Auf den Eintritt der Versicherungspflicht von Saisonarbeitskräften, die nach ihren eigenen Angaben im Herkunftsland "Hausmann" sind, ihre Tätigkeit in der BRD aber berufsmäßig ausüben, ist § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV nicht analog anzuwenden.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 10.222,80 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich der Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und der Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes, im Folgenden einheitlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge, für die Beschäftigung von Saisonkräften im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 in Höhe von insgesamt 10.222,80 €.
Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. In dessen Rahmen beschäftigte er im streitbefangenen Zeitraum neben fest angestellten und kurzfristig beschäftigten Mitarbeitern auch die Beigeladenen zu 1 bis 6 als Saisonarbeitskräfte. Die (noch streitbefangenen) Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 sind polnische Staatsangehörige, die im Anschluss an die Tätigkeit für den Kläger jeweils in ihr Heimatland zurückkehrten. Für die einzelnen Tätigkeiten schloss der Kläger mit den Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 jeweils einen schriftlichen, zweisprachigen „Befristeten Arbeitsvertrag für Erntehelfer“ (im Folgenden AV; 2014: „Befristeter Arbeitsvertrag für Arbeitnehmer“) ab. Ziff. 1 AV regelte: „Der Arbeitnehmer wird ab dem … zur vorübergehenden Aushilfe im landwirtschaftlichen Betrieb des Arbeitgebers als Saisonarbeitskraft eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Arbeiten, spätestens jedoch am …, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“ (2014 ergänzend: „Es darf drei volle Monate nicht überschreiten. Innerhalb des vorgenannten Zeitraums wird die Beschäftigung auf maximal 50 Arbeitstage (= __ Urlaubstage) beschränkt.“) Vereinbart wurde jeweils ein Brutto-Stundenlohn (2014: 5,70 €; 2015: 7,40 €; 2016: 8,00 €; 2017: 8,90 €). Ziff. 9 AV bestimmte: „Grundlage dieses Arbeitsvertrages ist eine kurzfristige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 SGB IV von maximal 3 Monaten oder 70 Arbeitstagen innerhalb eines Jahres, die bei Vorliegen anderer zusätzlicher Tätigkeiten steuer- und sozialversicherungsrechtlich anders abzuwickeln ist. Der Arbeitnehmer versichert, dass er diesen SV-Fragebogen (Anlage) wahrheitsgemäß ausgefüllt hat.“ 2014 enthielt der AV eine entsprechende Regelung, angepasst auf zwei Monate und 50 Arbeitstage. In den vor Beginn der jeweiligen Beschäftigung ausgefüllten, zweisprachigen „Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht/Versicherungsfreiheit polnischer Saisonarbeiter“ verneinten die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 jeweils die auf ihr Heimatland bezogenen Fragen nach einer Beschäftigung, Selbständigkeit, Arbeitslosigkeit sowie einem Schulbesuch und einem Rentenbezug und gaben an, Hausmann zu sein. Zu dieser Angabe wurde überwiegend ein Stempel einer polnischen Behörde angebracht. Ergänzende Angaben, wie der Lebensunterhalt im Herkunftsland bestritten werde, machten sie aufgrund der Gestaltung des Fragebogens bei Bejahung der Stellung als Hausmann mit Ausnahme des Beigeladenen zu 2 nicht. Dieser gab hierzu in seinen beiden Fragebögen „praca dorywcza“ (= Teilzeitbeschäftigung) an.
Im Einzelnen bestanden folgende Beschäftigungen:
Jahr |
Beginn |
Ende |
Entgelt in € |
Der 1993 geborene Beigeladene zu 2:
2015 |
26. Januar |
14. März |
2.826,80 |
2016 |
1. Februar |
19. März |
2.756,00 |
Der 1956 geborene Beigeladene zu 3:
2014 |
20. September |
16. Oktober |
1.401,00 |
2015 |
22. Juni |
30. Juni |
592,00 |
2015 |
16. September |
13. Oktober |
1.539,20 |
2016 |
20. Juni |
30. Juni |
800,00 |
2016 |
4. Oktober |
27. Oktober |
1.560,00 |
2017 |
12. Juni |
18. Juli |
2.509,80 |
2017 |
18. September |
6. Oktober |
1.112,50 |
Der 1985 geborene Beigeladene zu 4:
2015 |
17. April |
20. Juni |
4.070,00 |
Der 1995 geborene Beigeladene zu 6:
2016 |
18. Mai |
30. Juni |
3.040,00 |
2017 |
2. Juni |
7. Juli |
2.465,30 |
Aufgrund einer vom 15. Oktober bis 27. November 2018 durchgeführten Betriebsprüfung forderte die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 21. Februar 2019 für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 20.574,20 € (einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 4.946,00 €). Neben der Nachforderung von Umlagebeträgen für diverse Saisonarbeitskräfte für 2015 bis 2017 (insgesamt 1.456,47 €, zzgl. Säumniszuschläge in Höhe von 339,50 €) habe die im Rahmen der Betriebsprüfung vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ergeben, dass die Beigeladenen zu 1 bis 6 ihre jeweiligen Beschäftigungen im Rahmen berufsmäßiger versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt und daher in vollem Umfang der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hätten. In den in Bezug genommen Anlagen zu den konkreten Beitragsforderungen wurden u.a. für die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 Gesamtsozialversicherungsbeiträge jeweils für die o.g. Beschäftigungszeiträume nach den o.g. Entgelten aufgeschlüsselt. Zur Begründung führte die Beklagte insbesondere aus, die hinsichtlich der Beigeladenen zu 2 bis 6 vorgelegten Fragebögen enthielten teils unplausible Angaben, weswegen sich der Kläger nicht auf eine zutreffende Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse berufen könne. Beim