L 7 BA 2806/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Heilbronn (BWB)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 BA 1551/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 BA 2806/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. August 2022 aufgehoben.

Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2019 wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beigeladene Ziff. 1 in ihrer Tätigkeit als Referentin für die Klägerin nur am 15. April 2015, 21. Mai 2015, 9. September 2015, 11. September 2015, 8. Oktober 2015, 13. November 2015, 17. Februar 2016, 13. April 2016, 20. und 21. April 2016, 8. Juni 2016, 23. und 24. September 2016, 19. Oktober 2016, 26. und 27. Oktober 2016, 2. November 2016, 9. bis 11. November 2016, 16. November 2016, 30. November 2016, 20. Januar 2017, 1. März 2017, 17. und 18. März 2017, 22. März 2017, 24. März 2017, 31. März 2017, 5. April 2017, 11. und 12. Mai 2017, 19. und 20. Mai 2017, 24. Mai 2017, 7. Juni 2017, 14. Juni 2017, 17. Juni 2017, 21. Juni 2017, 28. Juni 2017, 11. August 2017, 25. August 2017, 15. September 2017, 11. Oktober 2017, 18. Oktober 2017, 20. Oktober 2017, 17. November 2017, 22. November 2017, 24. November 2017, 28. November 2017, 6. Dezember 2017, 16. Februar 2018, 22. und 23. Februar 2018, 28. Februar 2018, 1. und 2. März 2018, 19, März 2018, 11. bis 13. März 2018, 19. und 20. April 2018, 24. und 25. April 2018, 3. Mai 2018, 9. Mai 2018, 30. Mai 2018, 9. Juni 2018, 11. bis 15. Juni 2018, 20. Juni 2018, 22. und 23. Juni 2018, 27. und 28. Juni 2018, 10. August 2018, 17. August 2018, 24. August 2018, 1. September 2018, 5. bis 7. September 2018, 12. September 2018, 26. und 27. September 2018, 8. Oktober bis 10. Oktober 2018, 19. Oktober 2018, 2. November 2018 , 7. November 2018, 9. November 2018, 16. November 2018 sowie 22. und 23. November 2018 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt ein Drittel (1/3), die Klägerin trägt zwei Drittel (2/3) der Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Beigeladenen Ziff. 1 im Rahmen der bei der Klägerin in der Zeit vom 30. März 2015 bis zum 23. November 2018 (Bl. 74 VwA) ausgeübten Tätigkeit als Dozentin streitig.

Die Klägerin betreibt eine Unternehmensberatung im Gesundheitswesen. Zu ihren Leistungen gehört u.a. die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen im Bereich der Erwachsenenbildung, die sich insbesondere an Ärzte und medizinische Fachangestellte richten.

Die Beigeladene Ziff. 1 ist seit 2001 als kaufmännische Angestellte/Qualitätsmanagerin bei der G1 (G1) GbR in A1 versicherungspflichtig beschäftigt. Am 30. März 2015 schloss sie mit der Klägerin eine Rahmenvereinbarung über die Erbringung von Seminaren/Fortbildungen, Beratungen und sonstigen Dienstleistungen. Diese enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 2 Leistung und Vergütung
D1 bietet der Referentin an, für Kunden der D1 Leistungen aus den Bereichen Seminare/Fortbildungen, Beratungen oder sonstigen Dienstleistungen (z.B. Entwicklungen) zu erbringen.
Umfang, Inhalt, Termine, Vergütung und ggf. ergänzende bzw. von dieser Rahmenvereinbarung abweichende Regelungen werden zwischen den Parteien einzelvertraglich festgelegt.
D1 vergütet die Referentin mit 500,00 € je Seminar/Fortbildung inkl. Reisekosten und zzgl. Mehrwertsteuer.
Anfragen von Dritten an die Referentin, die inhaltlich die Bereiche betreffen, in denen D1 tätig ist, leitet die Referentin vorzugsweise an D1 weiter. Bei der aus dieser Anfrage ggf. resultierenden Leistung erhält zunächst die Referentin von D1 eine Angebotsanfrage.
Bei einem direkten Vertragsschluss zwischen der Referentin und einem Dritten führt die Referentin bei Nutzung der D1konzepte (s. § 5) einen Anteil von 40% des Bruttoumsatzes (ohne Reisekosten und Auslagen) an D1 ab.
Für alle von der Referentin erbrachten Leistungen gelten neben den jeweiligen Einzelabreden die in dieser Kooperationsvereinbarung festgelegten Rechte und Pflichten uneingeschränkt.

§ 3 Stornierungen
Beiderseits bestätigte Termine können von D1 zu jedem Zeitpunkt storniert werden, wenn diese Stornierung vom Kunden der D1 ausgeht. Die Referentin kann ihrerseits bestätigte Termine stornieren. Damit verbundene nachweisbare Kosten für D1, die von Dritten geltend gemacht werden, werden der Referentin in Rechnung gestellt.
Das Recht auf kostenfreie Stornierungen besteht beiderseits bei mangelhafter Information und Einbindung oder bei wiederholt qualitativ mangelhafter Leistungen des jeweils anderen Vertragspartners.

§ 4 Konkurrenzschutz
Die Referentin verpflichtet sich, keine Angebote an Auftraggeber und Kunden von D1 zu machen. Verstößt die Referentin gegen diese Vereinbarung, sind 40% der damit von Referentin erzielten Rechnungssumme netto an D1 sofort zu entrichten. Weitere Schadensersatzansprüche darüber hinaus können seitens D1 geltend gemacht werden.

§ 5 Urheber-/Nutzungs- und andere gewerbliche Rechte
Das Urheberrecht an allen Konzepten, Entwürfen und Grafiken, wie den Materialien, Zeichnungen und sonstigen Unterlagen (im Weiteren nur noch „Konzepte“ als Sammelbegriff), die die Referentin während ihrer Tätigkeit von D1 zur Verfügung gestellt werden, verbleibt bei D1.
Alle Konzepte, Unterlagen und Kundeninformationen, die von der D1 der Referentin für die jeweilige Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden, bleiben ausschließlich Eigentum von D1 und dürfen nur für die von D1 beauftragten Leistungen verwendet werden.

