Der Vollstreckungsantrag wird abgelehnt.
Die Klägerinnen zu 1, zu 3, zu 5 und zu 6 tragen die Kosten des Vollstreckungsverfahrens.
Der Wert des Vollstreckungsverfahrens wird auf 1.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Im zu Grunde liegenden Klageverfahren haben sich die Kläger, Orthopädieschuhtechnikbetriebe und Innungen für Orthopädie-Schuhtechnik, gegen den Beschluss des Beklagten vom 22. März 2017 zu Festbeträgen für Einlagen gewandt.
Mit Urteil vom 11. März 2020 hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG) die Klagen abgewiesen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 7. April 2022 (B 3 KR 4/20 R) das Urteil des LSG und den Beschluss des Beklagten vom 22. März 2017 aufgehoben und den Beklagten zugleich verpflichtet, die Festbeträge für Einlagen für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis 31. März 2020 erneut zu überprüfen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Regelung zu treffen. Insoweit ist die Aufhebung des Beschlusses vom 22. März 2017 mit der Maßgabe erfolgt, dass ihre Wirkungen mit der neuen Regelung eintreten.
Am 25. Juli 2023 haben die Klägerinnen zu 1, zu 3, zu 5 und zu 6 nach § 888 Zivilprozessordnung (ZPO) beantragt, ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, gegen den Beklagten als Vollstreckungsschuldner festzusetzen. Dieser lehne es ab, seinen Verpflichtungen aus dem Urteil des BSG nachzukommen. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11. August 2023 erklärt, eine Entscheidung noch nicht getroffen zu haben.
Am 28. August 2023, bekanntgemacht am 7. September 2023 (BAnzAT 28.09.2024 B4), hat der Beklagte beschlossen, die Aufhebung seines Beschlusses vom 22. März 2017 und die Festsetzung von Festbeträgen für Einlagen für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis 31. März 2020 zu bestätigen und insoweit von der Festsetzung neuer Festbeträge abzusehen. Alle vor dem 1. April 2017 geltenden Festbeträge für Einlagen sind mit Wirkung vom 1. April 2017 aufgehoben worden. Bereits zuvor hatte der Beklagte die Absicht, entsprechend vorzugehen, förmlich bekanntgegeben und zusätzlich die Spitzenorganisationen angeschrieben, jeweils unter Fristsetzung zur Stellungnahme (BAnz AT 30.05.2023 B 5). Diesen Beschluss haben die Klägerinnen nicht angegriffen.
Die beantragenden Klägerinnen tragen zur Begründung vor, der Beklagte habe gegenüber den Hersteller- und Leistungserbringungsorganisationen erklärt, das Urteil des BSG nicht umsetzen zu können. Er sei nicht in der Lage, die Datengrundlage zu schaffen, auf welcher er dann rechtssicher neue Festbeträge festsetzen könne. Dies sei indes falsch, weil die Daten durch Abfrage bei den Betrieben erhoben werden könnten.
Das BSG habe vorgegeben, eine Überprüfung auf der Grundlage der Beteiligung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben vorzunehmen. Bis heute gebe es keine Regelung. Die Aufhebung der Festbeträge sei eine förmliche Ablehnung der Festsetzung neuer Festbeträge. Es gebe für die Klägerinnen keine andere Möglichkeit, als den Beklagten durch Zwangsvollstreckungsmaßnahme zur Festsetzung anzuhalten.
Ihre Anträge sollten nach Maßgabe des § 201 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgelegt werden.
Die Klägerinnen zu 1, 3, 5 und 6 beantragen,
gegen den Schuldner zur Erzwingung der im vollstreckbaren Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. April 2022 – B 3 KR 4/20 R – niedergelegten Verpflichtung, und zwar die Festbeträge für die Einlagen für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis 31. März 2020 erneut zu überprüfen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Regelung zu treffen, ein Zwangsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu sechs Monaten festzusetzen,
hilfsweise ein Zwangsgeld anzudrohen.
Der Beklagte beantragt,
den Antrag als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, der einzig denkbare zulässige Antrag auf Androhung von Zwangsgeld sei unbegründet, weil der Beklagte den Verpflichtungen aus dem Urteil des BSG vom 7. April 2022 nachgekommen sei. Er habe eine erneute Überprüfung der Festbeträge nach § 36 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) durchgeführt und eine neue Regelung getroffen. Er sei vom BSG nicht speziell zum Erlass einer geänderten Festbetragsregelung verurteilt worden.
