L 7 R 970/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1018/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 970/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der am 6. Oktober 1962 geborene Kläger hat den Beruf des Schmieds und des Fahrzeugbauers erlernt. Er war als Fahrzeugbauer in einer Kfz-Werkstatt, als Baggerführer und Vorarbeiter am Bau und zuletzt als Lagerist versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 15. November 2016 war er arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos und bezog Krankengeld und im Anschluss Arbeitslosengeld bis 30. April 2019. Seit Mai 2019 steht er im Bezug von Arbeitslosengeld II. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.

Vom 28. April 2017 bis 19. Mai 2017 durchlief der Kläger nach Implantation eines bicondylären Oberflächenersatzes bei Gonarthrose links eine Anschlussheilbehandlung in der Rehaklinik Bad Boll, aus der er arbeitsunfähig mit einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden für die Tätigkeit als Lagerist und von sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Entlassungsbericht vom 23. Mai 2017). Nach der Implantation einer Schulterprothese führte der Kläger eine weitere Anschlussheilbehandlung vom 31. Januar 2018 bis 21. Februar 2018 in der Reha-Klinik Bad Boll durch, aus der er infolge der gestellten Diagnosen (1. Funktionsdefizit nach Schulterprothesen-Implantation links am 12. Dezember 2017, 2. Omarthrose rechts, 3. Z.n. Implantation einer Knie-TEP links bei Gonarthrose 04/2017, 4. rheumatoide Arthritis, 5. arterielle Hypertonie) arbeitsunfähig mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden als Lagerist und von sechs Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Entlassungsbericht vom 28. Februar 2018).

Am 23. Februar 2018 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung hat er Gesundheitsstörungen in Form von Bandscheibenvorfällen, Funktionsdefizit nach Schulterprothesen-Implantation links, Z.n. Implantation einer Knie-TEP links bei Gonarthrose 05/2017, rheumatoide Arthritis, Schlafapnoe, Z.n. OP Schulter links 2008 und 2009, Adipositas permagna, Gelenkrheuma, Schulterprobleme rechts/Operation geplant angeführt, wegen der er sich seit 1985 für erwerbsgemindert halte.

Nach Auswertung insbesondere der Rehabilitationsentlassungsberichte lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 23. Mai 2018 ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2019 zurück.

Am 4. März 2019 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.

Die Fachärztin für Innere Medizin/Rheumatologie Dr. S. hat unter dem 20. Mai 2019 (Bl. 27/41 SG-Akte) mitgeteilt, durch die rheumatologische Grunderkrankung im Sinne einer Psoriasisarthritis sei es zu multiplen Sekundärarthrosen gekommen. Aufgrund rezidivierender Schübe in den Händen seien die Feinmotorik und vor allem die Kraft in beiden Händen deutlich reduziert. Heben und Tragen von schweren Lasten seien infolge postoperativer Zustände vor allem im Schultergelenk links schlechter möglich. Bei Bestehen von Adipositas permagna und eines degenerativen Wirbelsäulensyndroms sei durch die Wirbelsäulensymptomatik die Beweglichkeit deutlich eingeschränkt.

Die Internistin E. hat im Schreiben vom 31. Mai 2019 (Bl. 42/80 SG-Akte) ausgeführt, abhängig von der entzündlichen Situation, insbesondere an beiden Händen, liege eine deutliche Einschränkung der Feinmotorik vor, wobei im akuten Schub z.B. der Faustschluss kaum möglich sei. Die Beweglichkeit beider Schultern sei eingeschränkt, Überkopfarbeiten könnten nicht durchgeführt werden. Längeres Stehen führe immer wieder zu einschießenden Schmerzen in das Gesäß links mit Ausstrahlung in das linke Bein, bei anhaltender Belastung bestünden auch Schmerzen im linken Knie. Heben und Tragen mittelschwerer und schwerer Lasten seien nicht mehr durchführbar, körperliche Tätigkeiten sollten ohne Zwangshaltungen im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen erfolgen.

Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. O. hat mit Schreiben vom 6. September 2019 (Bl. 83/86 SG- Akte) mitgeteilt, Beeinträchtigungen bestünden beim Kläger in den Schultern beidseits, Händen und Handgelenken beidseits, Hüften beidseits, Kniegelenken beidseits sowie der Lendenwirbelsäule. Trotz der Einnahme von Biologika zeige sich ein progredienter Verlauf. Spitzen beim Reizzustand würden mit Prednisolon behandelt.

