Keine einheitliche oder durchgehende Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV, bzw. kein Fortbestehen der Beschäftigung nach § 7 Abs. 3 SGB IV bei Bühnenkünstlern, die im Zeitraum nach der Premiere und den nachfolgenden Gastpielen nicht mehr dem Weisungsrecht des Arbeitsgebrs unterliegen, Abgrenzung zu der Entscheidung des BSG vom 20.03.2013 - B 12 R 13/10 R
Kein Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses bei Bühnenkünstlern nach § 7 Abs. 1, 3 SGB IV im Zeitraum nach der Premiere und den einzelnen nachfolgenden Gastspielen, wenn sie in dieser Zeit nicht dem Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterliegen
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- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Dresden vom 22. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für gastspielverpflichtete Künstler, hier des Beigeladenen D..... Streitgegenständlich ist hierbei, ob ein durchgängiges abhängiges Beschäftigungsverhältnis für den Zeitraum der ersten Probe bis zur letzten Vorstellung (so die Beklagte) oder nur bis zur Premiere und an den einzelnen Tagen der folgenden Vorstellungen (so die Klägerin) vorliegt.
Die Stadt P.... betreibt die Staatsoperette P.... als Regiebetrieb. Der Beigeladene zu 1. war als Sänger im Rahmen von Proben und Vorstellungen tätig. Die Staatsoperette P.... schloss mit dem Beigeladenen zu 1., vertreten durch den jeweiligen Intendanten, Gastverträge zur Inszenierung verschiedener Werke. Hierbei vereinbarten die Beteiligten teilweise eine Probenpauschale bis zur Premiere sowie Vorstellungshonorare für weitere Vorstellungen, die teilweise im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bestimmt waren. Teilweise vereinbarten die Beteiligten im Rahmen von "Terminbriefen" die Daten von weiteren Vorstellungen sowohl im Anschluss an die Premiere als auch als Teilnahme an Wiederaufnahmeproben und den konkret datierten Vorstellungen bei Zahlung eines Vorstellungshonorars bzw. einer Vergütung je Probe.
Zwischen dem beigeladenen Künstler und der Klägerin waren folgende Verträge vereinbart (auszugsweise):
Gastvertrag (Solisten)
§ 1 Umfang und Geltungsdauer
1. Der Gast verpflichtet sich, in der Zeit vom 15.01.04 bis zur Absetzung des Stückes vom Spielplan in der Inszenierung L.... die Rolle des "Q...." zu übernehmen.
Die Rolle ist doppelt besetzt.
2. Die Premiere ist für den 16.04.04 19.30 Uhr und 17.04.04 19.00 Uhr vorgesehen.
3. Die Proben beginnen voraussichtlich am 20.02.04.
4. Der Gast steht für die Proben ab dem 15.01.04 zur Verfügung.
5. Die Kündigung des Vertrages ist bei Einhaltung einer Frist von 3 Monaten möglich. Die Bestimmungen des Tarifvertrages über die Mitteilungspflicht vom 23. November 1977 in seiner jeweils geltenden Fassung finden keine Anwendung.
§ 2 Leistungspflichten des Gastes
1. Die Mitwirkungspflicht des Gastes erstreckt sich im Rahmen des § 1 Abs. 1 auch auf Ensembledarbietungen der Bühne im In- und Ausland.
2. Der Gast verpflichtet sich im Rahmen des Absatzes 1 zur vergütungsfreien Mitwirkung.
a) bei Aufnahmen für Bild- und Tonträger, soweit deren Verwendung auf theatereigene Zwecke beschränkt ist.
b) bei zeitlich begrenzten, der Reportage, Dokumentation oder Werbung dienenden Ausschnittsendungen für Rundfunk und Fernsehen.
Bei anderweiter Verwendung als a) oder über den Rahmen b) hinausgehenden Verwendung ist eine besondere Vereinbarung über die Vergütung zu treffen.
3. Der Gast ist außerdem verpflichtet,
- sich über Beginn und Ort von Aufführungen und Proben bei der Bühne rechtzeitig zu unterrichten,
- allen Weisungen der Bühne nachzukommen, auch hinsichtlich Regie sowie Kostüm und Maske,
- mit gelernter Partie zu den Proben zu erscheinen,
- an allen Proben teilzunehmen, die seine Anwesenheit erfordern, einschließlich Sonn-, Feiertags- und Umbesetzungsproben sowie Wiederaufnahmeproben,
- sich bei allen Aufführungen mindestens eine halbe Stunde vor Beginn des Aktes, in dem er aufzutreten hat, in seinem Ankleideraum einzufinden.
