1. Für die Festsetzung eines von der Regel des § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII abweichenden Bewilligungszeitraumes ist ein sachlicher Grund hinreichend. Unzulässig ist eine regelhaftes Unterlaufen der gesetzlichen Wertung des § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.
2. Art. 3 Abs. 3 GG schützt über das Merkmal "Herkunft" nicht vor Diskriminierung allein in Bezug auf den gegenwärtigen ökonomischen Status (Obdachlosigkeit).
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 12. April 2022 wird zurückgewiesen.
Kosten des Berufungsverfahrens werden nicht erstattet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten u.a. über die befristete Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII).
Der Kläger ist obdachlos und bezieht bei dem Beklagten Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Er bezieht ferner eine Altersrente. Er hielt sich im streitgegenständlichen Zeitraum Dezember 2019 und Januar 2020 in der Pension „C.“ in A-Stadt auf.
Mit Bewilligungsbescheid vom 17. Dezember 2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen wir folgt: Dezember 2019 in Höhe von 734,47 €, Januar 2020 in Höhe von 742,47 €. Ferner wies der Beklagte darauf hin, dass der Bescheid befristet sei. Der Bescheid enthielt weiterhin folgenden Passus: „Bis spätestens zum 27.01.2020 verlangen wir die lückenlose Vorlage von Quittungen über Übernachtungskosten in der Pension C. für die Zeit ab 17.12.2019. Wir weisen bereits jetzt darauf hin, dass wir die Weiterzahlung von Leistungen hiervon abhängig machen.“
Der Kläger legte gegen den Bescheid am 15. Januar 2020 Widerspruch ein (Bl. 159 d.A.). Die Leistungsgewährung sei willkürlich für nur zwei Monate erfolgt, obwohl die Voraussetzungen des §§ 44 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB XII kumulativ nicht in den letzten fünf Monaten vorlagen bzw. vorliegen. Nach dem klaren Wortlaut des § 44 Abs. 3 S. 1 SGB XII hätte für die Dauer von einem Jahr bewilligt werden müssen. Das von der Beklagten beabsichtigte abhängig machen der Weitergewährung von selbst gewählten Bedingungen, die im SGB XII keinerlei Stütze hätten und ohne gesetzliche Grundlage seien, sei nicht zulässig. So sei der Kläger 2014 in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht gewesen. Dies sei für den damaligen Leistungsträger kein Grund gewesen, für ein Jahr Leistungen zu gewähren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2020 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zwar sei grundsätzlich ein Leistungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vorgesehen, kürzere Leistungszyklen seien aber zulässig. Vorliegend sei nicht voraussehbar, wie lange sich der Kläger in der Pension aufhalte. Ein sachlicher Grund für die Abweichung von dem Regelbewilligungszeitraum sei daher gegeben. Bei dem Hinweis auf die Vorlage von Quittungen und dem Hinweis auf die Abhängigmachung von weiteren Zahlungen von der Vorlage von Quittungen handele es sich nicht um eine eigenständige Regelung, sondern um eine Ankündigung, die nicht rechtlich zulässig angreifbar sei.
Der Kläger hat am 23. Juni 2020 Klage am Sozialgericht Marburg erhoben.
