L 16 KR 562/21

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 50 KR 1162/17
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 16 KR 562/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die rückwirkende Festsetzung von Vergütungssätzen für vergangene Jahre führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs. Die maßgeblichen Vorschriften in § 111c Abs 1 und § 40 Abs 2 und 3 SGB V enthalten kein Rückwirkungsverbot; dies kann auch nicht aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs 1 SGB V hergeleitet werden.
2. Die von der Schiedsstelle vorgenommene Betrachtung der Personalkosten in ihrer Gesamtheit erfüllt eine hinreichende Plausibilitätskontrolle der voraussichtlichen Gestehungskosten.
3. Die Kumulation von Veränderungsraten bei Vergütungsfestsetzung durch die Schiedsstelle nach jahrelangem Schwebezustand verstößt nicht gegen den Grundsatz der Beitragsstabilität in § 111c Abs 3 SGB V (aF).

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. November 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 6.935,03 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die klagenden Ersatzkassen wenden sich gegen den Schiedsspruch über die Vergütung für teilstationäre (ambulante) geriatrische Rehabilitation (Tagesklinik) in der Einrichtung der Beigeladenen in den Jahren 2015 bis 2017.  

Die Beigeladene betreibt seit 1997 eine teilstationäre geriatrische Rehabilitationsabteilung mit 20 Planbetten. Daneben hält sie eine akutgeriatrische Abteilung sowie eine vollstationäre Rehabilitationseinrichtung vor. Über die Höhe der Vergütung für die vollstationäre geriatrische Rehabilitation wurde durch Schiedsspruch vom 5. April 2017 entschieden.

Die Beigeladene erbrachte teilstationäre/ambulante geriatrische Rehabilitationsleistungen zu einem einvernehmlich vereinbarten Tagessatz iHv 125,86 Euro exklusive Fahrtkosten – 137,85 Euro inklusive Fahrtkosten – auf Grundlage einer Vergütungsvereinbarung vom 1. Juni 2006/ 15. Juni 2006 mit einer geregelten Mindestlaufzeit bis zum 31. Dezember 2006. Mit Schreiben vom 6. September 2006 kündigte die Beigeladene die Vereinbarung zum 31. Dezember 2006; erbrachte aber weiterhin Leistungen und erhielt dafür eine Vergütung gemäß der Vergütungsvereinbarung. Mit Schreiben vom 9. September 2014 kündigte die Beigeladene erneut die Vergütungsvereinbarung zum 31. Dezember 2014. Am 19. Oktober 2016 fand eine Verhandlung zwischen der Beigeladenen und den Klägerinnen über die Vergütung für die teilstationäre geriatrische Rehabilitation (Tagesklinik) statt. Die von der Beigeladenen vorgelegte Kostenkalkulation für die geriatrischen Rehabilitationsleistungen (Tagesklinik) wurde von den Klägerinnen als unplausibel zurückgewiesen; es konnte keine Einigung erzielt werden.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 beantragte die Beigeladene (=Antragstellerin im Schiedsverfahren) die Einleitung eines Schiedsverfahrens bei der beklagten Schiedsstelle nach § 111b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Sie trug vor, dass die bis zum Jahr 2014 für die teilstationäre geriatrische Rehabilitation gezahlte Vergütung nicht ausreichend sei, um die Leistungsfähigkeit der Einrichtung zu erhalten und beantragte für die Tagesklinik für das Jahr 2015 eine tägliche Vergütung von 178,81 Euro, für das Jahr 2016 eine tägliche Vergütung von 184,60 Euro und für das Jahr 2017 eine tägliche Vergütung von 191,30 Euro.

Die Klägerinnen (Antragsgegnerinnen im Schiedsverfahren) vertraten die Auffassung, dass eine rückwirkende Festsetzung der Vergütung für die Jahre 2015 und 2016 nicht zulässig sei. Zudem habe die Beigeladene für den Bereich der teilstationären geriatrischen Rehabilitation weder eine Kostensteigerung nachgewiesen noch einen Nachweis zur wirtschaftlichen Leistungserbringung geführt. Die im Schiedsverfahren vorgelegten Kalkulationen seien evident unstimmig. Insgesamt fehle eine plausible Darlegung von Kostensteigerungen vom Jahr 2014 auf das Jahr 2015 sowie für die Folgejahre. Der Personalschlüssel der Beigeladenen entspreche nicht den von den Spitzenverbänden der Krankenkassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen erarbeiteten Rahmenempfehlungen zur ambulanten geriatrischen Rehabilitation, die auch einen Personalschlüssel enthielten. Zum Beweis haben die Klägerinnen einen tabellarischen Vergleich für das Jahr 2015 vorgelegt:

Ein Anspruch der Beigeladenen auf die geforderte Gebührenerhöhung für die Jahre 2015 bis 2017 scheitere auch an dem Ergebnis eines sogenannten externen Vergleichs, der bei Übertragung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 120 SGB V durchzuführen wäre. In den Vergleich einzubeziehen seien ausschließlich die zwischen den Klägerinnen und Rehabilitationseinrichtungen in Niedersachsen abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen. Ein Vergleich mit Vergütungen anderer Krankenkassen sei aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung für eine kassenspezifische Vereinbarung der Vergütung nach § 111 Abs 5 SGB V ausgeschlossen. Die Klägerinnen haben eine Übersicht über die Vergütungen stationärer geriatrischer Reha-Einrichtungen in Niedersachsen vorgelegt. Die Vergütung für die Tagesklinik habe im Bundesdurchschnitt gelegen, sodass eine Erhöhung nach dem Maßstab des externen Vergleichs nicht angemessen und wirtschaftlich sei.

Selbst wenn man für die Jahre 2015 und 2016 – entgegen der Auffassung der Klägerinnen – eine Erhöhung der Vergütung für zulässig hielte, käme eine solche Erhöhung allein in Höhe des Orientierungswertes für Krankenhäuser im Sinne des § 10 Abs 6 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Betracht. Denn dieser Wert sei ein valider, statistisch verlässlich, amtlich ermittelter Anhaltspunkt für tatsächliche Kostensteigerungen spezifisch für stationäre Einrichtungen.

Mit Schiedsspruch vom 15. Juni 2017 setzte die beklagte Schiedsstelle die tägliche Vergütung für die ambulante Rehabilitation bei der Beigeladenen für 2015 auf 138,45 Euro, für 2016 auf 142,53 Euro und für 2017 auf 146,09 Euro fest. Sie habe die zwischen den Vertragsparteien streitigen Vergütungssätze für die teilstationäre (ambulante) geriatrische Rehabilitation für 2015, 2016 und 2017 im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens und Gestaltungsspielraums festgesetzt. Der Antrag der Beigeladenen habe nur insoweit Erfolg, als der Vergütungssatz für 2015 um 10% erhöht und für die Folgejahre 2016 und 2017 entsprechend der jeweiligen Veränderungsrate angepasst werde.

In der Begründung des Schiedsspruchs wird ausgeführt, der Schiedsstelle würden vom Gesetzgeber „keine spezifischen Vorgaben für ein Preissystem bei den Einzelverträgen“ gemacht, sondern es solle mittels der Schiedsstelle ermöglicht werden, „durch die Berücksichtigung der Vertragsparteien „vor Ort“ … zu  sachgerechten Ergebnissen einzelvertraglicher „bilateraler“ Konfliktlagen“ zu kommen und einen „spezifischen Ausgleich der Interessen der Vertragsparteien“ zu finden (BT-Drs 17/5708 Seite 13 und 19).

Ihr stehe bei Festsetzung der Vergütung ein weiter Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu, der auch eine rückwirkende Feststellung der Vergütung für die Jahre 2015 und 2016 zulasse. Anders als zB § 85 Abs 6 Satz 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) lasse sich den hier einschlägigen Regeln im SGB V kein Verbot der Rückwirkung entnehmen. Einer besonderen, im Gesetz verankerten Gestattung der Rückwirkung bedürfe es nicht, weil nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Vertragsparteien die Vergütung frei aushandeln könnten und sollten.  