Beigeladenen zu 2 enthalte nur der Arbeitsvertrag für die Beschäftigung ab dem 1. Februar 2016 eine zeitliche Befristung. Im Übrigen habe er im Fragebogen angegeben, seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten zu bestreiten. Dies sei nicht vereinbar mit der Tätigkeit eines Hausmanns. Beim Beigeladenen zu 3, dessen Ehefrau ebenfalls beim Kläger beschäftigt gewesen und nach ihren Angaben Hausfrau sei, sei von einer berufsmäßigen Ausübung auszugehen. Die Beschäftigung ab dem 20. September 2014 sei ohnehin nicht im Vorfeld befristet gewesen. Der Beigeladene zu 4 sei nach seinen Angaben im Fragebogen bereits vom 30. September 2014 bis 30. März 2015 einer Beschäftigung mit 50 Wochenstunden nachgegangen, so dass insgesamt keine Kurzfristigkeit vorgelegen habe. Für den Beigeladenen zu 6 sei nicht ersichtlich, durch welche und wessen Unterstützung er nicht auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen gewesen sei. Deshalb und auch wegen seines Alters sei es unplausibel, ihn aus dem Kreis der Erwerbstätigen herauszunehmen. Der Kläger habe es unterlassen, weitere Ermittlungen anzustellen, um eine korrekte Beurteilung der Versicherungspflicht bzw. -freiheit vorzunehmen.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Nacherhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1 bis 6. Diese seien jeweils als zeitgeringfügige Beschäftigungen nicht versicherungspflichtig, so dass weder eine Beitragspflicht bestehe noch Säumniszuschläge angefallen seien. Zur Begründung führte er, wie teils schon im Anhörungsverfahren aus, die Beklagte habe keine Feststellungen zur Berufsmäßigkeit einer kurzfristigen Beschäftigung getroffen, sondern eine solche einfach unterstellt. Für deren Vorliegen als Rückausnahme zur Versicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung trage die Beklagte die Beweislast. Die Beschäftigungsverhältnisse der Beigeladenen zu 2 bis 6 seien jeweils vertraglich von vorneherein auf einen Zeitraum von maximal insgesamt sechs Wochen pro Jahr beschränkt gewesen. Diese hätten im Fragebogen jeweils angegeben, Hausmann zu sein, was von der Heimatgemeinde ebenso bestätigt worden sei wie die Angabe des Familienstandes „verheiratet“. Ohne Anhaltspunkte für falsche Angaben müsse ein Arbeitgeber darauf vertrauen dürfen, dass die strafbewehrte Versicherung des Arbeitnehmers richtig sei. Andernfalls würden ihm sozialversicherungsrechtliche Risiken aufgebürdet, für die es keine Rechtfertigung gebe. Der Arbeitgeber habe auch kaum die Möglichkeit, die Lebensverhältnisse des Arbeitnehmers im Ausland einer gesicherten Überprüfung zu unterziehen. Das bundesweit eingesetzte Formular zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht osteuropäischer Saisonarbeitskräfte sei in der Vergangenheit stets als belastbarer Beleg für die sozialversicherungsrechtliche Einschätzung anerkannt gewesen. Es sei im Übrigen unzulässig, einen Grundsatz der Realitätsferne oder Unplausibilität zu statuieren, da jedes Beschäftigungsverhältnis in seiner individuell-konkreten Ausgestaltung zu beurteilen sei. Wegen der Prüfpraxis der Beklagten in der Vergangenheit, die Formulare anzuerkennen, habe der Kläger darauf vertrauen dürfen und schulde keine Säumniszuschläge.
Nachdem der Kläger die Meldung der kurzfristig Beschäftigten wegen der Umlagebeträge nachgeholt hatte, half die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juli 2019 dem Widerspruch hinsichtlich der Säumniszuschläge auf nicht gezahlte Umlagebeträge ab und setzte die Nachforderung auf insgesamt 20.234,79 €, einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 4.606,50 €, neu fest.
Den weitergehenden Widerspruch wies die zentrale Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2019 als unbegründet zurück. Für die Prüfung der Berufsmäßigkeit kurzfristig beschäftigter osteuropäischer Arbeitnehmer stehe seit 1998 ein bundeseinheitlicher Fragebogen zur Verfügung, durch den sichergestellt werden solle, dass die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ausländischer Saisonarbeitskräfte notwendigen Ermittlungen bereits zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses umfassend erfolgten. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass sich die persönliche Lebens- und Erwerbssituation von Saisonarbeitskräften nicht allein durch das bloße Ankreuzen des Feldes Hausmann/Hausfrau in einem Vordruck hinreichend belegen lasse, wenn die allgemeine Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der bekannten Umstände dagegenspreche. So widerspreche es grundsätzlich der allgemeinen Lebenserfahrung, wenn beide Ehepartner beim Arbeitgeber als Saisonarbeitskräfte beschäftigt würden und den Status der Hausfrau bzw. des Hausmannes angäben. Gleiches müsse für nicht verheiratete Männer und Frauen sowie für verheiratete Männer im erwerbsfähigen Alter gelten. Die Feststellungslast für das Bestehen der Versicherungsfreiheit verbleibe beim Arbeitgeber, wenn einfachste, jedem einleuchtende Überlegungen dazu führten, dass unrealistische und lebensferne Angaben zu hinterfragen seien. Könne der Arbeitgeber diese Zweifel nicht schlüssig beseitigen, müsse der Status im Herkunftsgebiet als ungeklärt erachtet und der sozialversicherungsrechtliche Status auf Grundlage der Berufsmäßigkeit der Beschäftigung bewertet werden. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 1 bis 6 wurde aus den bereits im Ausgangbescheid genannten Gründen jeweils Berufsmäßigkeit zugrunde gelegt.