§ 3 Vergütungen
1.Der Gast erhält von der Bühne für die geschuldeten Leistungen ein Bruttohonorar in Höhe von
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- Euro 2.000,00 als Probenpauschale für die Probenzeit bis zur Premiere
- Euro 400,00 für jede geleistete Vorstellung
- Euro 38,00 für jede notwendige Probe / nach der Premiere*)
Die Abrechnung erfolgt
zu 1 a) 50 % 31.03.04 und 50 % 30.04.04
zu 1 b) am Ende des Folgemonats nach erbrachter Leistung
zu 1 c) am Ende des Folgemonats nach erbrachter Leistung
Die Bühne überweist grundsätzlich auf ein vom Gast anzugebendes Girokonto. Über die Höhe der Vergütung ist Stillschweigen vereinbart.
2. Alle Zahlungen aus diesem Vertrag unterliegen den jeweils geltenden deutschen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen. Das Honorar wird über Lohnsteuerkarte versteuert.
3. Bei Vorliegen der gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Voraussetzungen ist die Bühne verpflichtet, den Gast zur Sozialversicherung und bei der Bayrischen Versicherungskammer (Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen) anzumelden und die fälligen Beiträge abzuführen. Der Gast ist damit einverstanden, dass die Bühne den jeweiligen Arbeitnehmeranteil von seinen Bezügen einbehält und abführt.
4. Tatsächlich entstandene Fahrt- und Übernachtungskosten werden wie folgt erstattet:
Es fallen keine Fahrtkosten an.
5. Mit der Zahlung der vorstehend genannten Beträge sind alle sonstigen Ansprüche des Gastes abgegolten, insbesondere auf Vergütung von Aufenthaltskosten sowie etwaige Urlaubsansprüche.
§§ 4 -6…
§ 7 Ergänzende Bestimmungen
1. Die Parteien dieses Vertrages sind sich darüber einig, dass eine Festanstellung durch diesen Vertrag nicht zustande kommt.
2. Änderungen und Ergänzungen ·dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
3. Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland.
4. Die Nichtigkeit einzelner Vertragsvorschriften berührt nicht die Gültigkeit der sonstigen Vertragsvereinbarungen
§ 8 Besondere Vereinbarungen
Der mit dem KBB abgestimmte Proben- und Vorstellungsplan ist Bestandteil des Vertrages. Es besteht kein Anspruch auf das Spielen einer bestimmten Premiere.
Die Klägerin führte Gesamtsozialversicherungsbeiträge ab, bei deren Berechnung hatte sie die Vorstellungshonorare nicht auf den gesamten Zeitraum nach dem Ende der Probenzeiträume bis zum letzten Vorstellungstag verteilt hatte, sondern die Honorare ausschließlich den jeweiligen Vorstellungstagen zugeordnet und insoweit die anteilige ("tägliche") Beitragsbemessungsgrenze angewandt hatte.
Die Beklagte führte vom 06.10.2008 bis 11.06.2009 eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) betreffend den Prüfzeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2007 durch. Mit Bescheid vom 28.09.2009 forderte die Beklagte sodann von der Klägerin die Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für insgesamt 35 Sänger in Höhe von 86.912,07 € (In der Nachforderung sind Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 18.722,00 € enthalten). Nach Auffassung der Spitzenorganisation der Sozialversicherung stünden gastspielverpflichtete Künstler für die gesamte Dauer des Gastspielvertrages, d. h. vom ersten Probentag bis zum letzten Gastspieltag, in einem zeitlich befristeten Arbeitsverhältnis. Die bezogenen Arbeitsentgelte seien gleichmäßig auf die gesamte Laufzeit des Vertragsverhältnisses zu verteilen. Sofern innerhalb dieses Zeitraumes das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt unterbrochen werde, gelte gemäß § 7 Abs. 3 SGB IV die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt für längstens einen Monat als fortbestehend. Gastspielverpflichtete Künstler seien in den Betrieb der Operette eingegliedert und daher grundsätzlich abhängig beschäftigt. Auf die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für 35 gastspielverpflichtete Künstler entfiele für den Beigeladenen zu 1. ein Betrag von 756,20 €.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16.09.2010 als unbegründet zurück.