Das über § 40 Abs 3 SGB V geltende Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs 1 SGB V stehe einer rückwirkenden Festsetzung nicht entgegen. Bei geriatrischen Reha-Zentren dürfte die Höhe der Vergütung bei Ausübung des pflichtgemäßen Auswahlermessens der Krankenkasse eher von nachrangiger Bedeutung sein, weil es häufig im wohlverstandenen Interesse des Patienten liege, nicht in eine andere, ihm nicht vertraute und häufig auch weiter entfernt liegende Einrichtung verlegt zu werden. Die Klägerinnen könnten sich auch nicht erfolgreich auf Vertrauensschutz berufen. Eine Krankenkasse müsse nach Kündigung der bisherigen Vergütungsvereinbarung damit rechnen, dass sich die künftige Vergütung zumindest bis zur Höhe der Veränderungsrate erhöhen könne. Die Klägerinnen hätten nicht davon ausgehen können, dass sich die Beigeladene trotz erfolgter Kündigung mit der bisher gezahlten Vergütung in Zukunft begnügen würde. Die ausdrücklich im September 2014 erfolgte erneute Kündigung auch der Vergütung für die teilstationäre geriatrische Rehabilitation zeige deutlich, dass sich die Beigeladene ab 2015 nicht mehr mit der bisherigen Vergütungshöhe habe zufriedengeben wollen. 

Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessenlage und der Tatsache, dass die Vergütung für die teilstationäre geriatrische Rehabilitation seit 2006 nicht erhöht worden sei, sei eine Erhöhung der Vergütung für 2015 um 10% und für 2016 und 2017 um den Wert der Veränderungsrate iHv 2,95% bzw 2,5 % sachgerecht und angemessen. Die von der Beigeladenen für die teilstationäre geriatrische Rehabilitation anfallenden tatsächlichen bzw prognostizierten Kosten seien im Wesentlichen als plausibel anzusehen.

Der von den Klägerinnen für die Kalkulation der Tagesklinik in 2015 zugrunde gelegte Personalschlüssel weiche in seiner Gesamtheit nicht entscheidend von dem aus der Rahmenempfehlung ersichtlichen Personalschlüssel ab bzw sei nachvollziehbar. Den vermehrten Einsatz von Pflegekräften habe die Beigeladene nachvollziehbar damit erklärt, dass bei ihr eine ganztägige Betreuung mit Versorgung unter gleichzeitigem Vorhalten von Ruheräumen erfolge. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es keine zwischen den Vertragsparteien ausgehandelte Leistungsbeschreibung gäbe, sodass dem Leistungserbringer bei Ausgestaltung der teilstationären Rehabilitationsleistung ein gewisser Spielraum zuzubilligen sei. Auch die Sachkosten seien weitestgehend plausibel. Da in der Tagesklinik Ruheräume mit Betten zur Verfügung gestellt würden, fielen Kosten der Bettenzentrale und Wäscheversorgung an.

Eine Anhebung der seit 2006 unverändert gebliebenen Vergütung für das Jahr 2015 um 10% sei sachgerecht, da sich schon die Summe der Veränderungsraten ab 2007 auf mehr als 15% beliefe. Eine Beschränkung der Vergütung der Tagesklinik auf 2/3 der Vergütung für die vollstationäre geriatrische Rehabilitation sei nicht gerechtfertigt. Dabei möge es sich um eine „Faustregel“ handeln, die von den Klägerinnen und der Deutschen Rentenversicherung intern angewendet werden möge, die aber keine nachvollziehbare Kalkulation als Grundlage erkennen lasse. Die Beigeladene erhalte in Niedersachsen die zweitniedrigste Rate, während ein Mitanbieter seit langem mehr als 140,- Euro erhalte. Die Beklagte halte eine Orientierung an den in Niedersachsen an Tageskliniken gezahlten Vergütungen für sachgerecht. Ein bundesweiter Vergleich sei angesichts der großen Bandbreite von bundesweit gezahlten Vergütungen mit 98,82 Euro bis 157,90 Euro nicht gerechtfertigt. Der Aufstellung der Klägerinnen lasse sich nicht entnehmen, welche der angeführten Einrichtungen auch nur annähernd der Einrichtung der Beigeladenen vergleichbar sei. Zugunsten der Klägerinnen werde berücksichtigt, dass sie den Leistungserbringern jedenfalls in Niedersachsen seit längerem niedrigere Sätze als die AOK vergüten würde und derzeit nicht die über die gleichen finanziellen Mittel verfüge wie andere Krankenkassen.

Andererseits erscheine es der Beklagten nicht angebracht, die Vergütung um die Gesamtsumme der Veränderungsraten seit 2007 zu erhöhen. Die jährliche Veränderungsrate stelle nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Obergrenze/Höchstgrenze dar, über die Vertragsparteien nicht hinausgehen dürften. Das bedeute jedoch nicht, dass automatisch Anpassungen von Vergütungen in dieser Höhe auch angemessen seien, sondern stelle vielmehr den Verhandlungsspielraum dar, innerhalb dessen ein Preis auszuhandeln sei. Bei einem solange zurückliegenden Zeitraum lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen, ob jeweils Erhöhungen um die jährliche Veränderungsrate angebracht und angemessen wären. Immerhin habe die Beigeladene über einen langen Zeitraum der für 2006 vereinbarten Vergütung hingenommen. Vor diesem Hintergrund erscheine eine Erhöhung der Vergütung für 2015 um etwa 2/3 der Gesamtsumme der Veränderungsraten seit 2007 angemessen.

Für die Jahre 2016 und 2017 sei aufgrund gestiegener Personalkosten eine Erhöhung der Vergütung um die jeweilige Veränderungsrate sachgerecht. Die Erhöhung der Vergütung im Umfang der festgelegten Veränderungsrate von 2,5 % sei gerechtfertigt, da im Personalbereich mit einer Kostensteigerung diesen Umfangs ausweislich der Tarifsteigerungen ab 1. Juni und 1. Juli 2017 zu rechnen sei. Vor diesem Hintergrund seien in den neuen Vergütungsvereinbarungen für die vollstationäre geriatrische Rehabilitation in den Jahren 2016 und 2017 eine Erhöhung der bisherigen Vergütung im Bereich der jeweiligen Veränderungsrate vereinbart worden. Angesichts dieser deutlichen Kostensteigerung verbiete es sich für den Umfang der Erhöhung auf den für 2016 und 2017 festgesetzten Orientierungswert für Krankenhäuser abzustellen.

Von entscheidender Bedeutung sei, dass die Klägerinnen bei den Vergütungen für die vollstationäre geriatrische Rehabilitation ausweislich der von ihnen vorgelegten Übersicht mit nahezu allen Reha-Einrichtungen, mit denen es für die Jahre 2016 und 2017 eine neue Vergütungsvereinbarung gegeben habe, eine Erhöhung der Vergütung im Bereich der jeweiligen Veränderungsrate vereinbart hätten. Es seien keine Gründe ersichtlich, dass es bei den Leistungserbringern im teilstationären Bereich nicht zu derartigen Kostensteigerungen gekommen sei.

Gegen den ihnen am 26. Juli 2017 bekannt gegebenen Schiedsspruch haben die Klägerinnen am 28. August 2017 (Montag) Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, gerichtet auf die Aufhebung des Schiedsspruchs und Neubescheidung.