§ 6 Vertragsdauer
Dieser Vertrag beginnt am 30. März 2015 und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von jeder der Vertragspartei jederzeit schriftlich mit einer Frist von einem Monat zum Quartalsende gekündigt werden.
Eine Kündigung dieses Vertrages und der Einzelprojekte aus wichtigem Grund ist jederzeit möglich.

Am 19. September 2016 schlossen die Klägerin und die Beigeladene Ziff. 1 einen Referentenvertrag über die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen für und im Namen der Klägerin. Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 3 Pflichten des Referenten
Der Referent verpflichtet sich, die in § 2 des Referentenvertrags in Verbindung mit Anlage 1 zum Referentenvertrag genannten Fortbildungsveranstaltungen termingerecht durchzuführen. Dabei ist der Referent neben der Einhaltung der allgemeinen Sorgfaltspflichten insbesondere verpflichtet:
- die Leistung neben den Regelungen dieses Referentenvertrags nach den Vorstellungen und Wünschen des Kunden des Auftraggebers (Klägerin) durchzuführen.
- die aktuellen Materialien des Auftraggebers zu verwenden und Änderungen nur nach Absprache und Einwilligung des Auftraggebers durchzuführen.
- Ein bis zwei Tage vor der jeweiligen Fortbildungsveranstaltung mit dem Kunden des Auftraggebers Kontakt aufzunehmen, um die Bereitschaft und Vorbereitung für die bevorstehende Fortbildungsveranstaltung zu signalisieren und gegebenenfalls bestehende Besonderheiten der Fortbildungsveranstaltung zu besprechen. Dieser Kontakt bezieht sich seitens des Referenten nur auf die bevorstehende Fortbildungsveranstaltung.
- Jeden über den vorangegangenen Punkt hinausgehenden Kontakt nur über den Auftraggeber zu führen, sofern er sich nicht auf die unmittelbare Durchführung der Fortbildungsveranstaltung bezieht. Dies betrifft insbesondere die Seminarorganisation und Planung sowie die Abfrage von Teilnehmerständen. Sollte der Kunde des Auftraggebers den Referenten direkt kontaktieren, wird diese Anfrage vom Referenten bearbeitet. Über eine solche Kontaktaufnahme seitens des Kunden des Auftraggebers hat der Referent den Auftraggeber zu informieren.
- den Auftraggeber unverzüglich über den dem Kunden des Auftraggebers erhaltene Evaluationsauswertungen, die der Auftraggeber nicht schon offensichtlich erhalten hat, in Kenntnis zu setzen.
- Bei Fortbildungsveranstaltungen, die der Referent erstmalig durchführt, hat binnen zwei bis drei Tagen eine Rückmeldung über den Verlauf der Veranstaltung an den Auftraggeber zu erfolgen.
- Nach Auftreten von besonderen Ereignissen in Fortbildungsveranstaltungen ist dem Auftraggeber ebenfalls unverzüglich eine Rückmeldung über die Ereignisse zu geben.

§ 4 Unterbeauftragung
Eine Unterbeauftragung hinsichtlich der Durchführung von dem Referentenvertrag zugrundeliegenden Fortbildungsveranstaltungen ist nicht vorgesehen.

§ 5 trifft Regelungen für den Fall, dass der Referent vertraglich zugesagte Leistungen nicht erbringen kann. § 6 trifft Regelungen hinsichtlich Absage und Stornierung von Fortbildungsveranstaltungen. Nach § 7 erfolgt die Rechnungstellung zu durchgeführten Fortbildungsveranstaltungen gegenüber Kunden durch den Auftraggeber. Der Referent stellt danach seine eigene Rechnung über die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen grundsätzlich an den Auftraggeber.

Die Beigeladene Ziff. 1 führte Seminare an folgenden Tagen durch: 15. April 2015, 21. Mai 2015, 9. September 2015, 11. September 2015, 8. Oktober 2015, 13. November 2015, 17. Februar 2016, 13. April 2016, 20. und 21. April 2016, 8. Juni 2016, 23. und 24. September 2016, 19. Oktober 2016, 26. und 27. Oktober 2016, 2. November 2016, 9. bis 11. November 2016, 16. November 2016, 30. November 2016, 20. Januar 2017, 1. März 2017, 17. und 18. März 2017, 22. März 2017, 24. März 2017, 31. März 2017, 5. April 2017, 11. und 12. Mai 2017, 19. und 20. Mai 2017, 24. Mai 2017, 7. Juni 2017, 14. Juni 2017, 17. Juni 2017, 21. Juni 2017, 28. Juni 2017, 11. August 2017, 25. August 2017, 15. September 2017, 11. Oktober 2017, 18. Oktober 2017, 20. Oktober 2017, 17. November 2017, 22. November 2017, 24. November 2017, 28. November 2017, 6. Dezember 2017, 16. Februar 2018, 22. und 23. Februar 2018, 28. Februar 2018, 1. und 2. März 2018, 19, März 2018, 11. bis 13. März 2018, 19. und 20. April 2018, 24. und 25. April 2018, 3. Mai 2018, 9. Mai 2018, 30. Mai 2018, 9. Juni 2018, 11. bis 15. Juni 2018, 20. Juni 2018, 22. und 23. Juni 2018, 27. und 28. Juni 2018, 10. August 2018, 17. August 2018, 24. August 2018, 1. September 2018, 5. bis 7. September 2018, 12. September 2018, 26. und 27. September 2018, 8. Oktober bis 10. Oktober 2018, 19. Oktober 2018, 2. November 2018, 7. November 2018, 9. November 2018, 16. November 2018 sowie 22. und 23. November 2018.