Die Beklagte hat die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. L. vom 8. Oktober 2019 (Bl. 90 SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat Prof. Dr. K. mit der Erstattung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachtens beauftragt. Unter Einholung eines röntgenfachärztlichen Zusatzgutachtens der Prof. Dr. G. vom 11. Mai 2020 (Bl. 114/118 SG-Akte) hat Prof. Dr. K. im Gutachten vom 21. Oktober 2020 (Bl. 127/140 SG-Akte) folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
Arterielle Hypertonie,
Psoriasisarthritis (Erstdiagnose 11/2015) und Psoriasis vulgaris - aktuell Infliximab Therapie ab 2017,
Fortgeschrittene Radiocarpal-Arthrose rechts und Arthrose Handwurzelknochen rechts, Ulnavorschub, moderate Rhizarthrose, Metacarpophalangealgelenksarthrose I,
Oppositionsunfähigkeit D V auf D I links,
Schnellender Finger D III links (Erstdiagnose 05/2020)
Knick-/Senkfuß beidseits,
Hallux valgus beidseits,
Degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit belastungsabhängiger ischialgieformer Beschwerdesymptomatik in das linke Gesäß ausstrahlend – seit 2018 bekannt, zudem seit 2019 bekanntes Taubheitsgefühl der Großzehen, Spinalkanalstenose lumbal, Zustand nach Infiltration L4 bis S1 beidseits,
HWS: C3 bis C7 Unkovertebralarthrosen mit deutlicher Einengung der Neuroforamina, flache Bandscheibenprotrusionen C3/C4 und C5/C6,
Adipositas permagna mit OSAS (Überdrucktherapie),
Z.n. Schultertotalendoprothese links (12/3017) bei HK Osteonekrose,
Omarthrose rechts, Implantation einer Schultertotalendoprothese geplant,
Zustand nach Knietotalendoprothese links (04/2017) bei Gonarthrose,
Zustand nach Carpaldachspaltung, Neurolyse Nervus medianus beidseits vor mehreren Jahren (anamnestisch) – keine Restbeschwerden.
In Bezug auf die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit bestehe aufgrund der vorliegenden glaubhaften Beschwerden und Funktionsdefizite eine aufgehobene Leistungsfähigkeit. Der Kläger könne aufgrund seiner orthopädischen, rheumatologischen Grunderkrankung und aufgrund der Adipositas permagna nur leichte körperliche Tätigkeiten ausüben. Dies könne er höchstens sechs Stunden täglich durchführen. Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, Überkopfarbeiten, häufiges Bücken sowie Arbeiten auf Leitern/Gerüsten, Gehen auf unebenem Grund sowie Tätigkeiten, bei denen Feinmotorik gefordert sei, seien zu vermeiden. Aufgrund der Immunsuppression sollten Arbeitsplätze mit erhöhter Infektionsgefahr vermieden werden.

