1) Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Unfallversicherungsrecht kann nach § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X auch konkludent erfolgen.
2) Aus der tatsächlichen Gewährung von Leistungen (auch über einen längeren Zeitraum hinaus) folgt jedoch nicht, dass über die Leistungsgewährung hinaus die konkludente Anerkennung eines Arbeitsunfalls erfolgt. Ob eine derartige Anerkennung vorliegt, ist, wie in jedem anderen Fall auch, nach dem objektiven Empfängerhorizont aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.
3) Die Auszahlung von Verletzengeld an den Versicherten stellt keine konkludente Anerkennung eines Arbeitsunfalls dar. Sie stellt höchstens - soweit sich dies aus dem Kontoauszug des Versicherten im Einzelfall ergibt - eine Regelung über die Bewilligung von Verletztengeld für den jeweiligen Zahlungszeitraum dar.
4) Aus einem möglichen von den Grundsätzen des Leistungsrechts, insbesondere der §§ 42, 43 SGB I, ggf. abweichendem Verwaltungshandeln können keine Schlüsse für die Ermittlung des objektiven Empfängerhorizont gezogen werden.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 22. April 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls aufgrund eines Ereignisses vom 16. März 2016.
Am 16. März 2016 geriet der Kläger, der Busfahrer war, mit dem Zeugen E. zunächst im Bus und nach zwischenzeitlicher Weiterfahrt an der Endhaltestelle außerhalb des Busses in Streit. Dabei fiel er zu Boden und verletzte sich das linke Knie. Der eingeschalteten Polizei gegenüber gab er an, er sei gestürzt, weil er vom Zeugen E. von hinten gestoßen worden sei. Beim Durchgangsarzt gab er an, dass er von dem Zeugen E. attackiert worden sei. Der Arzt stellte eine Tibiafraktur fest. Der Kläger befand sich vom 16. März 2016 bis zum 24. März 2016 in stationärer Behandlung. Im Anschluss wurde die Behandlung ambulant fortgesetzt und der Kläger erhielt zu Lasten der Beklagten u.a. Krankengymnastik, deren Erhalt er jeweils abzeichnen musste.
In der Strafanzeige vom 18. März 2016, die vom Kläger veranlasst wurde, wurde festgehalten, dass der Kläger und der Zeuge E. in Streitigkeiten geraten seien, der Zeuge E. den Kläger bei einem Gerangel geschubst habe und der Kläger zu Boden gegangen sei und sich dabei das Knie verdreht habe. Eine vor Ort noch anwesende Zeugin, die Zeugin F., teilte der Polizei mit, dass jemand an der Station C-Straße habe aussteigen wollen, der Kläger aber die Türen nicht geöffnet habe. Hierauf habe der Zeuge E. hingewiesen. Der Zeuge E. sei dann an der D-Straße (Anm.: Markt am D., Endhaltestelle) ausgestiegen. Der Kläger sei dann wohl auch ausgestiegen und habe mit dem Zeugen E. Streitigkeiten begonnen und habe wohl gesagt, dass der Zeuge E. ihm nicht vorschreiben solle, wie er seine Arbeit zu machen habe. Der Zeuge E. habe den Kläger geschubst und es sei zu einem Gerangel gekommen, wobei der Kläger „auch mitgemischt“ habe (Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft 3361 Js 8362/16).
Am 23. März 2016 ging bei der Beklagten eine Unfallanzeige vom 21. März 2016 zu einem Unfall des Klägers am 16. März 2016 ein. In der Anzeige wurde mitgeteilt, dass der Kläger mit dem Zeugen E. in Streit geraten sei. Er habe den Fahrgast aufgefordert auszusteigen. Dieser habe sich geweigert und der Kläger sei weitergefahren. An der Haltestelle Markt am D. seien der Kläger und der Zeuge E. ausgestiegen und der Streit sei eskaliert. Die Männer hätten gerangelt und seien zu Boden gefallen. Hierbei habe sich der Kläger am linken Knie verletzt.
Die Beklagte begann zu ermitteln. Mit Datum vom 1. April 2016 übersandte sie dem Kläger unter dem Betreff „Ihr Versicherungsfall vom 16. März 2016“ folgendes Schreiben:
„Sehr geehrter Herr A., von Ihrem Unfall haben wird Kenntnis erhalten. Wir prüfen, ob Ihnen Leistungen wegen eines Arbeitsunfalls zustehen. Die beigefügte Information soll Ihnen einen ersten Überblick über die wichtigsten für Sie in Betracht kommenden Leistungen vermitteln. Bei unseren Ermittlungen erheben wir nur Daten, die wir im Rahmen unserer gesetzlichen Aufgabe zur Leistungsfeststellung benötigen. (…) Um über Ihnen gegebenenfalls zustehende Leistungen schnell und umfassend entscheiden zu können, sind wir insbesondere auf Ihre Mitarbeit angewiesen. In diesem Zusammenhang müssen wir Sie in ihrem Interesse ausdrücklich auf ihre Mitwirkungspflichten hinweisen, (…) Durch unsere Ermittlungen erhalten wir Informationen über Ihren Gesundheitszustand. (…)“
Dem Schreiben war eine vom Kläger auszufüllende „Einwilligungserklärung“ beigefügt, in der der Kläger medizinische Einrichtungen, Ärzte, Sozialleistungsträger und andere Versicherungsträger von der Schweigepflicht bzw. der Geheimhaltungspflicht entbinden und außerdem seine Einwilligung in die Weitergabe von medizinischen Feststellungen an seine Ärzte zustimmen sollte. Außerdem war ein Merkblatt „Hinweise zum Verfahren und zu Leistungen nach einem Arbeitsunfall“ beigefügt, das die wichtigsten nach einem Arbeitsunfall in Betracht kommenden Leistungen aufführte. Zum Verletztengeld wurde ausgeführt, dass der Kläger, sobald die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber beendet sei, Verletztengeld von der Beklagten erhalte. Es werde für die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit durch die Krankenkasse ausgezahlt.
Am 5. April 2016 wandte sich die Krankenkasse an den Kläger und informierte ihn über die Voraussetzungen und die Vorgehensweise bei der Zahlung von Krankengeld.
Die Einwilligungserklärung ging ausgefüllt am 14. April 2016 wieder bei der Beklagten ein.
In der Folgezeit erbrachte die Beklagte Leistungen. Parallel ermittelte die Polizei zu dem Ereignis. Am 6. April 2016 sollte der Kläger durch die Polizei vernommen werden, teilte hier jedoch lediglich mit, dass er einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt habe und Angaben nur über diesen machen werde.