Am 21. Juni 2018 stellte die Beigeladene Ziff. 1 bei der Beklagten den Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status ihrer Tätigkeit für die Klägerin. Hierbei gab sie an, die Klägerin vermittle lediglich den Auftrag, über Annahme und Ablehnung entscheide sie selbst, bezüglich Arbeitszeiten und Anwesenheitszeiten gebe es keine Vorgaben. Die Planung und Durchführung der Fortbildungsveranstaltungen erfolge in Absprache mit den Teilnehmern und Organisatoren. Die Werbung und Preisgestaltung erfolge über die Klägerin. Ein unternehmerisches Risiko trage sie im Falle von Krankheit oder Verhinderung, die zum Ausfall der Fortbildungsveranstaltung führe. Die Seminarthemen würden ihr zwar vorgegeben und per Powerpoint zur Verfügung gestellt. Anschaffungskosten für z.B. Laptop und Laserpointer habe sie selbst getätigt. Ihr obliege auch die didaktische Gestaltung und Seminarvorbereitung. Einen Zeitnachweis führe sie nicht, da die Seminare pauschal vergütet würden. Fahrt- und Übernachtungskosten müsse sie selbst übernehmen.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 teilte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg der Klägerin mit, es sei beabsichtigt, am 17. September 2019 eine Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) u.a. hinsichtlich der Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen zur Sozialversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 durchzuführen. Die Prüfung wurde am 19. Oktober 2018 durchgeführt und mit Prüfbericht vom 22. Oktober 2018, in dem keine Feststellungen hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrages getroffen wurden, abgeschlossen.

Nach Anhörung der Beigeladenen Ziff. 1 und der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. November 2018 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen Ziff. 1 bei der Klägerin als Dozentin im Gesundheitswesen seit dem 30. März 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen folgende Merkmale:
„- Die Kurse und Inhalte werden Ihnen vom Auftraggeber bzw. dessen Kunden zugewiesen.
- Sie erhalten eine erfolgsunabhängige Tagesvergütung von 500,00 Euro, die kein Gewinn- oder Verlustrisiko erkennen lässt.
- Es besteht kein unternehmerisches Risiko.
- In der Tätigkeit als Dozentin für die Fortbildungsveranstaltungen konkretisiert sich der Betriebszweck des Auftraggebers. Sie erfüllen somit in klassischer Weise deren Betriebszweck.
- Sie haben feste Zeiten vorgegeben bekommen.
- Die Tätigkeit wird persönlich ausgeübt.
- Die Tätigkeit wird in den Standorten des Auftraggebers bzw. dessen Kunden ausgeübt.
- Der Auftraggeber stellt Ihnen die aktuellen Materialien zur Verfügung.
- Sie haben sich an die verwaltungstechnischen Erfordernisse und sonstige formellen Vorgaben des Auftraggebers zu halten.
- Sie müssen ein bis zwei Tage vor der jeweiligen Fortbildung eine Kontaktaufnahme mit dem Kunden des Auftraggebers aufnehmen.
- Bei Fortbildungsveranstaltungen, die Sie erstmalig durchführen, haben Sie dem Auftraggeber innerhalb von drei Tagen eine Rückmeldung zu geben.
- Auch bei besonderen Ereignissen in den Fortbildungsveranstaltungen ist unverzüglich eine Rückmeldung zu erfolgen.“
Merkmal für eine selbständige Tätigkeit sei, dass die Reisekosten nicht vom Auftraggeber getragen würden. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Die Beigeladene Ziff. 1 sei inhaltlich an einen Lehrplan/ein Lernziel des Auftraggebers bzw. des Kunden gebunden und dazu verpflichtet, den Unterricht nach vereinbarter zeitlicher, sachlicher und örtlicher Einteilung durchzuführen. Die Übernahme von Nebenpflichten wie die Durchführung von Leistungsbewertungen spreche für eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers. Auch die im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Gründe – die konkrete Art und Weise der Durchführung einer Fortbildungsveranstaltung obliege der Beigeladenen Ziff. 1; Reisekosten würden nicht erstattet; die Beigeladene Ziff. 1 könne jederzeit angefragte Aufträge ablehnen – führten nicht zu einer anderen Entscheidung.

Hiergegen erhob die Klägerin am 12. Dezember 2018 Widerspruch. Die Beigeladene Ziff. 1 sei nicht verpflichtet, über die reine Dozententätigkeit hinaus bei der Klägerin irgendwelche weiteren relevanten Pflichten zu übernehmen. Die Beigeladene Ziff. 1 könne jederzeit Aufträge ablehnen. Sie trage auch ein unternehmerisches Risiko, da kein Stundenhonorar, sondern ein Tageshonorar vereinbart sei und sie durch die Optimierung von Vor- und Nachbereitungszeiten sowie Reisezeiten ihren zeitlichen Aufwand steuern könne. Sie trage auch ein unternehmerisches Risiko dahingehend, dass sie dann, wenn sie einen Auftrag mit einer langen Vorbereitungszeit annehme, ihren Gewinn vermindere. Auch bestünden keine Haftungseinschränkungen wie bei abhängig Beschäftigten. Der Betriebszweck des Auftraggebers stelle kein Kriterium für oder gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung dar, da sonst nahezu jeder Dozent abhängig beschäftigt sei. Der Beigeladenen Ziff. 1 sei es auch nicht untersagt, beispielsweise im Verhinderungsfall Unterbeauftragungen vorzunehmen, auch erfolge keine Vergütung im Krankheitsfall und es werde kein Urlaub gewährt.