Hiergegen erhob der Kläger am 3. September 2019 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG), mit der er weiterhin geltend machte, die Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1 bis 6 seien als geringfügige Beschäftigungen nicht versicherungspflichtig. Zur Begründung führte er über sein bisheriges Vorbringen hinaus aus, für die Berufsmäßigkeit sei maßgeblich, ob vor oder nach der fraglichen Beschäftigung eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden sei. Eine besondere wirtschaftliche Bedeutung der kurzfristigen Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1 bis 6 habe nicht vorgelegen, da die Entlohnung nach dem Mindestlohn erfolgt sei. Auf das Lohnniveau im Herkunftsland könne es insoweit nicht ankommen. Bei den Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 habe sich erst durch die gerichtlichen Ermittlungen (dazu unten) und damit im Nachhinein ergeben, dass deren Angaben im Fragebogen unzutreffend gewesen seien. Dieser werde von der Beklagten zur indiziengestützten Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung empfohlen. Wer sich als Arbeitgeber hierauf stütze, müsse sich darauf verlassen, dass weitere Ermittlungen nicht erforderlich seien. Ohnehin sei der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber seine persönlichen Verhältnisse zu offenbaren. Stelle sich erst im Nachhinein heraus, dass die Angaben der Beschäftigten im Fragebogen und Arbeitsvertrag falsch gewesen seien, sei § 8 Abs. 2 Satz 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) analog anzuwenden, der bei geringfügigen Beschäftigungen den guten Glauben des Arbeitgebers an die Angaben des Beschäftigten vor nachträglicher Beitragsbelastung schütze.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die angefochtenen Bescheide entgegen. Ergänzend führte sie aus, nach der bisherigen Praxis der Rentenversicherungsträger seien die Angaben im Fragebogen akzeptiert worden; es sei denn, es lägen konkrete Anhaltspunkte vor, die auf fehlerhafte Angaben schließen ließen. Diese Anhaltspunkte müssten die Betriebsprüfer darlegen. Der bundeseinheitliche Fragebogen sei nicht als Prüfschema für die Arbeitgeber entwickelt worden, sondern als Ausgangspunkt für die Sachverhaltsaufklärung. Für die Beurteilung der Berufsmäßigkeit einer kurzfristigen Beschäftigung bei Beschäftigten aus dem Ausland gölten keine strengeren Voraussetzungen als für inländische Arbeitnehmer. Allerdings werde die erhebliche – und damit nicht untergeordnete – wirtschaftliche Bedeutung der kurzfristigen Beschäftigung bei ausländischen Arbeitnehmern allein durch den Vergleich der durchschnittlichen Einkünfte im Herkunftsland deutlich. Seit der ursprünglichen typisierenden Einordnung von Hausfrauen als in der Regel nicht berufsmäßig Beschäftigte hätten sich die Lebens- und Arbeitswirklichkeiten erheblich gewandelt. Die als Hausmänner/Hausfrauen bezeichneten osteuropäischen Saisonarbeitskräfte ließen sich nur schwerlich unter diesem Terminus im sozialversicherungsrechtlichen Gebrauch subsumieren.
Das SG befragte die Beigeladenen zu 2 bis 6 schriftlich zu ihren persönlichen und beruflichen Verhältnissen. Wegen deren Angaben wird auf Bl. 100/105 der SG-Akte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 22. Juli 2022 hob das SG den Bescheid vom 21. Februar 2019 in Gestalt des Teilabhilfeescheids vom „15. Juli 2019“ (gemeint 5. Juli 2019) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. August 2019 insoweit auf, als darin Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1 und den Beigeladenen zu 5 sowie Säumniszuschläge gefordert wurden, und wies die Klage im Übrigen ab. Die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 hätten die Beschäftigungen beim Kläger berufsmäßig ausgeübt. Aus deren Angaben im gerichtlichen Verfahren sei zu entnehmen, dass sie jeweils generell dem Kreis der Erwerbstätigen angehört hätten. Entgegen der Auffassung des Klägers trete die Versicherungspflicht auch nicht in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV erst ab Bekanntgabe des Bescheids ein. Eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung liege nicht vor. Bereits nach der systematischen Stellung habe der Gesetzgeber diese Ausnahmeregelung ausschließlich auf Zusammenrechnungsfälle bezogen. Nach dem eindeutigen Wortlaut („nicht mehr“) sei der Anwendungsbereich ausdrücklich auf Konstellationen beschränkt, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht im konkreten Fall zunächst nicht erfüllt gewesen seien und dann erst aufgrund einer Änderung der Verhältnisse einträten. Es sei daher anzunehmen, dass der Gesetzgeber auch nur derartige Fälle habe regeln wollen. Eine entsprechende Änderung der Verhältnisse sei jedenfalls im vorliegenden Fall des Fehlens der Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung wegen Berufsmäßigkeit der Beschäftigung nicht ersichtlich. Die Verhängung von Säumniszuschlägen sei hingegen mangels zumindest bedingten Vorsatzes des Klägers nicht rechtmäßig.
Gegen dieses ihm am 11. August 2022 zugestellte Urteil hat (allein) der Kläger am 5. September 2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. In Vertiefung seines bisherigen Vorbringens hat er ausgeführt, die Berufung werde mit dem Argument geführt, dass die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV analog angewendet werden müsse und er, der Kläger, auf die Angaben der Beschäftigten bei Aufnahme der Tätigkeit habe vertrauen dürfen. Dies habe zur Folge, dass die Versicherungspflicht erst mit einem feststellenden Bescheid der zuständigen Einzugsstelle oder der Beklagten ex nunc beginne. Es stehe mittlerweile fest, dass die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 ihm gegenüber Falschangaben gemacht hätten, um zu vermeiden, dass ihr Lohn um Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung vermindert werde. Als Arbeitgeber kenne er die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen nicht. Er müsse sie erfragen und auf die Richtigkeit der Angaben vertrauen, weil er keine Möglichkeit zur Verifizierung/Falsifizierung dieser Angaben habe. Die grundsätzliche Einbeziehung einer Beschäftigung in die Sozialversicherung erfolge nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse. Die verpflichtende Einbeziehung geringfügiger Beschäftigungen in ein Versicherungssystem bedürfe vor dem Hintergrund des Art. 2 Grundgesetz (GG) aber einer Rechtfertigung, da diese mangels ausreichender wirtschaftlicher Bedeutung in aller Regel keinen ausreichenden Anlass für eine zwangsweise öffentlich-rechtliche Sicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfall und gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit und für eine eigenständige Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung darstellten (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. Dezember 2017 – B 12 R 10/15 R – juris). Problematisch sei daher eine Gesetzesauslegung, die zur Einbeziehung in eine verpflichtende Versicherung führe, ohne dass im Gegenzug sinnvolle Anwartschaften mit Aussicht auf Leistungen aus diesem Versicherungssystem begründet würden. Vor diesem Hintergrund seien die Regelungen zur Versicherungsfreiheit und -pflicht geringfügiger Beschäftigungen auszulegen. Grund für die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV sei der Schutz des Vertrauens des Arbeitgebers auf die Angaben des Beschäftigten, bzw. der Schutz vor nicht gewollter und mitunter erheblicher Beitragsbelastung. Sie diene damit in erster Linie dem