Im Zuge der Ermittlungen ließ sich die Polizei zwei Videoaufnahmen der Verkehrsgesellschaft zu dem Ereignis vorlegen und wertete diese aus. Sie vernahm außerdem den Fahrgast Frau G. zum Vorgang. Diese teilte mit, dass der Kläger an einer Haltestelle nicht gehalten habe, obwohl ein Fahrgast habe aussteigen wollen. Der Zeuge E. habe dann gerufen, um den Kläger darauf aufmerksam zu machen. Der Kläger habe dann angehalten, sei aufgestanden und nach hinten gegangen. Es sei zu einem heftigen Disput gekommen. Der Kläger habe den Zeugen E. angeherrscht, dass er sich nicht in seine Arbeit einmischen solle, und sei von Anfang an sehr aggressiv gewesen. Der Zeuge E. habe sehr ruhig reagiert. Der Kläger habe im Verlauf des Disputs den Zeugen an der Oberbekleidung gegriffen. Dieser habe sich lediglich verbal dagegen zu Wehr gesetzt. Der Kläger habe sich überhaupt nicht beruhigt und sei immer wieder zum Zeugen zurückgekehrt. Dann hätten sich andere Fahrgäste eingemischt und der Kläger sei weitergefahren. An der Haltestelle Markt am D. habe sie noch mitbekommen, dass der Kläger und der Zeuge am Boden gelegen und gerungen hätten. Der Zeuge habe im Bus keinen Anlass für das Verhalten des Klägers gegeben. Vielmehr sei dieser über Gebühr aggressiv gewesen.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2016 überschrieben mit „Unfall vom 16.03.2016“ wandte sich die Beklagte erneut an den Kläger und teilte diesem mit, dass sie in seiner Unfallsache ermittle und für eine sachgerechte Entscheidung noch einige Informationen benötige. Dem Schreiben war ein Formular beigefügt, in dem der Kläger Einzelheiten über den Streit aufführen sollte. Das Formular ging am 6. Juni 2016 wieder bei der Beklagten ein. Der Punkt „Grund des Streits/ausführliche Vorgeschichte“ war vom Kläger nicht ausgefüllt worden. Er hatte lediglich angekreuzt, dass der Streit betrieblicher Natur gewesen und der Täter unbekannt sei. Ein an die Arbeitgeberin gesandtes Formular ging am 13. Juni 2016 bei der Beklagten ein. Hier befanden sich in einer Anlage Ausführungen zur Vorgeschichte.
Die Beklagte erbrachte weiterhin Leistungen und ermittelte (u.a. Beiziehung der Akte der Staatsanwaltschaft). Zur Frage zu den Einzelheiten des Streits machte der Kläger weiterhin keine Angaben. Die Beklagte forderte ihn hierzu jedoch auch nicht auf. Bei der Polizei gingen, entgegen seiner Angaben bei der Vernehmung, auch über seinen Anwalt in der Folgezeit keine Angaben zum Streit ein. Dies selbst dann nicht, nachdem der Bevollmächtigte darauf hingewiesen worden war, dass der Kläger Angaben angekündigt hatte. Am 14. Juni 2016 zahlte die Krankenversicherung aufgrund der „Verwaltungsvereinbarung Verletztengeld“ für die Zeit ab dem 27. April 2016 erstmals abschnittsweise Verletztengeld für die Beklagte.
In einem Schreiben vom 3. August 2016, erneut überschrieben mit „Unfall vom 16.03.2016“, teilte die Beklagte mit, dass eine ambulante Heilverfahrenskontrolle durchgeführt werden solle, um festzustellen, welche weiteren Behandlungsmaßnahmen zur Besserung der Unfallfolgen noch erforderlich seien. Der Kläger erhalte den Termin direkt von der Klinik.
Am von der Klinik festgesetzten Termin erschien der Kläger nicht, so dass die Beklagte mit Schreiben vom 22. August 2016 auf die Mitwirkungspflichten hinwies und Folgendes mitteilte:
„Sollten Sie diesen Termin am 31.08.2016 erneut nicht wahrnehmen, werden wir die Versagungsvorschriften anwenden und Ihnen das Verletztengeld ab diesem Tag bis auf weiteres, d.h. bis zur Nachholung Ihrer Mitwirkungspflicht, entziehen.“
Die Beklagte ermittelte weiter und erbrachte auch weiterhin Leistungen. Mit Schreiben vom 4. Januar 2017 – erneut überschrieben mit „Unfall vom 16.03.2016“ - bat die Beklagte den Kläger um weitere Angaben zur Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes. Mit Schreiben vom 8. März 2017, überschrieben wieder mit „Unfall vom 16. März 2016“, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Heilverfahrenskotrolle durchgeführt werden solle. Mit Schreiben vom 15. März 2017 meldete sie erstmals einen Erstattungsanspruch bei der Krankenversicherung des Klägers an. In der Folgezeit sprach sie mit dem Kläger über seine berufliche Wiedereingliederung. Im April 2017 erfolgte eine stationäre Kurzabklärung. Mit Schreiben vom 24. Mai 2017 teilte sie ihm mit demselben Betreff wie in allen anderen Schreiben mit, dass eine Unterstützung durch das Center für Berufsintegration erfolgen werde. Ab dem 8. Juni 2017 begann die Maßnahme. Sie endete im Juli 2017.
Mit Bescheid vom 8. August 2017 überschrieben mit „Unfall vom 16.03.2016“ teilte sie dem Kläger dann mit, dass es sich bei dem Ereignis vom 16. März 2016 nicht um einen Arbeitsunfall handele und kein Anspruch auf Leistungen bestehe. Nach den Ermittlungen habe der Kläger den Zeugen E., als dieser habe aussteigen wollen bzw. nachdem er ausgestiegen sei, mit den Händen am Oberkörper weggestoßen und beide seien zu Boden gegangen. Hierbei habe der Kläger eine Tibiakopffraktur erlitten. Die Tätigkeit, die der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls ausgeführt habe, habe nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Busfahrer gestanden. Seine Handlungstendenz sei nicht mehr aufs Busfahren gerichtet gewesen, sondern auf die Verärgerung gegenüber dem Zeugen E. Hierbei handele es sich um eine eigenwirtschaftliche und daher unversicherte Tätigkeit.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Die Beklagte sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Der Streit habe aus der beruflichen Tätigkeit resultiert und habe bereits im Bus stattgefunden. Der Begriff der „selbstgeschaffenen Gefahr“ habe in der gesetzlichen Unfallversicherung keine rechtlich eigenständige Bedeutung. Setze sich der Versicherte bei der Arbeit einem besonderen Risiko aus, so werde der sachliche Zusammenhang nicht beseitigt. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und der Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfalls sei die Handlungstendenz des Versicherten. Dieser müsse eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollen. Als der Bus an der Endhaltestelle gehalten habe, hätten alle Fahrgäste den Bus verlassen. Lediglich der Zeuge E. sei sitzengeblieben. Er habe deshalb den Zeugen E. zum Verlassen des Busses auffordern müssen. Der Zeuge E. sei aufgestanden und Richtung Ausgang gelaufen. Dabei habe er ihn beschimpft und beleidigt. Er, der Kläger, habe dann – seinen Dienstpflichten entsprechend - den Bus ebenfalls verlassen. Der Zeuge E. habe ihn geschubst und gestoßen. Er habe versucht, die Schläge und Tritte abzuwehren und sei zu Boden gestürzt. Der Zeuge E. habe dann noch einige Male auf ihn eingetreten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Streitigkeit schließe die Annahme eines Arbeitsunfalls nicht grundsätzlich aus. Diese müsse nur in einem inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Der Zusammenhang beschreibe die Zurechnung des unfallbringenden Verhaltens mit der versicherten Tätigkeit. Diese erfolge im Regelfall durch eine wertende Feststellung der Handlungstendenz des Betroffenen, wie sie sich durch die objektiven Umstände des Einzelfalls ergebe. Es müsse eine auf die Belange des Betriebs gerichtete Handlungstendenz vorliegen. Der Kläger habe – wie sich aus den Akten der Staatsanwaltschaft ergebe – den Bus verlassen, um den Zeugen E. körperlich anzugehen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Handlungstendenz nicht mehr auf die Ausführung seiner Tätigkeit als Busfahrer gerichtet gewesen. Der eigentliche Konflikt – dass der Zeuge E. den Kläger darauf hingewiesen habe, dass ein Fahrgast aussteigen wolle – sei mit der Weiterfahrt erledigt gewesen. Wie sich aus den Akten der Staatsanwaltschaft ergebe, habe der Kläger nach dem Ende der Fahrt gezielt den Konflikt mit dem Zeugen E. gesucht. Hierbei habe das Bedürfnis, den Zeugen anzugehen, im Vordergrund gestanden. Das betriebliche Moment trete bei Tätlichkeiten nach Abflauen des Ursprungskonflikts als unwesentlich zurück. Der Hergang stelle sich insgesamt anders dar als vom Kläger vorgetragen.