Am 30.09.2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben und vorgetragen, dass der Gastspielvertrag üblicherweise die Probenphase sowie die einzelnen Auftritte der Künstler zu den vorab vereinbarten Vorstellungen umfasse. Der einem Gastspielvertrag zugrundeliegende Zeitraum erstrecke sich dabei nicht selten über eine gesamte Spielzeit. Nach Abschluss der Probenphase stehe der Gast jedoch nur noch im Rahmen der Auftritte mit der Bühne in Kontakt. Die verbleibende Zeit werde er entweder als Ensemblemitglied einer anderen Bühne stehen, anderenorts als Gast verpflichtet oder arbeitslos gemeldet sein und entsprechende Leistungen erhalten. Die von der Beklagten angewandte Berechnungspraxis auf der Grundlage des Besprechungsergebnisses führe indes zu absurden, nicht hinnehmbaren Ergebnissen. Habe der betreffende Künstler mehrere Gastspielverträge mit verschiedenen Häusern geschlossen, so wäre er- der Argumentation der Beklagten folgend- an mehreren Häusern gleichzeitig durchgehend im sozialversicherungsrechtlichen Sinne beschäftigt. Die Gastverträge bei der Klägerin würden in der Regel sechs bis zehn Monate vor der Premiere geschlossen, ohne dass bereits alle Vorstellungen erfasst und genannt seien. Wenn sich unmittelbar an die Premiere noch zwei bis drei Vorstellungen anschlössen, seien diese ebenfalls schon im Vertrag vereinbart. Da die Inszenierungen regelmäßig zwei bis vier Spielzeiten liefen, würden die Vorstellungstermine für die kommenden Zeiträume mit den Gästen besprochen und schriftlich in einem "Terminbrief" durch Gegenzeichnung vereinbart. Ein solcher „Terminbrief“ werde für den Beigeladenen zu 1. vorgelegt. Da fast alle Rollen bei der Klägerin doppelt besetzt seien, sei für den Gast eine Vorstellungszahl von sechs bis acht Vorstellungen pro Spielzeit vorgesehen. Die Terminabsprachen erfolgten grundsätzlich langfristig, mindestens ein halbes Jahr zuvor. Bei kurzfristigen Änderungen werde bei den Gästen angefragt, ob sie - eventuell - für die erforderlichen Termine noch frei seien.
Das SG hat mit Beschluss vom 27.01.2017 das Verfahren mit dem Az. S 47 KR 838/13 R, das sich insgesamt auf 35 beigeladene gastspielverpflichtete Künstler und Künstlerinnen bezog, jeweils hinsichtlich der einzelnen gastspielverpflichtete Künstler und Künstlerinnen getrennt und hat sodann mit Beschluss vom 22.12.2017 die Verfahren S 47 KR 338/13, S 47 KR 95/17, S 47 KR 100/17 und S 47 KR 96/17 zu einer gemeinsamen Verhandlung verbunden.
Das SG hat die Verwaltungsdirektorin der Klägerin, Z...., angehört und den Chefdisponenten der Staatsoperette, Y...., als Zeugen vernommen. Zu den Angaben im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts verwiesen.
Mit Urteil vom 22.12.2017 hat das Sozialgericht Dresden der Klage stattgegeben, den Bescheid der Beklagten vom 28.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16.09.2010 hinsichtlich des Beigeladenen zu 1. aufgehoben und die Berufung zugelassen Das Urteil ist der Beklagten am 23.02.2018 zugestellt worden. Ein durchgängiges Beschäftigungsverhältnis habe nur von den Proben bis zur Premiere bestanden. In der Folgezeit habe zwar ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, jedoch nur an den einzelnen Vorstellungstagen bestanden. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als gastspielverpflichteter Künstler sei - sowohl in der Probenzeit einschließlich der Premiere als auch an den einzelnen Vorstellungstagen - als abhängige Beschäftigung einzuordnen gewesen. Auch an den einzelnen Vorstellungstagen, die zuvor exakt in einem Vertrag (Terminbrief) vereinbart worden seien, habe der Beigeladene zu 1. als gastspielverpflichteter Sänger die ihm zuvor zugewiesene Rolle in den einzelnen Aufführungen der Staatsoperette der Klägerin zu singen gehabt und sei an diesen Tagen vollumfänglich in die Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung sei er dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen (Gesangstext, Art der Darstellung) und habe kein Unternehmerrisiko getragen. Bei diesem Gesamtbild seien ausschließlich Merkmale einer abhängigen Beschäftigung zu erkennen gewesen. Eine selbstständige Tätigkeit scheide aus.
Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1. zu der Klägerin in den jeweils streitbefangenen Zeiträumen zwischen den Vorstellungsterminen habe weder nach § 7 Abs. 1 SGB IV noch nach § 7 Abs. 3 SGB IV, der den Fortbestand eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei fehlender Arbeitsentgelt-Zahlung fingiere, bestanden. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Klägerin in den zugrundeliegenden Gastspielverträgen sei von vornherein auf den Zeitraum zwischen dem Beginn der Proben und der Premiere-Vorstellung befristet gewesen. Dies ergebe sich aus den vorliegenden Vertragsinhalten, die für die einzelnen Zeiträume ganz unterschiedliche Regelungen vorsehen hätten. Im Anschluss an die Premiere hätten die Gastsänger, wie der Beigeladene zu 1., entweder andere Engagements gehabt, seien Teil eines anderen festen Ensembles oder auch arbeitslos gemeldet gewesen. Daher entspreche die Verfahrensweise mit den "Terminbriefen" gerade auch deren Interessen. Nur für die konkret vereinbarten Termine seien die Gastsänger in der Folgezeit noch gegenüber der Klägerin verpflichtet. Insofern bestehe gerade ein Unterschied zu dem festen Ensemble. Mit der Beendigung des ursprünglichen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses (bis zur Premiere) seien auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 SGB IV nicht erfüllt. Durch die Ermöglichung weiterer Engagements wäre zudem auch Sinn und Zweck des § 7 Abs. 3 SGB IV verfehlt, wenn man die Norm gleichwohl im vorliegenden Fall zur Anwendung brächte. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, dem Arbeitnehmer bei Wegfall des Anspruchs auf Arbeitsentgelt für einen gewissen Zeitraum (bis zu einem Monat) durch die Fiktion der Weitergeltung des Beschäftigungsverhältnisses eine Kontinuität des Sozialversicherungsschutzes zu gewähren. Dieser Kontinuität des sozialversicherungsrechtlichen Schutzes bedürfe der gastspielverpflichtete Künstler gerade nicht, weil ihm in den zum Teil erheblichen Zwischenzeiträumen, die Annahme weiterer Engagements mit eventuell daraus folgender Sozialversicherungspflicht ermöglicht werde.
