzw. ihres Ehemannes vom 2. Oktober 2017 und 5. Januar 2018 nähmen eindeutig Bezug auf den Bescheid vom 28. September 2017 und auf den Widerspruch der Klägerin. Angesichts dieser klaren Bezugnahmen in beiden E-Mailnachrichten auf das laufende Widerspruchsverfahren sei die Lesart, es handele sich dabei nur um Fragen zum Widerspruchsverfahren, die einzig plausible Möglichkeit. Aussagen zu weiteren konkret benannten Zeiträumen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit enthielten sie nicht. Die Klägerin habe ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im gesamten streitigen Zeitraum entweder persönlich am Empfang des Kundencenters abgeben oder in dessen Briefkasten einwerfen können. Diese Möglichkeiten habe sie auch genutzt. So habe sie die ersten vier Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen am Empfang abgegeben und alle weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in den Briefkasten eingeworfen. Ein Organisationsmangel habe in den Jahren 2017 und 2018 beim Kundencenter der Beklagten nicht bestanden. Anhaltspunkte für eine Beweislastumkehr seien nicht gegeben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 89/90 der Senatsakte), die Klägerin unter Aufrechterhaltung des Antrags auf Vernehmung des Ehemanns als Zeugen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn das von der Klägerin begehrte Krankengeld übersteigt insgesamt den Beschwerdewert in Höhe von 750,00 €.

2. Gegenstand des Verfahrens ist das erkennbare (§§ 153 Abs. 1, 123 SGG) Begehren der Klägerin auf Zahlung von Krankengeld für mehrere Zeiträume zwischen dem 17. November 2017 bis 12. Juli 2018. Zwar bildet sich dies in dem schriftsätzlich formulierten Antrag nicht ab, nach dem die Zahlung für den gesamten Zeitraum begehrt wird. Da jedoch bereits der Klageerhebung der Widerspruchsbescheid vom 15. März 2022 beigefügt war, dem die einzelnen Zeiträume zu entnehmen sind, für die die Zahlung von Krankengeld unter Berücksichtigung bereits anerkannter Zeiträume wegen Ruhens abgelehnt wurde, war die Klage erkennbar lediglich auf die im genannten zeitlichen Rahmen nicht gewährten Zeiträume beschränkt. Insbesondere hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, die Zahlung für die anerkannten Zeiträume sei nicht erfolgt. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren im Rahmen des Zugunstenverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X auf Rücknahme des ursprünglichen, die Gewährung von Krankengeld ab dem 22. August 2017 ablehnenden Bescheids vom 28. September 2017. Unmittelbar streitbefangen ist daher der diese Rücknahme teilweise ablehnende Bescheid vom 27. Dezember 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2022 (§ 95 SGG).

Da die Beklagte in diesen Bescheiden – insoweit unangefochten – unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Februar 2018 im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit vom 12. Juni 2017 bis 12. Juli 2018 einen Grundanspruch auf Krankengeld über den 16. November 2017 hinaus bis zum 12. Juli 2018 und einen Auszahlungsanspruch für die Zeiträume vom 27. Dezember 2017 bis 15. Januar 2018, 28. Februar bis 15. März 2018, 27. März bis 15. April 2018, 16. April bis 14. Mai 2018, 7. Juni bis 12. Juni 2018 und 21. Juni bis 12. Juli 2018 anerkannt hatte, war das ursprüngliche Klagebegehren auf die restlichen Zeiträume beschränkt. Durch das angenommene Teilanerkenntnis vom 23. Mai 2023 hat sich der Rechtsstreit des Weiteren für die Zeit vom 18. Dezember bis 26. Dezember 2017 erledigt (§§ 153 Abs. 1, 101 Abs. 2 SGG). Streitbefangenen sind noch die Zeiträume vom 17. November 2017 bis 17. Dezember 2017, 16. Januar bis 15. Februar 2018, 16. bis 27. Februar 2018, 16. bis 26. März 2018, 15. Mai bis 6. Juni 2018 und 13. bis 20. Juni 2018.