Die Beigeladene Ziff. 1 nahm hierzu mit Schreiben vom 28. Januar 2019 Stellung. Beigefügt war ein an sie gerichtetes Schreiben der Klägerin vom 21. Januar 2019, in welchem mitgeteilt wurde, das Foto der Beigeladenen Ziff. 1 sei von der Homepage der Klägerin entfernt worden. Die Beigeladene Ziff. 1 wurde aufgefordert, den zur Verfügung gestellten Beamer sowie sämtliche zur Verfügung gestellten Materialien (Präsentationen, Unterlagen, Blöcke usw.) zurückzusenden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine zeitliche Befristung des Lehrauftrags liege nicht vor. Die Beigeladene Ziff. 1 sei in die betriebliche Organisation der Klägerin funktionsgerecht dienend eingegliedert. Sie sei zwar in der Gestaltung des Unterrichts frei, andererseits gehe die Gestaltungsfreiheit nicht über die pädagogische Freiheit im Rahmen der übernommenen Bildungsaufgaben hinaus, inhaltlich sei sie an den Power-Point-Vortrag gebunden. Die Einbindung in die betriebliche Organisation sei auch daran erkennbar, dass der Beigeladenen Ziff. 1 Visitenkarten mit dem Firmenlogo der Klägerin zur Verfügung gestellt worden seien. Die Anzahl der Seminare sowie die zeitliche Lage seien jeweils vor Beginn des zu planenden Jahres einvernehmlich festgelegt worden. Diese vereinbarte zeitliche Einteilung sei von der Beigeladenen Ziff. 1 einzuhalten gewesen. Bei der Tragung des Unternehmerrisikos sei zu berücksichtigen, dass die Zuweisung von Risiken an den Arbeitenden nur dann für Selbständigkeit spreche, wenn damit größere Freiheiten und größere Verdienstmöglichkeiten verbunden seien, die nicht bereits in der Sache angelegt seien, weil allein die Zuweisung zusätzlicher Risiken einen abhängig Beschäftigten noch nicht zum Selbständigen mache. Die Beigeladene Ziff. 1 habe ausschließlich die eigene Arbeitskraft eingesetzt und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig gewesen. Ein Kapitaleinsatz, der auch mit der Möglichkeit eines Verlustes verbunden sei, liege nicht vor.

Hiergegen hat die Klägerin am 16. April 2019 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Beigeladene Ziff. 1 sei nicht in die betriebliche Organisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Die Parteien hätten vielmehr jeweils von vorneherein zeitlich und sachlich beschränkte Lehrverpflichtungen vereinbart. Durch die Rahmenvereinbarung sei lediglich die allgemeine Kooperation beschrieben worden. Auch nach dem Referentenvertrag hätten jeweils zeitlich befristete Aufträge vorgelegen. Bezüglich der Gestaltung des Unterrichts habe sich die Beigeladene Ziff. 1 zwar an die Kundenvorgaben zu halten gehabt. Dies sei jedoch auch charakteristisch für selbständige Tätigkeiten. Die Beigeladene Ziff. 1 habe auch ein Unternehmerrisiko getragen, indem ihr ein Pauschalhonorar unabhängig von der Länge einer Schulung und dem Ort der Schulung gezahlt worden sei. Im Gegensatz zu der Beigeladenen Ziff. 1 hätten fest angestellte Mitarbeiter einen eigenen Büroarbeitsplatz, fest vorgegebene Arbeitszeiten, ein Firmenfahrzeug, die Reisekosten würden übernommen, sie erhielten die Arbeitsmittel gestellt und seien neben der Schulungstätigkeit mit Kundenanfragen, dem Projektmanagement usw. befasst. Die Beigeladene Ziff. 1 habe auch nicht an Tages- und Wochenmeetings teilnehmen müssen. Zudem habe eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2017 stattgefunden, die zu keinerlei Beanstandung geführt habe (Prüfbericht vom 22. Oktober 2018). Die Beigeladene Ziff. 1 habe darüber hinaus eigenständig Foliensätze erarbeitet und fertiggestellt.

Mit Beschluss vom 7. August 2019 hat das SG die Beigeladenen Ziff. 1 bis 3 zum Verfahren beigeladen.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. August 2022 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2019 aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladene Ziff. 1 aufgrund ihrer Tätigkeit als Dozentin bei der Klägerin seit dem 30. März 2015 nicht in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Die Beigeladene Ziff. 1 sei nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, denn neben der Erbringung von Seminaren und Fortbildungen habe sie keine weiteren Nebenpflichten übernehmen müssen. Die Beigeladene Ziff. 1 habe auch nur eine zeitlich und sachlich begrenzte Dienstleistung erbracht. Durch den Referentenvertrag sei die Dozententätigkeit zeitlich auf das Jahr 2017 begrenzt worden, eine sachliche Begrenzung ergebe sich auch aus der Rahmenvereinbarung vom 30. März 2015. Darin werde nur allgemein die Kooperation zwischen der Klägerin und der Beigeladenen Ziff. 1 beschrieben. Die konkreten Aufträge seien jeweils einzeln vereinbart worden. Die Beigeladene Ziff. 1 sei auch nicht – wie dies für angestellte Lehrer/Dozenten typisch sei – in wechselndem Unterricht eingeteilt worden und habe auch keine Vertretung für Kollegen übernehmen müssen. Im Unterschied zu festangestellten Dozenten bei der Klägerin habe die Beigeladene Ziff. 1 keinen eigenen Arbeitsplatz bei der Klägerin, keine fest vorgegebenen Arbeitszeiten und kein Firmenfahrzeug besessen. Auch an Meetings habe sie nicht teilnehmen müssen. Zudem habe sie ein Unternehmerrisiko zu tragen gehabt. Das Unternehmerrisiko sei nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen, wie es für gewerbliche Unternehmer kennzeichnend sei. Das Risiko, das der Selbständige in solchen Fällen trage, betreffe die Verwertbarkeit seiner Arbeitskraft. Dies gelte insbesondere, wenn – wie vorliegend – kein Mindesteinkommen garantiert sei. Ein Anspruch auf Honorar habe sich nur für tatsächlich durchgeführte Fortbildungsveranstaltungen ergeben. Allein aus der Verwendung vorgegebener Materialien könne nicht auf eine Weisungsgebundenheit geschlossen werden.