Schutz des Arbeitgebers vor erheblichen Beitragsnachforderungen und erst in zweiter Linie einer Amnestie bei illegaler Beschäftigung. Die für eine analoge Anwendung erforderliche Regelungslücke liege vor. Der Gesetzgeber habe übersehen, dass der bezweckte Schutz des gutgläubigen Arbeitgebers vor erheblicher Beitragsbelastung auch von Bedeutung sei, wenn seine Beurteilung zur Berufsmäßigkeit allein deswegen zu einem falschen Ergebnis führe, weil der Arbeitnehmer Falschangaben zu seinem sonstigen Erwerbsverhalten mache. Bei zeitgeringfügiger Beschäftigung könne nicht nur das Zusammenzählen mehrerer Beschäftigungen zur Versicherungspflicht führen, sondern auch die fehlerhafte Beurteilung des Kriteriums der Berufsmäßigkeit. Folgebeschäftigungen und regelmäßige geringfügige Beschäftigungen führten zur Sozialversicherungspflicht. So wie im gesetzlich geregelten Fall (Falschangaben zur Vorbeschäftigung) müsse auch der gesetzlich nicht geregelte Fall (Falschangaben zu Folgebeschäftigungen) zur Konsequenz haben, dass der gutgläubige Arbeitgeber sich auf Vertrauensschutz berufen könne, mit der Folge, dass die Versicherungspflicht von der Einzugsstelle festgestellt werden müsse und Beiträge erst ab dem Datum dieser Feststellung geschuldet seien. Eine Ungleichbehandlung der Fälle sei vor dem Hintergrund des Art. 3 GG nicht zu rechtfertigen. Bei rückwirkender Verbeitragung trage der Arbeitgeber die Beitragslast wirtschaftlich betrachtet alleine, weil das Lohnabzugsverfahren nach § 28g SGB IV nicht (mehr) möglich und Regressansprüche gegen den Arbeitnehmer ausgeschlossen seien. Bei geringfügiger Beschäftigung gebe es auch keine Möglichkeit der Statusfeststellung. Hinsichtlich der Berufsmäßigkeit bestehe auch keine Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitgebers. Die Richtigkeit seiner Beurteilung hänge allein von den wahrheitsgemäßen Angaben des Beschäftigten ab. Die rückwirkende Verbeitragung führe zur Erhebung von Säumniszuschlägen. Die Nichtabführung von Sozialversicherungsabgaben sei außerdem nach § 266a Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Bei Fehlbeurteilung des Arbeitgebers aufgrund von Falschangaben des Arbeitnehmers wäre ohne Vertrauensschutzregelung und analoge Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV der objektive Tatbestand der Strafvorschrift erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Juli 2022 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2019 in der Form des Teilabhilfebescheids vom 5. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 insoweit aufzuheben, als für die Beschäftigungen der Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 beim Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge aufgrund sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen nachgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG zumindest im angefochtenen Umfange für zutreffend. Ergänzend hat sie ausgeführt, der Vortrag des Klägers, die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 hätten im Fragebogen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Saisonarbeitskräften falsche Angaben gemacht und ihn damit, vermeintlich, vorsätzlich getäuscht, könne zu keiner anderen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung führen. Zudem sei diesem Umstand bereits durch die Aufhebung der Säumniszuschläge Rechnung getragen worden. Der Kläger verkenne, dass Sinn und Zweck der Sozialversicherung nicht der Schutz des Einzelnen sei und daher auch die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht von einer „Schutzwürdigkeit“ abhängig gemacht werden könne. Das SG habe zu Recht eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV verneint. Der Gesetzgeber habe diese Amnestieregelung ausdrücklich auf den Fall des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV bezogen, in dem ein Arbeitnehmer mehrere geringfügige Beschäftigungen ausübe und diese daher zusammenzurechnen seien. Dem habe der Gedanke zugrunde gelegen, sowohl Arbeitgeber als auch den Beschäftigten dazu zu motivieren, eine Beschäftigung zu melden und somit aus der Illegalität herauszuführen. Der Schutz des Arbeitgebers vor erheblichen Beitragsnachforderungen sei dabei nur ein Mittel zum Zweck, nicht aber das vorrangige Ziel der Änderung gewesen, wie aus der Gesetzesbegründung deutlich werde. Diesen Zweck verdeutliche auch der zum 1. Januar 2009 eingefügte § 8 Abs. 3 Satz 4 SGB IV, wonach Satz 3 keine Anwendung finde, wenn es „der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hat, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung aufzuklären“. Dies bekräftige noch einmal, dass der Schutz eines Arbeitgebers vor hohen Beitragsforderungen nicht Ziel der sog. Amnestieklausel sei. Der Gesetzgeber habe also die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV nur für einen bestimmten Fall vorgesehen. Im Falle von Falschangaben des Beschäftigten, die zu einer falschen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung durch den Arbeitgeber führten, so wie es eventuell hier geschehen sei, liege keine vergleichbare Interessenlage vor, weil ein Anreiz dazu, Beschäftigungen aus der Illegalität herauszuführen, nicht geboten sei. Denn es liege kein Fall von klassischer Schwarzarbeit im Sinne vorsätzlichen Hinterziehens von Sozialversicherungsbeiträgen vor. Außerdem stehe dem Arbeitgeber nach § 28g SGB IV der sog. Rückgriffanspruch gegen den Arbeitnehmer zu, nach Satz 4 sogar zeitlich unbegrenzt, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten nach § 28o Abs. 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt habe.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, da sich der Kläger im Berufungsverfahren noch gegen eine Beitragsnachforderung in Höhe von 10.222,80 € und damit mehr 750,00 € (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) wendet.
2. Da gegen das Urteil des SG vom 22. Juli 2022 allein der Kläger Berufung eingelegt hat, ist Gegenstand dieses Verfahrens lediglich dessen ursprüngliches Klagebegehren, soweit das SG die Klage abgewiesen hat. Soweit das SG der Klage hinsichtlich der Säumniszuschläge auf die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für alle Beigeladenen zu 1 bis 6 und der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 1 und 5 stattgegeben hat, ist das Urteil mangels Anfechtung der insoweit allein beschwerten Beklagten rechtskräftig geworden (§ 141 Abs. 1 SGG). Die Klage richtete sich bereits bei ihrer Erhebung allein gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1 bis 6 (einschließlich der hierauf entfallenden Säumniszuschläge), nicht aber auf die in den angefochtenen Bescheiden vom 21. Februar und 5. Juli 2019 (bei der Datumsangabe „15.7.“ im Urteil des SG handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 (§ 95 SGG) zusätzlich geregelte Festsetzung von Umlagen für diverse andere Saisonkräfte in Höhe von 1.456,47 €. Dies ergibt sich trotz des ungenau formulierten Klageantrags aus dem erkennbaren Begehren des Klägers (§ 123 SGG), der sich ausdrücklich allein auf die Beschäftigungsverhältnisse der Beigeladenen zu 1 bis 6 bezog. Einwände gegen die Festsetzung der Umlagebeträge für andere Saisonkräfte hat er zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Gegenstand sind mithin noch die Gesamtsozialversicherungsbeiträge (einschließlich Umlagen) für die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 für den Kläger in den jeweiligen im Tatbestand im Einzelnen dargestellten Zeiträumen in Gesamthöhe von 10.222,80 €.