Der für die Erbringung teilstationärer (ambulanter) Rehabilitationsleistungen mit der Beigeladenen vereinbarte Tagessatz liege auch im Jahr 2017 erheblich über dem bundesweiten Durchschnitt. Zum Beweis hätten die Klägerinnen bereits im Schiedsverfahren eine anonymisierte Aufstellung über die von den Ersatzkassen bundesweit für die teilstationäre Rehabilitation vereinbarten Vergütungen vorgelegt. Die Leistungen der Beigeladenen gingen weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht über die strukturellen Maßgaben der Rahmenempfehlungen hinaus. Für Vergütungssätze der teilstationären/ambulanten und an vollstationäre Einrichtungen angebundenen Rehabilitationseinrichtungen werde aufgrund von Synergieeffekten in der Regel 2/3 des Vergütungssatzes vollstationärer Einrichtungen vereinbart und von der Deutschen Rentenversicherung zugrunde gelegt.

Eine rückwirkende Vergütungsfestsetzung für die Jahre 2015 und 2016 sei rechtswidrig. Nach § 40 Abs 3 Satz 1 iVm § 12 Abs 1 SGB V sei die an der Wirtschaftlichkeit auszurichtenden Ermessensentscheidung über die Genehmigung der Leistungen unvereinbar mit einer nachträglichen Vergütungsanhebung für bereits genehmigte und erbrachte Leistungen. Zugunsten der Klägerinnen bestehe ein Vertrauenstatbestand, da die Beigeladene auch nach Kündigung der Vergütungsvereinbarung am 9. September 2014 ihre Leistungen beanstandungslos erbracht habe. Der Schiedsspruch verletze auch den Grundsatz der Beitragsstabilität und des Wirtschaftlichkeitsgebots. Die Beklagte habe die wirtschaftlichen Kosten nicht ausreichend ermittelt und den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt. Sie habe die Implausibilität der Kalkulation der Beigeladenen selbst erkannt, sie habe den erforderlichen Wirtschaftlichkeitsvergleich unterlassen und die Vergütung unter Verstoß gegen § 71 Abs 2 SGB V um 10 % angehoben. Die Kalkulation der Beigeladenen sei offensichtlich nicht geeignet gewesen, die erforderliche Kostensteigerung zu belegen. Die Beklagte habe sich mit den dagegen gerichteten Einwänden der Klägerinnen nicht auseinandergesetzt. Zudem habe sie es gesetzeswidrig unterlassen, einen nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gebotenen externen Vergleich - mit den Vergütungen der Einrichtungen im bundesweiten Vergleich- anzustellen.

§ 71 Abs 2 Satz 1 SGB V ordne an, dass die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die Veränderungsrate nicht überschreiten dürfe. Die Vorschrift erlaube weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die nachträgliche Aufholung unterlassener Steigerungen durch kumulierte Veränderungsraten. Eine nachträgliche Aufholung unterbliebener Anpassungen sei auch systemwidrig, weil über die Veränderungsrate hinausgehende Steigerungen die Beitragsstabilität für die Folgejahre tatsächlich gefährden könnten.

Mit Urteil vom 17. November 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft. Die Entscheidung der Schiedsstelle habe eine Doppelnatur. Einerseits begründe oder ändere sie eine Vergütungsvereinbarung und teile deren Rechtsnatur als Vertrag, andererseits ergehe sie gegenüber den Vertragspartnern als Verwaltungsakt, der gerichtlich anfechtbar sei. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedürfe es nicht. Die so verstandene Klage sei zulässig, aber unbegründet. Der Schiedsspruch erweise sich als rechtmäßig.

Der Schiedsstelle komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei ihrer Entscheidung ein weitreichender Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten richterlichen Kontrolle zugänglich sei. Die Schiedssprüche seien ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und hätten Kompromisscharakter. Die inhaltliche Kontrolle sei darauf beschränkt, ob der von der Schiedsstelle zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffe und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten hat, dh insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet habe, die auch für die Vertragsparteien gelten würden. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums ergäben sich aus den jeweils spezialgesetzlichen Vorgaben. In Bezug auf die Darlegungstiefe reiche es regelmäßig aus, dass die maßgebenden Gründe des Schiedsspruchs wenigstens andeutungsweise erkennbar seien und dass er den Sachverhalt, Verfahrensablauf, Anträge und Erwägungen der Schiedsstelle sowie die dafür maßgebenden normativen Kriterien einschließlich ihrer Gewichtung enthalte.

Nach dieser Maßgabe lasse der Schiedsspruch keine Rechtswidrigkeit erkennen. Formelle Fehler oder Unrichtigkeiten seien nicht ersichtlich. Insbesondere liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte die schriftsätzlichen Stellungnahmen der Klägerinnen oder der Beigeladenen nicht zur Kenntnis genommen habe. Aus der Begründung des Schiedsspruches ergebe sich, dass die Beklagte die wesentlichen Eckpunkte der Argumentation der Beteiligten nachvollzogen habe und diese auch mit den entscheidenden Kernaussagen im Rahmen der Entscheidungsfindung wiedergebe.

Auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht sei nicht festzustellen. Die Beklagte habe im Rahmen der Begründung die verschiedenen Kriterien der Kostenaufstellung bewertet, indem sie ausführe, dass der Personalschlüssel der Tagesklinik bei einer Gesamtbetrachtung nicht wesentlich abweiche von dem in der Rahmenempfehlung für ambulante geriatrische Rehabilitation zugrunde gelegten Personalschlüssel. Die Beklagte habe sich nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen. Sie habe dargelegt, weshalb sie die Kostendarstellungen der Beigeladenen für ausreichend tragfähig halte. Eine Amtspflichtverletzung liege auch nicht in dem Verzicht der Beklagten auf einen externen – bundesweiten - Vergütungsvergleich. Die Beklagte habe nachvollziehbar auf die Umstände vor Ort abgestellt und einen Vergleich der vier in Niedersachsen ansässigen teilstationären geriatrischen Einrichtungen angestellt.

Der Schiedsspruch halte einer Überprüfung auch in materiell-rechtlicher Hinsicht stand. Die rückwirkende Vergütungsanhebung für die Jahre 2015 und 2016 begegne keinen Bedenken. In den hier maßgeblichen Rechtsvorschriften der §§ 111 Abs 5; 12 Abs 1; 40 Abs 2 u 3 SGB V werde eine rückwirkende Regelung der Vergütung nicht ausgeschlossen. Anders sei dies in § 85 Abs 6 SGB XI, wonach ein rückwirkendes Inkrafttreten von Pflegesätzen nicht zulässig sei. Diese Regelung mache bereichsspezifisch Sinn, da die festgesetzten Pflegesätze nicht für die Pflegeheime und Kostenträger, sondern auch für die Heimbewohner unmittelbar verbindlich gelten würden. Die Heimbewohner müssten vor einer rückwirkenden Erhöhung geschützt werden. Eine unmittelbare Außenwirkung für Versicherte ergebe sich aus den streitbefangenen Vergütungsvereinbarungen indes nicht.

Etwas anderes folge auch nicht aus der von den Klägerinnen argumentierten Systemwidrigkeit. Zwar sei die Bewilligungsentscheidung zur Durchführung einer stationären Rehabilitation vor Durchführung der Maßnahme zu treffen. Doch stehe dies einer rückwirkenden (höheren) Vergütungsfestsetzung nicht entgegen. Denn es sei nicht ersichtlich, dass nicht auch die Beteiligten selbst, für rückwirkende Zeiträume eine einvernehmliche Regelung hätten treffen können. Bei Kündigung einer Vergütungsvereinbarung müsse mit einer rückwirkenden Entscheidung der Schiedsstelle gerechnet werden. Es dürfe nicht aus dem Blick geraten, dass im Rahmen des Schiedsverfahrens nach § 111b SGB V die Vergütung bezogen auf die einzelne Einrichtung bestimmt werde, so wie dies – ebenso – durch die Beteiligten nach § 111 Abs 5 SGB V vereinbart werden solle. Aus den von der Beklagten angeführten Gründen sei auch kein Vertrauenstatbestand zugunsten der Klägerinnen erwachsen. Deutlicher als mit der zweiten erklärten Kündigung im September 2014 habe die Beigeladene nicht zum Ausdruck bringen können, dass sie nunmehr eine höhere Vergütung für die Leistungen der teilstationären geriatrischen Rehabilitation begehre.