3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die zulässige (dazu a) Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2017 (dazu b). Der Bescheid vom 27. Dezember 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2022 ist im noch streitgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

a) Die als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage statthafte Klage ist nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft nach §§ 141 Abs. 1 Nr. 1, 105 Abs. 3 SGG unzulässig. Zwar hatte das SG im Gerichtsbescheid vom 17. September 2018 (S 15 KR 1599/18), insoweit bestätigt durch Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 1. Juli 2020 (L 5 KR 3695/18), auch über den Krankengeldanspruch für die vorliegend u.a. streitige Zeit vom 17. November bis 18. Dezember 2017 – abweisend – entschieden, was nach Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin rechtskräftig geworden ist. Gleichwohl liegt in den beiden Verfahren nicht derselbe Streitgegenstand i.S.d. § 141 Abs. 1 SGG vor. Unmittelbar Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 27. Dezember 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2022, nicht der dort streitgegenständliche Bescheid vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2018.

Einer Klagebefugnis i.S. eines möglichen Anspruches auf Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2017 steht die Klageabweisung im früheren Verfahren für die Zeit vom 17. November bis 18. Dezember 2017 nicht entgegen. Zwar ist dadurch der genannte Bescheid für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG). Eine Bindung besteht jedoch nur, „soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist“. In diesem Sinne ist § 44 SGB X eine gesetzliche Bestimmung, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung zulässt. Sie vermittelt einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2013 – B 13 R 91/11 R – juris, Rn. 18 m.w.N.).

b) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2017 und Auszahlung von Krankengeld im noch streitbefangenen Umfang.

aa) Die Voraussetzungen einer – weitergehenden – Rücknahme dieses Bescheides gemäß § 44 Abs. 1 SGB X liegen nicht vor.

Dieser bestimmt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Der Bescheid vom 28. September 2017 ist in der Gestalt, die er mittlerweile durch den hier angefochtenen Teilrücknahmebescheid sowie das Teilanerkenntnis erfahren hat, also die Zahlung von Krankengeld für die o.g. Zeiträume ablehnt, rechtmäßig. Die Beklagte hat insoweit weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

bb) Dem Anspruch auf Auszahlung von Krankengeld steht in den noch streitigen Zeiträumen das Ruhen des Krankengeldanspruches entgegen.

(1) Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V (in der hier noch anzuwendenden Fassung des Art. 12 Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelunge vom 6. April 1998, BGBl. I, S. 688) ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.

§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V begründet zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld eine (Melde-)Obliegenheit der Versicherten. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist auf die Meldung der Arbeitsunfähigkeit als Tatsachenmitteilung begrenzt. Diese bezweckt, der Krankenkasse die Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu ermöglichen. Die Ruhensvorschrift soll die Krankenkassen zum einen davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Krankengeldanspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen, um Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können. Überdies sollen die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK; jetzt Medizinischer Dienst [MD]) überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (BSG, Urteile vom 5. Dezember 2019 – B 3 KR 5/19 R – juris, Rn. 15 und vom 25. Oktober 2018 – B 3 KR 23/17 R – juris, Rn. 18 m.w.N.). Durch diesen Regelungszweck wird die Auslegung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bestimmt und begrenzt (vgl. allgemein zur Auslegung von Vorschrift des SGB V zur Krankengeldbeschränkung: BSG, Urteil vom 26. März 2020 – B 3 KR 9/19 R – Rn. 18 m.w.N.).

(a) Dem Regelungszweck entsprechend muss die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat und wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu befinden ist (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 3 KR 23/17 R – m.w.N. zur st. Rspr.).