Mit Ihrer am 21.03.2018 eingelegten Berufung trägt die Beklagte vor, bei Abschluss der Verträge sei klar gewesen, dass der Gast auch nach der Premiere regelmäßig für sechs oder sieben Aufführungstermine zum Einsatz kommen sollte, auch wenn die einzelnen Termine bei Vertragsschluss noch nicht festgestanden hätten. Dem Gast seien daher mittels Terminbrief die Termine bekannt gegeben worden. Dieser habe sich dann für die Termine entscheiden und den Terminbrief unterzeichnen können. Die durch den Gast zu erfüllenden Vorstellungen hätten somit regelmäßig zumindest vor Beginn der jeweiligen Premiere durch entsprechende Vereinbarung in den Terminbriefen festgestanden. Dementsprechend habe ein grundsätzlicher Arbeits- und Fortsetzungswillen auch über die jeweilige Premiere hinaus bestanden. Sie beziehe sich dabei auf Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.03.2013 – Az.: B 12 R 13/10 R, juris, Rn. 17), in welcher festgestellt worden sei, dass als „Gäste“ beschäftigte Bühnenkünstler in einem dauernden, durchgehenden Beschäftigungsverhältnis stünden, wenn zwischen den Vorstellungen eine Verpflichtung zur Dienstbereitschaft stehe. Diese sei zu bejahen, wenn eine durchgängige Verfügungsmacht der Theaterleitung über die Arbeitskraft des Künstlers vorliege. Merkmale einer Verpflichtung zur Dienstbereitschaft könnten sich aus den schriftlichen Abreden in den Verträgen ergeben; aber auch die Zusicherung einer ständigen Erreichbarkeit des Künstlers oder die Notwendigkeit häuslicher Vorbereitung sprächen für eine Dienstbereitschaft. Ähnlich sei auch das Sächsische Landessozialgericht davon ausgegangen, dass die beschäftigten Gäste vom ersten Probentag bis zur letzten Vorstellung dauernd abhängig beschäftigt seien (Beschluss vom 16.11.2016 – L 1 KR 113/16 B ER). Schließlich habe das LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 16.11.2016 (L 2 R 579/16) ausgeführt, dass es für die Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses nach § 7 Abs. 3 SGB IV einer Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers etwa im Sinne einer Arbeitsverpflichtung nicht bedürfe. Voraussetzung für die Anwendung des § 7 Abs. 3 SGB IV sei die Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses, d.h. des arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnisses. Der erforderliche Arbeits- und Fortsetzungswille sei anzunehmen, wenn an einem Arbeitstag die Erbringung künftiger Arbeitsleistungen an weiteren Tagen bereits vereinbart sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22.12.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es seien keinerlei Regelungen vorhanden, die auf den Zeitraum nach der Premiere auf eine (durchgehende) Weisungsunterworfenheit des Beigeladenen zu 1. hindeuten könnten. Der Gast habe sich dann frei entscheiden können, ob er die in den Terminbriefen mitgeteilten Termine akzeptiere, was sich auch aus der Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung ergebe. Eine Verpflichtung, auch in den zwischen den Vorstellungen liegenden Zeiten kurzfristig dienstbereit und verfügbar zu sein, lasse sich dieser Handhabung nicht entnehmen. Darin liege auch kein grundsätzlicher Arbeits- und Fortsetzungswille. Bei diesem Begriff handele es sich um eine Konstruktion des LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 16.11.2016, die weder im Gesetz noch in der Entscheidung des BSG vom 20.03.2020 einen Niederschlag gefunden habe.
Der Senat hat am 29.01.2024 das Verfahren zusammen mit den Verfahren L 9 BA 8,9 und 10/18 mündlich verhandelt. In dieser Verhandlung ist insbesondere die Beigeladene zu 1. im Verfahren L 9 BA 9/18 angehört und eingehend befragt worden. Hierzu wird im Einzelnen auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Dem Senat lagen die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Veraltungsakten der Beklagten vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde vom SG im Urteil zugelassen und ist innerhalb der Monatsfrist beim Landessozialgericht eingegangen.