In einem Verfahren vor dem Landgericht Hanau (7 O 1156/16) begehrte der Kläger vom Zeugen E. Schadensersatz aufgrund der Vorfalls. Im Klageschriftsatz vom 23. November 2016 gab der Kläger an, dass ein Fahrgast zu spät angezeigt habe, dass er aussteigen möchte. Er habe den Bus deshalb an der gewünschten Haltestelle nicht mehr anhalten können. Der Fahrgast habe sich dann beim Kläger beschwert. Der Zeuge E. habe den Kläger daraufhin laut zurechtgewiesen. Er habe dann an der nächsten Haltestelle angehalten und sei nach hinten gelaufen, um die Situation zu klären. Es habe sich ein Disput entwickelt, den er beendet habe, weil er die Fahrt habe fortsetzen müssen. An der Endhaltestelle seien alle Fahrgäste bis auf den Zeugen E. ausgestiegen. Dieser sei sitzengeblieben. Er sei daraufhin nach hinten gelaufen und habe den Zeuge E. aufgefordert, den Bus zu verlassen. Dieser sei dann aufgestanden und sei Richtung Ausgang gelaufen. Dabei habe der Zeuge E. ihn fortlaufend beschimpft und beleidigt. Er sei dann nach dem Zeugen E. ausgestiegen. Sobald er den Bus verlassen habe, habe der Zeuge E. ihn zu schubsen und zu stoßen begonnen.
In einem Schriftsatz vom 2. Februar 2017 teilte der Zeuge E. hierzu mit, dass es bereits nicht stimme, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, an der gewünschten Haltestelle anzuhalten. Vielmehr habe er im Bereich der Haltestelle gehalten, die Türen jedoch nicht aufgemacht. Der Kläger sei dann sehr aggressiv gewesen und habe ihn an der Oberbekleidung festgehalten, er habe sich dagegen nur verbal zur Wehr gesetzt. Der Kläger habe ihm gesagt, dass er ihm nicht vorschreiben könne, wie er zu arbeiten habe. Er habe sich nicht beruhigt und sei im Bus hin und her gelaufen. Nach Einmischung anderer Fahrgäste sei der Kläger dann weitergefahren. Am Ziel habe er den Bus verlassen, der Kläger habe nach ihm den Bus verlassen und erneut bekundet, dass er ihm nicht vorzuschreiben habe, wie er seine Arbeit zu machen habe. Als er noch einmal dem Kläger erklärt habe, dass er habe mitteilen wollen, dass noch ein Fahrgast habe aussteigen wollen, habe der Kläger ihn unvermittelt geschubst, daran habe sich ein Gerangel angeschlossen. Er habe den Kläger weder beschimpft noch beleidigt.
In einer Sitzung vor dem Landgericht am 21. März 2017 erklärte der Kläger, dass er angehalten habe, nachdem er darauf hingewiesen worden sei, dass jemand aussteigen wolle. Der Zeuge E. habe dann in etwa gesagt, „scheiß Busfahrer, jeder Idiot arbeite als Busfahrer“. Daraufhin sei er nach hinten gegangen, damit der Zeuge E. aussteige. Der sei nicht ausgestiegen. Er sei dann weitergefahren, weil die anderen Fahrgäste dies gewollt hätten. An der Endhaltestelle sei der Zeuge E. ausgestiegen. Er sei ihm nachgegangen und habe erklärt, dass er beim nächsten Mal nicht mitfahren dürfe, wenn er den Bus fahre. Der Zeuge E. habe dann gesagt, dass er ihn „am Arsch lecken“ könne. Es sei dann zu einem Gerangel gekommen. Der Zeuge E. sei drohend auf ihn zugekommen und er habe die Hände gehoben, um ihn abzuwehren. Der Zeuge E. habe ihn zu Boden geworfen und einmal gegen sein Knie getreten. Er habe ihn abwehren wollen. Auf Befragen des Gerichts erklärte der Zeuge E., dass der Kläger zunächst aggressiv auf ihn zugekommen und sehr nah an ihn herangekommen sei. Er sei sehr aggressiv gewesen und habe ihm einen Schlag auf die Schulter verpasst. Er habe bei der Weiterfahrt gemerkt, dass der Kläger immer im Spiegel nach ihm geschaut habe. Er sei dann ausgestiegen und der Kläger sei auf ihn zugekommen und habe erneut erklärt, dass er ihm nichts zu sagen habe und er beim nächsten Mal nicht mitfahren dürfe. Der Kläger habe ihn dann geschubst und sie hätten gerangelt.
In einer weiteren Sitzung vor dem Landgericht Hanau am 5. Juni 2018 wurde der Fahrgast G. als Zeugin vernommen. Sie gab an, dass der Kläger bereits bei der ersten Konfrontation im Bus recht aggressiv gewesen sei. An der Endhaltestelle sei sie als eine der Ersten ausgestiegen. Danach sei es zu einem Gerangel gekommen, zu dem sie aber nichts sagen könne. Mit Urteil vom 15. November 2018 wies das Landgericht die Klage ab. Mit Urteil vom 12. Februar 2020 wies das Oberlandesgericht Frankfurt die Berufung zurück (1 U 231/18). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde die Zeugin H., die ebenfalls im Bus gesessen hatte, vernommen. Sie teilte mit, dass die Auseinandersetzung schon auf der vorherigen Busfahrt begonnen habe. Der Zeuge E. habe den Kläger wohl darauf aufmerksam gemacht, dass eine Frau mit Kinderwagen habe aussteigen wollen. Dies habe den Kläger gestört und es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen. An der Endhaltestelle „Markt am D.“ seien alle Fahrgäste ausgestiegen, der Zeuge E. auch. Dieser habe dann dem Kläger gegenüber eine Bemerkung gemacht. Was das gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Der Kläger sei dann auf den Zeuge E. zugegangen. Beide hätten sich angepöbelt und geschubst. Der Zeuge E. habe zuerst geschubst.