Er hat vorgetragen, es handele sich bei § 44 SGB XII um eine eng begrenzte Ausnahmevorschrift. Der Träger bleibe verpflichtet grundsätzlich Leistungen für einen Bewilligungszeitraum von 12 Monaten zu bewilligen. Vorliegend gäbe es auch keine Gründe für die Verkürzung des Leistungszeitraums. Rechtsirrig sei die Annahme, es seien auch kürzere Leistungszeiträume zulässig. In der Person des Klägers lägen keine Gründe vor, die der Beklagten eine Leistungsgewährung über zwölf Monate nicht möglich machten. Weder ändere sich beim Kläger die Höhe der Unterkunftskosten, noch die Höhe der Rentenzahlungen. Außerdem sei eine „potentielle“ Bedarfsänderung niemals ein gesetzlich zulässiger Grund, nur noch „sukzessive“ für zwei Monate zu bewilligen. Im Vergleich zu § 44a SGB XII zeige sich, dass auch keine Befugnis zu einer nur vorläufigen Bewilligung bestehe. Ferner handele es sich bei „Bis spätestens zum 27.01.2020 verlangen wir die lückenlose Vorlage von Quittungen über Übernachtungskosten in der Pension C. für die Zeit ab 17.12.2019. Wir weisen bereits jetzt darauf hin, dass wir die Weiterzahlung von Leistungen hiervon abhängig machen.“ um einen eigenständig anfechtbaren Verwaltungsakt. Der Bescheid sei auch insoweit aufzuheben. Anderenfalls sei festzustellen, ob und ggf. dass es sich um einen Verwaltungsakt handele. Der Beklagte sei nicht befugt, die Weitergewährung von der Vorlage von Quittungen abhängig zu machen. Die Vorlage von Verwendungsnachweisen sei im SGB XII ebensowenig wie im SGB II vorgesehen. Die Behörde müsse ferner erst eine Frist setzen. Hier werde ein Versagungsbescheid auf Grund mangelnder Mitwirkung im Vorhinein erlassen. Es handele sich um eine missbräuchliche Umgehung der §§ 60, 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I).
Der Beklagte hat erstinstanzlich auf die im Widerspruchsbescheid vorgetragenen Gründe verwiesen. Die mündliche und schriftliche Aufforderung des Beklagten vom 17. Dezember 2019 an den Kläger zur Erbringung entsprechender Nachweise genüge den gesetzlichen Anforderungen.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 15. Juni 2021 abgelehnt. Die Beschwerde hiergegen blieb erfolglos (Senatsbeschluss vom 4. Januar 2022 – L 4 SO 212/21 B).
Nach Anhörung mit Verfügung vom 15. Februar 2022 hat das Sozialgericht Marburg die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. April 2022 abgewiesen. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage sei teilweise bereits unzulässig, darüber hinaus auch unbegründet. Als Anfechtungsklage gegen die Anforderungen der Quittungen als solche ist sie nicht statthaft, weil es sich hierbei um eine vorbereitende behördliche Verfahrenshandlung handelt, die nach § 56a Satz 1 SGG nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden könnten. Auch die Anfechtungsklage gegen den Passus, dass die Weiterzahlung von Leistungen von der Vorlage der Quittungen abhängig gemacht werde, sei unzulässig. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG setze die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage das Vorliegen eines Verwaltungsakts i.S.v. § 31 SGB X voraus. Der hier seitens des Klägers gerügte Passus des Bescheids vom 17. Dezember 2019 enthalte keine eigene Regelungswirkung. Der Passus laute: „Bis spätestens zum 27.01.2020 verlangen wir die lückenlose Vorlage von Quittungen über Übernachtungskosten in der Pension C. für die Zeit ab 17.12.2019. Wir weisen bereits jetzt darauf hin, dass wir die Weiterzahlung von Leistungen hiervon abhängig machen.“ Eine Regelung liege vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt habe, d.h., durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt habe oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt habe. Mit dem Passus weise der Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass die mögliche Weiterbewilligung und Zahlung nur nach Vorlage der Quittungen erfolgen könne. Eine eigene verbindliche Rechtsfolge bezüglich des zukünftigen Leistungszeitraum setze der Beklagte mit diesem Passus gerade noch nicht, sondern behalte sich die zukünftige Regelung vor, sofern die Quittungen nicht vorgelegt würden. Mithin handelt es sich um eine, wenn auch sehr nachdrücklich formulierte, Mitteilung der beabsichtigten Maßnahmen, sofern keine Quittungen vorgelegt werden würden. Eine verbindliche Ablehnung für den zukünftigen Leistungszeitraum sei darin nicht zu sehen. Regelungsgehalt des angegriffenen Verwaltungsaktes sei vielmehr die Bewilligung von Leistungen für den Leistungszeitraum Dezember 2019 und Januar 2020. Eine Regelung für nachfolgende Leistungszeiträume sei erst mit Bescheid vom 27. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2020 erfolgt, der Gegenstand des Verfahrens S 9 SO 60/20 sei.