Sie ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 22. Dezember 2017 ist nicht zu beanstanden. Das SG hat zu Recht der Klage stattgegeben und die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 28.09.2009 und 16.09.2010 aufgehoben.
Vorliegend geht es nicht um die Frage, ob die gastspielverpflichteten Künstler und Künstlerinnen abhängig beschäftigt waren. Die Arbeitnehmereigenschaft, bzw. das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses der Künstler/innen vom Beginn der Proben bis zur Premiere sowie für die danach erfolgten (einzelnen) Aufführungen ist nicht im Streit. Das haben die Beteiligten auch in der mündlichen Verhandlung am 29.01.2024 auf Befragen des Senats ausdrücklich bestätigt. Die Klägerin hat den Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom ersten Probentag bis zur Premiere als Arbeitnehmer angesehen und die entsprechenden Beiträge für diesen Zeitraum abgeführt. Auch die danach erfolgten Engagements des Beigeladenen zu 1. an den einzelnen Vorstellungstagen wurden tagweise als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eingestuft und die Sozialversicherungsbeiträge unter Beachtung der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze tagweise abgeführt.
Streitig ist allein der Bescheid der Beklagten vom 28.09.2009 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2010), in welchem diese ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis der Sänger/innen nicht nur für den Zeitraum vom Beginn der Proben bis zur Premiere, sondern auch darüber hinaus von der Premiere bis zur letzten Vorstellung festgestellt und die sich daraus ergebenden Nachzahlungsbeträge und Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV nachgefordert hat. Streitig ist damit allein, ob eine einheitliche (1) bzw. durchgehende Beschäftigung (2) vorliegt, oder nach § 7 Abs. 3 SGB IV die Beschäftigung als fortbestehend gilt (3), und sich damit vom ersten Probentag bis zum letzten Gastspiel erstreckt, mit der Folge, dass die bezogenen Arbeitsentgelte gleichmäßig auf die Laufzeit des Vertrages zu verteilen sind.
Zu (1):
Eine einheitliche Beschäftigung liegt in der Regel vor, wenn ein Arbeitnehmer beim selben Arbeitgeber neben seiner Hauptbeschäftigung eine Nebenbeschäftigung ausübt (siehe dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2016 – L 5 R 606 /14). Mehrere Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber werden dann versicherungsrechtlich als Einheit betrachtet.
Vorliegend lag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. jeweils vom Beginn der Proben bis zur Premiere ein von vorneherein befristetes Beschäftigungsverhältnis vor, das mit der Premiere endete. Dementsprechend war in den Gastspielverträgen jeweils exakt der Beginn und das Ende des Beschäftigungsverhältnisses aufgeführt. Die sich dann jeweils anschließenden einvernehmlich vereinbarten Gastspiele traten in diesem Sinne dann nicht mehr zu einem weiter bestehenden Beschäftigungsverhältnis dazu; letzteres war bereits beendet. Im Übrigen unterscheiden sich die vertraglichen Beziehungen für die Zeit von den Proben bis zur Premiere erheblich von den nachträglich für einen Tag abgeschlossenen Gastspielverträgen. Dies gilt insbesondere für die Vergütungsregelungen. Bei neu einzustudierenden Rollen sehen die die Verträge zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. für die Probenzeit bis zur Premiere insgesamt eine Probenpauschale von 2000,00 € vor. Anders sind hingegen die Vergütungsregelungen für die Zeit nach der Premiere gestaltet: Für diese Zeit erfolgt die Vergütung nicht pauschal für einen längeren Zeitraum, sondern ausschließlich für die einzelnen Tage der Vorstellung mit dem hierfür vorgesehenen Tagessatz von 400 € pro Vorstellung und 38 Euro für eine weitere Probe. Aus den Verträgen ist auch ersichtlich, dass in den Gastverträgen zunächst nur die Daten der Premieren genannt wurden. Die Daten der einzelnen weiteren Vorstellungen wurden dann in der Regel erst später vereinbart.
Nach den Feststellungen des Senats wurden erst nach Abschluss der Gastverträge die weiteren Terminvereinbarungen mit den Sängern zu den folgenden Vorstellungen getroffen. Dies ergibt sich aus den plausiblen Ausführungen der Beteiligten sowie der Einvernahme der Verwaltungsleiterin der Klägerin und des Zeugen X.... in der mündlichen Verhandlung des SG Dresden vom 22.12.2017. Hierzu wandte sich der Chefdisponent an die Gastsänger und bot diesen in der Form von sogenannten "Terminbriefen" weitere Vorstellungstermine an. Hieraus konnte der Gastsänger - und eben auch der Beigeladene zu 1. - die für ihn geeigneten Termine auswählen. Der "Terminbrief" war gleichsam ein Vertrag zwischen dem gastverpflichteten Sänger und der Klägerin. Für diese einzelnen Termine wurden dann -im Unterschied zu den Gastspielverträgen- gegebenenfalls auch Fahrt- und Übernachtungskosten gezahlt. Es war eventuell auch möglich, dass ein Gast - trotz des bereits vereinbarten Termins - einen solchen nicht einhalten konnte (Krankheit/anderes Engagement etc.). Dann wurde für diesen Tag entweder ein Sänger des festen Ensembles oder ein anderer Gast gesucht. Dieses allgemeine Prozedere mit den Terminbriefen wurde auch von der Beigeladenen zu 1. im Verfahren L 9 BA 9/18 in der mündlichen Verhandlung am 29.01.2024 ausdrücklich bestätigt.