Bereits zuvor hatte der Kläger am 20. August 2018 gegen den am 20. Juli 2018 zugestellten Widerspruchsbescheid Klage beim Sozialgericht Frankfurt erhoben. Mit Urteil vom 22. April 2021 hat das Gericht den Bescheid vom 8. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2018 aufgehoben und festgestellt, dass die Beklagte das Ereignis vom 16. März 2016 durch konkludentes Verwaltungshandeln, spätestens aber durch ihr Schreiben an den Kläger vom 22. August 2016, diesem zugestellt am 25. August 2016, als Arbeitsunfall anerkannt habe. Auch in der gesetzlichen Unfallversicherung herrsche der Grundsatz der Nichtförmlichkeit, d.h. soweit keine anderslautende Vorschrift vorliege, sei das Verfahren nicht an bestimmte Formen gebunden, sondern einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen. § 33 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X setze diesen Grundsatz konsequent fort, wenn es bestimme, dass Bescheide auch in „anderer Weise“ erlassen werden könnten. Die Feststellung eines Versicherungsfalls nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII könne deshalb auch durch schlichtes, konkludentes Verwaltungshandeln getroffen werden, indem unfallversicherungsrechtliche Leistungen erbracht würden, wenn diese Leistungen nicht unter Vorbehalt stünden und die Bejahung eines Versicherungsfalls voraussetzten. Maßgeblich für die Auslegung des Verwaltungshandelns sei der objektive bzw. objektivierte Empfängerhorizont. Dem objektivierten Empfängerhorizont lägen die Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zugrunde, soweit sie dem Empfänger vor oder spätestens gleichzeitig mit dem Verwaltungshandeln bekannt geworden seien. Umstände, die danach hinzuträten, seien bei der Auslegung unbeachtlich. Unerheblich sei, dass die Behörde das im Verwaltungshandeln zum Ausdruck Gebrachte nicht in einem bestimmten Sinn verstanden wissen wolle. Vorliegend habe die Beklagte fortlaufend und ohne Vorbehalte Leistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls erbracht. Vorläufige Leistungen würden nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil - SGB I i.V.m. § 139 SGB VII erbracht. Für den Kläger seien die Leistungen als Leistungen aufgrund eines Versicherungsfalls zu verstehen gewesen. Dies gelte selbst dann, wenn die Hergangsschilderung des Klägers teilweise nicht den Tatsachen entsprochen habe, da der objektive Empfänger hiermit weder automatisch noch zwingend die Vorstellung verknüpfe, dass ihm die erbrachten Leistungen nicht zustünden. Vielmehr müsse er, wenn die Behörde mitteile, dass weitere Ermittlungen erforderlich seien, davon ausgehen, dass die Behörde die Prüfung einer Leistungspflicht nicht ausschließlich an seinen Angaben festmache. Gerade dann, wenn die Behörde Leistungen erbringe, werde er darin bestätigt, dass ihm die Leistungen zustehen. Dem Kläger seien außerdem im Schreiben vom 1. April 2016 Hinweise zum Verfahren und zu Leistungen gegeben worden. Der Kläger habe daraufhin diverse Leistungen erhalten, deren Entgegennahme er teilweise sogar auf Vordrucken, die die Kostenträgerschaft der Beklagten aufwiesen, quittiert habe. Die konkludente Feststellung des Versicherungsfalls sei bereits mit der Bekanntgabe, d.h. dem Leistungsempfang durch den Kläger, für die Beklagte bindend gewesen. Hieran ändere sich auch dadurch nichts, dass sich die Beklagte im Rechtsverhältnis mit der Krankenversicherung im Fall des Nichtvorliegens eines Arbeitsunfalls einen Erstattungsanspruch vorbehalten habe. Die klagegegenständliche Behördenentscheidung über die Ablehnung eines Arbeitsunfalls habe deshalb nur dann rechtmäßig ergehen können, wenn spätestens gleichzeitig mit ihr die Behörde die konkludente Feststellung des Arbeitsunfalls in rechtmäßiger Weise zurückgenommen hätte. Da dies nicht der Fall sei, sei der Bescheid vom 8. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2018 rechtswidrig. Da die Beklagte den Arbeitsunfall bereits bindend festgestellt habe, scheide eine Verurteilung zur Feststellung aus, jedoch bestehe ein Anspruch auf eine deklaratorische Feststellung.
Am 18. Mai 2021 hat die Beklagte Berufung gegen das am 6. Mai 2021 zugestellte Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Ein Verwaltungsakt sei jede Regelung, die eine Behörde im Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffe und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sei. Der Inhalt müsse die Merkmale des Verwaltungsakts nach § 31 Satz 1 SGB X erfüllen. Der Verwaltungsakt werde mit der Bekanntgabe wirksam. Sobald er unanfechtbar sei, erlange er formelle und hinsichtlich der getroffenen Regelungen materielle Bestandskraft. Die Bindungswirkung und der damit verbundene Rechtsschein umfassten nur den Verfügungssatz. Lediglich in dem Fall, in dem die Begründung eine so große Bedeutung habe, dass sie einem Verfügungssatz gleichkomme, müsse diese als selbständige Feststellung gewertet werden. Bindungsfähig seien feststellende Aussagen im Leistungsbescheid, die die Grundlage weiterer Ansprüche bildeten, wenn der im Verwaltungsakt zum Ausdruck kommende Wille der Verwaltung so weit gehe. Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung würden von Amts wegen erbracht. Die Behörde habe mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, d.h. die erforderlichen Leistungen zu erbringen. Soweit ein ärztlicher Bericht vorliege, aus dem sich ergebe, dass Leistungen zu Lasten des Unfallversicherungsträgers eingeleitet wurden, übernehme die Krankenversicherung die Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes. Wolle man alleine aufgrund der Erbringung von Leistungen darauf schließen, dass ein Versicherungsfall vorliege, müsse in jedem Fall, in dem der Träger tätig werde, ein Versicherungsfall vorliegen. Dem Träger seien nach § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung - SGB IX enge Fristen gesetzt. Mit Schreiben vom 1. April 2016 sei der Kläger darüber informiert worden, dass geprüft werde, ob und ggf. welche Leistungen ihm wegen eines Arbeitsunfalls zustünden. Auch im Schreiben vom 22. August 2016 sei keine Regelung zu einem Arbeitsunfall getroffen worden.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 22. April 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er gibt an, dass er sich den Ausführungen des Sozialgerichts anschließe. Aufgrund der Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall stünden ihm Verletztengeld und Rente zu.
Der Senat hat die Akten der Staatsanwaltschaft (3361 Js 8362/16) beigezogen. Die Akte der Staatsanwaltschaft enthält eine CD-ROM mit den beiden von der Polizei hinzugezogenen Videos ohne Ton, die in der mündlichen Verhandlung abgespielt worden sind.