Darüber hinaus sei die Klage unbegründet. Die Bewilligung der Leistungen des Klägers für einen verkürzten Leistungszeitraum, abweichend von dem seitens des Klägers begehrten Leistungszeitraums von zwölf Monaten begegne keinen Bedenken. Gemäß § 44 Absatz 3 Satz 1 SGB XII würden Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 42 in der Regel für einen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten bewilligt. Jedoch würden nach § 44 Absatz 3 Satz 1 Leistungen nur in der Regel für zwölf Monate gewährt. Die Vorschrift sei schon von ihrem Wortlaut her keine starre Vorgabe, weil der Gesetzgeber die Befristung auf ein Jahr selbst nur als Regelfall vorsehe. Der Grundsicherungsbescheid könne sich daher entsprechend den Umständen des Einzelfalls auch auf einen kürzeren oder längeren Zeitraum beziehen. Folglich sei es nach der gesetzlichen Regel nicht ausgeschlossen, eine davon abweichende Leistungsperiode bzw. eine kürzere Festsetzung des Leistungszeitraums festzusetzen. Dies sei aber begründungs- bzw. rechtfertigungsbedürftig. Für die Festsetzung eines abweichenden Bewilligungszeitraumes bedürfe es somit eines sachlichen Grundes. Zwar beziehe der Kläger dauerhaft eine Altersrente, so dass diesbezüglich keinerlei Veränderungen zu erwarten sind. Jedoch sei der Kläger zum Zeitpunkt der Bewilligung obdachlos und in einer Pension untergebracht gewesen. Die besondere Wohnsituation sowie die Ungewissheit, wie lange der Kläger die Möglichkeit der Unterbringung in der Pension nutze, stellten einen hinreichenden sachlichen Grund dar, der dazu berechtige, einen verkürzten Leistungszeitraum anzunehmen. Insbesondere könnten Bedarfe für Unterkunft nach § 42a SGB XII nur anerkannt werden, wenn diese tatsächlich anfallen. Eine willkürliche Regelungsabsicht sei nicht erkennbar (Hinweis auf Senatsbeschlüsse vom 13. Dezember 2021 – L 4 SO 176/21 B – und vom 4. Januar 2022 – L 4 SO 212/21 B).
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 21. April 2022 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist am 16. Mai 2022 bei dem Sozialgericht Marburg eingegangen.
Der Kläger ist der Rechtsansicht, das Sozialgericht habe missbräuchlich ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden. Es handele sich bei diesem Gerichtsbescheid um den siebten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts gegen den Kläger in 18 Monaten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 12. April 2022 aufzuheben,
den Bescheid des Beklagten 17. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2020 abzuändern und
1. den Beklagten zu verurteilen, Leistungen nach dem SGB XII für eine Leistungszeitraum von 12 Monaten zu gewähren.
2. den Passus: „Bis spätestens zum 27.01.2020 verlangen wir die lückenlose Vorlage von Quittungen über Übernachtungskosten in der Pension „C.“ für die Zeit ab 17.12.2019. Wir weisen bereits jetzt darauf hin, dass wir die Weiterzahlung von Leistungen hiervon abhängig machen.“ aufzuheben, hilfsweise: festzustellen, dass es sich insoweit um einen rechtwidrigen Verwaltungsakt gehandelt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf den angegriffenen Gerichtsbescheid. Aufgrund der atypischen Wohnsituation des Klägers und der damit einhergehenden Ungewissheit über die weitere Entwicklung seiner Unterkunftskosten sei eine Abweichung vom regelhaften Bewilligungszeitraum sachlich gerechtfertigt und geboten gewesen.
Die Beklagte ist der Rechtsansicht, der Streitgegenstand sei eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid zugänglich gewesen. Ein Zurückverweisungsgrund nach § 159 SGG liege nicht vor.
Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 11. Oktober 2022 zur Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter angehört und mit Beschluss vom 23. November 2022 die Berufung dem Berichterstatter übertragen.