Die mit dem Schiedsspruch festgesetzte Vergütungserhöhung um 10% für das Jahr 2015 verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Dass die Beigeladene zunächst – und auch über einen längeren Zeitraum – nicht die Schiedsstelle angerufen habe, um eine Entscheidung herbeizuführen, könne nicht zu ihren Lasten gehen. Es stehe ihr frei, ob und zu welchem Zeitpunkt sie eine Entscheidung der Schiedsstelle beantrage.

Auch § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V stehe einer nachträglichen Aufholung durch Kumulation der Veränderungsraten nicht zwingend entgegen. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass das BSG eine Kumulation der Werte im Bereich der Festsetzung der Vergütung durch Schiedsspruch für die häusliche Krankenpflege gebilligt habe (BSG, Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 1/10 R-). Entgegen der Ansicht der Klägerinnen sei hier nicht bis Ende 2014 von einer wirksamen Vergütungsvereinbarung auszugehen. Die Beigeladene habe durch die Kündigungserklärung aus dem Jahr 2006 die ursprüngliche Bindung an die zuvor getroffene vertragliche Regelung beseitigt. Zudem habe die Beklagte nicht die kumulierten Veränderungsraten festgesetzt, die zu einer Steigerung von ca. 15 % geführt hätte, sondern habe den niedrigeren Wert von 10% für angemessen erachtet. Auf Seiten der Beigeladenen habe die Beklagte in die Bewertung eingestellt, dass diese in Niedersachsen die zweitniedrigste Rate erhalte. Zu Recht habe die Beklagte auf die Vergütung geriatrischer Tageskliniken in Niedersachsen abgestellt und sich nicht am Bundesdurchschnitt orientiert. Ein bundesweiter Vergleich weise eine zu große Bandbreite auf, da die bundesweit gezahlte Vergütung zwischen 98,82 Euro und 157,90 Euro liege. Zudem könnten regionale Besonderheiten nicht berücksichtigt werden.

Schließlich begegne auch die Anhebung der Vergütung für die Jahre 2016 und 2017 in Höhe der jeweiligen Veränderungsrate keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit habe die Beklagte nachvollziehbar auf die prozentuale Steigerung der Lohnkosten abgestellt. Die Anknüpfung an die Veränderungsrate bzw. die Steigerung der Grundlohnsummen für die Festsetzung der Vergütungserhöhung sei nach der Rechtsprechung des BSG ein plausibler, nachvollziehbarer Beurteilungsmaßstab (BSG aaO, Rn 47). Nicht zu beanstanden sei, dass die Beklagte die Vergütungsverhandlungen für die vollstationären Rehabilitationseinrichtungen für die Jahre 2016 und 2017 in Blick genommen habe, bei denen von einer generellen Kostensteigerung entsprechend der Veränderungsrate ausgegangen worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass es im teilstationären Bereich nicht zu derartigen Kostensteigerungen gekommen sei.

Gegen das ihr am 26. November 2021 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 21. Dezember 2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt und tragen im Wesentlichen vor, das SG habe den Grundsatz der Beitragsstabilität nach § 71 SGB V und das damit verbundene Prinzip der Vorjahresanknüpfung nicht berücksichtigt. Zudem habe es das vom BSG entwickelte und für die Vergütung von Rehabilitationseinrichtungen anzuwendende zweistufige Prüfungsverfahren nicht hinreichend beachtet.

Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beigeladene sich für die Jahre 2007 bis 2014 nicht mehr an die Vergütungsvereinbarung gebunden gesehen haben sollte. Sie habe im Anschluss an die Kündigung im Jahr 2006 keine Verhandlungen zur Festsetzung einer neuen Vergütungsvereinbarung geführt und in den Folgejahren die Leistungen nach der alten Vereinbarung akzeptiert. Wenn die Beigeladene über Jahre hinweg versäumt habe, neue Vergütungsverhandlungen zu führen oder die Schiedsstelle anzurufen, so dürfe dieses Verhalten nicht zu Lasten der Klägerinnen gehen. Die erneute Kündigung in 2014 lasse gerade darauf schließen, dass die Vergütungsvereinbarung bis 2014 fortbestanden habe.

Nach dem zweistufigen Prüfverfahren des BSG seien auf der ersten Prüfungsstufe die Gestehungskosten nachvollziehbar darzulegen und auf der zweiten Stufe habe ein externer Vergleich zu den Kostensätzen vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen im gleichen Umkreis zu erfolgen. Die für den Bereich der Pflegesatzverfahren entwickelte Rechtsprechung sei auf den Bereich der Rehabilitationseinrichtungen zur Ermittlung einer angemessenen Vergütungshöhe übertragbar. Danach hätte die Beigeladene für jedes einzelne Jahr die Gestehungskosten im Vergleich zum Vorjahr hinsichtlich aller maßgeblichen Kalkulationsgrundlagen schlüssig darlegen müssen. Dies sei weder für die Personal- noch für die Sachkosten erfüllt.

Im Rahmen der Wahrung der Beitragsstabilität nach § 71 SGB V müsse berücksichtigt werden, dass bei der Vergütungsvereinbarung das Selbstkostendeckungsprinzip nicht gelte. Der 6. Senat des BSG habe entschieden, dass sich die Vergütungsvereinbarung für das Folgejahr an den gegenüber dem Vorjahr eingetretenen Veränderungen zu orientieren habe (Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 6/14). Dieser allgemeine Grundsatz sei auch auf die Vergütung von Reha-Leistungen übertragbar. Daher müsse immer eine Kostensteigerung in mindestens der Höhe der Veränderungsrate plausibel nachgewiesen werden (BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 – B 6 KA 4/09 R). Dass nach der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG die Veränderungsrate im Rahmen des § 71 SGB V nur eine begrenzte Funktion habe, werde vom SG nicht hinreichend berücksichtigt.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. November 2021 sowie den Schiedsspruch der Beklagten vom 15. Juni 2017 aufzuheben und

die Beklagte zu verpflichten, über die Anträge auf Festsetzung der Vergütung für die teilstationäre geriatrische Rehabilitationseinrichtung der Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und vertritt die Auffassung, dass die Klägerinnen letztlich eine Verwirkung der Kündigung der Beigeladenen durch Untätigkeit geltend machten, Damit könnten die Klägerinnen jedoch nicht durchdringen. Es sei allgemein anerkannt, dass bloße Untätigkeit nicht ausreiche, um den Tatbestand der Verwirkung zu erfüllen. Abgesehen davon müssten sich die Klägerinnen entgegenhalten lassen, dass sie die bestehende Unsicherheit hätten vermeiden können, indem sie die Beigeladene mit einem Schreiben im Jahr 2007 oder 2008 darauf hingewiesen hätten, dass sie die Kündigung als gegenstandslos betrachteten, da keine Vergütungsverhandlungen aufgenommen worden seien. Im Ergebnis habe in Bezug auf die Jahre ab 2007 ein offener Zustand bestanden. Die Beklagte habe im Schiedsspruch das daraus resultierende wirtschaftliche Risiko unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung seit 2007 im Verhältnis 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerinnen verteilt. Das sei im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens und Gestaltungsspielraums nicht zu beanstanden.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, aber in der Sache ihr erstinstanzliches Vorbringen (Schriftsatz vom 5. Juli 2018) wiederholt.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 4. Oktober, 17. Oktober und 22. Oktober  2024 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtskate und den beigezogenen Verwaltungsvorgang im Übrigen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgerichtsgesetz (SGG) konnte der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Berufung der Klägerinnen ist nach Maßgabe der §§ 143 ff SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Sie erweist sich allerdings als unbegründet. Das Urteil des SG Hannover hält einer Überprüfung durch den Senat stand.

