Liegt eine begründete vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlungen vor, kommt auch beim Vorliegen eines Notfalls eine vorstationäre Krankenhausbehandlung in Betracht.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2022 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 279,17 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Mai 2019 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens der ersten und der zweiten Instanz.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 279,17 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht die Vergütung einer vorstationären Krankenhausbehandlung (KH-Behandlung) iHv 279,17 €.
Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) – (SGB V) zugelassenes Krankenhaus (KH), an welches ein interdisziplinäres Notfallzentrum mit integrierter Rettungsstelle (Notfallzentrum) angegliedert ist. Dort stellte sich am Samstag den 14. März 2015 der bei der Beklagten versicherte Patient M R (Versicherter) vor. Grund dafür war eine kurze Episode eines fraglichen Krampfgeschehens von ca. 10 Sekunden mit Fieber. Nachdem sich kein Hinweis auf ein neurologisches Defizit ergeben hatte, wurde der Versicherte in die ambulante Weiterbehandlung entlassen.
Am Montag den 16. März 2015 suchte der Versicherte die Allgemeinmedizinerin Dr. N auf. Diese stelle eine „Verordnung von Krankenhausbehandlung“ aus und führte als Diagnose auf: „Z.n. 3-fach Synkope mit Vigilianzstörung, Sturz und Atemnot; Z.n. Hirnblutung; Ausschl. MAS/zentrales Geschehen“. Angekreuzt auf dem Vordruck war das Kästchen „Notfall“. In der Spalte „Nächsterreichbare, geeignete Krankenhäuser“ hatte die Vertragsärztin „RST“ (Rettungsstelle) angegeben.
Noch am gleichen Tag stellte sich der Versicherte im Notfallzentrum bei der Klägerin vor. Dort wurde eine Computertomographie (CT) des Kopfes, eine Labordiagnostik und eine Vorstellung beim Neurologen veranlasst. Das neurologische Konzil wurde durch die neurologische Fachabteilung des KH der Klägerin erbracht. Die neurologische Vorstellung ergab keinen Hinweis auf ein aktuell frisches Geschehen. Im Ergebnis wurden die Beschwerden des Versicherten „am ehesten“ als infektbedingt gewertet. Bei einem leichten CRP-Anstieg ohne Leukozytose wurde keine Antibiose empfohlen. Der Versicherte wurde kreislaufstabil in die ambulante Weiterbehandlung entlassen.
Mit Datum vom 20. November 2018 stellte die Klägerin der Beklagten einen Betrag iHv 279,17 € in Rechnung. Der Betrag setzt sich zusammen aus der vorstationären Fachabteilungspauschale iHv 164,64 €, der vorstationären Großgeräte-Leistung (CT Kopf) iHv 81,81 € sowie dem entsprechenden Zuschlag iHv 32,72 €.
Die Beklagte bezahlte zunächst den vollständigen Rechnungsbetrag, leitete jedoch in der Folge ein Prüfverfahren beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 8. April 2019 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass es sich bei der durchgeführten Behandlung um eine Notfallbehandlung auf der RTS und nicht um eine vorstationäre Behandlung gehandelt habe. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Mai 2019 unter Bezugnahme auf die sozialmedizinische Stellungnahme mit, dass sie den Rechnungsbetrag „intern aufrechnen“ werde. Die Aufrechnung erfolgte dann am 23. Mai 2019.
Mit Schreiben vom 30. Juli 2019 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Rechtswidrigkeit der Verrechnung wegen der unbestimmten Aufrechnungserklärung und teilte unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. November 2015 (B 1 KR 30/14 R) mit, dass festgestanden habe, dass eine ambulante Behandlung nicht in Betracht zu ziehen gewesen sei. Dies werde bereits durch das Krankheitsbild und die Notfalleinweisung belegt. Die vorstationäre Behandlung sei auch geboten gewesen, um die Erforderlichkeit einer vollstationären KH-Behandlung abzuklären, da die Symptomatik einer raschen und im vertragsärztlichen Bereich nicht möglichen Diagnostik bedurft und aus ex-ante Sicht eine vollstationäre Aufnahme wahrscheinlich gemacht habe.