Als tatsächliches Ergebnis der erneuten Überprüfung der Festbeträge habe sowohl für den Zeitraum 1. April 2017 bis 31. März 2020 als auch für den diesem Zeitraum vorgehenden nur tatsächlich festgestellt werden können, dass als Abgabepreise für die festbetragsgeregelte Einlagenversorgungen nur die einheitlichen Vertragspreise nach § 127 Abs. 1 und 4 SGB V bekannt seien. Eine andere Datengrundlage stehe dem Beklagten nicht zur Verfügung.
Im Urteil des BSG sei sowohl im Tenor als auch in der Begründung nur von einer neuen Regelung oder einer erneuten Entscheidung über die Festbeträge die Rede. Lediglich bei den Ausführungen zur Klagebefugnis schreibe das Gericht von der Festsetzung aktualisierter Festbeträge. Die Formulierung knüpfe an die vorangehende Aussage an, dass den Klägerinnen mit einer Aufhebung der Festbetragsfestsetzung alleine nicht gedient sei.
Die Aufhebung jeglicher Festbetragsfestsetzung sei gegenüber neuen (höheren) Festbeträge der geringere Eingriff in die Vertragsabschlussfreiheit. Die Aufhebung entspreche auch der Rechtsauffassung des BSG, wonach im Verfahren nach § 36 SGB V die Frage, was das Hilfsmittel höchstens kosten dürfe, nicht einseitig durch den Beklagten beantwortet werden dürfe, sondern das Ergebnis der Verhandlungen nach § 127 SGB V sein müsse.
Durch die Aufhebung auch der Festbeträge für die Zeit vor dem 1. April 2017 sei auch dem Willen des BSG Rechnung getragen worden zu verhindern, dass mit Aufhebung des Beschlusses vom 22. März 2017 die vorangegangene (niedrigere) Festbetragsfestsetzung wieder auflebe.
II.
1. Der Antrag auf Verhängung eines Zwangsgelds ist unzulässig.
Das Begehren der antragstellenden Klägerinnen ist dahingehend auszulegen, dass nach wie vor im Hauptantrag die Verhängung eines Zwangsgelds, ersatzweise von Zwangshaft beantragt ist. Dass der Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes nicht nur hilfsweise, sondern alleiniger Antragsgegenstand sein soll, lässt sich dem Vorbringen, den durch den Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag im Sinne des § 201 SGG auszulegen bzw. jedenfalls die Androhung eines Zwangsgeldes auszusprechen, nicht entnehmen.
Das LSG hat als Gericht des ersten Rechtszuges nach § 201 SGG über den Vollstreckungsantrag zu entscheiden.
Die Vorschrift enthält eine spezielle, die nach § 198 SGG sonst vorgesehene Anwendung der ZPO verdrängende Regelung, wenn in den Fällen des § 131 SGG die Behörde der im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht des ersten Rechtszugs in diesem Fall auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis zu tausend Euro durch Beschluss androhen und nach vergeblichem Fristablauf festsetzen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier nicht vor.
Das BSG hat mit Urteil vom 7. April 2022 den Beschluss des Beklagten vom 22. März 2017, einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung, aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, eine neue Regelung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen, also einen neuen Verwaltungsakt im Sinne des § 131 Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 3 SGG zu erlassen (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2022 – B § KR 4/20 R – Rdnr. 10 und 33).
Ohne den vergeblichen Ablauf einer in der zuerst auszusprechenden Androhung gesetzten Frist scheidet nach § 201 SGG die Zwangsgeldverhängung aus.
2. Der Hilfsantrag auf Androhung eines Zwangsgelds ist unbegründet.
Das Gericht des ersten Rechtszuges hat gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 ein Zwangsgeld androhen, wenn die Behörde der im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt SGG, 14. Aufl. 2023 § 201 Rdnr. 3). Diese Androhung setzt eine grundlose Säumnis voraus (BeckOGK/Wahrendorf, 1. August 2024, SGG § 201 Rdnr. 14 mit Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1981 - 1 BvR 575/80, NJW 1981, 2457). Ein Verschulden der Behörde ist nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 6. August 1999 – B 4 RA 25/98 B – juris Rdnr. 23).
Der Beklagte hat seine Verpflichtung aus dem Urteil des BSG vom 7. April 2022 erfüllt, indem er förmlich beschlossen hat, keine Festbetragsregelung zu treffen. Er ist deshalb nicht säumig.