1. Die Klage ist zulässig.

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 Abs 1 Nr 2 SGG eröffnet. Es handelt sich bei Streitigkeiten über die Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 111b SGB V um Angelegenheiten des Krankenversicherungsrechts. Da § 29 Abs 2 Nr 1 SGG sie nicht nennt, ist eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Landessozialgerichte nicht gegeben (Miriam Hannes in Hauck/Noftz, SGB V, 10. Ergänzungslieferung 2024, § 111b SGB 5, Rn 37).

Die Klägerinnen haben mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG, gerichtet auf die Neubescheidung des Schiedsantrages durch Wiederholung des Schiedsverfahrens und erneuten Schiedsspruch, die richtige Klageart gewählt. Die damit geltend gemachte Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes berücksichtigt, dass die Festsetzung der Vergütung durch die Schiedsstelle nach § 111c Abs 3 Satz 2 SGB V (in der Fassung vom 22. Dezember 2011, gültig ab 1, Januar 2012 bis 28. Oktober 2020 <aF>) als Verwaltungsakt anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung des BSG ist der Schiedsspruch ein Verwaltungsakt, der von der Schiedsstelle als Behörde im Sinne von § 1 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erlassen wurde (BSG, Urteil vom 26. September 2019, - B 3 P 11/18 R-, Rn 14). Die Schiedsstelle trifft mit ihrer Festsetzung eine Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen iS des § 31 Satz 1 SGB X (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015, - B 6 KA 20/14 R -, Rn 21). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat die Festsetzung der Schiedsstelle, der kein Genehmigungsakt folgt, selbst den Charakter eines vertragsgestaltenden Verwaltungsaktes (BVerwGE 146, 369 Rn 27).

Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht. Zwar fehlt für Schiedssprüche auf der Grundlage von § 111c Abs 3 Satz 2 SGB V iVm § 111b SGB V eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wonach ein Vorverfahren vor Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nicht stattfindet. Die Rechtsprechung des BSG, wonach die Klage gegen einen Spruch der Schiedsstelle nach § 76 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) aus grundsätzlichen Erwägungen heraus keines Vorverfahrens bedarf (BSG Urteil vom 25. Januar 2017 - B 3 P/15 R-; so auch Urteil vom 26. September 2019, - B 3 P 1/118 R -), ist auf Klagen gegen die Landeschiedsstellen nach § 111b SGB V übertragbar. Auch insoweit erscheint es nicht sinnvoll, den Schiedsspruch, den die Mehrheit der Schiedsstellenmitglieder für angemessen gehalten hat, einer Selbstkontrolle zu unterziehen (im Ergebnis ebenso Wahrendorf, KrV 2016, 221, 227; ihm folgend Welti, in Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2015, Rn 11; aA Quaas, in Schnapp/Düring (Hrsg), Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl 2016, Rn 668).

Die Klage war gegen die Schiedsstelle zu richten, die als gemeinsame Einrichtung von Leistungserbringern und Krankenkassen jedenfalls gemäß § 70 Nr 4 SGG beteiligtenfähig ist. Jede Vertragspartei kann den Schiedsspruch angreifen. Der nicht klagende Vertragspartner ist notwendig beizuladen (hier: das Q.), dem hat das SG durch Beiladungsbeschluss vom 6. März 2018 entsprochen.

Die gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 geltende Klagefrist von einem Monat ab Bekanntgabe der Schiedsentscheidung (Miriam Hannes aaO) haben die Klägerinnen eingehalten. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses wurde ihnen der Schiedsspruch am 26. Juli 2017 bekannt gegeben, sodass mit Klageerhebung am 28. August 2017 (einem Montag) die Klagefrist noch gewahrt ist.

2. Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet.

Der angefochtene Schiedsspruch ist nicht zu beanstanden; er hält sich in den Grenzen des Beurteilungsspielraums und ist auf Grundlage eines hinreichend ermittelten Sachverhalts ergangen.

Einer paritätisch und sachkundig besetzten Schiedsstelle kommt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bei ihrer Entscheidungsfindung grundsätzlich ein weitreichender Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Ihre Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter. Insofern gelten die gleichen Maßstäbe wie bei der Überprüfung der Entscheidungen der Schiedsämter nach § 89 SGB V (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015, - B 6 KA 20/14 R , Rn 26). Trotz ihres weitreichenden Beurteilungsspielraums hat die Schiedsstelle zwingendes Gesetzesrecht verfahrensrechtlicher und auch materiell-rechtlicher Art zu beachten. Der Schiedsspruch muss in einem fairen Verfahren auf der Basis eines hinreichend ermittelten Sachverhalts ergehen und sich innerhalb der Grenzen des Beurteilungsspielraums halten. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums ergeben sich aus den jeweiligen spezialgesetzlichen Vorgaben. In Bezug auf die Darlegungstiefe reicht es insoweit regelmäßig aus, dass die maßgebenden Gründe des Schiedsspruchs wenigstens andeutungsweise erkennbar sind und dass der Sachverhalt, Verfahrensablauf, Anträge und Erwägungen der Schiedsstelle sowie die dafür maßgebenden normativen Kriterien einschließlich ihrer Gewichtung enthält (BSG, Urteil vom 26. September 2019, - B 3 P 1/18 R, Rn 18 mwN).

a) Der Schiedsspruch ist formell rechtmäßig ergangen.

Das SG hat bereits ausführlich dargelegt, dass weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes ersichtlich sind. Auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs 2 SGG Bezug genommen. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klägerinnen im Schiedsverfahren (Schriftsatz vom 17. Februar 2017, Seite 39) selbst ausgeführt haben, dass in den geforderten externen Vergleich „ausschließlich die zwischen den Klägerinnen und Rehabilitationseinrichtungen in Niedersachsen abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen“ einzubeziehen sind. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen im Klageverfahren, die Beklagte habe es gesetzeswidrig unterlassen, einen nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gebotenen externen Vergleich - mit den Vergütungen der Einrichtungen im bundesweiten Vergleich – anzustellen und damit den Sachverhalt nicht hinreichend von Amts wegen aufgeklärt, nicht schlüssig.

b) Der Schiedsspruch ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung hält sich bei der Bestimmung der Vergütungshöhe unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, und Leistungsfähigkeit im Rahmen des der Schiedsstelle zustehenden Beurteilungsspielraums.

aa) Die rückwirkende Festsetzung der Vergütungssätze für die Jahre 2015 und 2016 führt nicht zur Rechtwidrigkeit des Schiedsspruchs.

Gemäß § 111c Abs 3 SGB V (aF) werden die Vergütungen für die ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zwischen den Krankenkassen und den Trägern der zugelassenen Rehabilitationseinrichtungen vereinbart. § 111c SGB V dient der Gleichstellung der ambulanten mit den stationären Rehabilitationseinrichtungen und lehnt sich daher eng an die entsprechende Regelung für stationäre Rehabilitationseinrichtungen in § 111 SGB V an (Engelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 111c SGB V (Stand: 22. Februar 2023), Rn 9).