Gegen den ihr am 12. September 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 28. September 2022 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Nicht ausschlaggebend sei, dass die Klägerin mit der Beigeladenen Ziff. 1 eine selbständige Tätigkeit habe vereinbaren wollen. Denn die Beigeladene Ziff. 1 sei entgegen den getroffenen Vereinbarungen einem Weisungsrecht der Klägerin unterworfen und in einer ihre Tätigkeit prägenden Weise in die Organisationsabläufe der Klägerin eingegliedert gewesen. Der Referentenvertrag enthalte eine Vielzahl von Vorgaben, welche die Beigeladene Ziff. 1 zu beachten gehabt habe. Sie habe als Repräsentantin der Klägerin nach außen aufzutreten gehabt, es seien die aktuellen Materialien des Auftraggebers zu verwenden gewesen, die nur nach Absprache hätten geändert werden können, es seien Weisungen bezüglich der Kontaktaufnahme mit den Kunden vorgegeben worden, die Leistungserbringung habe höchstpersönlich zu erfolgen gehabt, in Konfliktsituationen habe die Kommunikation ausschließlich über die Klägerin erfolgen sollen, es sei genau vorgegeben worden, welche Materialien für welche Veranstaltung zu nutzen seien. Weiter sei der Unterrichtsinhalt mithilfe einer von der Klägerin vorgefertigten Powerpoint-Präsentation vorbestimmt gewesen, es seien regelmäßig Evaluationen und in Ausnahmefällen auch Erfolgskontrollen durchgeführt worden. Zudem seien die Kosten für das Portraitfoto der Beigeladenen Ziff. 1 für die Website der Klägerin und teilweise auch Reise- und Übernachtungskosten übernommen worden. Die Beigeladene Ziff. 1 habe auch Materialien der Klägerin wie Beamer, Unterlagen, Präsentationen oder Blöcke benutzt. Sie habe auch weder die Möglichkeit gehabt, eigene Schüler zu akquirieren und auf eigene Rechnung zu unterrichten, noch habe sie die geschuldete Lehrtätigkeit durch Dritte erbringen können.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. August 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

            die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie trägt vor, maßgeblich sei die Bewertung von Dozententätigkeiten an privaten Einrichtungen. Aus den vertraglichen Regelungen ergebe sich keine klare Weisungsgebundenheit im Hinblick auf die Durchführung des Unterrichts. Nicht der „Lehrplan“ als solcher sei entscheidendes Kriterium für die Bewertung der Tätigkeit, sondern die Möglichkeit, die Wissensvermittlung (auch) nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Insoweit sei die Gestellung von Unterrichtsräumen oder die Durchführung von Erfolgskontrollen irrelevant. Die Beigeladene Ziff. 1 habe auch eigene Schüler requirieren, auf zusätzliche anderweitige Rechnung unterrichten oder ihre Tätigkeit durch Dritte habe erbringen lassen können. Auch bezüglich der Planung und Durchführung der Fortbildungsveranstaltungen habe es keine Vorgaben durch die Klägerin gegeben, diese sei in Abspreche mit den Teilnehmern und Organisatoren der Fortbildungsveranstaltungen erfolgt. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin habe nicht vorgelegen, nur Werbung und Preisgestaltung sei über diese erfolgt.

Die Beigeladene Ziff. 1 hat am 4. April 2023 mitgeteilt, eine Tätigkeit für die Klägerin nicht mehr auszuüben, nachdem am 27. November 2018 sämtliche noch ausstehenden Seminare/Tätigkeiten von der Klägerin storniert worden seien.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Die mit Verfügung vom 2. November 2022 über die Möglichkeit einer Beiladung auf Antrag unterrichtete Bundesagentur für Arbeit hat unter dem 14. November 2022 mitgeteilt, eine Beiladung werde nicht beantragt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet.

Die gem. § 143 SGG statthafte und gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG (vgl. dazu Bienert, NZS 2017, 727 ff.), denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2016 - L 4 R 899/15 - juris Rdnr. 88; Wehrhahn in jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 144 Rdnr. 33).

Die Entscheidung konnte, nachdem die Kranken- und Pflegekasse vom SG beigeladen worden waren, ohne Beiladung des Trägers der Arbeitsförderung ergehen, da dieser nach Benachrichtigung über die Möglichkeit der Beiladung keinen Antrag auf Beiladung gestellt hat (§ 75 Abs. 2b SGG).

Das Statusfeststellungsverfahren wird nicht verdrängt durch das im Jahr 2018 durchgeführte Betriebsprüfungsverfahren. Zwischen einem Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV und einem Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV besteht zwar ein wechselseitiger Ausschluss nach dem Kriterium der zeitlichen Vorrangigkeit. Dem bereits eingeleiteten Anfrageverfahren kommt Sperrwirkung gegenüber einer Betriebsprüfung zu. Dasselbe gilt - zumindest vorläufig - umgekehrt. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Regelungssystematik des § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der hierfür ausschließlich zuständigen DRV Bund (§ 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV) beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, „die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung 'bereits' ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet“. Unter diese konkurrierenden Verfahren fallen das Einzugsstellenverfahren nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV und das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 29. Juni 2016 - B 12 R 5/14 R - juris Rdnr. 27). Dieser Regelung bedürfte es nicht, hätten die genannten Verfahren nicht (teilweise) den gleichen Inhalt und wären sie rechtlich nicht gleichwertig. Ob das Anfrageverfahren oder die Verfahren der Einzugsstellen und der Rentenversicherungsträger als Prüfstellen vorrangig sind, bestimmt sich danach, welches Verfahren zeitlich früher eingeleitet wurde. Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung, divergierende Entscheidungen unterschiedlicher Versicherungsträger zu vermeiden (BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 R 11/07 R - juris Rdnr. 16 ff.). Die Einleitung eines mit dem Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV konkurrierenden Verfahrens zur Feststellung einer Beschäftigung liegt in der Ankündigung einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 und 9 SGB IV i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1, § 12 Satz 1 Beitragsverfahrensordnung (<BVV>; vgl. BT-Drucks 14/1855 S. 7, zu Nr. 2 zu § 7a Abs. 1 BVV). Ein anderes Verwaltungsverfahren zur Feststellung einer Beschäftigung wird eingeleitet, wenn die Einzugsstelle oder der andere Rentenversicherungsträger nach außen erkennbar Ermittlungen zur Feststellung einer Beschäftigung in Gang gesetzt hat. Die nach außen wirkende Tätigkeit in diesem Sinn liegt bei einem Betriebsprüfungsverfahren grundsätzlich in der Prüfankündigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BVV. Danach soll eine Betriebsprüfung dem Arbeitgeber oder der von ihm beauftragten Stelle (§ 12 Satz 1 BVV) im Voraus angekündigt werden. Der Arbeitgeber soll dadurch in die Lage versetzt werden, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen und die Prüfung vorzubereiten (BSG, Urteil vom 4. September 2018 - B 12 KR 11/17 R - juris Rdnrn. 13 ff.).