Mit ihrer Klage vom 19. September 2019 hat die Klägerin ihren Vergütungsanspruch weiterverfolgt und die Verurteilung der Beklagten auch zur Zahlung der Aufwandspauschale iHv 300 € zuzüglich Zinsen beantragt.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Urteil vom 20. Januar 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Behandlung des Versicherten sei als ambulante Notfallbehandlung iSd § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu qualifizieren (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 6/18 R –, juris). Bei dem Versicherten hätten Symptome vorgelegen, die aus der (vom MD-Gutachter Dr. W in seiner Einzelfallbegutachtung vom 15. Januar 2020 als nachvollziehbar bewerteten) Sicht der behandelnden Vertragsärztin mindestens einer dringlichen Abklärung und der dringlichen Prüfung der Erforderlichkeit einer stationären KH-Behandlung bedurft hätten. Die im Notfallzentrum der Klägerin erbrachten Leistungen seien laut Dr. W, dem die Klägerin nicht widersprochen habe, sämtlich Leistungen, die auch ambulant hätten erbracht werden können. Mit der Behandlung in der Notfallambulanz sei insbesondere noch keine Aufnahme in das KH der Klägerin verbunden gewesen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 11/20 R –, juris). Die im Rahmen der (auch notfallmäßigen) Aufnahmeuntersuchung vorgenommenen medizinischen Maßnahmen begründeten nicht bereits selbst die Aufnahme in das Krankenhaus. Nur wenn eine Aufnahme letztlich erfolge, werde die Aufnahmeuntersuchung Teil der stationären Behandlung und sei durch die Fallpauschale mitvergütet. Komme es hingegen nach einer im Rahmen einer akuten Notfallbehandlung durchgeführten Versorgung und Diagnostik – wie hier – nicht zur stationären Aufnahme in das notfallbehandelnden KH, verbleibe es beim ambulanten Charakter der Notfallbehandlung. Die erbrachten Leistungen seien dann der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen. Wenn eine Behandlung in einem KH als akute Notfallbehandlung einzustufen sei, scheide (auch) ein Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung als vorstationäre Behandlung von vornherein aus. Ein KH habe auch keinen Anspruch auf eine gesonderte Vergütung der Aufnahmeuntersuchung, wenn die Aufnahmeuntersuchung – wie hier – Hand in Hand mit der aus der Gesamtvergütung zu finanzierenden ambulanten Notfallbehandlung einhergehe und in tatsächlicher Hinsicht von dieser nicht unterschieden werden könne. Da eine Vergütung als (vor-)stationäre Behandlung ausscheide, sei es letztlich auch unerheblich, ob die Verordnung der behandelnden Vertragsärztin Dr. N vom 16. März 2015 den Anforderungen entspreche. Ob es – wie die Beklagte meine – hieran im vorliegenden Fall schon deshalb fehle, weil Frau Dr. N das Kästchen „Notfall" angekreuzt und eine Behandlung auf der „RST" vorgesehen habe und somit möglicherweise nur eine (zunächst) ambulante Notfallbehandlung in der Rettungsstelle eines KH habe anstoßen wollen, könne daher offenbleiben.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren, begrenzt auf die Zahlung von 279,17 €, weiter. Eine Notfallbehandlung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 11. September 2019 (B 6 KA 6/18 R) habe nicht vorgelegen. Die Entscheidung sei auch schon deshalb nicht einschlägig, weil es in den dort entschiedenen Fällen offensichtlich an einer (begründeten) Verordnung von KH-Behandlung gefehlt habe. Allein die ambulante Möglichkeit der Leistungserbringung schließe eine vorstationäre Behandlung nicht aus, zumal sie allein in einem KH und dort nur mit den Mitteln eines KH in dem engen zeitlichen Rahmen, mit den entsprechenden Geräten und der erforderlichen Fachexpertise erbracht werden könnte. Auch das BSG habe diesbezüglich bereits festgestellt, dass es „nicht zu Lasten der Vergütung des Krankenhauses" gehe, wenn sich bei der weiteren Untersuchung herausstelle, dass vertragsärztliche Diagnostik ausgereicht hätte (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 21/12 R –, juris Rn. 26). Erneut sei auf die Rechtsprechung des BSG hinzuweisen, wonach eine vorstationäre Behandlung nicht erforderlich sei, wenn sich aus der Verordnung von KH-Behandlung und den beigefügten Unterlagen ohne Weiteres ergebe, dass die notwendige vertragsärztliche Diagnostik nicht ausgeschöpft sei und das KH den Versicherten zumutbar und kunstgerecht hierauf verweisen könne (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 14. Januar 2014 – B 1 KR 28/13 R –, juris). Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Vielmehr hätten die behandelnden Krankenhausärzte davon ausgehen müssen, dass eine ausreichende vertragsärztliche Behandlung wegen der akuten Beschwerdesymptomatik nicht zeitgerecht möglich gewesen wäre. Eine Verweisung auf die vertragsärztliche Diagnostik sei mithin angesichts der begründeten Verordnung nicht möglich gewesen, wie auch durch den MDK letztlich bestätigt worden sei. Dabei sei es auch verwunderlich, wenn das SG Ausführungen zu einer Aufnahme bzw. einer organisatorischen Eingliederung in den Krankenhausbetrieb mache, da es bei der vorstationären Behandlung erst um die Abklärung der Erforderlichkeit der Aufnahme gehe. Da insofern nachweislich eine KH-Behandlung stattgefunden habe, indem Mittel und Personal des Krankenhauses (und nicht allein der Rettungsstelle) zum Einsatz gekommen seien, vermöge auch der Verweis auf die Notfallbehandlung nicht zu überzeugen. Ausweislich der Patientendokumentation sei ein neuroradiologisches Konsil erfolgt. Dass die Vertragsärztin mit dem Ankreuzen des Kästchens „Notfall“ eine Notfall- bzw. Rettungsstellenbehandlung habe verordnen wollen, sei fernliegend. Vielmehr sei aufgrund der zur Begründung angeführten Diagnosen und bestätigt auch durch den MDK offensichtlich, dass die Vertragsärztin nachvollziehbar von einem akutstationären Behandlungsbedarf ausgegangen sei. Insofern unterscheide sich der vorliegende Fall auch von dem der Entscheidung vom 18. Mai 2021 (B 1 KR 11/20 R) zugrundeliegenden Fall. Der vorliegende Fall der Verordnung von KH-Behandlung als Notfall mit der Behandlung in der Rettungsstelle unter Einsatz der Mittel eines KH stelle das Paradebeispiel einer vorstationären Behandlung zur Abklärung des akutstationären Behandlungsbedarfs dar. Folge man der Auffassung des SG, gäbe es für die Regelung des § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V keinerlei Anwendungsbereich mehr.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 279,17 € nebst Zinsen in Höhe von 2%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Mai 2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Der Vorrang „ambulant vor stationär“ gelte auch für die vorstationäre Behandlung (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 67/12 R –, juris Rn. 19). Vorliegend sei eine vertragsärztliche Notfallversorgung ausreichend gewesen. Es fehle bereits an einer hinreichenden Verordnung stationärer KH-Behandlung (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 28/13 R –, juris Rn. 9). Die vorliegende Verordnung enthalte keinerlei irgendwie geartete Angaben iSd § 6 der Krankenhausbehandlungs-Richtlinie, denen sich Hinweise darauf entnehmen ließen, warum der Versicherte bei der Klägerin behandelt werden solle. Es fehle sowohl an einer konkreten Indikation zur stationären Behandlung als auch an der Vorlage bedeutsamer Unterlagen hinsichtlich Diagnostik, Anamnese etc. Die entsprechenden von der Klägerin vorgenommenen differentialdiagnostischen Maßnahmen seien – entsprechend der Definition des Notfallbegriffs iSd § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V – zugleich im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung ausgewertet und die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abgeklärt worden. Die sog. Abklärungsalternative des § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V sei eine der Aufnahmeuntersuchung nachgeschaltete Klärung der stationären Behandlungsbedürftigkeit, wenn die Aufnahmeuntersuchung nicht die notwendige Gewissheit ergeben habe. Hier sei auch auf die insoweit übertragbare Protokollnotiz Nr. 1 zu § 4 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V des Landes Brandenburg zu verweisen. Die hier vorgenommenen Untersuchungen seien im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung erfolgt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, auf die wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich erhobene (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG hinsichtlich der Vergütung der vorstationären Behandlung iHv 279,17 € nebst Zinsen in Höhe von 2%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Mai 2019 weiterverfolgt, ist begründet.