Kommt eine Vereinbarung nicht oder teilweise nicht zustande, wird ihr Inhalt auf Antrag einer Vertragspartei durch die Landesschiedsstelle nach § 111b festgesetzt, Abs 3 Satz 2. Die Landesschiedsstelle ist dabei an die für die Vertragsparteien geltenden Rechtsvorschriften gebunden, Abs 3 Satz 3 (aF). Wie die Schiedsstelle nach § 18a KHG hat folglich auch die Landesschiedsstelle nach § 111b Abs 1 SGB V bei der Vertragsfestsetzung dieselben rechtlichen Grenzen zu beachten, die für die Vertragsparteien im Falle der einvernehmlichen Vereinbarung gelten. Innerhalb dieser Grenzen steht der Landesschiedsstelle derselbe Entscheidungsspielraum wie den Vertragsparteien zu. Was von diesen rechtmäßig hätte vereinbart werden dürfen, stellt eine rechtmäßige Festsetzung durch die Landesschiedsstelle dar (Engelmann in: Schlegel/Voeltzke, jurisPK SGB V, 4. Aufl, § 111 SGB V, Stand 5. Dezember 2023, Rn 108).

Dementsprechend hatte die Beklagte bei Festsetzung der Vergütungssätze für die ambulanten medizinischen Rehabilitationsleistungen die dafür maßgeblichen Vorschriften in § 111c Abs 1 sowie § 40 Abs 2 und 3 SGB V zu beachten. Im Unterschied zu § 85 SGB XI, der die Vereinbarung von Pflegesätzen regelt und in dessen Abs 6 Satz 2 der Gesetzgeber ausdrücklich normiert hat, dass ein rückwirkendes Inkrafttreten von Pflegesätzen nicht zulässig ist, enthält weder § 40 noch § 111c SGB V ein ausdrückliches Rückwirkungsverbot für Vergütungsvereinbarungen von Rehabilitationsleistungen. Dafür, dass insoweit eine planwidrige gesetzgeberische Regelungslücke besteht, fehlen Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen, wonach eine gesetzliche Grundlage für eine rückwirkende Festsetzung fehle, bedarf es auch keiner besonderen im Gesetz normierten Gestattung einer rückwirkenden Festsetzung. Eine solche Forderung würde ein generelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt voraussetzen, für das sich aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte ergeben.  

Eine rückwirkende Festsetzung der Vergütung in der Rehabilitation ist auch nicht systemwidrig.

Insbesondere lässt sich kein Rückwirkungsverbot von Vergütungsvereinbarungen für Rehabilitationsleistungen aus dem nach § 40 Abs 3 SGB V geltenden Wirtschaftlichkeitsgebot (§12 Abs 1 SGBV) herleiten.  § 12 SGB V ist eine Grundnorm des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung. Von besonderer Bedeutung ist der Absatz 1 der Vorschrift, in dessen Satz 1 das sogenannte Wirtschaftlichkeitsgebot (auch Wirtschaftlichkeitsgrundsatz genannt) niedergelegt ist. Konkretisiert wird das Wirtschaftlichkeitsgebot durch die Regelungen des Leistungserbringungsrechts. Zusammen mit § 12 Abs 1 SGB V bestimmen sie den leistungsrechtlichen Anspruchsrahmen der Versicherten. Zugleich beschränken sie, wie § 12 Abs 1 Satz 2 SGB V klarstellt, auch den Handlungsrahmen der Leistungserbringer wie der Krankenkassen (Heinz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 12 SGB V (Stand: 15. Juni 2020), Rn 12). Die leistungsrechtliche Bestimmung des Anspruchsrahmens lässt keinen (unmittelbaren) Rückschluss auf ein Rückwirkungsverbot für Vergütungsvereinbarungen zu. Dies folgt auch nicht (mittelbar) aus dem Umstand, dass Krankenkassen keine unwirtschaftlichen Leistungen erbringen bzw finanzieren dürfen und ihr Auswahlermessen in Bezug auf die vom Versicherten begehrte Einrichtung vor Antritt der Maßnahme ausüben müssen. Vor diesem Hintergrund sind die Beteiligten von Vergütungsverhandlungen aufgefordert, prospektiv zu verhandeln. Das BSG hat allerdings für zwei andere Leistungsbereiche bereits entschieden, dass dies einen rückwirkenden Abschluss nicht ausschließt.

Dass die Grundsätze des SGB V einer rückwirkenden Vergütungsfestsetzung der Beklagten nicht entgegenstehen, zeigt die Rechtsprechung des BSG zum Bereich der häuslichen Krankenpflege (Urteil vom 29. Juni 2017, - B 3 KR 31/15 R -, Rn 54). Danach ist es im Bereich der häuslichen Krankenpflege nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich möglich, Versorgungsverträge mit den Krankenkassen auch noch rückwirkend abzuschließen, weil derartige Verträge nicht statusbegründend sind. Diese Rechtsprechung ist auf die Vergütungsvereinbarungen für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übertragbar, weil auch diese Vereinbarung nicht statusbegründend ist.

Nach der Rechtsprechung des BSG zu Vergütungsvereinbarungen im Bereich der Sozialhilfe enthält auch § 77 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) kein Verbot rückwirkenden Inkrafttretens. Vielmehr geht die Norm gerade von dem Grundsatz aus, dass die Beteiligten bzw die Schiedsstelle über den Zeitpunkt des – auch rückwirkenden – Inkrafttretens der Vereinbarungen bei prospektivem Verhandeln frei entscheiden können. Dies muss in gleicher Weise die Befugnisse der Schiedsstelle bestimmen; dadurch wird das Vereinbarungssystem gerade nicht verlassen, sondern nur dahin modifiziert, dass an die Stelle der zu vereinbarenden die von der Schiedsstelle festgesetzte Vergütung tritt (BSG, Urteil vom 23. Juli 2014; - B 8 SO 2/13 R, Rn 17). Darauf hat die Beigeladene zutreffend hingewiesen.

bb) Den Klägerinnen ist aus der Verhandlungshistorie auch kein Vertrauenstatbestand erwachsen. Die Beigeladene hat eine höhere Festsetzung der Vergütung für das Jahr 2015 nicht verwirkt.

Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 19. November 2019 – B 1 KR 10/19 R -, 12). Hier fehlt es an den „besonderen Umständen“; ein einfaches Unterlassen der Beigeladenen genügt nicht. Darauf hat die Beklagte im Berufungsverfahren zutreffend hingewiesen.

cc) Die im Schiedsspruch festgesetzte Vergütungserhöhung basiert auf einer hinreichenden Plausibilitätskontrolle der Gestehungskosten.

Die Beklagte hat sich im angefochtenen Schiedsspruch zu Recht an dem von der Rechtsprechung des BSG zu Pflegesatzverfahren entwickelten zweistufigen Prüfungsverfahren für die von einem Einrichtungsträger beanspruchten Vergütungen orientiert. Dabei ist der 3. Senat des BSG davon ausgegangen, dass ausschließlich auf Gestehungskosten gestützte Vergütungsansprüche im geltenden Recht keine Grundlage finden. Andererseits ist aber auch nicht die Annahme gerechtfertigt, dass sich die Vergütung im Wesentlichen nach Marktpreisen bestimmt und die kalkulatorischen Gestehungskosten regelmäßig außer Betracht bleiben. Eine beanspruchte Vergütung ist danach leistungsgerecht, wenn erstens die vom Träger zugrunde gelegten voraussichtlichen Gestehungskosten nachvollziehbar sind (Plausibilitätskontrolle) und sie zweitens in einer angemessenen und nachprüfbaren Relation zu den Sätzen anderer Einrichtungen für vergleichbare Leistungen stehen (externer Vergleich) (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, - B 3 P 3/08 R, Rn 49 u 50). Der 6. Senat des BSG geht davon aus, dass die Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung nach § 120 Abs 2 SGB V in Anlehnung an das vom 3. Senat für den Bereich der Pflegesatzverfahren nach § 84 SGB XI entwickelte Prüfungsprogramm zu erfolgen hat. Das ist aufgrund der bestehenden Parallelen sachgerecht. § 120 Abs 2 SGB V weist insoweit deutliche Übereinstimmungen zur Bemessung der Pflegesätze nach § 84 SGB XI auf, als dort vorgegeben wird, dass die Pflegesätze leistungsgerecht sein müssen und es dem Pflegeheim ermöglichen müssen, bei wirtschaftlicher Betriebsführung seine Aufwendungen zu finanzieren und seinem Versorgungsauftrag nachzukommen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015, - B 6 KA 20/14 R-, Rn 33). Aus den gleichen Erwägungen ist das im Bereich der Pflegesatzverfahren entwickelte zweistufige Prüfungsschema auch auf Vergütungssätze für Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation nach § 111c Abs 3 SGB V übertragbar.