Die Prüfankündigung der DRV Baden-Württemberg wurde mit Schreiben vom 24. Juli 2018 versandt und damit nach dem am 21. Juni 2018 gestellten Antrag der Beigeladenen Ziff. 1 auf Feststellung der Versicherungspflicht, so dass das Statusfeststellungsverfahren vorrangig durchzuführen ist.

Gegenstand des Verfahrens ist - neben der erstinstanzlichen Entscheidung des SG - der Bescheid vom 19. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2019, mit dem die Beklagte festgestellt hat, dass die Tätigkeit der Beigeladenen Ziff. 1 bei der Klägerin seit dem 30. März 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Hiergegen richtet sich die von der Klägerin erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG).

Die angefochtenen Bescheide enthalten zwar keine zeitliche Begrenzung, diese ergibt sich jedoch daraus, dass die Beigeladene Ziff. 1 zwischenzeitlich mit Ablauf des 23. November 2018 die Tätigkeit für die Klägerin beendet hat.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte war zu ihrem Erlass gem. § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV sachlich zuständig; die Bescheide sind auch hinreichend bestimmt, sie beschränken sich insbesondere nicht auf eine unzulässige Feststellung von Elementen eines Rechtsverhältnisses.

Gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund (§ 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV). Die Beigeladene Ziff. 1 hat sich für das (fakultative) Anfrageverfahren bei der Beklagten (Clearing-Stelle) nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV entschieden. Ein vorrangiges Verfahren bei der Einzugs- oder der Prüfstelle war nicht eingeleitet worden.

Versicherungspflichtig sind in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R - juris Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - juris Rdnr. 23; BSG, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 KR 17/13 - juris Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R - juris Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 24. März 2016 - B 12 KR 20/14 R - juris Rdnr. 13).

Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung, das sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von der Vereinbarung abweichen (BSG, Urteil vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R - juris Rdnr. 17 m. w. N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rdnr. 16).

Bei der Statusbeurteilung ist, wenn wie vorliegend zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben fehlen, regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen, wie hier, vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - juris Rn. 15 m.w.N.). Keine entscheidende Rolle spielt dagegen, welcher rechtliche Typus von der Verkehrsanschauung gemeinhin für bestimmte Tätigkeitsbilder angenommen wird und welche Einordnung hinsichtlich von Tätigkeiten auf der Grundlage von Honorarverträgen durch die Arbeitsgerichtsbarkeit erfolgt. Denn es besteht kein vollständiger Gleichklang zwischen dem arbeitsrechtlichen Arbeitnehmer- und dem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigtenbegriff nach § 7 Abs. 1 SGB IV. Vielmehr ist es möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen und ihrer gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Eine Beschäftigung liegt zwar grundsätzlich vor, wenn ein Arbeitsverhältnis gegeben ist. Sie kann aber auch unabhängig von einem solchen vorliegen, weil die Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn nicht mit dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist. Grundlage der arbeitsrechtlichen Vereinbarung ist regelmäßig die Privatautonomie, während das Sozialversicherungsrecht, das neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind, dient, auch die Träger der Sozialversicherung als Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Blick hat. Insofern kann der privatautonomen Vertragsgestaltung nicht das allein ausschlaggebende Gewicht beigemessen werden. Maßgebend sind vielmehr stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts, hinsichtlich derer eine Gesamtwürdigung vorzunehmen ist (stRspr; vgl. zu Vorstehendem insgesamt BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - juris Rdnr. 16-19 m.w.N.; BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R - juris Rdnr. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R - juris Rdnr. 30 sowie BSG, Beschluss vom 25. Juli 2011 - B 12 KR 114/10 B - juris Rdnr. 10).

Für die Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen Ziff. 1 ist auf die jeweiligen Einzelaufträge der Klägerin für die Beigeladene Ziff. 1 abzustellen. Denn eine rechtliche Verpflichtung ist für diese nicht bereits aufgrund der Rahmenvereinbarung vom 30. März 2015, sondern erst auf der Grundlage der dem Referentenvertrag jeweils als Anlage beigefügten, individuell vereinbarten Seminartermine entstanden. Erst dadurch war die Beigeladene Ziff. 1 verpflichtet, die jeweils näher bestimmten Seminare durchzuführen. Bei solcherart Vertragsgestaltungen kommt es für die Frage der Versicherungspflicht – insofern anders als vom Sozialgericht ausgeführt – grundsätzlich jeweils auf die Verhältnisse während der Ausführung der Einzelaufträge an (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - juris Rn. 21 m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. März 2022 – L 26 BA 7/20 – juris Rdnr. 37). Bei Vertragsgestaltungen, in denen - wie hier - die Übernahme einzelner Seminare individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen. Außerhalb der Einzeleinsätze liegt schon deshalb keine die Versicherungspflicht begründende „entgeltliche“ Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung der Beigeladenen Ziff. 1 bestand, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben, und diese umgekehrt auch kein Entgelt zu leisten hatte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 - B 12 KR 29/19 R - juris Rdnr. 14).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beigeladene Ziff. 1 im Rahmen ihrer jeweiligen Tätigkeit für die Klägerin abhängig beschäftigt.