3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im angefochtenen Umfang zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 21. Februar und 5. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig (dazu unter a). Die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 waren in den streitbefangenen Zeiträumen in ihrer Tätigkeit für den Kläger bei diesem abhängig beschäftigt und in den genannten Zweigen der Sozialversicherung sozialversicherungspflichtig (dazu b). Es bestand keine Versicherungsfreiheit in den streitbefangenen Versicherungszweigen (dazu c). Die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen sind im gerichtlich zu überprüfenden Umfang nicht zu beanstanden (dazu d).
a) Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 SGB IV für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Der Kläger wurde vor Bescheiderlass angehört. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden den zeitlichen Umfang der versicherungspflichtigen Beschäftigungen durch die Angabe des zeitlichen Rahmens und den Verweis auf die Anlage zum Bescheid mit konkretisierten Zeiträumen und durch die eingehende Darstellung im Widerspruchsbescheid hinreichend bestimmt.
b) aa) Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden nach dem seit 1. Januar 2006 gültigen § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht. Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werden nach § 358 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (UVMG) vom 30. Oktober 2008 (BGBl. I, S. 2130) durch eine monatliche Umlage von den Arbeitgebern aufgebracht und sind nach § 359 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 UVMG zusammen mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen.
bb) Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1) Auf die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 für den Kläger im streitbefangenen Zeitraum findet deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung, da diese im Geltungsbereichs des SGB IV beschäftigt waren (§ 3 Nr. 1 SGB IV). Anderes ergibt sich auch nicht aus über- und zwischenstaatlichen Recht (§ 6 SGB IV).
Nach Art. 11 Abs. 1 und 3 lit. a Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom 29. April 2004 (hier in den konsolidierten Fassungen vom 1. Januar 2014 und 11. April 2017) unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, grundsätzlich den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats. Nach Art. 13 Abs. 1 lit. a VO (EG) 883/2004 unterliegt hingegen eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt. Gemäß Art. 14 Abs. 5 VO (EG) 987/2009 vom 16. September 2009 wird eine abhängige Beschäftigung gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausgeübt, wenn die Person dort gleichzeitig oder abwechselnd tätig ist. Gleichzeitig ausgeübte Tätigkeiten sind solche, bei denen zusätzliche Tätigkeiten in verschiedenen Mitgliedstaaten gleichzeitig ausgeübt werden, und zwar im Rahmen eines oder mehrerer Arbeitsverträge. Die zweite oder zusätzliche Tätigkeit könnte während bezahlter Urlaubszeiten oder an Wochenenden ausgeübt werden, oder es könnten bei Teilzeitarbeitsverhältnissen zwei verschiedene Tätigkeiten für zwei verschiedene Arbeitgeber am selben Tag ausgeübt werden. Die Gleichzeitigkeit muss hierbei einen normalen Aspekt der Tätigkeit bilden und es darf kein Abstand zwischen den Tätigkeiten in den verschiedenen Mitgliedstaaten liegen. Abwechselnd ausgeübte Tätigkeiten sind solche, die nicht gleichzeitig im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten ausgeübt, sondern bei denen nacheinander Arbeitsaufträge in verschiedenen Mitgliedstaaten erledigt werden. Es kommt nicht darauf an, wie oft abgewechselt wird, jedoch ist eine gewisse Regelmäßigkeit erforderlich. Von einer gewöhnlichen Tätigkeit kann ausgegangen werden, wenn eine Person die Tätigkeit regelmäßig wenigstens einen Tag im Monat oder an fünf Tagen im Quartal in einem anderen Staat ausübt als dem, in welchem sie sonst tätig ist (Donus, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 4. Aufl., Stand Juni 2004, Art. 13 VO (EG) 883/2004 Rn. 25).
Diese Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 lit. a VO (EG) 883/2004 i.V.m. Art. 14 Abs. 5 VO (EG) 987/2009 erfüllten die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 im streitbefangenen Zeitraum nicht. Der Beigeladene zu 2 war vom 26. Januar bis 14. März 2015 und 1. Februar bis 19. März 2016 beim Kläger beschäftigt. Dazwischen und danach lagen – jeweils mit zeitlichem Abstand – Beschäftigungen in P1 vom 25. Mai 2015 bis 24. Januar 2016 und ab 1. Juni 2016. Dies entnimmt der Senat den vorliegenden Arbeitsverträgen und Lohnaufzeichnungen des Klägers sowie den Angaben des Beigeladenen zu 2 im Verfahren vor dem SG. Damit lag weder eine gleichzeitige noch eine regelmäßig abwechselnde Beschäftigung im genannten Sinne vor. Der Beigeladene zu 3 war im streitbefangenen Zeitraum lediglich vom 2. März bis 31. August 2017 in P1 beschäftigt. Dies entnimmt der Senat dessen Angaben gegenüber dem SG. In diesen Zeitraum fällt zwar eine Beschäftigung beim Kläger (12. Juni bis 18. Juli 2017). Da er in dieser Zeit aber keinen bezahlten, sondern nur unbezahlten Urlaub von der Beschäftigung in P1 genommen hatten, was der Senat ebenfalls dessen Angaben gegenüber dem SG entnimmt, lag keine gleichzeitige Beschäftigung im o.g. Sinne vor. Für eine abwechselnde Tätigkeit fehlte es auch hier an einer Regelmäßigkeit, zumal der Beigeladene zu 3 in den Jahren 2014 bis 2016 in P1 keine Beschäftigung ausübte. Letzteres gilt entsprechend für den Beigeladenen zu 4, der vor der Beschäftigung beim Kläger lediglich vom 1. September 2014 bis 30. März 2015 in P1 eine bereits abgeschlossene Beschäftigung ausgeübt hatte und im Übrigen arbeitsuchend war. Gleiches gilt für den Beigeladenen zu 6 mit einer einmaligen und abgeschlossenen Beschäftigung in P1 vom 4. April bis 20. Mai 2017.