Bei den Gastspielverpflichtungen des Beigeladenen zu 1. für die Zeiten nach der jeweiligen Premiere bis zum jeweils letzten Gastspieltag handelte es sich nicht um Nebenbeschäftigungen zur jeweiligen Hauptbeschäftigung von der ersten Probe bis zur Premiere; eine einheitliche Beschäftigung scheidet bereits begrifflich aus.
Zu (2):
Vorliegend ist auch nicht von einer durchgehenden Beschäftigung auszugehen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 07.05.2014 - B 12 R 5/12 R – juris Rn. 16) kommt eine durchgehende Beschäftigung in Betracht, wenn die Arbeitnehmer sich nämlich entweder aufgrund einer entsprechenden Rahmenvereinbarung oder faktisch durchgehend für eine Arbeitsleistung bereithalten und einer (Abruf-)Verpflichtung unterliegen. Die Arbeitnehmer müssen auch in den Nichteinsatzzeiten einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen. Aufgrund der vom Arbeitgeber geforderten Dienstbereitschaft können die Beschäftigten nicht über ihre Arbeitskraft an einsatzfreien Tagen frei verfügen (BSG, Urteil vom 11.03.2014 - B 11 AL 5/13 R - juris Rn. 17).
Vorliegend steht nach den Ermittlungen des Senats fest, dass der Beigeladene zu 1. sich mit der Klägerin auf einzelne, zeitlich genau bestimmte Gastspielverpflichtungen verständigt hat. Eine Rahmenvereinbarung wurde gerade nicht abgeschlossen. Er musste sich auch nicht für den gesamten Zeitraum auf Abruf zur Verfügung halten und unterlag während der Nichteinsatzzeiten auch keinerlei Weisungsrecht des Arbeitgebers. Er war frei, in dieser Zeit andere Engagements anzunehmen, und musste dabei diese Termine weder mit der Klägerin absprechen noch durch diese genehmigen lassen. Diese Vorgehensweise hat auch die Beigeladene zu 1. im Verfahren L 9 BA 9/18 in der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2024 nachvollziehbar ausgeführt und bestätigt. In den Zwischenzeiten bestand keine dauernde Arbeitsbereitschaft, sodass für die jeweiligen Zeiträume kein einheitliches und durchgehendes, zeitlich befristetes Beschäftigungsverhältnis bestanden hat (vgl. auch BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 17/16 R - juris Rn. 18 ff.).
Auch die von der Beklagten angeführte Entscheidung des BSG vom 20.03.2013 (B 12 R 13/10 R) führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach stehen als "Gäste" beschäftigte Bühnenkünstler in einer dauernden (durchgehenden) Beschäftigung, wenn - nach Bewertung des in den schriftlichen Absprachen dokumentierten Willens der Vertragsparteien unter Einbeziehung der hiervon nicht abweichenden tatsächlichen Umsetzung - in den Zeiten zwischen den Vorstellungen bis zur letzten Vorstellung eine Verpflichtung des Gastes zur Dienstbereitschaft bzw. eine Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers über die Arbeitsleistung des Gastes besteht. Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn sich die Arbeitgeber nach den vertraglichen Abreden einseitige Änderungen der vorgesehenen Vorstellungstermine vorbehalten und die Gäste ihre Erreichbarkeit für eventuell erforderlich werdende Vorstellungsänderungen zugesichert hatten ("Bereitschaftsdienst nach Arbeitsanfall", BSG a.a O. - juris Rn. 26 ff.). Vorstellungshonorare sind dann beitragsrechtlich nicht den einzelnen Auftrittstagen zuzuordnen, sondern auf den gesamten Zeitraum vom ersten Probentag bis zum letzten Vorstellungstag zu verteilen.