Entgegen der Ansicht der Klägerin lag hier keine unbefristete Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vor, so dass die Meldeobliegenheit entfallen könnte. Die Arbeitsunfähigkeit wurde jeweils für befristete Zeiträume ärztlich festgestellt. Wegen der Einzelheiten der jeweiligen Feststellungen (Datum der Feststellung, voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit) wird auf die tabellarische Darstellung im Tatbestand Bezug genommen. Diese Einzelheiten stehen zur Überzeugung des Senats aufgrund der vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der A1 (Bl. 19/32 der vorgelegten Verwaltungsakte) fest. Diese stellt die Klägerin auch nicht in Abrede. Sie will eine unbefristete Feststellung der Arbeitsunfähigkeit jedoch aus den Attesten von A1 vom 28. September (Eingang vom 27. Oktober 2017) und 19. Dezember 2017 ableiten. Eine entsprechende Feststellung ist diesen aber nicht zu entnehmen. Beide Atteste enthielten u.a. den Wortlaut: „Wir bestätigen hiermit, dass [die Klägerin] seitdem 12.06.2017 ununterbrochen bis auf weiteres arbeitsunfähig erkrankt ist.“ Dies bezog sich zunächst auf die ursprünglich streitige Frage einer möglichen Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit im September 2017. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem weiteren Zusammenhang und Wortlaut des Attests vom 28. September 2017 („Die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde in unserer Praxis versehentlich, d-h aus personell organisatorischen Gründe falsch datiert.“) und hinsichtlich des Attests vom 19. Dezember 2017 aus dem Zusammenhang, in dem es vorgelegt wurde, nämlich zur Klärung des bis dahin streitigen „Sachverhalts“ (E-Mail der Klägerin vom 22. Dezember 2017; Bl. 23 der Senatsakte), also der fraglichen Unterbrechung. Unabhängig davon kann die weitere – zukunftsgerichtete – Angabe von Arbeitsunfähigkeit nicht isoliert von deren konkreten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom selben Tag gesehen werden. Danach wurde die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich auf den 15. Januar 2018 begrenzt, wie dies auch in den darauffolgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen jeweils vorgenommen wurde. Eine über den 15. Januar 2018 hinausgehende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lag daher im genannten Attest nicht vor. Entsprechendes gilt für das Attest vom 28. September 2017. So war auch die spätere, am 19. Oktober 2017 festgestellte Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich auf den 16. November 2017 begrenzt (Bl. 147 der Verwaltungsakte). Selbst wenn man in diesem Attest eine – zunächst – unbefristete Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sehen wollte, wäre diese durch die spätere, nur befristet getroffene Feststellung ab dem 19. Oktober 2017 bereits vor Beginn des hier streitbefangenen Zeitraums obsolet geworden.

(b) Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, die Ruhensvorschrift finde vorliegend keine Anwendung, weil die Beklagte die auf unabsehbare Zeit attestierte Arbeitsunfähigkeit gar nicht anzweifle, sondern sich lediglich aus hiervon unabhängigen Rechtsgründen nicht zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet sehe. Zunächst lag, wie dargelegt, gerade keine unbefristet festgestellte Arbeitsunfähigkeit vor, insbesondere ging die Beklagte nicht von einer solchen oder von einer anderweitig festgestellten Arbeitsunfähigkeit gerade in den streitbefangenen Zeiträumen aus. Den von der Klägerin angeführten gerichtlichen Entscheidungen lagen insoweit maßgeblich abweichende Sachverhalte zugrunde. In den dort entschiedenen Fällen war die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten jeweils durch den MDK bzw. den Sozialmedizinischen Dienst der Krankenkasse – wie vorliegend eben nicht – bestätigt worden (BSG, Urteil vom 12. März 2013 – B 1 KR 7/12 R – juris, Rn. 16; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. März 2018 – L 1 KR 38/17 – juris, Rn. 56).

(2) Vorliegend waren die jeweiligen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit in den streitbefangenen Zeiträumen der Beklagten nicht, insbesondere nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemeldet worden.

Als bloße Tatsachenmitteilung ist die Meldung der Arbeitsunfähigkeit an keine besondere Form gebunden. Sie kann telefonisch, schriftlich, mündlich oder – jedenfalls bei entsprechend eröffnetem Mitteilungsweg – in elektronischer Form erfolgen und ist auch durch einen Vertreter möglich. Zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit gehört dabei notwendig der Hinweis auf die ärztliche Feststellung, während es einer separaten mündlichen oder schriftlichen Erklärung des Versicherten, dass er arbeitsunfähig ist, neben der ärztlichen Feststellung gegenüber der Krankenkasse, nicht bedarf. Die Meldung ist in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 1 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erst dann erfolgt, wenn sie der Krankenkasse zugegangen ist (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 3 KR 23/17 R – juris, Rn. 17, 19 m.w.N.).