(2) Die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 waren in den im Tatbestand jeweils im Einzelnen dargestellten Zeiträumen, auf den Bezug genommen wird, beim Kläger abhängig beschäftigt. Die jeweiligen Beschäftigungszeiten stehen zur Überzeugung des Senats aufgrund der vorliegenden Arbeitsverträge und Lohnaufzeichnungen fest und sind zu Recht zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Nach dem Inhalt der jeweiligen Tätigkeiten der Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 – Erntehelfer nach Vorgaben des Klägers in dessen Betrieb mit dessen Betriebsmitteln – erfüllten diese ihrer Art nach jeweils sämtliche Merkmale einer nicht selbständigen Arbeit; die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 waren in den Betrieb des Klägers eingegliedert und unterlagen dessen Weisungsrecht. Dies entnimmt der Senat neben dem Inhalt der Tätigkeiten der Bezeichnung und dem Inhalt der vorgelegten jeweiligen Arbeitsverträge. Auch dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
c) Die Beschäftigungen der Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 unterfielen im streitbefangenen Zeitraum der Beitragspflicht.
aa) Eine Sozialversicherungspflicht und in der Folge dazu eine Beitragspflicht besteht dann nicht, wenn ein Beschäftigungsverhältnis nur geringfügig ist. Für den Bereich der Arbeitsförderung folgt dies aus § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III, für die gesetzliche Krankenversicherung aus § 7 Abs. 1 SGB V, für die gesetzliche Rentenversicherung aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und für die gesetzliche Pflegeversicherung aus § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Die Merkmale einer geringfügigen Beschäftigung ergeben sich aus § 8 Abs. 1 SGB IV (hier in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 2 Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5. Dezember 2012, BGBl. I, S. 2474). Danach liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn (1.) das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 € nicht übersteigt, (2.) die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 € im Monat übersteigt. Vom 1. Januar 2015 bis einschließlich 31. Dezember 2018 gilt § 8 Abs. 1 Nr. 2 mit der Maßgabe, dass die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 € im Monat übersteigt (§ 115 SGB IV in der Fassung des Art. 9 Nr. 3 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie – Tarifautonomiestärkungsgesetz – vom 11. August 2014, BGBl. I S. 1348).
bb) Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Beschäftigungen der Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 mangels Regelmäßigkeit nicht der Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV unterfielen. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 4 SGG), zumal auch dies zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit steht.
cc) Die Arbeitsverträge der Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 waren i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV auf Zeiträume von weniger als zwei (2014) bzw. drei Monate (ab 2015) pro Kalenderjahr befristet. Dies gilt beim Beigeladenen zu 3 auch unter Berücksichtigung jeweils einer früheren Beschäftigung beim Kläger im selben Kalenderjahr. Dies entnimmt der Senat den vorgelegten Arbeitsverträgen, die entsprechende Enddaten der Beschäftigungen ausdrücklich enthielten. Letzteres gilt zwar nicht für die am 20. September 2014 beginnende Beschäftigung des Beigeladenen zu 3 und die am 26. Januar 2015 beginnende des Beigeladenen zu 2. Für letztere ist das SG aber zutreffend davon ausgegangen, dass diese Erntehelfereinsätze bereits nach ihrer Eigenart auf weniger als zwei Monate begrenzt waren. Tatsächlich haben die jeweiligen Einsätze aller Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 die genannten zeitlichen Grenzen im jeweiligen Kalenderjahr nicht überschritten. Dies entnimmt der Senat den vorgelegten Lohnunterlagen.
dd) Trotz Erfüllung der Grundvoraussetzungen der Zeitgeringfügigkeit i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV entfällt die Versicherungs- und Beitragspflicht der streitbefangenen Beschäftigungen nicht. Denn die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 haben diese berufsmäßig ausgeübt und ein Entgelt bezogen, dass 450,00 € im Monat überstieg (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 SGB IV).
(1) Letzteres entnimmt der Senat für alle Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 den in den vorgelegten Lohnunterlagen zu entnehmenden Zeiträumen der Beschäftigung und Entgelte, wie sie im Tatbestand im Einzelnen dargestellt sind; hierauf wird Bezug genommen.
(2) Die Beschäftigungen wurden von den Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 auch jeweils berufsmäßig ausgeübt.
(a) Eine Beschäftigung oder Tätigkeit wird dann berufsmäßig in diesem Sinne ausgeübt, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und er damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht (BSG, Urteile vom 14. März 2018 – B 12 KR 17/16 R – juris, Rn. 12 und vom 5. Dezember 2017 – B 12 R 10/15 R – juris, Rn. 18). Dies ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles und der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere der Einkünfte aus selbständigen und unselbständigen Beschäftigungen, Kapitalerträgen und sonstigen finanziellen Zuflüssen (einschl. Unterhaltsleistungen) des zeitgeringfügig Beschäftigten zu beurteilen (Zieglmeier, in: BeckOGK, SGB IV, Stand August 2024, § 8 Rn. 67). Nicht berufsmäßig tätig wird, wer eine kurzfristige Beschäftigung ausübt, ohne zum Kreis der Erwerbstätigen zu gehören. Als Personengruppen, die nicht berufsmäßig tätig werden, kommen danach u.a. solche in Betracht, die nach ihrer Lebensstellung in der Regel keine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben pflegen, wie z.B. Schüler, Studenten während der Semesterferien, Rentner und Hausfrauen/-männer. Diese Personen leben in der Regel von anderen Einnahmen wie Rente, Unterhaltsleistungen o.ä. Maßgeblich bleiben aber letztlich die individuellen Einkommensverhältnisse (Zieglmeier, a.a.O., Rn. 68 ff.). Selbst bei wiederholten Beschäftigungen braucht keine Berufsmäßigkeit vorzuliegen, wenn sie in größeren Abständen aufgenommen werden oder wenn die betreffende Aushilfskraft hauptsächlich anderweitig in Anspruch genommen ist, etwa durch einen Hauptberuf, durch eine Ausbildung oder durch Haushaltstätigkeit (BSG, Urteil vom 11. Mai 1993 – 12 RK 23/91 – juris, Rn. 20).