Die echte Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr, vgl ua BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R, Rn. 9; BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R, Rn. 12, juris) und begründet. Den Antrag, die Beklagte auch zur Zahlung der Aufwandspauschale zu verurteilen, hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr gestellt.
Dabei kann der Senat den erstinstanzlich erhobenen Einwand hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der erfolgten Aufrechnung dahinstehen lassen (vgl zur grundsätzlichen Zulässigkeit dieses Vorgehens ua BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 36/17 R, Rn. 8, juris), denn der unstreitige Vergütungsanspruch der Klägerin, gegen den vorliegend aufgerechnet wurde, erlosch nicht infolge der Aufrechnungserklärung der Beklagten. Die Voraussetzungen des § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind hier nicht erfüllt. Es bestand kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch wegen überzahlter Vergütung für die Behandlung der Versicherten, mit dem die Beklagte aufrechnete.
Nach § 115a Abs. 1 Satz 1 SGB V kann ein KH bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um 1. die Erforderlichkeit einer vollstationären KH-Behandlung zu klären oder die vollstationäre KH-behandlung vorzubereiten (vorstationäre Behandlung) oder 2. im Anschluss an eine vollstationäre KH-Behandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (nachstationäre Behandlung). Die vorstationäre Behandlung ist auf längstens drei Behandlungstage innerhalb von fünf Tagen vor Beginn der stationären Behandlung begrenzt (§ 115a Abs. 2 Satz 2 SGB V).
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse (KK) für vor- und nachstationäre KH-Behandlung entsteht nach näherer Maßgabe von § 115a Abs. 3 SGB V zur Anspruchshöhe unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen KH erfolgt, zudem den speziellen Anforderungen des § 115a SGB V genügt, erforderlich und abrechenbar (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 3 Krankenhausentgeltgesetz <KHEntgG>) ist (stRspr zur vollstationären Krankenhausbehandlung mit Blick auf § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V vgl. ua BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R –, juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R –, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 08. November 2011 –, juris Rn. 13, jeweils mwN). Das entspricht den speziellen gesetzlichen Vorgaben in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen für die Vergütung von KH-Behandlung, die ergänzend auch für vor- und nachstationäre Behandlungen gelten (vgl. ua BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 28/13 R –, juris Rn. 8).
Die Behandlung des Versicherten durch die Klägerin am 16. März 2025 erfüllte diese Voraussetzungen. Dabei steht dem Vergütungsanspruch nicht entgegen, dass die Erforderlichkeit der stationären Behandlungsbedürftigkeit vorliegend verneint und der Versicherte in die ambulante Weiterbehandlung entlassen wurde (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 28/13 R –, juris Rn. 8).