Die Klägerin bietet Fortbildungsveranstaltungen im Gesundheitswesen an, die sich insbesondere an Ärzte und medizinisches Fachpersonal richten. Vertragliche Vereinbarungen über die Fortbildungsveranstaltungen werden jeweils zwischen der Klägerin und den Teilnehmern geschlossen. Die Klägerin legte gegenüber der Beigeladenen Ziff. 1 danach Ort, Zeit und Teilnehmer der jeweiligen Fortbildungsveranstaltung fest. Eine Rechnungsstellung gegenüber den Teilnehmern erfolgte allein durch die Klägerin (§ 7 Referentenvertrag). Die Beigeladene Ziff. 1 wurde hierbei als Referentin tätig. Hierbei hatte sie die Materialien zu verwenden, welche die Klägerin ihr zur Verfügung stellte. Änderungen waren nur nach Absprache und Einwilligung der Klägerin möglich (§ 3 Referentenvertrag). Weiter war vereinbart, dass alle Konzepte, Unterlagen und Kundeninformationen, die der Beigeladenen Ziff. 1 von der Klägerin für die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen zur Verfügung gestellt wurden, ausschließlich Eigentum der Klägerin blieben (§ 11 Referentenvertrag). Darüber hinaus wurden der Beigeladenen Ziff. 1 weitere Arbeitsmaterialien wie z.B. ein Beamer zur Verfügung gestellt.

Die Klägerin trat nach außen als Veranstalter der Fortbildungsmaßnahmen und die Beigeladene Ziff. 1 als Repräsentantin der Klägerin auf, wie auch § 1 des Referentenvertrags entnommen werden kann, wonach die Fortbildungsveranstaltungen „für und im Namen des Auftraggebers“ durchgeführt wurden (§ 1 Referentenvertrag). Die Folien trugen das Logo der Klägerin. In dem vorgelegten Foliensatz wurde als Telefonnummer nicht die Telefonnummer der Beigeladenen Ziff. 1 (auf den Rechnungen: xxx) und deren E-Mail-Adresse (M1@gmx.de), sondern eine Telefon- und Telefaxnummer mit der Vorwahl 07xxx - die Telefonnummer für den Ort des Sitzes der Klägerin - und als E-Mail-Adresse m1@D124.de angegeben.

Damit war die Beigeladene Ziff. 1 - sowohl im Rahmen der Seminarvorbereitung als auch während der durchgeführten Kurse selbst - nicht als externe Unternehmerin zu erkennen, sondern trat als Mitarbeiterin der Klägerin auf. Auch fanden die Seminaranmeldungen durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausschließlich über die Klägerin als Veranstalterin statt, die auch die Dozenten verpflichtete. Die Beigeladene Ziff. 1 war weiter verpflichtet, die Leistung höchstpersönlich zu erbringen. So schloss § 4 des Referentenvertrages eine Unterbeauftragung aus.

Dies alles spricht für eine Eingliederung der Beigeladenen Ziff. 1 in die betriebliche Organisation der Klägerin. Denn hierfür nicht notwendig ist die Eingliederung in die räumliche Organisation des Arbeitgebers, sondern in die „Arbeitsabläufe“. Es lag zwar keine arbeitsteilige Zusammenarbeit mit weiterem Personal in vorgegebenen Strukturen vor, dies war vorliegend aber allein der Eigenart der Tätigkeit geschuldet. Eine dienende Teilhabe am Arbeitsprozess im Sinne abhängiger Beschäftigung liegt in der Regel vor, wenn das Arbeitsziel und die Mittel zu seiner Bewältigung (Personal, Räumlichkeiten, etc.), also der betriebliche Rahmen, vom Auftraggeber gestellt wird oder auf seine Rechnung organisiert werden kann (Segebrecht in jurisPK-SGB IV, Stand 6. September 2021, § 7 Rdnr. 94). Insoweit ist es ausreichend, dass die jeweiligen Fortbildungsveranstaltungen von der Klägerin organisiert wurden. Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass die Beigeladene Ziff. 1 nur berechtigt war, mit den Teilnehmern der jeweiligen Fortbildungsveranstaltungen nur die konkrete Veranstaltung betreffende Fragen zu besprechen. Gem. § 3 Referentenvertrag war sie verpflichtet, jeden darüber hinausgehenden Kontakt nur über die Klägerin zu führen, insbesondere die Seminarorganisation und Planung sowie die Abfrage von Teilnehmerständen. Auch war sie bei einer direkten Kontaktaufnahme durch Seminarteilnehmer verpflichtet, die Klägerin zu informieren.

Die Beigeladene Ziff. 1 unterlag hierbei auch einem Weisungsrecht der Klägerin. Denn sie war verpflichtet, bei Durchführung der Seminare die Materialien der Klägerin zu verwenden und Änderungen nur nach Absprache und Einwilligung der Klägerin durchzuführen (§ 3 Referentenvertrag). Soweit die Klägerin im Klageverfahren einen von der Beigeladenen Ziff. 1 erarbeiteten Foliensatz für das Modul Kommunikationstrainer vorgelegt hat, ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um Materialien handelt, welche die Beigeladene Ziff. 1 in ihrer Tätigkeit für die Klägerin verwendet hat. Jedenfalls nach den vorgelegten Rechnungen war dieses Modul nicht Gegenstand der Fortbildungsveranstaltungen, welche die Beigeladene Ziff. 1 für die Klägerin durchgeführt hat. Aber selbst wenn die Beigeladene Ziff. 1 die zu verwendenden Schulungsmaterialien selbst erstellt haben sollte, ergibt sich hieraus nichts anderes. Denn auch in diesem Fall wurden die Schulungsmaterialien nach außen als solche der Klägerin gekennzeichnet, trugen deren Logo und enthielten den Hinweis, der Kurs werde durchgeführt durch „M1 D1“.