(b) Der Beigeladene zu 2 stand in den Jahren 2015 (1. Januar bis 24. Mai 2015) und 2016 (25. Januar bis 31. Mai 2016) für jeweils ca. fünf Monate nicht in einer anderweitigen Beschäftigung, erhielt kein Geld von Dritten und lebte allein von seinem eigenen Einkommen. Dies entnimmt der Senat dessen Angaben gegenüber dem SG. Bereits hieraus ergibt sich die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Einkünfte, die er aus den jeweiligen Beschäftigungen beim Kläger bezogen hatte. Insoweit kommt seiner (unzutreffenden) Angabe im Fragebogen, „Hausmann“ zu sein, keine weitere Bedeutung zu. Dem steht der hierbei angebrachte Stempel einer polnischen Behörde nicht entgegen. Hieraus kann bereits nicht entnommen werden, dass mit diesem nicht nur die Abgabe der Erklärung selbst, sondern auch deren Richtigkeit bestätigt werden sollte. Jedenfalls stimmt die Bewertung als „Hausmann“ nicht mit der i.S. einer nicht zum Kreis der Erwerbstätigen gehörenden Person nach deutschem Sozialversicherungsrecht überein.
Der Beigeladene zu 3 war ab 2014 in P1 arbeitslos und erst ab dem 9. Juni 2017 dort beschäftigt. Er lebte nach seinen ausdrücklichen Angaben gegenüber dem SG in den Jahren 2014 bis 2017 von dem in Deutschland verdienten Geld. Einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau führte er danach nicht. Vielmehr gab er an, allein in einer Mietwohnung gelebt zu haben, die er selbst unterhalten habe. Dies stimmt mit den übrigen Unterlagen insoweit überein, als für seine Ehefrau jedenfalls ab 2015 eine abweichende Wohnanschrift in P1 angegeben wurde. Andere Quellen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestanden demnach nicht, insbesondere kein Unterhalt durch seine Ehefrau. Hieraus wird die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Einkünfte ersichtlich, die er aus den jeweiligen Beschäftigungen beim Kläger bezogen hatte. Dies gilt auch für das Jahr 2017, in dem er nur knapp sechs Monate gegen Entgelt in P1 beschäftigt war.
Der Beigeladene zu 4 ist ebenfalls nicht den Personen zuzurechnen, die nach ihrer Lebensstellung nicht zum Kreis der Erwerbstätigen gehören. Vielmehr war er im Jahr 2015 arbeitsuchend, also gerade an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit interessiert und bezog entsprechende staatliche Unterstützung im Heimatland. Dies ergibt sich aus seinen Angaben gegenüber dem SG. Selbst unabhängig von der Frage, ob dem durchschnittlichen Lohnniveau im Heimatland eine relevante Bedeutung bei der hier vorzunehmenden Beurteilung zukommen darf, ergibt sich somit eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung der zweimonatigen Tätigkeit für den Kläger, aus der er aufgrund des (deutschen) Mindestlohns 4.070,00 € erzielte.
Auch der Beigeladene zu 6 war in den Jahren 2016 und 2017 arbeitsuchend und lebte nach seinen ausdrücklichen Angaben gegenüber dem SG von dem Geld, das er beim Kläger verdient habe. Eine Beschäftigung nahm er erst nach Beendigung der Tätigkeit für den Kläger am 7. Juli 2017 in P1 wieder auf. Auch für ihn war mithin die Beschäftigung beim Kläger in beiden Jahren von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung.
Angesichts dieser konkreten Umstände kommt auch in den Fällen der Beigeladenen zu 3, 4 und 6 dem Stempel der polnischen Behörde zur Angabe, Hausmann zu sein, aus den bereits beim Beigeladenen zu 2 dargelegten Gründen keine relevante Bedeutung zu. Da der Senat sich hinsichtlich der Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 aufgrund der genannten Umstände von der jeweiligen berufsmäßigen Ausübung der Beschäftigungen beim Kläger überzeugen konnte, kommt es auf die Frage der Feststellungslast vorliegend nicht an.
(c) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier zugrunde gelegte Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Berufsmäßigkeit bestehen entgegen der Ansicht des Klägers auch unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 1 GG nicht. Denn die eine zwangsweise Einbeziehung in die Sozialversicherung rechtfertigende typisierende Schutzwürdigkeit des Beschäftigten besteht auch bei zeitgeringfügigen Beschäftigungen, gerade wenn sie für diesen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist.
ee) Die Versicherungs- und damit die Beitragspflicht der Beschäftigungen der Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 beginnt entgegen der Ansicht des Klägers mit deren Aufnahme und nicht erst mit der Entscheidung über die Versicherungspflicht gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV.
(1) Die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV findet vorliegend keine unmittelbare Anwendung.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind entgeltgeringfügige bzw. zeitgeringfügige Beschäftigungen jeweils zusammenzurechnen. Eine geringfügige Beschäftigung liegt nicht mehr vor, sobald die Voraussetzungen des Absatzes 1 entfallen (Satz 2). Wird beim Zusammenrechnen nach Satz 1 festgestellt, dass die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht mehr vorliegen, tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tag ein, an dem die Entscheidung über die Versicherungspflicht nach § 37 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch die Einzugsstelle nach § 28i Satz 5 SGB IV oder einen anderen Träger der Rentenversicherung bekannt gegeben wird (Satz 3). Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hat, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung aufzuklären (Satz 4).
Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, gilt § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV nach ausdrücklichem Wortlaut und systematischer Stellung allein für Fälle, in denen die Versicherungspflicht erst durch die Zusammenrechnung zweier oder mehrerer geringfügiger Beschäftigungen entsteht. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Versicherungspflicht ergab sich jeweils dadurch, dass die Rückausnahme von der Versicherungsfreiheit wegen der Berufsmäßigkeit der Beschäftigungen erfüllt war.
(2) Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Gesetzeslücke.
Bereits Wortlaut („beim Zusammenrechnen“) und systematische Stellung des Satz 3 in Absatz 2, der ausschließlich die Zusammenrechnung von geringfügigen Beschäftigungen und deren Folgen regelt, machen deutlich, dass der Gesetzgeber ausschließlich Fälle der Entstehung von Versicherungspflicht durch Zusammenrechnung erfassen wollte. Dies wird bestätigt durch die der gesetzlichen Regelung bei Einführung und Ergänzung zugrundeliegenden Motive.