Entgegen der Auffassung des SG kommt es für den Anspruch der Klägerin auf Vergütung der vorstationären Behandlung nicht darauf an, ob eine Aufnahme des Versicherten in das KH der Klägerin erfolgt ist. Wie sich aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergibt, besteht das Erfordernis der Aufnahme nur für die vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung. Die sog. „Schockraum-Rechtsprechung“ des BSG (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 11/20 R –, juris und, die strenge Rspr insoweit aufgebend, BSG, Urteil vom 29. August 2023 – B 1 KR 15/22 R –, juris Rn. 17) betrifft die Abgrenzung der (ambulanten) Notfallbehandlung zur (vollstationären) Versorgung. Vorliegend geht es aber um die Abgrenzung der vorstationären zur ambulanten (Notfall-)Behandlung. Im Fall der vorstationären KH-Behandlung nach § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V (Abklärungsalternative) geht es um die der Aufnahme vorgeschaltete Frage der Erforderlichkeit der stationären Behandlungsbedürftigkeit. Die organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses, die als Voraussetzung der Aufnahme angesehen wird, kann im Fall der vorstationären Behandlung noch nicht erfolgt sein (vgl. ua BSG, Urteil vom 29. August 2023 – B 1 KR 15/22 R –, juris Rn. 13 f.).
Auch das Vorliegen eines Notfalls schließt die Annahme einer vorstationären KH-Behandlung nicht per se aus. Eine Notfallbehandlung iSd § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist zunächst auf die Erstversorgung ausgerichtet. Behandlungen sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben und unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen (BSG, Urteil vom 11. September 2019 – B 6 KA 6/18 R –, juris Rn. 19). Die Parallele zur vorstationären Behandlung besteht darin, dass auch die Notfallversorgung dazu dienen kann, die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären (BSG, aaO). Dass die vorstationäre Behandlung grundsätzlich auch im Rahmen einer Notfallsituation möglich ist, zeigt sich schon daran, dass die Muster der Verordnung für KH-Behandlung (Muster 2) explizit auch eine Verordnung von KH-Behandlung beim Vorliegen eines Notfalls vorsehen. Dass allein das Vorliegen eines Notfalls die vorstationäre Behandlung ausschließt, ist der Rechtsprechung des BSG nicht zu entnehmen. In einem Fall, in dem ein Patient ohne vertragsärztliche Verordnung in der Notaufnahme eines KH behandelt wurde und dann entgegen der ärztlichen Empfehlung eine stationäre Behandlung ablehnte, verneinte das BSG einen Vergütungsanspruch des KH wegen einer vollstationären KH-Behandlung und ergänzte: „Mangels vertragsärztlicher Verordnung kann die von der Klägerin erbrachte Leistung nicht als vorstationäre Behandlung iS von § 115a SGB V abgerechnet werden. Das gilt auch dann, wenn der Versicherte von einem Rettungsdienst in die Klinik der Klägerin eingeliefert worden sein sollte“ (BSG, Urteil vom 25. Juni 2024 – B 1 KR 12/23 R –, juris Rn. 33; vgl. auch BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 11/20 R –, juris Rn. 25). Liegt eine den Vorgaben des § 115a SGB V entsprechende ärztliche Verordnung von KH-Behandlung vor, ist demnach die Abrechnung der vorstationären Behandlung auch im Notfall nicht ausgeschlossen. Vorliegend sind die Voraussetzungen einer vorstationären KH-Behandlung nach § 115a SGB V erfüllt. Insbesondere lag eine ausreichende vertragsärztliche Verordnung von KH-Behandlung vor. Die vorstationäre KH-Behandlung war auch erforderlich, konnte also nicht im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden.
Die von § 115a Abs. 1 SGB V geforderte "Verordnung von Krankenhausbehandlung" setzt eine begründete Verordnung eines Vertragsarztes oder eines sonstigen an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnehmenden voraus. Die vertragsärztliche Versorgung umfasst ausdrücklich ua auch die Verordnung von KH-Behandlung (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Fall 6 SGB V). Die Begrenzung auf begründete vertragsärztliche Verordnungen von KH-Behandlung sichert die vertragsärztliche Pflicht, KH-Behandlung nur zu verordnen, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht (§ 73 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Im gleichen Sinne wirkt die damit ebenfalls abgesicherte vertragsärztliche Pflicht, die Notwendigkeit der KH-Behandlung bei der Verordnung zu begründen (§ 73 Abs. 4 Satz 2 SGB V) (BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 67/12 R –, juris Rn. 11).