Die Wochenfrist, innerhalb derer die Meldung der Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Krankenkasse erfolgen kann, ist mit Rücksicht auf den Regelungszweck eine (materielle) Ausschlussfrist (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 3 KR 23/17 R – juris, Rn. 18 m.w.N.), nach deren Funktion und Zweck eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unzulässig ist (§ 27 Abs. 5 SGB X; BSG, Urteil vom 5. Dezember 2019 – B 3 KR 5/19 R – juris, Rn. 24). Die Fristberechnung für die Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit wird nach § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 BGB (Ereignisfrist) berechnet, die Frist beginnt also am Tag nach der ärztlichen Erstfeststellung. Die Frist endet eine Woche später mit dem Ablauf des Tages, der dem Tag entspricht, an dem die Arbeitsunfähigkeit begann oder „weiter“ bestand. Endet die Frist danach an einem Samstag (Sonnabend), Sonn- oder Feiertag, so wird sie nach § 26 Abs. 3 SGB X auf den nächsten Werktag verlängert. Die Meldeobliegenheit trifft den Versicherten bei vorzeitigen Folgefeststellungen erst, wenn wegen der Befristung der bisher attestierten Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung neu zu befinden ist. Daher ist für den Beginn der Meldefrist bei befristeter Bewilligung von Krankengeld bzw. abschnittsweiser Folgebescheinigungen auf den Tag abzustellen, bis zu dem zuletzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde (Schifferdecker, in: BeckOGK/Kasseler Kommentar, SGB V, Stand August 2024, § 49 Rn. 65 f.).

(a) Vor Beginn des ersten vorliegend streitbefangenen Zeitraums war die Arbeitsunfähigkeit zuletzt bis zum 16. November 2017 festgestellt worden (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 19. Oktober 2017). Die weitere Feststellung erfolgte am 17. November 2017 bis zum 18. Dezember 2017. Eingegangen bei der Beklagten ist diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst am 10. Januar 2018. Die Wochenfrist wurde danach nicht gewahrt. Bei zuvor bis 15. Januar 2018 festgestellter Arbeitsunfähigkeit erfolgte die weitere Feststellung am 15. Januar 2018. Die entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ging am 16. Februar 2018 bei der Beklagten ein. Die Wochenfrist wurde dabei auch dann nicht gewahrt, wenn man auf das dort angegebene Datum der Ausstellung abstellte (7. Februar 2018, Mittwoch). Dann endete die Wochenfrist am 14. Februar 2018. Die Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit vom 15. Februar und 16. März 2018 erfolgten jeweils am letzten Tag der zuvor festgestellten Arbeitsunfähigkeit und gingen am 28. Februar bzw. 27. März 2018 und damit außerhalb der Wochenfrist ein. Die Arbeitsunfähigkeit ab dem 15. Mai 2018 wurde nach der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 15. Mai 2018 am „22.05.18“ bis 12. Juni 2018 festgestellt. Dabei handelt es sich erkennbar um einen Schreibfehler. Letztlich wahrte der Eingang am 7. Juni 2018 ausgehend von beiden Daten (bei zuletzt bis 14. Mai 2018 festgestellter Arbeitsunfähigkeit) die Wochenfrist nicht. Gleiches gilt für die Feststellung vom 13. Juni 2018, die am 21. Juli 2018 (Donnerstag) einging.

Da andere Meldungen nicht erfolgten (dazu unten), ruhte der Krankengeldanspruch in den jeweiligen Zeiträumen bis zum Eingang der entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

(b) Die Daten der Feststellung sowie des jeweiligen Beginns und Ende der festgestellten Arbeitsunfähigkeit entnimmt der Senat den vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der A1, die Zugangszeitpunkte bei der Beklagten dem jeweils auf diesen Bescheinigungen angebrachten Eingangsstempel der Beklagten.

