L 9 KR 272/24 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 211 KR 729/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 272/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juli 2024 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das gesamte Eilverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

 

 

 

 

Gründe

 

Die nach den §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde gegen den Beschluss vom 17. Juli 2024 hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat den Eilantrag zu Recht abgelehnt. 

 

I. Das Sozialgericht hat es insbesondere zu Recht abgelehnt, gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs (bzw. nunmehr der Klage) der Antragstellerin gegen die Ermittlung der Prüfquote nach § 275c Abs. 2, 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für das Quartal I/2024 (soweit sie 5 Prozent überschreitet) anzuordnen.

 

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage – wie hier nach § 275c Abs. 5 Satz 1 SGB V – keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichteter Antrag hat Erfolg, wenn die Abwägung der Interessen der Beteiligten ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung der Maßnahme das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung überwiegt. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn sich die angegriffene Maßnahme als offensichtlich rechtswidrig erweist, da an der Durchsetzung rechtswidriger Verwaltungsakte kein öffentliches Interesse besteht. Ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht ohne weiteres möglich, etwa weil sie eine (umfangreiche) weitere Sachaufklärung voraussetzt, können die Sozialgerichte auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit verzichten. In einem solchen Fall ist der Erfolg einer Klage regelmäßig ebenso wahrscheinlich wie ihr Misserfolg, so dass es für ein Obsiegen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wesentlich darauf ankommt, ob dem Widerspruch oder der Klage kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt oder nicht. Ist die aufschiebende Wirkung – wie im vorliegenden Fall – kraft Gesetzes ausgeschlossen, kann ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG Erfolg haben, wenn die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. zum Prüfungsmaßstab LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2011, L 7 KA 52/11 B ER, zitiert nach juris, Rn. 2f.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juli 2024, L 5 KR 1548/24 ER-B, zitiert nach juris, Rn. 20; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 86b SGG, Stand: 16. September 2024, Rn. 203).

 

Gemessen daran liegen die Voraussetzungen der begehrten Anordnung nicht vor:

 

Eine Rechtswidrigkeit der Prüfquote für das Quartal I/2024 lässt sich nicht ohne weiteres feststellen. Die Antragstellerin macht geltend, dass ohne Einzelfalldaten der Krankenkassen (namentlich der DAK und der Barmer) nicht nachvollziehbar sei, ob rechtswidrig eine zu hohe Zahl beanstandeter Fälle übermittelt worden sei. Eine Rechtswidrigkeit der Prüfquote lässt sich somit allenfalls durch Beiziehung der nicht vorliegenden Einzelfalldaten der Krankenkassen zu den übermittelten Zahlen aus dem Bezugsquartal III/2023 zuverlässig feststellen, worauf auch die Antragstellerin verweist. Diese Sachverhaltsaufklärung und Prüfung ist im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren, worauf das Sozialgericht bereits hingewiesen hat, nicht vorzunehmen, denn es ist lediglich eine summarische Prüfung vorzunehmen, die es für den Regelfall ausschließt, einen offenen Sachverhalt durch vom Gericht im Eilverfahren veranlasste Beweiserhebung abschließend aufzuklären (vgl. Jüttner, Wehrhahn in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl., § 86b SGG. Rdnr. 49). Da vorliegend keine existentiell bedeutsamen Rechtsgüter der Antragstellerin auf dem Spiel stehen, ist dem Senat eine lediglich summarische Prüfung nicht verwehrt.

 

Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt dementsprechend nur in Betracht, wenn das Aussetzungsinteresse ausnahmsweise – trotz des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs, insbesondere wegen des Vorliegens einer unbilligen Härte – überwiegen würde. Dafür ist nichts ersichtlich. Soweit die Antragstellerin auf den mit einer Prüfquote von zehn Prozent verbundenen höheren Aufwand hinweist, greift dieser Einwand bereits deshalb nicht durch, weil das (Anwendungs-)Quartal I/2024, auf das sich die streitige Prüfquote bezieht, bereits seit mehreren Monaten abgelaufen ist, und weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, inwiefern die Aussetzung der Prüfquote den geltend gemachten Aufwand in Bezug auf das Quartal I/2024 noch erheblich reduzieren könnte. Ebenso wenig folgt ein überwiegendes Aussetzungsinteresse aus dem Vorbringen der Antragstellerin, dass die Wahrscheinlichkeit einer Beanstandung durch den MD bei einer höheren Prüfquote steige und die zu hohe Quote in Folgequartalen fortwirke. Denn es ist bereits nicht nachvollziehbar, warum die Beanstandungsquote in Folge einer höheren Prüfquote zwingend steigen soll. Schließlich ist eine Härte auch deshalb nicht erkennbar, weil die Prüfquote nach den Angaben der Antragstellerin bisher stets – außer im Quartal IV/2023 – bei zehn Prozent lag.

 

Ob die begehrte Anordnung auch deshalb ausscheidet, weil sich die Prüfquote – worauf der Antragsgegner abstellt – von vornherein allein nach den von den Krankenkassen übermittelten Zahlen richtet und eine Überprüfung der Zahlen und des jeweils zugrunde liegenden Ermittlungsweges durch den Antragsgegner ohnehin ausgeschlossen ist, kann folglich dahinstehen. Der Senat hält es nach vorläufiger Prüfung jedenfalls nicht für ausgeschlossen, dass die von der Antragstellerin verlangte Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren vorzunehmen sein wird.        

 

II. Ausgehend davon hat das Sozialgericht es ebenfalls zu Recht abgelehnt, die „Vollziehung der Prüfquote aufzuheben“ und einstweilen anzuordnen, der Antragstellerin eine höhere Positivquote zuzuordnen und die Berücksichtigung von Prüfungen, die über die Prüfquote von fünf Prozent hinausgehen, zu unterlassen.

 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

 

IV. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 4, 63 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Gerichtskostengesetz. Sie berücksichtigt die Hälfte des Streitwerts der Hauptsache (vgl. Beschluss des Senats vom 9. Juli 2018, L 9 BA 29/18 B ER, zitiert nach juris, Rn. 6).

 

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.

Rechtskraft
Aus
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