Der Kläger hat ergänzend Befundberichte der Dr. S. vom 3. Dezember 2020 (Bl. 144) und des Dr. O. vom 18. Januar 2021 (Bl. 151/152 SG-Akte) vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Februar 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die umfangreichen Beweisaufnahmen des Gerichts hätten eine so wesentliche Minderung der Erwerbsunfähigkeit des Klägers, dass eine zumindest teilweise Erwerbsminderung in Betracht kommen könnte, nicht belegen können. Vielmehr habe der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten, das auf einer umfangreichen Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen sowie einer ausführlichen Anamnese und Exploration des Klägers beruhe, nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass beim Kläger zwar verschiedene Erkrankungen vorlägen, diese sich jedoch nur insoweit leistungsmindernd auswirkten, als bestimmte Tätigkeiten ausgeschlossen seien. Dies gelte insbesondere für Tätigkeiten, die mit dem Heben und Tragen von schweren Lasten sowie mit Arbeiten in Zwangshaltungen verbunden seien. Wegen der Beschwerden im Bereich der Beine und der Füße seien darüber hinaus auch Tätigkeiten ausgeschlossen, die auf unebenem Boden oder auf Leitern und Gerüsten ausgeübt werden müssten. Damit stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger jedenfalls leichte Tätigkeiten zu den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich, fünf Tage die Woche, aus gesundheitlichen Gründen zumutbar seien. Die zuvor eingeholten Auskünfte der behandelnden Ärzte deuteten ebenfalls nicht darauf hin, dass eine wesentlich stärkere Einschränkung der Leistungsfähigkeit vorliegen würde. Die behandelnden Ärzte Dr. S., E. und Dr. O. hätten ganz überwiegend die Diagnosen und Befunde mitgeteilt, die auch schon in den Rehabilitations-Entlassberichten der Kurklinik Bad Boll genannt worden seien. Soweit sie eine darauf beruhende Leistungseinschränkung angäben, sei auch dies nachvollziehbar. Soweit allerdings eine Leistungseinschränkung angenommen werde, die weniger als sechs Stunden für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt betrage, werde dies nicht weiter begründet und stehe im Übrigen im Gegensatz zu den Befunden, die der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Ki. erhoben habe. Dementsprechend verweise Dr. L. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme zu Recht darauf, dass die von den behandelnden Ärzten im Einzelnen genannten Diagnosen die Ableitung einer wesentlichen quantitativen Leistungseinschränkung nicht zuließen. Nachdem der gerichtliche Sachverständige in Übereinstimmung mit Dr. L. und in Übereinstimmung mit der Leistungseinschätzung im letzten Reha-Bericht der Kurklinik Bad Boll eine Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen für gegeben halte, schließe sich dem die Kammer an. Damit sei auch eine nur teilweise Erwerbsminderung des Klägers nicht belegt. Aus dem Inhalt des zuletzt noch vorgelegten Arztbriefes des Dr. O- ergebe sich nichts Anderes. Darin seien im Wesentlichen die bekannten Befunde mitgeteilt worden. Soweit Dr. O. dem Kläger geraten habe, sich beim Hausarzt vorzustellen und ggf. bei einem Psychiater, ergebe sich daraus nichts, das die Leistungseinschätzung inhaltlich in Zweifel ziehen könnte.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 24. Februar 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12. März 2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
Das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers sei wegen der von Prof. Dr. K. festgestellten Erkrankungen in rentenrelevantem Maß eingeschränkt. Die Einschätzung des Sachverständigen, dass eine Beschäftigung von höchstens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche möglich sei, bedeute ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dies resultiere aus den vielfältigen festgestellten Gesundheitsstörungen. Beachtlich sei auch, dass der Kläger auch unter der aktuellen Therapie eine intermittierende Daktylitis der Langfinger sowie Morgensteifigkeit von bis zu drei Stunden und eine Kraftentwicklung in den Händen erst nach fünf bis sechs Stunden nach dem Aufstehen geltend gemacht habe. Darüber hinaus hätten sich die Gesundheitsstörungen verschlechtert, wozu der Kläger auf die im Klageverfahren vorgelegten Befundberichte vom 3. Dezember 2020 und vom 18. Januar 2021 Bezug nimmt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Februar 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2019 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2018 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat erneut die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Dr. S. hat im Schreiben vom 8. Dezember 2021 (Bl. 64/69 Senatsakte) ausgeführt, im Vergleich zu den Vorbefunden bis Mai 2019 sei es primär im Verlauf des Jahres 2020 eher zu einer zunehmenden Verschlechterung mit auch zunehmenden Schmerzen im Schultergelenk gekommen. 2021 sei dann von dem schlechteren Zustand eher wieder eine Verbesserung des Allgemeinzustandes eingetreten. Der Kläger erhoffe sich durch die OP der rechten Schulter eine bessere Funktionalität, da er den rechten Arm nur eingeschränkt bewegen könne. Die Adipositas und die Polyarthrose schränkten den Kläger darüber hinaus deutlich ein. Zusätzlich zu der entzündlich-rheumatischen Erkrankung und der Polyarthrose habe der Kläger ein Fibromyalgie-Syndrom entwickelt, dass sich Mitte 2020 zunehmend manifestiert habe, was im Rahmen einer Schmerzempfindungsstörung zu interpretieren sei und den Kläger teilweise in der Alltagsbewältigung deutlich einschränke.

Die sachverständige Zeugin E. hat unter dem 16. Februar 2022 (Bl. 74/115 Senatsakte) die seit Mai 2019 erhobenen Befunde und gestellten Diagnosen berichtet und ausgeführt, die Beweglichkeit der rechten Schulter habe sich weiter verschlechtert, ein operativer Gelenkersatz sei am 25. November 2021 erfolgt. Es sei jedoch weiterhin die Beweglichkeit beider Schultergelenke eingeschränkt.

Der sachverständige Zeuge Dr. O. hat unter dem 24. März 2022 (Bl. 127/129 Senatsakte) angegeben, es bestehe bei der fortgeschrittenen rheumatoiden Arthritis ein chronischer Verlauf. Durch die Medikation werde die Erkrankung verlangsamt. Es komme jedoch nicht zur Heilung der einmal geschädigten Gelenke. Es bestehe also eine progrediente Verschlechterung des Gesundheitszustandes aller Gelenke.