Die erste Sequenz zeigt den hinteren Teil des Busses, die hintere Tür und die Kante der Haltestelle. Der Bus hält an der Haltestelle, die hintere Tür wird geöffnet. Es stehen zwei zum Aussteigen bereite Fahrgäste an der Tür, der zweite Fahrgast (eine Frau) hat einen Kinderwagen dabei. Der erste Fahrgast steigt aus. Bevor die Frau mit dem Kinderwagen aussteigen kann, schließt sich die Tür wieder und der Bus fährt an. Der Zeuge E. gestikuliert und die Tür wird erneut geöffnet. Der Kläger geht im Bus nach hinten und beginnt eine Auseinandersetzung mit dem Zeugen E., die eine geraume Zeit andauert und bei der der Kläger wiederholt mit dem Finger zur Tür zeigt. Dann fährt der Bus weiter.
In der zweiten Sequenz sind aus derselben Perspektive der hintere Teil des Buses mit der hinteren Tür und ein Teil des Bürgersteigs zu sehen. Die Fahrgäste – auch der Zeuge E. - stehen auf. Die hintere Tür öffnet sich. Die ersten Fahrgäste steigen aus. Der Zeuge E. will ebenfalls aussteigen. Der Kläger taucht in der Videoaufnahme auf und steigt neben dem Zeugen E. aus. Nachdem alle Fahrgäste ausgestiegen sind, sieht man zwei Personen (nur Beine und Oberkörper), die rangeln. Aufgrund von Aufnahmen einer weiter vorne im Bus angebrachten Kamera kann man das Geschehen weiterverfolgen und erahnen, dass es sich hierbei um den Kläger und den Zeugen E. handelt und dass der Kläger irgendwann zu Boden geht.
Der Senat hat darüber hinaus die Verwaltungsakten der Beklagten und des Landgerichts Hanau (7 O 1156/16) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Darüber hinaus wurden der Kläger angehört und der Zeuge E. in der mündlichen Verhandlung vernommen (vergleiche hierzu das Protokoll der Sitzung vom 19. November 2024).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Bescheid vom 8. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung bzw. Feststellung der Beklagten, dass es sich bei dem Ereignis vom 16. März 2016 um einen Arbeitsunfall handelt bzw. auf eine deklaratorische Feststellung, dass die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bereits anerkannt bzw. festgestellt hat. Die Entscheidung des Sozialgerichts Frankfurt vom 22. April 2021 war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII - sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII definiert Unfälle als zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Für einen Arbeitsunfall ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten im Zeitpunkt des Unfalls den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Unerheblich ist, ob die Verletzung den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität; stRspr; vgl. nur BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 8/20 R – juris Rn 12 mwN). Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, das Unfallereignis und der Gesundheitsschaden müssen im Vollbeweis - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, aber nicht die bloße Möglichkeit (stRspr; zuletzt BSG, Urteil vom 6. Mai 2021 – B 2 U 15/19 R – juris Rn 13 mwN; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 7. Februar 2023 – L 3 U 202/21 - juris).
Im Rahmen der Prüfung des inneren bzw. des sachlichen Zusammenhangs der Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit ist es erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten, bei der sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten – hier die körperliche Auseinandersetzung mit dem Zeugen E. vor dem Bus - der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (stRsp; vgl. nur BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 8/20 R – juris Rn 13; LSG Darmstadt, Urteil vom 29. April 2014 – L 3 125/15 – juris Rn 23). Die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung müssen im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (stRsp; vgl. nur BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 8/20 R – juris Rn 13 mwN). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (stRsp, vgl. nur zuletzt: BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 8/20 R – juris Rn 13; LSG Darmstadt, Urteil vom 29. April 2014 – L 3 125/15 – juris Rn 23). Der Versicherte muss eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dem Zweck verrichten, dass die Ergebnisse der Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereicht (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 8/11 R). Das ist der Fall, wenn seine Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen. Es reicht weiterhin aus, dass er eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sofern der Versicherte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht. Hier reichen allerdings rein subjektive Vorstellungen nicht aus. Vielmehr bedarf es auch hier objektiver Anhaltspunkte für eine Betriebsdienlichkeit (BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 17/90 – juris). Zuletzt liegt ein Zusammenhang auch dann vor, wenn der Versicherte eigene unternehmensbezogene Rechte aus der Beschäftigung ausübt, indem er Mitwirkungshandlungen vornimmt, die es dem Arbeitsgeber ermöglichen aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende Haupt- oder Nebenpflichten des Versicherten zu erfüllen (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012, B 2 U 8/11 R – juris).
Unstreitig war der Kläger am Unfalltag als Busfahrer tätig und ging damit zunächst einer (versicherten) Tätigkeit gem. § 2 Abs.1 Nr. 1 SGB VII nach. Die Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfalls – d.h. des Gerangels mit dem Zeugen E. außerhalb des Buses, bei dem er zu Boden gegangen ist – steht jedoch nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Busfahrer.
Unter Berücksichtigung der objektivierten Handlungstendenz hat der Kläger bei dem Gerangel vor dem Bus, aber auch beim Verlassen des Buses keine Verrichtung ausgeübt, die seinem Arbeitsgeber unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereichte. Nicht nachgewiesen ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der Kläger dem Zeugen E. mitgeteilt hat, dass er Hausverbot in seinem Bus habe, dass der Zeuge E. nicht habe aussteigen wollen und der Kläger ihn hierzu gesondert auffordern musste oder dass der Zeuge den Kläger (rassistisch) beleidigt hat. Auch ergibt sich daraus, dass der Kläger dem Zeugen E. außerhalb des Busses ggf. mitgeteilt hat, dass dieser ihm nicht vorschreiben könne, wie er seine Arbeit zu machen habe, keine auf die Erfüllung seiner Tätigkeit gerichtete Verrichtung. Wie der zweiten Videosequenz entnommen werden kann, war der Zeuge E. bereits dabei aufzustehen, als sich die Bustüren öffneten und bewegte sich Richtung Ausgang, so dass eine Aufforderung auszusteigen gar nicht erforderlich war. Der Vortrag des Klägers im Widerspruchsverfahren, dass der Zeuge sitzen geblieben sei und er ihn zum Verlassen des Busses habe auffordern müssen, entspricht somit nicht den Tatsachen. Nicht zu objektivieren ist außerdem der Vortrag des Klägers, dass er tatsächlich ein „Hausverbot“ beim Aussteigen oder nach dem Aussteigen ausgesprochen hat. Bei der Vernehmung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zweimal angegeben, dass er dem Zeugen dies habe sagen wollen. Dass er dies tatsächlich