Die Beigeladene Ziff. 1 hatte auch kein nennenswertes Unternehmerrisiko zu tragen, das eine Qualifizierung als selbständige Tätigkeit rechtfertigen könnte. Zunächst stellt das Risiko, nicht wie gewünscht (weiter) arbeiten zu können, weil kein Folgeauftrag angeboten wird, kein spezifisches Unternehmerrisiko dar, sondern eines, das auch jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet. Das Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft nicht verwerten zu können, ist insofern für die Frage des Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R – juris Rdnr. 37). Zutreffend ist zwar, dass eine Vergütung nur für tatsächlich gehaltene Seminare vereinbart war und die Beigeladene Ziff. 1 eine Ausfallentschädigung zu zahlen hatte, wenn bei ihrer Verhinderung weder ein D1-Referent noch ein externer Referent gefunden werden konnte. Allerdings galt diese Regelung gem. § 5 des Referentenvertrages nicht für Ereignisse, die der Referent nicht schuldhaft zu vertreten hat wie insbesondere Krankheit, Unfall, Zugverspätungen oder höhere Gewalt. Damit hatte die Beigeladene Ziff. 1 - außer in Fällen verschuldeter Verhinderung - keinen Verdienstausfall zu befürchten. Zudem können Vertragsstrafen auch für Verstöße gegen Pflichten aus einer abhängigen Beschäftigung vereinbart werden (BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R - juris Rdnr. 22).

Die Beigeladene Ziff. 1 hatte auch kein Kapitalrisiko. Als Arbeitsmittel hatte sie lediglich ihren Laptop einzusetzen. Der Beamer und Laserpointer wurden von der Klägerin gestellt und mussten nach Beendigung der Tätigkeit an diese zurückgegeben werden.

Auch bestand für die Beigeladene Ziff. 1 nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können. Eine Reduzierung des zeitlichen Aufwandes war nur insoweit möglich, als der Zeitaufwand für die Vorbereitung der Seminare bei mehrmaliger Durchführung derselben Module geringer wurde. Der maßgebliche Zeitaufwand - Anreise und Durchführung der Seminare - war jedoch im Voraus festgelegt und von der Beigeladenen Ziff. 1 nicht beeinflussbar.

Auch die Höhe der Vergütung spricht nicht zwingend für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in § 2 der Rahmenvereinbarung vom 30. März 2015 eine Vergütung von 500 Euro je Seminar/Fortbildung inkl. Reisekosten und zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart war, in § 8 des Referentenvertrags vom 19. September 2016 jedoch die Regelung getroffen wurde, der Referent erhalte für jeden durchgeführten Fortbildungsveranstaltungstag 500 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Zudem war in § 9 des Referentenvertrages geregelt, dass der Referent die Reisekosten grundsätzlich eigenständig trägt. Danach waren in der Vergütung von 500 Euro nicht nur die Zeit für die Durchführung des Seminars, sondern auch die Fahrtkosten und ggf. weitere Kosten wie z.B. Übernachtungskosten, Zeiten für vorbereitende Gespräche mit den Seminarteilnehmern und die nachgehende Auswertung enthalten.

Für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit spricht zwar, dass keine Zahlung im Krankheitsfall erfolgte und kein (bezahlter) Urlaub vereinbart war. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht dispositives Recht beim Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist, so dass der vertragliche Ausschluss der Entgeltfortzahlung vor allem auf den Willen der Vertragspartner hindeutet, kein Arbeitsverhältnis begründen zu wollen. Maßgeblich bleibt aber das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R - juris Rdnr. 27), wobei die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung überwiegen.
                       
Soweit das SG als maßgebliche Kriterien für eine selbständige Tätigkeit angesehen hat, dass die Beigeladene Ziff. 1 keine weiteren Nebenpflichten zu erfüllen hatte, nicht in wechselndem Unterricht eingeteilt war und keine Vertretung für Kollegen zu übernehmen hatte, lässt sich hierdurch eine selbständige Tätigkeit nicht begründen. Denn die Erfüllung dieser Kriterien spricht zwar für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, ihr Fehlen begründet aber noch keine selbständige Tätigkeit. Zudem hatte die Beigeladene Ziff. 1 über die reine Durchführung der Fortbildungsveranstaltungen hinaus auch noch weitere Aufgaben. So war sie gem. Anlage 2 zum Referentenvertrag verpflichtet, zu jedem Seminar eine Blanko-Teilnehmerliste zu erstellen. Gleiches gilt für die Kriterien eines eigenen Arbeitsplatzes und fest vorgegebener Arbeitszeiten. Insoweit ist - entgegen der Beurteilung durch das SG - zu berücksichtigen, dass die Beigeladene Ziff. 1 zwar in der zeitlichen Einteilung der Vorbereitung für die Kurse frei war, die zeitliche Lage der Kurse jedoch im Vorhinein durch die Klägerin festgelegt wurde und die Beigeladene Ziff. 1 hieran auch gebunden war.

Die Beschäftigung der Beigeladenen Ziff. 1 war wegen der von vornherein absehbaren Überschreitung der Entgeltgrenze von 450 Euro monatlich nicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV geringfügig. Die Tätigkeit war auch nicht zeitgeringfügig im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, denn sie war bei vorausschauender Betrachtung von vornherein auf die wiederholte Abhaltung von Seminaren angelegt und auch weder aufgrund der Rahmenvereinbarung noch des Referentenvertrages auf eine bestimmte Anzahl von Arbeitstagen im Kalenderjahr begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 - B 12 R 10/20 R - juris Rdnr. 43).

Die Tätigkeit der Beigeladenen Ziff. 1 war schließlich auch nicht nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III versicherungsfrei im Recht der Arbeitsförderung, da sie nicht deren Haupttätigkeit darstellte, die Beigeladene Ziff. 1 vielmehr hauptsächlich eine Stelle als kaufmännische Angestellte bei der G1 GmbH innehatte (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R – juris Rdnr. 45).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt, dass die Beigeladene Ziff. 1 lediglich in 30 Monaten des insgesamt 45 Monate umfassenden Zeitraums bei der Klägerin beschäftigt war. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie keine Anträge gestellt haben.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG) liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 1, Abs. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).


 

Rechtskraft
Aus
Saved