Nach Implantation einer Schulterprothese rechts am 25. November 2021 hat der Kläger eine weitere Anschlussheilbehandlung vom 13. Januar 2022 bis 3. Februar 2022 in der Rehaklinik Bad Boll durchgeführt. Nach dem Entlassungsbericht vom 9. Februar 2022 (Bl. 117/125 Senatsakte) wurden folgende Diagnosen gestellt:
Omarthrose re. – Z.n. Implantation einer inversen Schulterprothese am 25. November 2021,
Z.n. Implantation einer anatomischen Schulterprothese li. wegen Omarthrose 12/2017,
Einschränkungen infolge Rheumatoider Arthritis (ED etwa 2016),
Gonarthrose beidseits – Z. n. Implantation einer Knie-TEP li. 04/2017,
Chronische Lumboischialgien bei Bandscheibenschäden und Fehlstatik der Lendenwirbelsäule,
Schlafapnoesyndrom mit Tagesmüdigkeit – CPAP-Therapie.
Der Kläger werde arbeitsunfähig mit einem zeitlichen Leistungsvermögen von jeweils unter drei Stunden für die Tätigkeit als Schmied und Fahrzeugbauer und für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen.
Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit seien deutlich reduziert, aktuell und bis auf Weiteres bestehe keine ausreichende Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit, auch für leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Aktuell seien weitere Einschränkungen im Bereich des Oberkörpers/der Arme hinzugetreten, vorbestehend seien bereits erhebliche Einschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates sowie der inneren Organe. Indikatoren des reduzierten Leistungsvermögens seien Störungen der Funktionskette von Schultergelenken, Rücken bis zu den Kniegelenken ziehend, Veränderungen an Muskeln/Weichteilen mit Muskelminderung und rezidivierender Schwellneigung im Bereich der rheumatischen Grunderkrankung, die Unfähigkeit, überwiegend zu gehen und zu stehen, gleichzeitig die Einschränkung der möglichen Sitzdauer. Leichte Tätigkeiten, die eine gewisse Kraft und Feingeschicklichkeit der Hände erforderten, könnten nicht durchgeführt werden. Regelmäßige Schmerzmitteleinnahme sei erforderlich. Innere Begleitkrankheiten und ausgeprägte Adipositas schränkten die allgemeine Belastbarkeit zusätzlich ein.

Die Beklagte hat die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. Sch. vom 13. April 2022 (Bl. 151/153 Senatsakte) vorgelegt.

Der Senat hat den Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie sowie Rheumatologie/Chirotherapie Dr. H1 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im orthopädisch-rheumatologischen Gutachten vom 20. September 2022 (Bl. 160/169 Senatsakte) hat der Gutachter folgende Diagnosen gestellt:
Knie TEP links 4/2017 wegen Gonarthrose,
initiale Gonarthrose rechts,
anatomische Schulterprothese links wegen Omarthrose 12/2017,
inverse Schulterprothese rechts wegen Omarthrose 11/2021,
degeneratives Wirbelsäulensyndrom,
Handgelenksarthrose rechts > links,
Fingerpolyarthrose bei Hyperurikämie.
Aufgrund der Schulterendoprothetik beidseits bestehe eine endgradige Bewegungseinschränkung an beiden Schultern und eine mäßige Kraftminderung. Überkopfarbeiten könnten nicht durchgeführt werden, schweres Heben und Tragen von Lasten von über zehn Kilogramm sollten vermieden werden. Aufgrund der Handgelenks- und Fingerpolyarthrose sei ein kraftvoller Faustschluss nur eingeschränkt möglich. Die implantierte Knietotalendoprothese links und die initiale Gonarthrose rechts bedingten keine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit. Arbeiten in der Kniebeuge sollten jedoch vermieden werden. Aufgrund des degenerativen Wirbelsäulensyndroms seien häufiges Bücken und Heben und Tragen von Lasten von über zehn Kilogramm nicht leidensgerecht. Die Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung sollte gegeben sein. Bei Einhaltung dieser Kriterien bestehe ein arbeitstägliches Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens sechs Stunden.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. H2 das unfallchirurgischen-orthopädische Gutachten vom 2. Januar 2023 (Bl. 206/231) erstattet. Der Gutachter hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
Psoriasis-Arthritis,
Omarthrose beidseits,
Einliegende anatomische Schulterprothese links (12/2017),
Einliegende inverse Schulterprothese rechts (11/21),
Arthrose der Handwurzel und des Handgelenks rechts,
Stattgehabte Karpaldachspaltung beidseits,
Degeneratives Wirbelsäulensyndrom,
Bandscheibenvorfall L5/S1,
Gonarthrose beidseits,
Einliegende Knietotalendoprothese links (04/2017),
Hallux valgus beidseits,
Arterielle Hypertonie,
Adipositas per magna.
Trotz der Schulterprothesen bestünden zum Teil deutliche Bewegungseinschränkungen sowie eine verminderte Belastbarkeit. Unter Berücksichtigung der Funktionseinschränkungen der Schultergelenke seien dem Kläger Tätigkeiten mit Überkopfarbeiten sowie ständigem Heben und Tragen von Gewichten über fünf Kilogramm nicht möglich. Aufgrund der Psoriasisarthritis seien Arbeiten im Freien oder bei Kälte bzw. Nässe nicht zumutbar. Aktuell könne der Kläger nach seinen Angaben maximal noch 300 Meter am Stück laufen. Seit zwei Jahren würde die Gehstrecke immer kürzer werden. Zuvor hätte er noch bis zu 500 Meter am Stück laufen können. Er könne (nach eigenen Angaben) maximal zehn Minuten am Stück in der gleichen Position stehen, dann müsse er einen Positionswechsel durchführen. Sitzen könne er auch nur ca. 30 Minuten am Stück.
Im Falle einer zugewiesenen Tätigkeit wäre es unabdingbar, ein Dusch-WC bei der Arbeit nutzen zu können. Eine normale Toilette könne der Kläger aus hygienischen Gründen nicht benutzen. Er müsste im Wechsel alle 30 Minuten stehend und sitzend arbeiten. Im Wechsel und mit einer Pause von ca. 30 Minuten wäre eine leichte Arbeit für drei Stunden zumutbar. Erschwerend komme aber hinzu, dass der Kläger aufgrund der Rheumaschübe und der eingeschränkten Feinmotorik der Finger leichte Arbeiten vermutlich nicht sachgerecht bzw. in der erforderlichen Zeit (z.B. Akkord) ausführen könne. Aus Sicht des Gutachters gebe es keine Tätigkeit, die eine derartige Arbeitsplatzgestaltung ermöglichen könnte, welche die Einschränkungen in der Form berücksichtige, dass eine Tätigkeit über sechs Stunden ausgeführt werden könnte.