(aa) Der Eingangsstempel einer Behörde erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne des § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) vollen Beweis dafür, dass das Schreiben an dem auf dem Stempel angegebenen Datum bei der Behörde eingegangen ist. Diese erhöhte Beweiskraft als öffentliche Urkunde kommt nicht nur dem gerichtlichen, sondern auch dem behördlichen Eingangsstempel zu (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 7. Juli 1998 – VIII R 83/96 – juris, Rn. 9; Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Dezember 2023 – 12 S 3623/21 – juris, Rn. 10 jeweils m.w.N.). Das hat zur Folge, dass der durch den Eingangsstempel begründete Beweis (nur) durch Gegenbeweis im Sinne des § 418 Abs. 2 ZPO entkräftet werden kann und muss. Auf andere Umstände kommt es dagegen nicht an (VGH Baden-Württemberg, a.a.O., m.w.N.).

Die vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen tragen jeweils den Eingangsstempel des Kundencenters C1 der Beklagten, der das Datum des Eingangs sowie die Art des Eingangs („Post“ für Eingänge im dortigen Briefkasten und „Empfang“ bei persönlicher Abgabe) ausweist. Während Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor dem 17. November 2017 teilweise den Eingangsstempel des Empfangs tragen, weisen alle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den hier streitbefangenen Gesamtzeitraum durchgehend den Eingangsstempel „Post“ auf. Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel, die die Beweiskraft nach § 419 ZPO ganz oder teilweise aufheben oder mindern könnten, weisen die jeweiligen Eingangsstempel vorliegend nicht auf.

(bb) Einen Gegenbeweis i.S.d. § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 Abs. 2 ZPO hat die Klägerin vorliegend nicht erbracht.

Die Anforderungen an diesen Gegenbeweis dürfen zwar nicht überspannt werden. Denn der Versicherte befindet sich insoweit regelmäßig in Beweisnot, weil er behördeninternen Vorgänge nicht kennen kann (zum gerichtlichen Eingangsstempel: BSG, Urteil vom 7. September 2017 – B 10 LW 1/16 R – juris, Rn. 15 m.w.N.). Der Senat konnte sich gleichwohl nicht davon überzeugen, dass die durch den jeweiligen Eingangsstempel ausgewiesenen Zugangszeitpunkte nicht zutreffen.

Konkrete abweichende Zugangszeitpunkte hat die Klägerin für keine der maßgeblichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bezeichnet. Ihr Vorbringen ist auch nicht geeignet, die Aussagekraft der Eingangsstempel zu widerlegen oder auch nur zu erschüttern. Soweit sie wiederholt darauf hinweist, der Terminvertreter der Beklagten habe in der mündlichen Verhandlung vor dem 5. Senat des LSG Baden-Württemberg am 1. Juli 2020 das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, insbesondere der vom 17. November 2017, verneint, erlaubt dies keinerlei Rückschlüsse auf das Aufbringen der Eingangsstempel im Kundencenter. Dass diese der Beklagten zum Zeitpunkt der genannten mündlichen Verhandlung bereits vorlagen, ergibt sich ohne Weiteres aus den Eingangsstempeln. Der weitere Umgang der Beklagten mit den eingegangenen (und entsprechend gestempelten) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen lässt den Vorgang der Dokumentation des Eingangs aber gerade unbeeinträchtigt. Dementsprechend geht auch der weitere Vortrag der Klägerin zum Scannen eingegangener Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ins Leere. Ebenso wenig relevant wird ihr Vorbringen, nicht gesehen zu haben, dass persönlich abgegebene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen Eingangsstempel erhalten hätten. Zunächst ist es nicht erforderlich, dass der Stempel noch vor den Augen des Einreichenden aufgebracht wird, vielmehr reicht es aus, wenn dies später am selben Tag erfolgt. Hierüber kann die Klägerin keine Angaben machen, die Zweifel an einem solchen Vorgehen erwecken. Vor allem aber wurden die hier maßgeblichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gerade nicht persönlich abgegeben, sondern in den Briefkasten eingeworfen, sodass eine persönliche Wahrnehmung der Klägerin vom Stempelvorgang ohnehin ausscheidet.