Vollstreckbar ist die tenorierte Verpflichtung, „die Festbeträge für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis 31. März 2020 erneut zu überprüfen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Regelung zu treffen.“ Der Tenor entspricht dabei dem klägerischen Antrag vor dem BSG. Bei dem Beschluss des Beklagten vom 28. August 2023 handelt es sich um eine neue Regelung in vorstehendem Sinne. Denn die Entscheidung, keine Festbeträge festzusetzen, stellt ebenfalls eine Regelung dar.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit über den reinen Tenor hinaus auch die materielle Pflicht in den Blick genommen wird, bei der Neuregelung die Rechtsauffassung des BSG als des erkennenden Gerichts zu beachten.
Die Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts, deren Beachtung ein Bescheidungsurteil der Behörde beim Erlass des neuen Verwaltungsakts zu beachten vorschreibt, lässt sich grundsätzlich nicht der Urteilsformel selbst entnehmen mit der Folge, dass sich der Umfang der materiellen Rechtskraft und damit der Bindungswirkung notwendigerweise aus den Entscheidungsgründen ergibt, die die nach dem Urteilstenor zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts im Einzelnen darlegen (vgl. zur Parallelvorschrift § 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO] Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Januar 1995 – 8 C 8/93 – juris Rdnr. 13).
Der Beklagte hat entsprechend der Revisionsentscheidung die Festbeträge für Einlagen überprüft (vgl. BSG, a. a. O. Rdnr. 34), indem er zunächst selbst Überlegungen angestellt hat, wie die bisherigen Abgabepreise ermittelt werden können, und dann ein Anhörungsverfahren durchgeführt hat.
Die neue Regelung ist nach Maßgabe der Marktlage erfolgt (vgl. BSG, a. a. O. unter Anführung von § 36 Abs. 3 i. V. m. § 35 Abs. 5 S. 3 Hs. 2 SGB V, „die Festbeträge sind […..] sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen.“). Da das BSG den Gesetzeswortlaut zitiert, lässt sich seinem Urteil nicht sicher entnehmen, ob es davon ausgeht, mit Markt sei der Gesamtmarkt für Schuheinlagen sämtlicher Kunden der Orthopädieschuhtechnikbetriebe gemeint oder gar nur der der nicht gesetzlich versicherten Kunden – wovon die antragstellenden Klägerinnen ausgehen – nicht dagegen nur – wie der Beklagte zu Grunde gelegt hat – der Markt der Abgabe von Einlagen an die gesetzlich Versicherten.
Im Übrigen wäre dem Vollstreckungsantrag auch dann nicht zu entsprechen, wenn der Beklagte seinen Beschluss vom 28. August 2023 nicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des BSG getroffen hätte. Denn es fehlte jedenfalls daran, dass das BSG nicht hinreichend bestimmt und damit bindend zum Ausdruck gebracht hat, dass die vom Beklagten zu treffende neue Regelung allein in einer geänderten Festbetragsfestsetzung besteht (vgl. zur Rechtskraftwirkung eines Bescheidungsurteils in diesem Sinne BVerwG, a. a. O. juris-Rdnr. 13).
Selbst unter der Prämisse, dass die Befugnisse des nach § 201 SGG als im Vollstreckungsverfahren tätigen Prozessgerichts weiter reichen als diejenigen anderer Vollstreckungsorgane (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. Februar 2017 – 22 C 16.1427 –, juris-Rdnr. 85 mit Nachweisen) und nachträgliche Bestimmungen nicht von vornherein ausgeschlossen sind, dürfen solche noch erforderlichen Bestimmungen nur getroffen werden, soweit dies aus dem Titel einschließlich der Entscheidungsgründe oder aufgrund allgemein zugänglicher, leicht und sicher feststellbarer anderer Urkunden, auf die der Titel verweist, möglich ist (Bayerischer VGH, a. a. O. mit Bezugnahme auf Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. März1993 – IX ZB 55/92 – BGHZ 122, 16, juris-Rdnr. 17). Dies ist hier nicht der Fall.
Zuletzt ist der Beklagte mittlerweile auch deshalb nicht grundlos säumig, weil sein Beschluss vom 28. August 2023 den antragstellenden Klägerinnen gegenüber bestandskräftig ist. Selbst wenn unterstellt wird, dieser habe das Urteil des BSG nur unzureichend umgesetzt, ist die Entscheidung, keine Festbeträge festzusetzen, für diese bindend.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz. Angesichts der geringen Maximalhöhe des nach § 201 SGG festsetzbaren Zwangsgeldes ist der Höchstbetrag von 1.000,-- € zu Grunde zu legen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.