§ 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV wurde eingefügt durch Art. 2 Nr. 3 Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. In der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 15/26 S. 23 zu Art. 2 Nr. 3) wurde hierzu ausgeführt: „Um den Arbeitgeber vor möglicherweise erheblichen Beitragsnachforderungen zu schützen, wenn der oder die Beschäftigte mehrere geringfügige Beschäftigungen bzw. mehrere geringfügige Beschäftigungen im Privathaushalt oder neben einer dieser Beschäftigungen eine Hauptbeschäftigung ausübt, wird vorgesehen, dass die Versicherungspflicht erst eintritt, wenn die Einzugsstelle die Entscheidung über die Versicherungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber bekanntgegeben hat. Dadurch werden Arbeitgeber und Beschäftigte motiviert, die Beschäftigung der Sozialversicherung zu melden und aus der Illegalität herauszuführen.“ Dem letzten Satz ist das Ziel der gesetzlichen Neuregelung deutlich zu entnehmen, nämlich Anreize an die Beteiligten des Beschäftigungsverhältnisses zu setzen, geringfügige Beschäftigungen nicht unangemeldet und damit illegal durchzuführen. Der angeführte Schutz des Arbeitgebers vor möglicherweise erheblichen Beitragsnachforderungen ist als solcher Anreiz nicht Zweck der Regelung, sondern Ziel, den tatsächlichen Regelungszweck zu befördern. Auch die gleichzeitig durchgeführte Neuregelung des § 8a SGB IV (geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten) zielte auf die Bekämpfung illegaler Beschäftigung: „Mit der Neuregelung wird ein weiterer Weg zur Bewältigung des Problems der illegalen Beschäftigung eingeschlagen …“ (BT-Drucks., a.a.O., zu Nr. 4). Dies zeigt, dass der Gesetzgeber lediglich bestimmte Situationen regeln wollte, bei denen er zur Bekämpfung illegaler Beschäftigungen konkreten Handlungsbedarf sah. Ein allgemeiner Schutz des Arbeitgebers vor Beitragsnachforderungen für geringfügige Beschäftigungen wurde nicht angestrebt. Bestätigt wird dies durch die Motive zur Einführung des § 8 Abs. 2 Satz 4 SGB IV durch Art. 1 Nr. 1a Zweites Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze. In der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucks. 16/10903) wird hierzu im Allgemeinen Teil (Seite 1) ausgeführt: „Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sind in Deutschland nach wie vor verbreitet und fügen dem Gemeinwesen Schaden zu. Die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung hat daher für die Bundesregierung weiter hohe Priorität. Deshalb hat sie ein Aktionsprogramm für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt verabschiedet, das in wichtigen Teilen mit diesem Gesetzentwurf umgesetzt werden soll.“ und speziell zur Einführung des § 8 Abs. 2 Satz 4 SGB IV (Seite 10): „Die Regelung dient der Klarstellung der bisherigen Rechtslage, wonach die Beitragspflicht auch im Falle einer im Rahmen einer Betriebsprüfung nachgewiesenen vorsätzlichen Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber bereits ab dem Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns besteht. Hiervon abweichende Urteile, in denen auch bei im Rahmen von Betriebsprüfungen nachgewiesener vorsätzlicher Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber eine Beitragspflicht erst zum Zeitpunkt der Feststellung und nicht schon zum Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns angenommen wurde, hatten zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt und Probleme in der betrieblichen Praxis ausgelöst“. Auch dies zeigt, dass kein allgemeiner Schutz des Arbeitgebers vor Beitragsnachforderungen Ziel der Regelung des durch Satz 4 ergänzten Satz 3 war.
Schließlich liegt auch keine vergleichbare Interessenlage vor, die eine analoge Anwendung auf die vorliegende Fallgestaltung rechtfertigt. Der von § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB IV ausdrücklich erfasste Fall zielt auf eine objektiv geringfügige Beschäftigung, die erst (später, aber rückwirkend) zu einer nicht-geringfügigen und damit versicherungspflichtigen Beschäftigung wird. Vorliegend waren die Beschäftigungen aber bereits bei der jeweiligen Aufnahme objektiv nicht-geringfügig, weil sie berufsmäßig ausgeübt wurden. Der Kläger hatte dies (gegebenenfalls) lediglich falsch eingeschätzt. Wie in anderen Fällen einer subjektiven Fehleinschätzung der Versicherungspflicht lässt diese aber nicht die Versicherungs- und Beitragspflicht entfallen. Der Arbeitgeber wird in solchen Fällen im Interesse der Versichertengemeinschaft nach gesetzlicher Wertung lediglich, aber ausreichend durch die Verjährungsfristen und den Wegfall von Säumniszuschlägen geschützt, soweit er nicht vorsätzlich gehandelt hat (§§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 1 SGB IV). Auch trägt der Arbeitgeber entgegen dem Vorbringen des Klägers die wirtschaftlichen Folgen einer unzutreffenden Beurteilung der Versicherungspflicht nicht alleine. Nach § 28g Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser kann zwar nach Satz 2 und 3 grundsätzlich nur im Wege des Abzugs vom (laufenden) Arbeitsentgelt geltend gemacht werden, was bei kurzfristigen Beschäftigungen in der Regel wegen Zeitablaufs nicht mehr möglich ist. Dies liegt aber in der Natur der Sache bei Entscheidung für eine (vermeintlich) zeitgeringfügige Beschäftigung. Darüber hinaus gelten die Einschränkungen der Sätze 2 und 3 nicht, u.a. wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Absatz 1 SGB IV (erforderliche Angaben zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung) vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt (Satz 4). Der Rückgriff auf den Beschäftigten ist dem Arbeitgeber in diesen Fällen ohne Beschränkung auf das Abzugsverfahren möglich.
Dies zeigt auch, dass eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV nicht zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG erforderlich ist. Denn auch ohne diese entsprechende Anwendung wird Gleiches gleich (Verkennen der objektiv vorliegenden Versicherungspflicht) und Ungleiches ungleich (Verkennen der Versicherungspflicht bei objektiv nicht-geringfügiger Beschäftigung gegenüber Eintritt der Versicherungspflicht durch Zusammenrechnung für sich geringfügiger Beschäftigungen) behandelt.
d) Die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich der Umlagen wurde von der Beklagten zutreffend anhand der den vorliegenden Lohnunterlagen Arbeitsentgelten errechnet. Rechenfehler sind nicht ersichtlich. Abweichendes macht auch der Kläger nicht geltend, insbesondere hat er nicht substantiiert vorgetragen, dass und welche an die Beigeladenen zu 2 bis 4 und 6 gezahlten Entgelte zu Unrecht berücksichtigt worden wären.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen haben im Verfahren keine Anträge gestellt; es entspricht daher der Billigkeit, ihre Kosten nicht dem Kläger aufzulegen.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63, Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 23, 47 Abs. 1 GKG endgültig auf 10.222,80 € festgesetzt.