Die Beklagte hat eine weitere sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. Schönefeld vom 10. Februar 2023 (Bl. 236/238 Senatsakte) vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2019 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), mit der er die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Februar 2018 geltend macht. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht der Kläger zu Recht nicht geltend, weil er nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist und damit von vornherein nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten dieser Rente gehört (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]).

Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend verneint. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2019 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 103 SGG) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG) zu ermitteln und festzustellen, a) Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der Krankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet, b) Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen) sowie den c) Ursachenzusammenhang („wegen“) zwischen a) und b) (z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris Rdnr. 13).

Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass der Kläger erwerbsgemindert ist. Bei der Beurteilung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit stehen im Vordergrund seine Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und rheumatologischem Fachgebiet. Diese sind jedoch nicht von einer solchen Schwere, dass sie das Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht einschränken. Vielmehr genügen qualitative Einschränkungen, um seinen Leiden gerecht zu werden. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf die vom SG bei Prof. Dr. K. und vom Senat bei Dr. H1 eingeholten Gutachten.

Beim Kläger bestehen auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen in Form von Arthrosen im Bereich der Kniegelenke, links mit Knietotalendoprothese, im Bereich der Schultergelenke, inzwischen beidseits prothesenversorgt, sowie im Bereich der Handgelenke und der Finger und ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom. Aus diesen Gesundheitsstörungen resultieren jedoch keine Funktionsbeeinträchtigungen, denen nicht durch qualitative Einschränkungen entsprochen werden könnte und die der Verrichtung zumindest körperlich leichter Tätigkeiten für die Dauer von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich entgegenstünden. Nach den vom Gutachter Prof. Dr. Ki. erhobenen Bewegungsmaßen ergeben sich für den Bereich der Wirbelsäule lediglich hinsichtlich des Drehens der Halswirbelsäule mittelgradige Bewegungseinschränkungen (Drehen rechts/links 30/0/44 Grad). Die Entfaltbarkeit von Brust- und Lendenwirbelsäule war nicht eingeschränkt (Messstrecke nach Ott 30/34 Zentimeter, Messstrecke nach Schober 10/15 Zentimeter). Es fanden sich Druckschmerz/Klopfschmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule lumbal betont, das Zeichen nach Lasègue war links bei 30 Grad positiv. Motorische Ausfälle fanden sich nicht, die periphere Durchblutung war ohne pathologischen Befund. Nach den Bewegungsmaßen für die unteren Gliedmaßen zeigte sich die Hüftbeugung rechts und links bis 90 Grad möglich. Eine Schmerzhaftigkeit im Bereich der Hüftgelenke hat der Gutachter nicht erhoben. Die Beweglichkeit der Kniegelenke hat Prof. Dr. K. mit 0/0/130 Grad für Streckung/Beugung rechts und geringgradig eingeschränkt mit 0/0/110 Grad für Streckung/Beugung links erhoben. Der Bandapparat zeigte sich stabil. Das Bewegungsausmaß der Sprunggelenke lag im Normalbereich (Heben/Senken des Fußes 10/0/30 Grad beidseits). Hinsichtlich der oberen Gliedmaßen zeigte sich die Armhebung seitwärts/körperwärts rechts auf 110/0/10 Grad und Links auf 100/0/10 Grad, Armhebung rückwärts/vorwärts beidseits auf 20/0/110 Grad sowie die Armdrehung auswärts/einwärts (Oberarm anliegend) auf rechts 10/0/70 Grad und links 10/0/60 Grad eingeschränkt. Die Beweglichkeit der Ellenbogengelenke war beidseits für Streckung/Beugung bis 0/0/100 Grad möglich und damit nur leicht eingeschränkt. Im Bereich der Hand- und Fingergelenke hat Prof. Dr. K. keine relevanten Bewegungseinschränkungen erhoben, es lag lediglich eine Oppositionsunfähigkeit D V zu D I links vor. Radiologisch war im Bereich des linken Schultergelenks die einliegende Totalendoprothese mit regulärer Artikulation ohne Materialbruch oder -lockerung festzustellen. Die Totalendoprothese im Bereich des linken Kniegelenks zeigte sich ebenfalls regulär einliegend und ohne Lockerungszeichen. Aus den erhobenen Befunden hat Prof. Dr. K. schlüssig und nachvollziehbar wegen der Gesundheitsstörungen im Bereich der Schultergelenke das Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm sowie Überkopfarbeiten ausgeschlossen. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule schließen zudem Tätigkeiten mit häufigem Bücken aus. Aufgrund rezidivierender Rheumaschübe in den Händen hat der Gutachter eine reduzierte Feinmotorik und zu erwartende Kraftminderung dargelegt, sodass Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Feinmotorik ausgeschlossen sind. Ebenfalls sind Arbeiten auf Leitern und Gerüsten nicht zumutbar. Infolge der Beeinträchtigungen im Bereich der Knie- und Hüftgelenke sind Tätigkeiten im Knien und Hocken auszuschließen. Aufgrund der immunsuppressiven Therapie der rheumatischen Grunderkrankung (Psoriasisarthritis) kommen Tätigkeiten mit einem erhöhten Infektionsrisiko nicht in Betracht. Im Übrigen ergeben sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. K. keine Beeinträchtigungen, die unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen gegen die Verrichtung körperlich leichter Tätigkeiten für die Dauer von mindestens sechs Stunden sprächen.