Die Verordnung von KH-Behandlung durch die Vertragsärztin Dr. N vom 16. März 2015 erfüllt diese Voraussetzungen. Genannt sind dort im Einzelnen die Diagnosen, die die Vertragsärztin festgestellt hat („Z.n. 3-fach Synkope mit Vigilianzstörung, Sturz und Atemnot; Z.n. Hirnblutung“). Angegeben ist zudem, was im KH zu erfolgen hat, nämlich der Ausschluss eines zentralen Geschehens. Vor den Hintergrund der genannten Diagnosen ist insoweit deutlich, dass der Ausschluss von Vorfällen wie einem Schlaganfall oder einer weiteren Hirnblutung erfolgen soll. Dass dies auch so verstanden wurde, zeigen die im KH der Klägerin – und nicht ausschließlich in der Notfallambulanz – vorgenommenen Leistungen (ua CT und neurologisches Konzil). Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält die Verordnung damit durchaus hinreichend klare Angaben, denen sich entnehmen lässt, warum der Versicherte bei der Klägerin behandelt werden sollte. Soweit die Beklagte sich auf § 6 der Krankenhausbehandlungs-Richtlinie vom 24. März 2003 (RL) bezieht, ergibt sich daraus nichts anderes. § 6 der RL gibt vor, dass der Vertragsarzt zur Unterstützung der Diagnostik und Therapie, der Vermeidung von Doppeluntersuchungen und der Verkürzung der Verweildauer im Rahmen der KH-Behandlung der Verordnung von KH-Behandlung die für die Indikation der stationären Behandlung des Patienten bedeutsamen Unterlagen hinsichtlich Anamnese, Diagnostik und ambulanter Therapie beizufügen hat, „soweit sie ihm vorliegen“. Die Regelung verpflichtet die Vertragsärzte nicht, alle genannten Unterlagen der Verordnung beizufügen. Dies soll nur dann erfolgen, wenn entsprechende Unterlagen auch tatsächlich vorliegen. Insbesondere dann, wenn die Verordnung der KH-Behandlung zum Zwecke der Abklärung der KH-Behandlungsbedürftigkeit erfolgt, liegen dem Vertragsarzt viele der genannten Unterlagen ohnehin idR noch nicht vor.
Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Vertragsärztin das Feld „Notfall“ auf der Verordnung angekreuzt hatte. Wie bereits oben dargelegt, schließt diese Ankreuzmöglichkeit eine Verordnung von KH-Behandlung gerade nicht aus. Dass die Vertragsärztin weiter – im Feld für das zu bezeichnende KH – „RTS“ (Rettungsstelle) angegeben hatte, zeigt die von der Vertragsärztin gesehene Dringlichkeit der Abklärung der stationären Behandlungsbedürftigkeit auf. Wie auch der MDK in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 15. Januar 2020 zutreffend ausführte, war die Verordnung von KH-Behandlung hier vertretbar.
Die vorstationäre Behandlung des Versicherten war vorliegend auch erforderlich. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird KH-Behandlung vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Zwar sieht § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V das Erfordernis der Erforderlichkeit ausdrücklich nur für die vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung vor. Es ist jedoch als geklärt anzusehen, dass auch die weiteren Formen der KH-Behandlung nur dann erbracht und abgerechnet werden können, wenn sie erforderlich sind. Die vor- und nachstationäre KH-Behandlung ist nach der Rspr. des BSG regelmäßig nicht erforderlich, wenn stattdessen vertragsärztliche Versorgung ausreichend ist (für die vorstationäre Behandlung vgl. ua BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 67/12 R –, juris – Rn. 17; Bockholdt in: Hauck/Noftz SGB V, 10. Ergänzungslieferung 2024, § 109 SGB 5, Rn. 164 mwN). Dies war vorliegend nicht der Fall.