getan hat und dass es – soweit es hierzu gekommen sein sollte - hier zu einer entsprechenden verbalen oder körperlichen Reaktion des Zeugen gekommen ist, die vom Kläger abzuwehren war, kann den diversen Schilderungen zum Ereignis nicht entnommen werden. Dies wäre nach der ersten Auseinandersetzung auch gar nicht (nochmals) notwendig gewesen und der Kläger dann dazu im Auftrag seines Arbeitgebers ja nicht mehr berechtigt gewesen, nachdem die konkrete Fahrt des Zeugen ohnehin beendet war. Weder beim Durchgangsarzt noch bei seiner Strafanzeige oder im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger angegeben, dass er ein „Hausverbot“ beim oder nach dem Ausstieg aus dem Bus ausgesprochen hat. Vielmehr ging es jedes Mal darum, dass der Zeuge nicht habe aussteigen wollen und der Kläger ihn hierzu habe auffordern müssen. Lediglich in der Sitzung vor dem Landgericht am 21. März 2017 hat der Kläger ebenfalls angegeben, dass er dem Zeugen nachgegangen sei und ihm mitgeteilt habe, dass er in seinem Bus nicht mehr mitfahren dürfe. Dies deckt sich allerdings nicht mit den Aussagen des Zeugen E., der nur angegeben hat, dass er beim ersten „Konflikt“ zum Aussteigen aufgefordert worden sei und dass der Kläger ihm mitgeteilt habe, dass er dem Kläger nicht vorzuschreiben habe, wie er seine Arbeit zu machen habe. Angaben zu einem „Hausverbot“ werden in diesem Zusammenhang nicht gemacht. Die übrigen Zeugen machen hierzu ebenfalls keine Angaben. Eine objektivierte Handlungstendenz im Hinblick auf die Ausübung eines ggf. bestehenden Hausrechts liegt deshalb nicht vor. Ebenfalls nicht zu objektivieren ist die Aussage des Klägers, dass der Zeuge E. ihn sowohl im Rahmen des Aussteigens der Frau mit Kinderwagen als auch beim eigenen Aussteigen (rassistisch) beleidigt hat. Auch hier erfolgt ein entsprechender Vortrag erstmals im Widerspruchsverfahren und dann im Verfahren vor dem Landgericht Hanau. Hierzu befragt hat der Zeuge E. jedoch jedes Mal angegeben, dass er den Kläger nicht (rassistisch) beleidigt habe. Auch die von der Polizei und dem Landgericht Hanau vernommenen Zeuginnen G., H. und F. haben keine derartigen Angaben gemacht. Die Zeugin G. hat darüber hinaus mitgeteilt, dass der Kläger schon bei der ersten Auseinandersetzung im Bus sehr aggressiv gewesen sei, während der Zeuge E. ruhig geblieben sei. Ein berufliches Handeln ergibt sich weiterhin nicht daraus, dass der Kläger dem Zeugen E. nach dessen Aussage im Verfahren vor dem Landgericht Hanau sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Auseinandersetzung vor dem Bus mitgeteilt haben soll, dass der Zeuge E. ihm nicht vorschreiben könne, wie er seine Arbeit zu machen habe. Welchen Rechten oder Pflichten aus seiner Tätigkeit der Kläger dabei nachgekommen sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Konsequenzen ergeben sich aus einer derartigen Aussage anders als im Fall eines Hausverbots nicht. Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass ein Fahrgast kein Weisungsrecht einem Busfahrer gegenüber hat. Welchen Rechten oder Pflichten ein Busfahrer nachkommen will, wenn er diese Selbstverständlichkeit ausspricht, ist nicht ersichtlich. Dahinstehen kann, ob das Aussteigen aus dem Bus eine arbeitsvertragliche Pflicht des Klägers war. Eine Erläuterung, warum dies der Fall sein sollte, erfolgte durch den Kläger nicht. Er hat vielmehr erläutert, dass er an der Endhaltestelle einmal durch den Bus zu gehen habe und diesen dann ins Depot bringen müsse, wo seine Schicht dann ende. Seine arbeitsvertragliche Verpflichtung kann demgemäß nur darin bestanden haben, den Bus an der Endhaltestelle bis hinten zu kontrollieren, nicht aber an der Endhaltestelle auszusteigen. Unabhängig davon gehört es nicht zu den arbeitsvertraglichen Pflichten, an der Endhaltestelle mit einem Fahrgast zu rangeln, der nach den hier vorliegenden Zeugenaussagen und den Videos nicht der (verbale oder körperliche) Aggressor im Rahmen eines Streits ist. Die Behauptung des Klägers, dass der Zeuge E. ihn noch im Bus vor dem Aussteigen weggestoßen habe, wird durch die Videoaufnahmen widerlegt. Auch ergibt sich aus den Zeugenaussagen und den Videoaufnahmen nicht, dass der Zeuge E. den Kläger zuerst attackiert hat. Soweit hier eine Beurteilung auf den Videoaufnahmen überhaupt möglich ist, geht die körperliche Aggression eher vom Kläger aus. Der Zeuge E. selbst hat angegeben, dass der Kläger ihn zuerst weggestoßen hat. Lediglich die Zeugin F. gibt zwar am Unfallort von der Polizei befragt an, dass der Zeuge E. den Kläger zuerst geschubst habe. Im Rahmen einer schriftlichen Befragung durch die Polizei teilt sie jedoch nur noch mit, dass der Streit in C-Straße begonnen habe und es in A-Stadt weitergegangen sei.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände, hat sich die objektivierte Handlungstendenz des Klägers auch nicht auf eine objektiv nicht geschuldete Handlung zur Erfüllung einer vermeintlichen Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis gerichtet. Es liegen keine Umstände vor, auf Grund derer der Kläger nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine entsprechende Pflicht. Es bleibt schon offen, welcher vermeintlichen Pflicht der Kläger hier nachgegangen sein will. Die erste Auseinandersetzung des Klägers und des Zeugen E. war nach der Wiederaufnahme der Fahrt durch den Kläger abgeschlossen. Einer Aufforderung zum Aussteigen durch den Kläger an der Endhaltestelle bedurfte es nicht, da der Zeuge bereits dabei war auszusteigen. Ein Nachweis, dass der Kläger dem Zeugen mitgeteilt hat oder mitteilen wollte, dass er in Zukunft „Hausverbot“ in seinem Bus habe, existiert nicht und auch kein Anhaltspunkt für eine vom Zeugen E. zuerst ausgehende verbale oder körperliche Attacke. Ein Handeln des Klägers aufgrund einer vermeintlichen Pflicht ist deshalb nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Verrichtung eigene unternehmensbezogene Rechte aus der Beschäftigung ausgeübt hat, gibt es nicht.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts hat die Beklagte auch keinen Arbeitsunfall aufgrund des Ereignisses vom 16. März 2016 im Rahmen eines konkludenten Handelns bzw. aufgrund der an den Kläger gesandten Schreiben festgestellt.
Das Sozialgericht führt richtig aus, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder „in anderer Weise“ erlassen werden kann, so dass eine bindende Feststellung (des Vorliegens) eines Versicherungsfalls nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch anders als durch einen schriftlichen Bescheid ergehen kann. „In anderer Weise“ kann ein Verwaltungsakt z.B. durch Handzeichen, andere Realhandlungen oder konkludentes Handeln ergehen (BSG 17. Juni 2008 - B 8/9 b AY 1/07 – juris), so dass die Feststellung eines Versicherungsfalls ggf. auch durch ein konkludentes Verwaltungshandeln getroffen werden kann.
Dabei folgt jedoch allein aus der tatsächlichen Gewährung von Leistungen (sei es schriftlich oder „in anderer Weise“) nicht automatisch, dass über die Leistungsgewährung hinaus konkludent die Feststellung eines Versicherungsfalls erfolgt, weil dieser Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen ist.
Grundvoraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsakts ist gem. § 31 Satz 1 SGB X, dass die Behörde eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft, die auf unmittelbare Wirkung nach außen gerichtet ist. Maßstab für eine Auslegung des Handelns einer Behörde, sei es schriftlich, mündlich oder „in anderer Weise“, ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG, Urteil vom 16. März 2021 - B 2 U 7/19 R - juris). Der Inhalt eines Verwaltungsakts ist aus den gesamten Umständen einer getroffenen Regelung unter besonderer Berücksichtigung seiner Begründung festzustellen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 2/14 R – juris). Es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Behörde die Rechtslage geprüft, eine Verwaltungsentscheidung getroffen hat und auch treffen wollte (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, B 3 P 12/04 R – juris). Es sind alle Begleitumstände und Zusammenhänge, wie die Vorgeschichte, Anträge, Begleitschreiben, Situation des Adressaten, Rechtsnormen und das Interesse der Behörde zu berücksichtigen, die diese erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R – juris).
Vom Ablauf her sieht die Erbringung von Leistungen durch den Unfallversicherungsträger zunächst wie folgt aus: Der Versicherte stellt sich nach einem Ereignis dem Durchgangsarzt vor. Dieser untersucht den Versicherten und teilt in einem Bericht an die Berufsgenossenschaft u.a. mit, ob Hergang und Befund gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls sprechen. Ist dies der Fall, wird keine Behandlung zu Lasten der Unfallversicherung durchgeführt. Ist dies nicht der Fall, erfolgt zunächst eine Behandlung zu Lasten des Unfallversicherungsträgers. Nach Kenntnis von dem Ereignis tritt der Unfallversicherungsträger in Ermittlungen ein, ob es sich bei dem Ereignis um einen Arbeitsunfall handelt. Parallel erbringt er dem Versicherten Leistungen. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen werden vom behandelnden Arzt an die Krankenversicherung des Versicherten weitergegeben. Die Krankenversicherung überweist dann aufgrund des „Generalauftrags Verletztengeld“ nach § 189 SGB VII Verletztengeld an den Versicherten. Steht nach Abschluss der Ermittlungen fest, dass der Versicherte keinen Arbeitsunfall erlitten hat, tritt der Unfallversicherungsträger an die Kostenträger heran, die eigentlich die Leistungen hätten erbringen müssen. Rückforderungen beim Versicherten erfolgen regelmäßig nicht. Dies auch dann nicht, wenn zwischen der erbrachten Leistung (z.B. Verletztengeld) und der eigentlichen Leistung (z.B. Krankengeld) ein Differenzbetrag verbleibt.
Unter Berücksichtigung dieser Prämissen hat die Beklagte bis zum Erlass des Bescheids vom 8. August 2017 keine Entscheidung zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls getroffen.
Auch kann in der Zahlung von Verletztengeld durch die Barmer (Krankenversicherung des Klägers) keine konkludente Anerkennung eines Arbeitsunfalls gesehen werden. Wie sich aus den beiden vom Kläger vorgelegten Kontoauszügen ergibt, kann den Überweisungen nur entnommen werden, dass die Barmer hierfür verantwortlich ist und für welchen Zeitraum eine Zahlung geleistet wird. Hinweise, dass es sich bei den Zahlungen um Verletztengeld handelt, kann den Überweisungen nicht entnommen werden. Bereits vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, wie sich hieraus die konkludente Anerkennung eines Arbeitsunfalls ergeben soll. Aber selbst wenn man annehmen müsste, dass eine Zurechnung der Zahlungen zur Beklagten aufgrund der Angaben im Kontoauszug möglich wäre, stellt diese zur Überzeugung des Senats zwar aufgrund der Umstände eine Regelung über die Bewilligung von Verletztengeld für den jeweiligen Zahlungszeitraum (vgl. zur abschnittsweisen Zahlung von Krankengeld BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, B 1 KR 35/14 R – juris) durch konkludentes Handeln dar. Damit erschöpft sich der Regelungsgehalt der Überweisung aus der Sicht eines objektiven Empfängers jedoch. Die Anerkennung oder Feststellung eines Arbeitsunfalls ergibt sich weder aus der Überweisung selbst noch aus einer dieser Regelung konkludent zu Grunde liegenden Begründung. Nach Kenntnis des Unfalls trat die Beklagte - für den Kläger aufgrund der Schreiben der Beklagten auch erkennbar - in Ermittlungen ein. Im Schreiben vom 1. April 2016 gab sie klar zum Ausdruck, dass geprüft werde, ob ein Arbeitsunfall vorliege. Schon hier waren als Anlage „Hinweise zum Verfahren und zu Leistungen nach einem Arbeitsunfall“ beigefügt, die u.a. Auskünfte zu Zahlung von Verletztengeld und zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beinhalteten. Parallel erfolgten – für den Kläger ersichtlich - auch durch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen. Hier gab der Kläger jedoch an, nur über seinen Anwalt Angaben machen zu wollen. Mit Schreiben vom 10. Mai 2016 teilte die Beklagte dem Kläger dann ebenfalls mit, dass sie, um sachgerecht zu entscheiden, vom Kläger noch einige Informationen benötige, und forderte ihn zur Schilderung des Streits auf. Der Kläger machte hierzu jedoch auch bei der Beklagten keine Angaben. In Kenntnis der Notwendigkeit der nicht erfolgten eigenen Angaben (neben den Angaben anderer Personen) und der ausdrücklichen Angabe der Beklagten, dass sie sich noch im Ermittlungsstadium befand, konnte der Kläger deshalb bei der Überweisung von Verletztengeld nicht davon ausgehen, dass dieser Leistung tatsächlich die Regelung, dass es sich bei dem Ereignis am 16. März 2016 um einen Arbeitsunfall handelt, zugrunde lag. Dies umso weniger, da er im Formular angeben musste, ob Strafanzeige erstattet worden war und wo dies erfolgt war. Der Kläger hatte zum Zahlungszeitpunkt außerdem bereits fortlaufend Leistungen erhalten. Hierbei hatte er – so wie bei der Überweisung von Verletztengeld – zumindest aufgrund des Erhalts von Krankengymnastik ab Ende März 2016 – Kenntnis von der (vorläufigen) Kostenträgerschaft der Beklagten, die ersichtlich noch keine Entscheidung zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls treffen wollte oder konnte, sondern dem Kläger bis zu einer Entscheidung über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls Leistungen zukommen lassen wollte. Dies entspricht dem üblichen Vorgehen der Unfallversicherungsträger, die allein aufgrund einer ersten Einschätzung durch den Durchgangsarzt zunächst alle erforderlichen Leistungen erbringen, um eine qualifizierte fachärztliche Behandlung und eine finanzielle Sicherung zu ermöglichen.