Keine andere Einschätzung ergibt sich aufgrund der Angaben der sachverständigen Zeugen und der weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren.

Nach dem Gutachten von Dr. H1 liegen beim Kläger keine schwerwiegenden, eine zeitliche Leistungseinschränkung begründenden Funktionsbeeinträchtigungen für qualitativ zumutbare Tätigkeiten vor. Relevante Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule sind den von Dr. H1 erhobenen Befunden nicht zu entnehmen. Die Entfaltbarkeit hat der Gutachter bei Zeichen nach Schober von 10/14 Zentimeter und nach Ott von 30/32,5 Zentimeter als altersgemäß festgestellt. Wurzeldehnungszeichen bestanden nicht, die Zeichen nach Lasègue und Bragard waren negativ. Die Muskeleigenreflexe an den oberen und unteren Extremitäten hat der Gutachter als seitengleich normoton erhoben. Hinweise für Paresen oder Sensibilitätsstörungen hat er nicht festgestellt. Im Bereich der Schultergelenke hat er eine gute, jedenfalls leichte Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten ermöglichende Funktion befundet. So fand sich im Bereich des rechten Schultergelenkes eine mögliche Elevation bis nahezu 170 Grad, eine etwas eingeschränkte Innenrotation, aber auch eine gute Deltabemuskelung der Schulter, ein regelrechter Bizepsverlauf und kein Impingement. Ebenso war im Bereich des linken Schultergelenks die Beweglichkeit gut mit möglicher Armhebung bis zu 170 Grad und nur wenig eingeschränkter Rotationsfähigkeit. Es fanden sich ebenfalls eine ausreichend kräftige Deltabemuskelung und ein regelrechter Bizepsverlauf. Die Beweglichkeit der Ellenbogengelenke hatte Dr. H1 als beidseits frei beschrieben. Im Bereich der Handgelenke fand sich beidseits eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung, rechts mehr als links. Zudem hat der Gutachter Auftreibungen an den Fingermittel- und -endgelenken festgestellt. Zugleich war ein kompletter Faustschluss dennoch möglich und es waren physiologische Verarbeitungszeichen im Bereich beider Hohlhände vorhanden, was auf eine regelmäßige Nutzung der Hände schließen lässt. Für die Hüftgelenke hat Dr. H1 eine altersgemäß gute Beweglichkeit ohne ventralen Kapselschmerz angegeben. Hinsichtlich der Kniegelenke fand sich zwar rechts ein retropatellares Reiben, beidseits hat der Gutachter jedoch einen stabilen Bandapparat beschrieben, keinen Erguss und keine Kapselschwellung festgestellt. Schließlich war auch die Beweglichkeit der Sprung-, Fuß- und Zehengelenke beidseits frei.