Danach hat die beklagte Schiedsstelle vorliegend zu Recht zunächst eine Plausibilitätsprüfung (Personal- und Sachkosten) im Wege eines internen Abgleichs vorgenommen; bei der Plausibilitätsprüfung steht ihr kein Entscheidungsfreiraum im eigentlichen Sinne zu, sondern mit Rücksicht auf ihre beschränkte Leistungskapazität obliegt ihr (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten, die als solche gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar ist (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015, – B 8 SO 21/14 R –, Rn 18).

Nach dieser Maßgabe ist die Beurteilung der Beklagten, die Beigeladene habe die Personal- und Sachkosten „im Wesentlichen plausibel“ dargelegt, nicht zu beanstanden. Die Schiedsstelle ist im Rahmen des Schiedsstellenverfahrens nur zur Entscheidung jener Punkte berufen, die in den vorangegangenen Vergütungsverhandlungen streitig geblieben sind (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. August 2016 – L 23 SO 187/14 KL –, Rn 70, mwN).

Zwischen den Klägerinnen und der Beigeladenen war die Kalkulation der Personal- und Sachkosten streitig. Insoweit hat die Beklagten eine hinreichende Schlüssigkeitsprüfung auf Grundlage des Beteiligtenvortrages vorgenommen. Die Klägerinnen hatten im Schiedsverfahren einen tabellarischen Vergleich des in den Rahmenempfehlungen für die ambulante geriatrische Rehabilitation empfohlenen Personalschlüssels und des Personalschlüssels der Beigeladenen vorgelegt mit der Rüge, dass die Beigeladene die empfohlenen Schlüssel teilweise erheblich unter- bzw überschreite.  Aus der Tabelle ergab sich für die Beigeladene ein höherer Personalschlüssel für die Pflegekräfte und Sozialarbeiter, während für Ärzte, Physiotherapeuten und Logopäden ein geringerer Personalschlüssel ausgewiesen wurde. Das hat die Beklagte in der Begründung ihres Schiedsspruches ausgeführt und die prognostizierten Personalkosten in ihrer Gesamtheit als nicht entscheidend abweichend von den Rahmenempfehlungen bewertet. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden und hält sich im Rahmen des der Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraums. Dabei hat sie berücksichtigt, dass die Beigeladene zu dem vermehrten Einsatz der Pflegekräfte plausibel vorgetragen hat, bei ihr erfolge eine ganztägige Betreuung mit Versorgung unter gleichzeitigem Vorhalten von Ruheräumen. Ferner hat die Beklagte in ihre Prüfung eingestellt, dass keine Leistungsbeschreibung zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt war und daher der Beigeladenen ein gewisser Spielraum bei Ausgestaltung der Leistungserbringung verbleibt.  

In Bezug auf die ebenfalls von den Klägerinnen gerügten Sachkosten hat die Beklagte aufgrund des Vorbringens der Beigeladenen schlüssig angenommen, dass aufgrund der in Ruheräumen zur Verfügung gestellten Betten, entsprechende Kosten der Bettenzentrale und Wäscheversorgung anfallen. Die Labor- und Basiskosten hat sie vor dem Hintergrund der Begrenzung der Erhöhungsquote auf 10% dahinstehen lassen.

dd) Die Beklagte hat es auch nicht gesetzeswidrig unterlassen, einen externen Vergleich zur Prüfung der Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit der geforderten Vergütungssteigerung zu ziehen.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den externen Vergleich auf die vier Einrichtungen in Niedersachsen beschränkt hat. Die erst im Klageverfahren vertretene Auffassung, die Schiedsstelle müsse für einen externen Vergleich zwingend einen bundesweiten Vergleich heranziehen, findet in der Rechtsprechung des BSG zum zweistufigen Prüfungsschema keine Stütze. Das BSG hat an die Vornahme eines externen Vergleichs durch die Schiedsstelle keine hohen Anforderungen gestellt. Im Urteil vom 7. Oktober 2015 (B 8 SO 21/14 R, Rn 23) hat es für Vergütungsverhandlungen im Bereich des SGB XII ausgeführt, dass die beklagte Schiedsstelle zu Recht darauf verwiesen hat, dass sich die von der Beklagten geltend gemachten Kosten jedenfalls im Rahmen der Kosten vergleichbarer Einrichtungen bewegen und die Höhe allein hinsichtlich des enormen Auseinanderklaffens der Kosten in den einzelnen Einrichtungen kein valides Mittel zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit darstellen kann. Ob daraus weitergehend gefolgert werden kann, dass es zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, wenn eine Schiedsstelle sich bei der durchzuführenden Prüfung an der Rechtsprechung des BSG zum sog externen Vergleich im Recht der Sozialen Pflegeversicherung orientiert; eine Schiedsstelle gesetzlich zu einem entsprechenden Vorgehen aber nicht gezwungen ist (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. August 2016, – L 23 SO 187/14 KL –, Rn 74 für Vergütungsverhandlungen nach SGB XII), lässt der Senat offen.

Denn jedenfalls hat die Beklagte in der Begründung des Schiedsspruchs überzeugend dargelegt, dass sich aus der von den Klägerinnen vorgelegten anonymisierten Aufstellung über die von den Ersatzkassen bundesweit für teilstationäre Rehabilitation vereinbarten Vergütungen  eine große Bandbreite bundesweit gezahlter Vergütungen von 98,82 Euro bis 157,90 Euro ergibt, der sich nicht entnehmen lässt, welche der aufgeführten Einrichtungen auch nur annähernd mit der Einrichtung der Beigeladenen vergleichbar ist. Zudem ist in der Aufstellung eine Einrichtung in Sachsen mit einem Tagessatz von 83,94 Euro ausgewiesen, sodass sich die Bandbreite sogar noch größer darstellt.

Die Klägerinnen hatten in der bundesweiten Aufstellung die vier Einrichtungen in Niedersachsen farblich hervorgehoben und deren Tagessätze exklusive Fahrtkosten mit Tagessätzen von 140,70; 127,82; 125,86 und 121,18 angegeben. Die Beklagte hat den externen Vergleich in nicht zu beanstandender Weise regional auf das Bundesland Niedersachsen beschränkt. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Klägerinnen im Schiedsverfahren (Schriftsatz vom 17. Februar 2017) zur Durchführung eines externen Vergleichs selbst ausgeführt haben „in den Vergleich einzubeziehen sind ausschließlich die zwischen und Rehabilitationseinrichtungen in Niedersachsen abgeschlossene Vergütungsvereinbarungen“. Erst im Klageverfahren haben sie einen bundesweiten externen Vergleich gefordert.

Aus den vorstehenden Gründen greift der Vorwurf der Klägerinnen, die Beklagte habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, nicht durch.

dd) Schließlich verletzt der Schiedsspruch auch nicht den Grundsatz der Beitragsstabilität aus § 71 Abs 2 SGB V.

§ 111c Abs 3 Satz 1 SGB V enthielt zunächst keine inhaltlichen Vorgaben für die Bemessung der Vergütungshöhe, auch wenn sich der Gesetzgeber mit der Einführung einer Schiedsstellenregelung die Durchsetzung einer leistungsgerechten und angemessenen Vergütung versprach (Engelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 111c SGB V (Stand: 22. Februar 2023), Rn 22).