Auch der Vortrag der Klägerin, während der Umbaumaßnahmen im Kundencenter der Beklagten habe „Chaos“ geherrscht und eine persönliche Beratung habe es nicht gegeben, ist in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar. Zunächst bedarf es für die Meldung der Arbeitsunfähigkeit keinerlei persönlicher Beratung. Diese konnte vielmehr durch einfache Abgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Empfang oder, wenn dies tatsächlich in Einzelfällen nicht möglich gewesen sein sollte, durch einfachen Einwurf in den dortigen Briefkasten erfolgen. Diese Möglichkeiten hat die Klägerin, wie die Eingangsstempel ja gerade belegen, auch tatsächlich genutzt. Sie selbst hat zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, sie habe auch den Briefkasten nicht erreichen können. Selbst wenn man der E-Mail der Klägerin vom 22. Dezember 2017 („Leider ist durch die Baumaßnahmen in dieser Woche niemand erreichbar gewesen.“) entnehmen wollte, dass sich dies auf eine persönliche Abgabe eines Attests oder einer Bescheinigung bezog und nicht auf eine persönliche Beratung oder Auskunft zum damals laufenden Widerspruchsverfahren (mit dem die E-Mail eröffnet), kann dem keinerlei Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass der dortige Briefkasten unzugänglich gewesen und nicht geleert worden wäre. Ebenfalls nicht schlüssig ist die weitere aus dem Inhalt dieser E-Mail gezogene Folgerung der Klägerin. Sie macht geltend, wenn zwei Bescheinigungen von vor Weihnachten datierten und sie nachweislich vor dem 22. Dezember 2017 und am 22. Dezember 2017 bei der Beklagten habe vorsprechen wollen, müsste es zwei verschiedene Eingangstempel aus dem Zeitraum vom 19. bis 22. Dezember 2017 geben. Dies würde zunächst voraussetzen, dass sie tatsächlich an zwei unterschiedlichen Tagen verschiedene Bescheinigungen abgegeben hätte. Der E-Mail der Klägerin vom 22. Dezember 2017 ist allenfalls zu entnehmen, dass sie keinen persönlichen Kontakt herstellen konnte, nicht aber, dass sie die Bescheinigungen eingeworfen hätte (sie hatte sie offenbar am 22. Dezember 2017 noch) oder daran gehindert gewesen wäre. Daher sind keine unterschiedlichen Eingangsstempel zu erwarten. Des Weiteren ist nicht „nachgewiesen“, dass sie vor und am 22. Dezember 2017 tatsächlich im Kundencenter war. Insbesondere ist gerade nicht gesichert, dass die Klägerin ihre Ankündigung in der E-Mail („Ich werde heute eine erneute Erklärung meiner behandelnden Psychiaterin bei Ihnen einreichen.“) in der Folge auch tatsächlich umgesetzt hat. Den Eingangsstempeln auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 18. und 19. Dezember 2017 und dem Attest vom 19. Dezember 2017 ist vielmehr zu entnehmen, dass diese in den Briefkasten des Kundencenters eingeworfen wurden („Post“) und der Beklagten gemeinsam am 27. Dezember 2017 zugegangen sind. Darauf beruht im Übrigen auch das im Berufungsverfahren abgegebene Teilanerkenntnis. Der weitere von der Klägerin aufgezeigte (vermeintliche) Widerspruch ist ebenfalls nicht geeignet, eine unzureichende Organisation im Kundencenter der Beklagten nahezulegen. Sie bringt vor, wenn Schriftstücke vom 18. bzw. 19. Dezember 2017 nachweislich spätestens am 27. Dezember 2017 eingegangen seien, wirke es sonderbar, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17. November 2017 einen Stempel mit dem Datum 10. Januar 2018 trage. Dies kann vielmehr gerade darin seinen Grund haben, dass die Klägerin diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eben erheblich verspätet eingereicht hat. Letztlich leitet die Klägerin die behauptete unzureichende Organisation des Posteingangs im Kundencenter der Beklagten allein daraus ab, dass sie die Eingangsstempel aufgrund ihrer eigenen Angabe, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen immer zeitnah abgegeben zu haben, als nicht aussagekräftig erachtet.