Hiervon unterscheiden sich die vorliegenden Vertragsverhältnisse und die damit übereinstimmende tatsächliche Handhabung grundlegend. Nach den - auf den übereinstimmenden und nachvollziehbaren Angaben der Klägerseite und der Beigeladenen zu 1. in den Verhandlungsterminen vor dem SG am 22.12.2017 und vor dem Senat am 29.01.2024 fußenden - Feststellungen des Senats verhielt es sich vorliegend wie folgt:
Erst nach Abschluss der Gastverträge wurden die weiteren Terminvereinbarungen mit den Sängern zu den folgenden Vorstellungen getroffen. Hierzu wandte sich der Chefdisponent an die Gastsänger und bot diesen in der Form von sogenannten "Terminbriefen" weitere Vorstellungstermine an. Hieraus konnte der Gastsänger - und eben auch der Beigeladene zu 1. - die für ihn geeigneten Termine auswählen. Der "Terminbrief" wurde gleichsam als ein Vertrag zwischen dem gastverpflichteten Sänger und der Klägerin angesehen. Für diese einzelnen Termine wurden dann gegebenenfalls auch Fahr- und Übernachtungskosten gezahlt. Dies war für den damals in R.... wohnenden Beigeladenen zu 1. hier nicht erforderlich. Es war eventuell auch möglich, dass ein Gast - trotz des bereits vereinbarten Termins - einen solchen nicht einhalten konnte (Krankheit / anderes Engagement etc.). Dann wurde für diesen Tag entweder ein Sänger des festen Ensembles oder ein anderer Gast gesucht. Im Anschluss an die Premiere hatten die Gastsänger, wie der Beigeladene zu 1., entweder andere Engagements, waren Teil eines anderen festen Ensembles oder haben sich auch arbeitslos gemeldet. Daher entsprach die Verfahrensweise mit den "Terminbriefen" gerade auch deren Interessen. Nur so konnten Terminkollisionen vermieden werden.
Nur für die konkret vereinbarten Termine waren die Gastsänger damit in der Folgezeit noch gegenüber der Klägerin verpflichtet. Insofern bestand gerade ein Unterschied zum festen Ensemble. Bei etwaigen Ausfällen hatte der Sänger des Ensembles keine Wahlmöglichkeit. Im Gegensatz zu den Gästen - wie der Beigeladene zu 1. - waren sie verpflichtet, die erforderlichen Termine wahrzunehmen. Die Beigeladene zu 1. im Verfahren L 9 BA 9/13 hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29.01.2024 dargelegt, dass die jeweiligen Termine nicht von der Klägerin vorgegeben wurden. Sie konnte frei entscheiden, ob sie bestimmte Termine wahrnimmt oder nicht. Sie hat der Klägerin auch Sperrzeiten mitgeteilt, wenn sie z.B. in Rostock für einen bestimmten Zeitraum Engagements hatte. Außer den vereinbarten Terminen musste sie sich nicht für andere Termine zur Verfügung halten. Sie musste auch keine Engagements an anderen Bühnen anzeigen sowie ihre Erreichbarkeit für eventuelle Vorstellungsänderungen zusichern.
Es bestand damit vorliegend in den Zwischenzeiten keine Verpflichtung zur Dienstbereitschaft; es war kein Bereitschaftsdienst vereinbart, bei dem die Klägerin innerhalb vereinbarter Dienstzeit über die Erbringung von Arbeitsleistung nach Arbeitsanfall bestimmen konnte. Sie konnte den Arbeitseinsatz des Beigeladenen zu 1. nicht (einseitig) konkretisieren. Es waren auch keine "Änderungen" der Vorstellungstermine vorbehalten; der Beigeladene zu 1. hatte seine "Erreichbarkeit für evtl. erforderlich werdende Vorstellungsänderungen" auch nicht zuzusichern. Die Klägerin konnte die Termine für die Vorstellungen nicht einseitig vorgeben; es war immer eine Abstimmung mit den Künstlern erforderlich. Der Vertrag sah auch keine Pflicht zur Mitwirkung an ggfs. anberaumten Umbesetzungsproben vor. Der Beigeladene zu 1. war auch nicht verpflichtet, Nebenbeschäftigungen anzuzeigen (welche die Klägerin bei berechtigtem Interesse hätte untersagen können).
Es ergeben sich weder aus den Verträgen noch aus der gelebten Praxis Anhaltspunkte für eine durchgehende Dienstbereitschaft der Gäste für die Vorstellungen nach der Premiere. Die Klausel in § 2 des Vertrages, wonach der Beigeladene zu 1. sich verpflichtet, unentgeltlich bei Bild- und Tonaufnahmen mitzuwirken bzw. an Werbesendungen mitzuwirken, fällt in diesem Zusammenhang nicht ins Gewicht. Es handelte sich insoweit zudem um Verpflichtungen, die der Premiere vorgelagert waren und damit in einen Zeitraum fielen, für den unstreitig eine durchgängige Beschäftigung vorliegt.
Zu (3):
Auch die Fiktion nach § 7 Abs. 3 SGB IV greift vorliegend nicht ein.
Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
„Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes“.