Mit dem GKV-IPReG34 wurden mit Wirkung vom 29. Oktober 2020 in § 111c Absatz 3 SGB V mit den Sätzen 2-4 Vorgaben für Vergütungsvereinbarungen eingefügt. Nach Satz 2 des Absatzes 3 gilt für Vergütungsverträge nach Absatz 3 Satz 1 der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gem § 71 SGB V nicht. Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesbegründung erreichen, dass die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung im Einzelfall bei notwendig gewordenen Mehrausgaben die jährliche Grundlohnsummensteigerung nach § 71 Abs 3 SGB V überschreiten kann. Durch höhere Vergütungen sollen danach Einrichtungen in die Lage versetzt werden, Mehrausgaben zu finanzieren, die etwa durch Tariferhöhungen bei den Gehältern der Mitarbeiter entstehen (Engelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 111c SGB V (Stand: 22. Februar 2023), Rn 23). Die Regelung in § 111c Abs 3 Satz 2 SGB V, die die angestrebte Verbesserung der Vergütung der Pflegekräfte im Blick hat, wird flankiert durch Absatz 3 Satz 3. Wie in anderen vergleichbaren Regelungen auch wird hier bestimmt, dass die Krankenkassen bei den Verhandlungen über die Vergütung der Leistungen die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglicher Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht als unwirtschaftlich ablehnen können (Engelmann aaO Rn 24).

Da der Gesetzgeber im streitbefangenen Zeitraum die Geltung des Grundsatzes der Beitragsstabilität nach § 71 SGB V für Vergütungsverträge nach § 111c Abs 3 SGB V noch nicht ausgeschlossen hatte, war dieser noch in Blick zu nehmen. Gleichwohl verstößt die im Schiedsspruch für 2015 vorgenommene Erhöhung der Vergütung um 10% nicht gegen § 71 Abs 2 SGB V, wonach die vereinbarte Vergütung die Veränderungsrate nicht überschreiten darf und das Prinzip der Vorjahresanknüpfung gilt.

Das BSG hat im Rahmen seiner Entscheidung zur häuslichen Krankenpflege (Urteil vom 25. November 2010, - B 3 KR 1/10 R- Rn 44) eine Anhebung der Vergütungen um die Summe der Veränderungsraten anerkannt. Die gegenteilige Auffassung übersieht, dass die Veränderungsrate nur dann den Höchstsatz darstellt, wenn für das Vorjahr eine einvernehmliche Vergütungsvereinbarung der Parteien erzielt worden ist. Im Weiteren hat das BSG ausgeführt, dass eine Steigerung der Grundlohnsummen für die dazwischenliegenden Jahre ein plausibler, nachvollziehbarer Beurteilungsmaßstab für die Bestimmung der Vergütungen für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege ist, weil es in jenem Zeitraum keine verbindlichen Vergütungsvereinbarungen mehr gab und die Leistungserbringer im wesentlichen Personalkostensteigerungen ausgesetzt waren (aaO, Rn 47). Diese Erwägungen greift der Gesetzgeber in der später folgenden Ergänzung des § 111c Abs 3 SGB V auf, wonach die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung im Einzelfall bei notwendig gewordenen Mehrausgaben die jährliche Grundlohnsummensteigerung nach § 71 Abs 3 SGB V überschreiten kann. Durch höhere Vergütungen sollen danach Einrichtungen in die Lage versetzt werden, Mehrausgaben zu finanzieren, die etwa durch Tariferhöhungen bei den Gehältern der Mitarbeiter entstehen.

Vorliegend bestand seit dem Jahr 2007 keine verbindliche Vergütungsvereinbarung mehr, sondern ein Schwebezustand, den beide Parteien nicht weiter aufgeklärt und zu verantworten haben. Angesichts dieses Schwebezustandes kann an die seit 2006 konstant - und auch im Vorjahr 2014 - gezahlten Tagessätze nicht nach dem Vorjahresprinzip angeknüpft werden. Dementsprechend hat die Beklagte die Veränderungsraten seit dem Jahr 2007 kumuliert, allerdings nicht im Sinne einer Addition, die zu einer Vergütungserhöhung von mehr als 15% geführt hätte, sondern auf eine Erhöhung um 10% begrenzt. Dabei hat sie im Rahmen des vorzunehmenden Interessenausgleichs berücksichtigt, dass nach dem Vorbringen der Klägerinnen rückblickend im Jahr 2006 eine zu hohe Vergütung vereinbart worden war. In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass sich nach einem derart lang zurückliegenden Zeitraum nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen lässt, ob jeweils Erhöhungen um die jährliche Veränderungsrate angemessen gewesen wären.

Die Vergütungserhöhung für die Jahre 2016 und 2017 hat die Beklagte in Höhe der jeweiligen Veränderungsrate festgesetzt und plausibel damit begründet, dass der Personalbereich die überwiegenden Kosten der Beigeladenen ausmache und auf die Tarifsteigerungen ab dem 1. Juni 2016 um 2,4% und ab 1. Juli 2017 in Höhe von weitere 2,35% verwiesen. Aus diesen Gründen sei bei neuen Vergütungsverhandlungen für die Jahre 2016 und 2017 mit den betroffenen Reha-Einrichtungen im vollstationären Bereich eine Erhöhung im Bereich der jeweiligen Veränderungsrate vereinbart worden. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Kostensteigerungen im teilstationären Bereich ausgeblieben sind. Angesichts dieser deutlichen Kostensteigerungen verbietet es sich, die Erhöhungsquote auf den für Krankenhäuser festgesetzten Orientierungswert zu begrenzen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat.

4. Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung kann nicht erkannt werden, da sich die Entscheidung im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung hält und der Grundsatz der Beitragsstabilität für Vergütungsverträge gemäß § 111c Abs 3 Satz 2 SGB V nicht mehr gilt.

5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 52 Abs 1, 63 Abs 2 u 3 Gerichtskostengesetz (GKG).  Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

Liegt einem Rechtsstreit das Begehren nach Minderung einer finanziellen Belastung zugrunde, so ist der Streitwert gemäß § 52 Abs 1 GKG an dem verfolgten wirtschaftlichen Interesse auszurichten. Zu diesem Zweck ist eine betragsmäßige Berechnung oder wenigstens eine Schätzung vorzunehmen. Nur wenn es für ein solches Vorgehen keinerlei Ansatzpunkte gibt, ist der Rückgriff auf den sog Regelwert des § 52 Abs 2 GKG geboten. Die Anwendung dieser Grundsätze auf Anfechtungsverfahren gegen Schiedssprüche erfordert eine je nach Klagegegenstand differenzierte Bewertung. Zielt die Klage auf einen neuen Schiedsspruch mit ungewissem Inhalt, wie dies bei bloßen Neubescheidungsanträgen der Fall ist, so erfolgt die Bemessung auf die Hälfte des optimal erlangbaren Betrags (BSG, Beschluss vom 28. Januar 2009 – B 6 KA 38/08 B –, Rn 12 f).

Nach diesen Vorgaben ergibt sich für den vorliegenden Fall gemäß § 52 Abs 1 GKG ein Streitwert von 6.935,03 Euro. Dies ist die Hälfte des Betrags von 13.870,06 Euro, der sich aus den Differenzwerten zwischen dem ursprünglich vereinbarten Tagessatz von 125,86 Euro und den von der Schiedsstelle für das Jahr 2015 (138,45 Euro), für 2016 (142,53 Euro) und für 2017 (146,09 Euro) festgesetzten Tagessätzen multipliziert mit den jeweiligen Belegungstagen errechnet. Die Halbierung folgt daraus, dass die Klägerinnen einen bloßen Neubescheidungsantrag gestellt, nämlich im Berufungsverfahren lediglich beantragt haben, die Entscheidung der Schiedsstelle aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Festsetzung der Vergütung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (neu) zu entscheiden.

Rechtskraft
Aus
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