Der Ehemann der Klägerin war hierzu nicht als Zeuge zu vernehmen. Eine konkrete Tatsache, die dieser bezeugen soll, hat die rechtskundig vertretene Klägerin insoweit bereits nicht bezeichnet, sondern nur allgemein formuliert, er solle gehört werden „zu der Frage, wann die Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Beklagten eingereicht habe“. Des Weiteren ergibt sich aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, dass der Ehemann nicht aus eigener Anschauung angeben kann, wann diese die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen jeweils bei der Beklagten abgegeben hat. So hatte die Klägerin im Erörterungstermin vor dem SG ausdrücklich angegeben, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen immer allein, also nicht im Beisein ihres Ehemannes, abgegeben zu haben. Da er nach dem weiteren Vorbringen der Klägerin mit der Beklagten lediglich Telefonate und E-Mail-Korrespondenz geführt hat, kann er auch keine Aussagen zu den Abläufen vor Ort im Kundencenter der Beklagten machen. Insoweit stellt der Ehemann bereits kein geeignetes Beweismittel dar. Mögliche Schwierigkeiten, einen persönlichen Ansprechpartner zu erhalten, sind im vorliegenden Zusammenhang, wie bereits dargelegt, ebenfalls nicht relevant. Eine beweiserhebliche Tatsache liegt insoweit nicht vor.

(c) Die Beklagte hat auch nicht auf andere Weise Kenntnis von den jeweiligen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit in den noch streitbefangenen Zeiträumen erhalten. Konkrete Mitteilungen der jeweiligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind – außerhalb der Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – in der Akte nicht enthalten. Solche werden von der Klägerin auch nicht substantiiert, ebenso wenig für die Korrespondenz des Ehemannes, behauptet. Soweit die Klägerin anführt, der Ehemann sei selbst praktizierender Arzt und hätte somit telefonisch jederzeit die durchgängige Arbeitsunfähigkeit seiner Frau erklären können, wird hieraus gerade deutlich, dass er dies nicht getan hat. Ob er es hätte tun können, ist nicht relevant, so dass eine Zeugenaussage des Ehemannes auch insoweit nicht erforderlich war.

(3) Eine Situation, in der trotz verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeit das Ruhen des Krankengeldanspruchs ausnahmsweise entfällt, lag hier nicht vor.

Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist eine Obliegenheit des Versicherten, deren Folgen bei unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Meldung grundsätzlich von diesem selbst zu tragen sind. Bei verspäteter Meldung ist die Gewährung von Krankengeld selbst dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten kein Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 3 KR 23/17 R – juris, Rn. 19 m.w.N.). Ausnahmen können nur in engen Grenzen anerkannt werden. So kann sich die Krankenkasse beispielsweise nicht auf den verspäteten Zugang der dem Versicherten obliegenden Meldung der Arbeitsunfähigkeit berufen, wenn die Fristüberschreitung der Meldung auf Umständen beruhte, die in deren Verantwortungsbereich fallen und der Versicherte weder wusste noch wissen musste, dass die Krankenkasse von der Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis erlangt hatte. Die fehlende Feststellung oder Meldung der Arbeitsunfähigkeit darf dem Versicherten ausnahmsweise auch nicht entgegengehalten werden, wenn er entweder geschäfts- bzw. handlungsunfähig war, oder aber, wenn er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert wurde (BSG, a.a.O., Rn. 22 m.w.N.; BSG, Urteil vom 5. Dezember 2019 – B 3 KR 5/19 R – juris, Rn. 20).