Der Sachverständige Dr. H2 hat in seinem Gutachten keine von den von Dr. H1 erhobenen Befunden in größerem Umfang abweichende Befunde mitgeteilt. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule hat der Gutachter als in allen Abschnitten
„etwas“ eingeschränkt beschrieben. Nach den erhobenen Bewegungsmaßen war im Bereich der Halswirbelsäule die Drehbeweglichkeit rechts/links mit 30/0/40 Grad allenfalls mittelgradig eingeschränkt. Bei möglichem Seitneigen rechts/links und Drehen rechts/links von jeweils 20/0/20 Grad, einer Messstrecke nach Ott von 30/31 Zentimeter und nach Schober von 10/13 Zentimeter ist von leichtgradigen Einschränkungen der Beweglichkeit von Brust- und Lendenwirbelsäule auszugehen. Die Wirbelsäule war nicht klopf- oder druckempfindlich. Bei Stauchung der Wirbelsäule beklagte der Kläger ebenfalls keine wesentlichen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule. Die Muskulatur im Bereich der Wirbelsäule ist gleichmäßig und gut gespannt. Im Bereich der oberen Extremitäten sind den von Dr. H2 beschriebenen Befunden ebenfalls keine gravierenden Funktionsbeeinträchtigungen zu entnehmen. Der Nackengriff konnte beidseits vorgeführt werden. Die Seitwärtsbewegung der Schultergelenke war beidseits bis 150 Grad, die Vorwärtsbewegung bis 160 Grad möglich. Die Armdrehung auswärts/einwärts (Oberarm anliegend) hat Dr. H2 mit 20/0/80 Grad rechts und 30/0/70 Grad links angegeben. Insgesamt war danach die Beweglichkeit der Schultergelenke gegenüber den Feststellungen von Prof. Dr. K. deutlich verbessert. Die Beweglichkeit der Ellenbogengelenke war nach der Befunderhebung von Dr. H2 mit 0/0/140 Grad rechts und links nicht eingeschränkt, ebenso wenig die Unterarmdrehung auswärts/einwärts mit 80/0/90 Grad beidseits, sodass die Umwendbewegungen der Unterarme vollständig möglich sind. Ferner hat der Gutachter wie bereits Dr. H1 Bewegungseinschränkungen im Bereich der Handgelenke festgestellt, die bei Bewegungsmaßen von 30/0/40 Grad rechts und 20/0/50 Grad links für Bewegungen handrückenwärts/hohlhandwärts und von 10/0/30 Grad rechts und 20/0/30 Grad links für Bewegungen speichenwärts/ellenwärts insgesamt nur leichtgradig ausgeprägt sind. Der Händedruck war seitengleich ausgeprägt. Der Fein-, Grob- und Spitzgriff gelang, wenn auch deutlich verlangsamt, beidseits an allen Langfingern, der Faustschluss war auf beiden Seiten vollständig möglich. Im Bereich der unteren Extremitäten war die Beweglichkeit im Bereich der Hüftgelenke auch bei Begutachtung durch Dr. H2. für Beugung rechts und links jeweils bis 90 Grad möglich. Die Beweglichkeit der Kniegelenke war links geringgradig eingeschränkt (Streckung/Beugung 0/0/110 Grad), der Bandapparat im Bereich beider Kniegelenke stabil. Die Muskulatur im Bereich der unteren Extremitäten ist nach den Ausführungen des Gutachters gleichmäßig und gut gespannt. Die Widerstandskraft beim Bewegen der großen Gelenke war seitengleich möglich. Soweit der Gutachter nach den nicht relevant von den Erhebungen der Vorgutachter abweichenden Befunden eine Einschränkung der zeitlichen Leistungsfähigkeit auf drei Stunden für qualitativ auf ohne Überkopfarbeiten sowie ohne ständiges Heben und Tragen von Lasten über fünf Kilogramm eingeschränkte Tätigkeiten angenommen hat, hat er dies weder begründet noch ist diese Einschätzung nachvollziehbar. Die Angaben, der Kläger könne maximal noch 300 Meter am Stück laufen und max. 10 Minuten am Stück in der gleichen Position stehen sowie 30 Minuten am Stück sitzen, resultieren ausschließlich aus den Angaben des Klägers. Mit welchen objektiven Befunde derartige Einschränkungen zu begründen wären, hat der Gutachter nicht ausgeführt und lässt sich auch aus seinem Gutachten im Übrigen nicht herleiten.