Am Morgen des 13. November 2024 teilte das Sozialgericht dem Landessozialgericht telefonisch mit, dass der Kläger vorgesprochen habe. Er könne aus Kostengründen nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 13. November 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Nach Anhörung und entsprechender Beschlussfassung konnte der Senat in der Besetzung des Berichterstatters mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter entscheiden (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da der Kläger mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Die über das Sozialgericht Marburg erfolgte telefonische Mitteilung, dass der Kläger angekündigt hat, zum Termin aus Kostengründen nicht zu erscheinen, war nicht als Verlegungsantrag auszulegen. Wegen der späten Mitteilung des Klägers konnte keine Bewilligung eines Vorschusses auf die Reiseentschädigung ausgesprochen werden (vgl. Runderlass des Hessischen Ministeriums der Justiz betreffend die Gewährung von Reisentschädigungen vom 19. August 2021 – 5670 – II/B2 – 2016/11929-II/A).
Der Kläger ist über die von ihm als Zustellungbevollmächtigte benannte Fachberatung Wohnen des Diakonisches Werkes B. ausweislich des Empfangsbekenntnisses geladen worden, wobei der Senat offenlassen kann, ob diese Zustellung an § 171 Zivilprozessordnung (ZPO), § 178 ZPO oder § 180 ZPO zu messen ist, da der Kläger die Ladung ausweislich der telefonischen Benachrichtigung erhalten hat (§ 189 ZPO).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Offen bleiben kann, ob die Voraussetzungen zum Erlass eines Gerichtsbescheids nach § 105 SGG vorgelegen haben, denn es liegen keine Zurückverweisungsgründe nach § 159 SGG vor. Die mündliche Verhandlung vor dem Senat heilt etwaige Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Januar 2023 – B 9 V 32/22 B –, juris Rn. 14).
Zutreffend ist das Sozialgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Wege der Klagehäufung gestellten Anträge nur teilweise zulässig und im Übrigen unbegründet sind. Wie aus der Wiedergabe der Anträge im Tatbestand ersichtlich ist, legt der Senat die Anträge im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes weiter aus als das Sozialgericht, ohne dass dies Auswirkungen auf das Ergebnis gehabt hätte.
Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG) sowie auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 4. Januar 2022 – L 4 SO 212/21 B – über die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
1. Ergänzend ist zur Rüge der Rechtswidrigkeit der Befristung auf zwei Monate auszuführen, dass die Regelung des § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII die Ermächtigung und zugleich Verpflichtung der Behörde zu einer Befristung der Bewilligung im Sinne von § 32 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) enthält. Die Formulierung „in der Regel“ verdeutlicht, dass auch Bewilligungen für kürzere Zeiträume ausgesprochen werden dürfen; dies ist begründungs- bzw. rechtfertigungsbedürftig. Für die Festsetzung eines abweichenden Bewilligungszeitraumes hinreichend ist ein sachlicher Grund (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Januar 2008 – L 20 B 132/07 SO ER – juris Rn. 6; vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. April 2015 - L 7 SO 43/14, juris, Rn. 34; Kirchhoff, jurisPR-SozR 16/2015, Anm. 5; Stölting in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 44 SGB XII [Stand: 1. Mai 2024], Rn. 43). Der sachliche Grund muss ein hinreichendes Gewicht haben, um zu begründen, warum im konkreten Einzelfall von der in § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zugrunde liegenden legislativen Wertentscheidung abgewichen werden soll, wonach die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Dauerleistung regelmäßig für ein Jahr erbracht werden sollen. Wie aus der „Soll“-Regelung in § 44 Abs. 3 Satz 2 SGB XII steht die Befristungsdauer in einem unterschiedlich gebundenen Ermessen der Behörde, dass aber nicht abschließend den Bindungen des § 44 Abs. 3 Satz 2 SGB XII unterliegt, sondern auch kürzere Befristungen außerhalb der vorläufigen Bewilligung zulässt.
Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn Änderungen im Bewilligungszeitraum abzusehen bzw. voraussichtlich zu erwarten sind (Stölting in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 44 SGB XII [Stand: 1. Mai 2024], Rn. 43; Grube/Wahrendorf/Flint/Richter, 8. Aufl. 2020, SGB XII § 44 Rn. 11). Entgegen der Auffassung des Berufungsklägers ist es damit eine hinreichende Erwägung, dass Dauer und Umfang der Nutzung der Unterkunft in der Pension „C.“ zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides unklar waren. Ein sachlicher Grund zur Befristung kann daher auch darin bestehen, bei vorhersehbaren Änderungen der Leistungshöhe einen Änderungsbescheid vermeiden zu wollen, soweit damit nicht gesetzliche Wertung § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII regelhaft unterlaufen wird; rechtswidrig wäre eine wiederholt monatsweise Bewilligung (so auch Stölting in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 44 SGB XII [Stand: 1. Mai 2024], Rn. 43). Entgegen der Auffassung des Klägers werden auch nicht die Grenzen einer nur vorläufigen Bewilligung unterlaufen; der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte regelhaft Bescheide von nur zwei Monaten Dauer erlässt. Berücksichtigungsfähig bei der Befristung war auch (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2020, Az. L 4 SO 54/20 B ER), dass sich der Leistungsanspruch des Klägers wegen seines Einkommens aus Altersrente nur unter Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft ergibt.
Die Befristung ist auch nicht aus anderen Gründen zu beanstanden. Höherrangiges Recht stellt keine strengeren Anforderungen an die Bemessung der Befristungsdauer. Soweit der Kläger auf seine Obdachlosigkeit und auf frühere abweichende Handhabung verweist, ist nicht festzustellen, dass ihn die Befristung in verfassungswidriger Weise diskriminiert. Anwendung findet Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dem keine strengeren Anforderungen als das Erfordernis eines sachlichen Befristungsgrundes zu entnehmen sind. Art. 3 Abs. 3 GG schützt nicht vor einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Betroffenheit von Obdachlosigkeit. Dem Merkmal „Herkunft“ kann keine entsprechende Schutzrichtung entnommen werden. Dem Wort „Herkunft” ist, ähnlich wie dem Wort „Abstammung”, das Element des Überkommenen eigentümlich, das zwar in die Gegenwart hineinwirkt, aber von der gegenwärtigen Lage des Menschen unabhängig ist. „Herkunft” meint also die von den Vorfahren hergeleitete soziale Verwurzelung, nicht die in den eigenen Lebensumständen begründete Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht (BVerfG, Beschluss 22. Januar 1959 – 1 BvR 154/55, BVerfGE 9, 124 (129); offener, wegen der Entstehungsgeschichte einen allgemeinen Schutz vor Benachteiligung wegen sozialer Klassenzugehörigkeit erwägend: Kappler/Strecke, KritV 2021, 61 (68)). Art. 3 Abs. 3 GG schützt also nicht vor Diskriminierung allein in Bezug auf den gegenwärtigen ökonomischen Status (im Erg. auch Baer/Markard, in: Huber/Voßkuhle, Grundgesetz, 8. Aufl. 2024, Art. 3 Rn. 503-504; Kappler/Strecke, KritV 2021, 61 (68 f.)).
2. Der Antrag zu 2. ist sowohl als Anfechtungs- und (Fortsetzungs-) Feststellungsantrag unzulässig, da es sich bei der beanstandeten Passage im Bescheid vom 17. Dezember 2019 – wie im angegriffenen Urteil und im Senatsbeschluss vom 4. Januar 2022 – L 4 SO 212/21 B – ausgeführt – nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um einen bloßen Hinweis handelt. Soweit der Ausgangsbescheid noch Anlass für Missverständnisse geben konnte, hat die Beklagte dies im Widerspruchsbescheid ausdrücklich klargestellt: „Es handelt sich bei diesem Hinweis jedoch nicht um eine eigenständige Regelung, sondern um eine Ankündigung, die nicht rechtlich zulässig angreifbar ist“. Aus den genannten Gründen handelt es sich auch nicht um eine Fristsetzung im Sinne des § 66 Abs. 3 SGB I. Der Senat weist aber darauf hin, dass die nachvollziehbaren Bedenken des Klägers, nämlich einer Umgehung der Anforderungen aus § 66 SGB I, erst mit der Klarstellung im Widerspruchsbescheid ausgeräumt wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.