Die Klägerin war in den hier noch streitbefangenen Zeiträumen weder geschäfts- noch handlungsunfähig. Abweichende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Auch die Klägerin macht gerade geltend, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen jeweils rechtzeitig selbst im Kundencenter der Beklagten eingeworfen zu haben. Dies zeigt gleichermaßen, dass sie bereits nach ihrem eigenen Vorbringen weder durch Unkenntnis von ihrer Obliegenheit noch durch eine rechtliche Fehlentscheidung der Beklagten von der rechtzeitigen Meldung abgehalten wurde. Letzteres gilt insbesondere für die ursprüngliche Ansicht der Beklagten, die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei wegen einer Lücke vor Beginn des hier streitbefangenen Gesamtzeitraums nicht ununterbrochen festgestellt gewesen. Die Beklagte hat in der Folge nicht zu erkennen gegeben, die Meldung weiterer Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit könne oder müsse unterbleiben. Solches hat auch die Klägerin nicht konkret behauptet. Vielmehr liegt es ohnehin nahe, bei weiterbestehendem Streit um den Krankengeldanspruch dessen weiterhin bestehende Anspruchsvoraussetzungen jeweils mitzuteilen. Dass die Klägerin auch subjektiv davon ausging, weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zeitnah vorlegen zu müssen, zeigt gerade ihr Vorbringen, dieser Obliegenheit genügt zu haben. Daher ist ihr Vortrag, die Beklagte habe sie unzureichend beraten, bereits mangels Kausalität für die Obliegenheitsverletzung nicht relevant. Unabhängig davon lag ein solcher Beratungsverstoß nicht vor. Die Arbeitsunfähigkeit wurde von A1 jeweils auf Bescheinigungen des Musters 1 (1.2016) bescheinigt. Dies entnimmt der Senat den vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Muster 1a – zur Vorlage an die Krankenkasse). Nach der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung (in der ab 1. Januar 2016 geltenden Fassung) enthält das Muster 1 den Vordruck für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in vierfacher Ausfertigung (Muster 1a bis d). Der Mustervordruck 1c ist speziell für den Versicherten bestimmt und enthält den in rot gedruckten Hinweis zum Krankengeld, dass für den Fall, dass der Arzt – wie hier – die Bescheinigung für die Krankenkasse dem Versicherten aushändigt, er diese innerhalb von einer Woche an die Krankenkasse weiterleiten muss, da andernfalls der Verlust des Krankengeldes drohe (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – B 3 KR 23/17 R – juris, Rn. 35). Der Hinweis war also auf den der Klägerin selbst ausgehändigten Formularen enthalten. Dass sie selbst keine Ausfertigungen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erhalten habe, hat sie nie geltend gemacht. Darüber hinaus hatte die Beklagte diesen Hinweis als Antwort auf die E-Mail vom 5. Januar 2018 auch ihrer E-Mail vom 15. Januar 2018 gegeben. Gleichwohl wurden in der Folge bereits die nächste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (vom 15. Januar 2018) und auch spätere nicht innerhalb der Wochenfrist vorgelegt, bzw. die Arbeitsunfähigkeit nicht gemeldet. Schließlich wäre die Meldung der Arbeitsunfähigkeit als bloße Tatsachenmitteilung selbst bei einem Beratungsverstoß nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingierbar (BSG, Urteile vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R – juris, Rn. 17 und vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – juris, Rn. 27 jeweils m.w.N.). Soweit die Klägerin geltend macht, ihr Ehemann sei als Zeuge zu vernehmen, weil er in Telefonaten mit der Beklagten wiederholt in Erfahrung zu bringen versucht habe, wie er eine umfassende Beratung erhalten könne, „unter anderem zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld der Klägerin während des laufenden Widerspruchsverfahrens“, ist angesichts des Vorstehenden eine beweiserhebliche Tatsache bereits nicht bezeichnet worden. Mit der verspäteten Einreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hat die Klägerin mithin nicht alles in ihrer Macht Stehende getan, um das Ruhen des Krankengeldanspruches zu verhindern.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Angesichts des nur geringen Obsiegens der Klägerin im Umfange des Teilanerkenntnisses war eine anteilige Kostentragung durch die Beklagte nicht angemessen.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.   



 

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