Die sachverständige Zeugin Dr. S. hat in Bezug auf die Psoriasisarthritis keine schwerwiegenden Funktionsbeeinträchtigungen dargelegt. Aus den von ihr mitgeteilten Befunden ergibt sich im Wesentlichen eine Remission der Erkrankung unter der durchgeführten Therapie. Die von der sachverständigen Zeugin E. angegebene eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der Schultergelenke ist durch die zwischenzeitlich nun beidseitige Prothesenversorgung überholt und im Übrigen durch die von den Gutachtern erhobenen Befunde insoweit widerlegt, als hierdurch jedenfalls keine Tätigkeiten unter Vermeidung von Überkopfarbeiten für mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausgeschlossen sind. Die von ihr angegebenen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Hände sind nach den von den Gutachtern detailliert erhobenen Befunde nicht schwergradig ausgeprägt und stehen einer Verrichtung von Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die Feinmotorik nicht entgegen. Aus den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. O. ergeben sich keine konkreten Funktionsbefunde, die von den von Prof. Dr. K. und Dr. H1 erhobenen Befunde abweichen und der getroffenen Leistungseinschränkung entgegenstehen würden. Die Einschätzung im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 9. Februar 2022, wonach aktuell und bis auf weiteres keine ausreichende Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit auch für leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gesehen wurde, ist im Zusammenhang mit der zuvor erfolgten Implantation einer inversen Schulterprothese rechts am 25. November 2021 zu sehen und durch die insoweit noch nicht abgeschlossene Rekonvaleszenz zu erklären. Zudem zeigte sich schon vor Entlassung aus dem Heilverfahren eine deutlich gebesserte Beweglichkeit und Funktion der rechten Schulter mit allenfalls noch mittelgradiger Bewegungseinschränkung aktiv und leichtgradiger Bewegungseinschränkung bei der passiven Beweglichkeitsüberprüfung. Im Übrigen enthält der Bericht hinsichtlich weiterer Beeinträchtigungen des Stütz- und Bewegungsapparates keine konkreten, die beschriebene Leistungseinschätzung nachvollziehbar begründenden Befunde. Bei Begutachtung durch Dr. H1 bestanden Funktionsbeeinträchtigungen, die eine anhaltende zeitliche Leistungsminderung begründen würden, jedenfalls nicht (mehr).

Eine Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich ist damit nicht belegt. Zur Überzeugung des Senats steht daher fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden arbeitstäglich jedenfalls eine körperlich leichte Tätigkeit unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen zu verrichten.

Steht das krankheits- bzw. behinderungsbedingte (Rest-)Leistungsvermögen fest, ist im nächsten Prüfungsschritt die Rechtsfrage zu klären, ob der Versicherte damit außerstande ist, „unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts“ tätig zu sein (dazu BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rdnr. 17 ff. m.w.N.). Diese Frage ist hier zu verneinen. „Bedingungen“ sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind. Hierzu gehört vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen. Die Bedingungen sind „üblich“, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl. Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten, für die es faktisch „Angebot“ und „Nachfrage“ gibt. Das Adjektiv „allgemein“ grenzt den ersten vom zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte Einrichtungen.

Der Kläger kann - wie dargelegt - an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Er benötigt im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit keine Sonderbehandlung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Er hat auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf und ist in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Dabei ist der Senat der Auffassung, dass der Kläger über die für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit notwendigen kognitiven Grundfähigkeiten verfügt. Nach der Rechtsprechung des BSG werden unter den Begriff der üblichen Bedingungen „auch tatsächliche Umstände“ verstanden, wie z.B. die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz, mithin ausschließlich kognitive Grundfähigkeiten (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rdnr. 29). Wie dargelegt, liegt beim Kläger kein Leiden vor, das leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließt. Die angesprochenen kognitiven Grundfähigkeiten sind nicht betroffen.

Die gesundheitlichen Einschränkungen sind auch weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen (dazu BSG, a.a.O. Rdnr. 24 ff.). Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch in der Lage ist, körperlich leichte und geistige einfache Tätigkeiten – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten regelmäßig gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 79/09 RBSGE 109, 189; Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R – juris). Der Senat ist der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen des Klägers es diesem erlaubt, die oben genannten Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, auszuüben. Es liegt weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Weiter ist der Senat davon überzeugt, dass bei dem Kläger die erforderliche Wegefähigkeit vorliegt (beispielsweise BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - BSGE 110, 1). Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Wegefähigkeit, insbesondere Befunde, die den Kläger am Zurücklegen einer Wegstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten viermal täglich und der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten hindern würden, ergeben sich weder aus den Gutachten noch aus den sachverständigen Zeugenaussagen und vorliegenden medizinischen Unterlagen. Die Annahme einer fehlenden Wegefähigkeit durch Dr. H2 beruht lediglich auf den Angaben des Klägers, wird durch objektive Befunde jedoch nicht gestützt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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