Diese Vorschrift regelt/fingiert das Fortbestehen der Beschäftigung ohne tatsächliche Arbeitsleistung. Die Beschäftigung wird in diesem Fall nicht beendet, sondern lediglich unterbrochen. Es kann sich dabei um eine kurzfristige oder eine ersatzlose Unterbrechung handeln. Voraussetzung für die Anwendung von Abs. 3 ist das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses i.S.v. Abs. 1. Die Beschäftigung besteht nach § 7 Abs. 3 SGB IV für maximal einen Kalendermonat weiter. Als Folge davon endet ein Beschäftigungsverhältnis auch dann, wenn es nach dem Willen der beiden Vertragsparteien dem Grunde nach fortgesetzt wird, oder fortgesetzt werden soll. Die Vorschrift überspielt den „Mangel an Entgeltlichkeit", solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Die eigentliche Dauer des Entgeltwegfalls ist unbeachtlich, soweit sie über einen Kalendermonat andauert. Das gilt selbst dann, wenn die längere Unterbrechung bei ihrem Beginn bereits absehbar war (von Koppenfels-Spieß – Wenner, Kommentar zum SGB IV, 3. Aufl., 2022, § 7 SGB IV Rn. 84 ff. m. w. N.; Ziegelmeier in Kasseler Kommentar, Stand März 2022, § 7 SGB IV Rn. 331). Die Fiktion greift damit nur dann ein, wenn und solange die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, d. h. Weisungsgebundenheit und / oder Eingliederung in den Betrieb, erhalten bleibt. Die Vorschrift übernimmt im Ergebnis die bis 31. Dezember 1998 geltenden Regelungen des § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und des § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB III und erstreckt sie auf die Rentenversicherung. Bereits damals war anerkannt, dass das Eingreifen der Fiktion voraussetzt, dass die Beteiligten den Willen haben, das Beschäftigungsverhältnis nach Wegfall der Unterbrechung fortzusetzen, der Arbeitnehmer grundsätzlich dienstbereit ist und der Arbeitgeber grundsätzlich das Verfügungsrecht über den Arbeitnehmer behält. Beispiele für die Anwendung des Absatzes 3 sind der unbezahlte Urlaub, das unentschuldigte Fernbleiben von der Arbeit (sog. Bummeltage) und eine vorübergehende Betriebsruhe. Auch der rechtswidrige Streik dürfte unter Absatz 3 fallen, zumal er auch vom früheren § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfasst wurde (Knospe in Hauck-Noftz, SGB IV, 1. Lieferung 2016, § 7 SGB IV Rn.66, 84 ff. m.w.N.).
Daraus folgt, dass ein Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses längstens für einen Monat (äußerste Grenze) in Betracht kommt und damit nicht beliebig verlängert werden kann. Für den vorliegenden Fall bedeutete dies allenfalls eine einmalige Verlängerung des - bis zur Premiere dauernden - Beschäftigungsverhältnisses um maximal einen Monat (und trüge damit die angefochtene Entscheidung im weitaus überwiegenden Umfang nicht). Allerdings liegt nach Auffassung des erkennenden Senats im Fall des Beigeladenen zu 1. bereits keine Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB IV vor. Die Beantwortung der Frage, ob und wann von einer Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses bei einer Unterbrechung ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt auszugehen ist, richtet sich nach ähnlichen Kriterien, wie sie auch für die Annahme einer durchgehenden Beschäftigung zu fordern sind (Dienst-/Einsatzbereitschaft des Künstlers nach Arbeitsanfall, einseitige Vertragsänderungsbefugnis des Arbeitgebers, Untersagung von Nebenbeschäftigungen etc. – s. o.; vgl. auch: Sächsisches LSG, Beschluss vom 16.11.2016 – L 1 KR 113/16 B ER; Urteil vom 12.02.2015 – L 3 AL 142/12; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.11.2015 – L 1 R 338/13; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.01.2010 – L 1 KR 622/08, juris, Rn. 32-35). Deshalb ist der Argumentation der Beklagten nicht zu folgen. Dem von ihr in Bezug genommenen Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.11.2016 (- L 2 R 579/16 -) liegt auch ein anderer Sachverhalt zugrunde.
Nach den Feststellungen des Senats ist nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände die Vorschrift des § 7 Abs. 3 SGB IV auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1. und der Klägerin war nach den getroffenen Vereinbarungen von vorneherein befristet auf die Zeit vom Beginn der Proben bis zur Premiere. Die vorliegenden Vertragsinhalte sehen zudem, wie bereits dargelegt, für die einzelnen Zeiträume ganz unterschiedliche Regelungen vor und gehen damit von einer unterschiedlichen Risikoverteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus. So wurden die Vorstellungstermine nach den Premieren entweder durch gesonderte Verträge oder in Form von „Terminbriefen“ mit dem Künstler vereinbart. Weichen damit aber für ein Arbeitsverhältnis zentrale vertragliche Gestaltungen aus der Probenzeit bis zur Premiere von den für die spätere Zeit der einzelnen Vorstellungen geltenden Vertragslage deutlich ab, kann nicht von einer Fortgeltung des Arbeitsvertrages und damit des Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen werden (LSG Niedersachsen-Bremen - a. a. O.... - Rn. 33, 34).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).