Die Durchführung der vorgenommenen differentialdiagnostischen Maßnahmen im Rahmen der vorstationären Behandlung waren insbesondere vor dem Hintergrund, dass Vorfälle auszuschließen waren, die einer sofortigen stationären Behandlung bedurft hätten, nicht ambulant durchführbar. Soll ein sog. zentrales Geschehen, wie zB ein Schlaganfall oder eine (weitere) Hirnblutung ausgeschlossen werden, kann der Versicherte nicht zunächst zur Vornahme eines ambulanten CT und sodann zum Neurologen überwiesen werden. Allein im KH ist eine entsprechende zeitnahe Bündelung der diagnostischen Maßnahmen in Verbindung mit einer dann ggf. erforderlichen zügigen Aufnahme und Behandlung möglich. Darin ist vorliegend die Erforderlichkeit der besonderen Mittel des KH zu sehen. Davon, dass die Vertragsärztin Dr. N pflichtwidrig die notwendige vertragsärztliche Diagnostik nicht ausgeschöpft hatte, ist hier nicht auszugehen. Angesichts der vorliegenden Diagnosen konnte die Klägerin den Versicherten nicht zumutbar und kunstgerecht (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 28/13 R –, juris Rn. 18) auf die ambulanten Diagnosemöglichkeiten verweisen
Dem steht nicht entgegen, dass die einzelnen diagnostischen Maßnahmen (Labor, CT, neurologisches Konzil) jeweils für sich genommen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugeordnet werden können. Neben der bereits angesprochenen erforderlichen Bündelung ist es einer vorstationären Behandlung immanent, dass dort auch grundsätzlich ambulant zu erbringende Maßnahmen vorgenommen werden können. Dies ergibt sich schon deutlich aus den der Gemeinsamen Empfehlung nach § 115a Abs. 3 SGB V, welche – neben den Fachabteilungsbezogenen Vergütungspauschalen (Anlage 1) – auch die Vergütung mit medizinisch-technischen Großgeräten nennt, deren Erbringung grundsätzlich auch ambulant möglich ist. Dort ist auch das von der Klägerin abgerechnete CT (Kopf) aufgeführt (GOÄ-Ziff. 5370).
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 4 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V des Landes Brandenburg die Auffassung vertritt, es habe sich bei den hier vorgenommenen differenzialdiagnostischen Maßnahmen um eine Aufnahmeuntersuchung gehandelt, die der vorstationären Behandlung nach § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V vorangehe, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Zum einen merkt die Klägerin hier zutreffend an, dass der genannte Vertrag auf die vorliegende Berliner Konstellation keine Anwendung findet. Zum anderen dehnt die Beklagte mit dieser Auffassung den Begriff der Aufnahmeuntersuchung zu weit aus. Alle hier vorgenommenen diagnostischen Maßnahmen, die zur Abklärung der stationären Behandlungsbedürftigkeit erforderlich waren, unter den Begriff der Aufnahmeuntersuchung zu subsumieren, ließe für eine gesonderte Vergütung von vorstationär erbrachten Leistungen, an die sich keine stationäre Behandlung anschließt, keinen Raum. Auch das BSG hatte in dem Fall, in dem sich die Beteiligten um die Vergütung der Aufnahmeuntersuchung stritten, die Abrechnung nach § 115a SGB V allein an der fehlenden vertragsärztlichen Verordnung scheitern lassen (BSG, Urteil vom 25. Juni 2024 – B 1 KR 12/23 R –, juris Rn. 33).
Auch die Höhe des streitigen Rechnungsbetrages ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat ihre Abrechnung entsprechend der Gemeinsamen Empfehlungen über die Vergütung der vor- und nachstationären Behandlung nach § 115a Abs. 3 SGB V getätigt. Einwände hinsichtlich der Höhe der Vergütung hat die Beklagte auch nicht erhoben.
Der Zinsanspruch folgt aus § 12 Abs. 5 des zwischen den Beteiligten weiterhin geltenden Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 1. November 1994 idF der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997 (Krankenhausbehandlungsvertrag), wonach das KH ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz berechnen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG; sie ist unanfechtbar (§ 177 SGG).