Auch in der Folgezeit erfolgte durch die Beklagte keine Feststellung/kein Anerkenntnis eines Arbeitsunfalls. Das Schreiben vom 3. August 2016 stellt ebenfalls keine Regelung hierzu dar. Wie bereits in den vorhergehenden Schreiben, in denen die Beklagte unzweifelhaft keine Feststellung/kein Anerkenntnis abgeben wollte, nannte sie den Betreff neutral „Unfall vom 16. März 2016“. Ein Unfall stellt jedoch noch keinen Arbeitsunfall dar. Lediglich die Tatsache, dass die Beklagte die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers „Unfallfolgen“ nennt, könnte als Willenserklärung der Beklagten auf Feststellung/Anerkenntnis eines Arbeitsunfalls gewertet werden. Das Schreiben weist aber weder einen Verfügungssatz aus, noch ist eine Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt. Es erfolgte – wie oben ausgeführt – kein Wechsel im Betreff des Schreibens. Dass die Beklagte tatsächlich eine Regelung zum Vorliegen eines „Arbeitsunfalls“ treffen wollte, kann dem Schreiben unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts nicht entnommen werden. Dies auch deshalb nicht, weil dem Kläger bewusst war, dass er keine Angaben zum Hergang des Unfalls bei der Beklagten und bei der Polizei/Staatsanwaltschaft gemacht hatte, so dass die Beklagte selbst bei Beiziehung der Akte der Staatsanwaltschaft weiterhin keine differenzierten Angaben hatte. Für die Bewertung eines Ereignisses als Arbeitsunfall ist die genaue Schilderung durch den Versicherten neben anderen Punkten regelmäßig essentiell und hat auch aus Sicht eines objektiven Betrachters grundlegende Bedeutung, da sich aufgrund der Schilderung auch bei Vorliegen anderer Anhaltspunkte ergeben kann, dass ein Arbeitsunfall doch vorliegt oder eben gerade nicht. Das Vorgesagte gilt auch für das Schreiben der Beklagten vom 22. August 2016. Erneut findet sich als Betreff „Unfall vom 16.03.2016“. Hauptinhalt ist die Versagung von Verletztengeld bei mangelnder Mitwirkung des Klägers. Da der Kläger fortlaufend Verletztengeld bezieht, ohne dass dieser Leistung die Feststellung/Anerkennung eines Arbeitsunfalls zu Grunde liegt, erschöpft sich die Bedeutung des Schreibens jedoch darin, dass die Beklagte ihm das bewilligte Verletztengeld ggf. entziehen wird, wenn er nicht mitwirkt. Eine entsprechende Regelung hätte also nur den Entzug des Geldes aufgrund fehlender Mitwirkung als Inhalt und nicht die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Das Vorstehende gilt für alle weiteren Schreiben und Leistungen der Beklagten. Die Schreiben enthielten immer den Betreff „Unfall vom 16.03.2016“. Die Leistungen wurden durch die Beklagte unproblematisch gewährt. Ein geändertes Handeln der Beklagten oder mündliche oder schriftliche Aussagen, aus denen der Kläger ableiten konnte, dass die Beklagte jetzt einen Arbeitsunfall anerkennen wollte, liegen deshalb unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts nicht vor.
Diese Sichtweise steht aufgrund der erforderlichen Prüfung im Einzelfall im Einklang mit der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG (Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 9/20 R – juris). In der Sache liegt dieser Rechtsprechung zunächst ein schriftlicher Verwaltungsakt zu Grunde, der eine Entscheidung über die Ablehnung einer Rente trifft und bei dem aus der Begründung, die mehrfach u.a. das Wort „Arbeitsunfall“ enthält, außerdem die Anerkennung eines Arbeitsunfalls folgt. Auch dort liegt – wie im vorliegenden Fall - der Würdigung der Verhältnisse der objektive Empfängerhorizont bezogen auf den Einzelfall zu Grunde. Eine andere Sichtweise ergibt sich auch nicht aufgrund der Entscheidung des BSG vom 16. September 1986 (3 RK 37/85 – juris). In dieser geht es um die Auszahlung von Krankengeld. Das BSG stellt dar, dass es sich bei der Auszahlung – anders als sich aus der früheren Rechtsprechung ergebe – um einen Verwaltungsakt handele, der auch Bindungswirkung entfalte, und die Krankenkasse Krankengeld nur dann gewähren dürfe, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen vorlägen. Dem Bedürfnis einer schnellen Leistungsgewährung werde durch die Vorschusszahlung nach § 42 SGB I und die vorläufige Leistungserbringung nach § 43 SGB I Rechnung getragen. Dahinstehen kann, ob diese für die Erbringung von Krankengeld angegebenen Prämissen auch im hiesigen Zusammenhang tatsächlich gelten, da sich die Rechtslage im Bereich der Leistungserbringung durch den Unfallversicherungsträger anders darstellt. Wie oben aufgeführt, werden Leistungen zunächst allein aufgrund einer ersten Bewertung des Durchgangsarztes vorgenommen. Soweit dieser keine Einwände hat, erbringt der Unfallversicherungsträger Leistungen. Hierbei handelt es sich im Verhältnis zum Versicherten um endgültige Leistungen. Eine Rückforderung vom Versicherten erfolgt – da es sich bei diesem Vorgehen im Verhältnis zu ihm um eine endgültige Leistung handelt - regelmäßig nicht. Das Verfahren der Unfallversicherungsträger sieht es auch nicht vor, wie das Bundessozialgericht für das Krankengeld geltend macht, nach § 42 SGB I Vorschüsse oder nach § 43 SGB I vorläufige Leistungen zu zahlen. Vorschüsse können nach § 42 SGB I nur dann gezahlt werden, wenn allein die Höhe der Geldleistung streitig ist. Dies ist hier und in einem Großteil potentieller Arbeitsunfälle aber nicht der Fall. Die Gewährung vorläufiger Leistungen gem. § 43 SGB I fordert einen Streit über die Zuständigkeit zweier oder mehrerer Träger. Es muss ein negativer Kompetenzkonflikt bestehen, d.h. mindestens der angegangene Träger und der Träger, den dieser für zuständig hält, müssen grundsätzlich ihre Zuständigkeit verneinen (vgl. Groth in: jurisPK-SGB, 4. Auflage 2024, § 43 SGB I, Rn. 28 m.w.N). Im Unfallversicherungsrecht gibt es diesen negativen Kompetenzkonflikt aufgrund der im Verhältnis zum Versicherten erbrachten endgültigen Leistungen längere Zeit nicht. Erst wenn ein Arbeitsunfall abgelehnt wird, kommen ein oder mehrere Träger ins Spiel, die aber dann zunächst ebenfalls eine Leistungserbringung ablehnen müssten, damit ein negativer Kompetenzkonflikt entsteht. Selbst wenn man also im Rahmen des objektiven Empfängerhorizonts mit einbeziehen müsste, dass endgültige Leistungen nur erbracht würden, wenn auch ein Arbeitsunfall vorliegt, müsste man sich mit den übrigen ersichtlichen Einzelheiten bei der Leistungsgewährung auseinandersetzen. Dies führt im vorliegenden Fall jedoch zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Umstände die Beklagte nicht konkludent über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls entschieden hat, sondern, wenn überhaupt, nur über die Gewährung von Verletztengeld als solches und ohne dabei bindende Feststellungen zu den einzelnen Leistungsvoraussetzungen zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung zur Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.