L 8 KR 211/23

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 677/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 211/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


Die Bestimmung des § 190 Abs. 9 Nr. 1 SGB V regelt allein den Tatbestand der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes versicherungspflichtiger Studenten nach der Exmatrikulation bis zum Semesterende, nicht jedoch die Fortdauer einer erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V

Die Wirkung der Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bleibt zwar grundsätzlich erhalten, wenn sich unmittelbar an das Bachelorstudium ein Masterstudium anschließt. Weitere Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass eine kontinuierliche Erfüllung des Versicherungspflichttatbestandes nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V vorliegt.

Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn zwischen der Exmatrikulation und der Aufnahme des Masterstudiums eine mehrmonatige versicherungspflichtige Beschäftigung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ausgeübt wird. 
 


Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. Juni 2023 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch die Bescheide der Beklagten vom 7. Januar 2020, 21. Oktober 2020, 23. Dezember 2020 und 28. September 2021 aufgehoben werden.

Die Beklagten haben die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um das Bestehen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung als Studentin sowie die hieran anknüpfende Beitragsfestsetzung in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.

Die Klägerin studierte vom 1. Oktober 2014 bis zum 3. Juni 2019 zunächst an der staatlichen Hochschule in C-Stadt sowie danach an der Deutschen Sporthochschule D-Stadt (Bachelor im Studiengang „Sport und Gesundheit in Prävention und Therapie“). Die Beklagten befreiten die Klägerin auf ihren Antrag hin mit Bescheid vom 23. September 2014 von der Versicherungspflicht als Studentin. In dieser Zeit war die Klägerin privat kranken- und pflegeversichert. Vom 5. Juni 2019 bis 30. September 2019 arbeitete die Klägerin wöchentlich 12 Stunden in der H.-Klinik E-Stadt und war in diesem Zeitraum bei den Beklagten als Arbeitnehmerin pflichtversichert. In einem von den Beklagten übersandten Fragebogen zur Klärung der Versicherungsverhältnisse gab die Klägerin am 30. September 2019 an, dass sie ab dem 1. Oktober 2019 an der B.-Universität B-Stadt als Studierende eingeschrieben sei. Auf Nachfrage der Beklagten übersandte die Klägerin eine Exmatrikulationsbescheinigung der Deutschen Sporthochschule D-Stadt, die eine Exmatrikulation zum 3. Juni 2019 bescheinigte und als Grund der Exmatrikulation die bestandene Abschlussprüfung am 3. Juni 2019 nannte. Ferner übersandte sie eine Immatrikulationsbescheinigung der B.-Universität B-Stadt (Master im Studiengang „Motologie“) über den dortigen Semesterbeginn am 1. Oktober 2019.

Die Beklagten gingen nachfolgend vom Bestehen der freiwilligen Krankenversicherung sowie der hieran anknüpfenden Pflichtversicherung in der Pflegeversicherung aus und setzten die Beiträge anhand der jeweils geltenden gesetzlichen Mindesteinnahmen für freiwillig Versicherte gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 15. Oktober 2019 fest. Dagegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruchsschreiben vom 27. Oktober 2019. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen darauf, dass sie bereits am 3. Juni 2019 mit sofortiger Wirkung exmatrikuliert worden sei, nicht erst zum Semesterende. Die Versicherung sei daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) im Rahmen der Krankenversicherung der Studenten durchzuführen.

Die Beklagten wiesen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 2020 als unbegründet zurück. Bei der Klägerin lebe die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht wieder auf, da der Befreiungstatbestand selbst, nämlich die Einschreibung an einer Hochschule, durchgehend bestanden habe. Die Exmatrikulation sei nach § 190 Abs. 9 SGB V erst zum Ende des Semesters wirksam. Der angegriffene Bescheid sei daher rechtmäßig.

Die Klägerin hat am 8. September 2020 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V. Sie sei zwar während des Bachelorstudienganges von der Versicherungspflicht befreit gewesen, die Befreiung entfalte aber keine Wirkung für ein späteres Studium, sofern sich dieses nicht nahtlos anschließe. Die Exmatrikulation wirke sofort und nicht erst fiktiv zum Ende des Ablaufs des regulären Semesters. § 190 Abs. 9 SGB gelte nur für versicherungspflichtige Studierende, die Klägerin sei aber privat versichert gewesen. Hinzu käme, dass die Klägerin in der Zwischenzeit eine Teilzeitbeschäftigung aufgenommen hatte und bei der Beklagten pflichtversichert gewesen wäre.

Nach Ansicht der Beklagten sei es maßgebend, dass nach § 190 Abs. 9 SGB V die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Studierender grundsätzlich mit Ablauf des Semesters ende.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. Juni 2023 den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2020 aufgehoben und die Beklagten verurteilt, für die Klägerin für den Zeitraum 1. Oktober 2019 bis 22. September 2021 eine Pflichtversicherung für Studenten herzustellen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V seien Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, grundsätzlich krankenversicherungspflichtig. Dies gelte auch für die Klägerin, die zunächst einen Bachelorstudiengang und dann einen Masterstudiengang an staatlich anerkannten Hochschulen absolviert habe. Auf Antrag werde von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig durch die Einschreibung als Student oder durch berufspraktische Tätigkeit werde (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 oder 10 SGB V). Diese Befreiung könne gemäß § 8 Abs. 2 SGB V nicht widerrufen werden. Die Klägerin habe sich vorliegend unstreitig zu Beginn ihres Bachelorstudiums von der Versicherungspflicht befreien lassen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in diesem Zusammenhang klargestellt, dass die Versicherungspflicht sowohl bei einem Erststudium, aber auch bei einem Zweit-, Aufbau- oder Erweiterungsstudium und auch bei einem Masterstudiengang bestehe. Dies gelte jedenfalls für ein ununterbrochenes Studium. Eine semesterweise Trennung der Versicherungspflicht sei vom Gesetzgeber nicht gewollt, um einen lückenlosen Versicherungsschutz zu gewährleisten (Bezug auf BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 – 12 RK 25/93 – juris Rn. 16). Die Befreiung von dieser Versicherungspflicht wiederum beziehe sich auf den Versicherungspflichttatbestand und gelte deshalb grundsätzlich so lange, wie auch der Versicherungspflichttatbestand durchgängig erfüllt sei. So würde die Befreiung beispielsweise fortgelten, wenn sich ein konsekutiver Master direkt an ein Bachelorstudium anschließe. Dafür spreche insbesondere, dass der Wortlaut an die Einordnung der versicherten Person als Studentin anknüpfe (Bezug auf Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Februar 2013 – L 1 KR 10/13 B ER –, juris). Die Klägerin sei vorliegend aber nicht durchgängig Studentin gewesen. Ausweislich ihrer Exmatrikulationsbescheinigung sei sie bereits zum 3. Juni 2019 exmatrikuliert worden. In der Folgezeit sei sie über einen nicht unerheblichen Zeitraum von ungefähr vier Monaten versicherungspflichtig beschäftigt und in diesem Zeitraum auch bei der Beklagten pflichtversichert gewesen. Aus der Aufnahme einer mehrmonatigen versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem damit verbundenen zwischenzeitlichen Statuswechsel der Klägerin folge, dass mit dem Masterstudium die Versicherungspflicht erneut beginne und damit auch ein neues Befreiungsrecht entstehe (ähnlich auch Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Berchtold, 7. Aufl. 2021, SGB V § 8 Rn. 13). Dies gelte nach Auffassung der Kammer auch vor dem Hintergrund der Gefahren des Gestaltungsmissbrauchs. Zwar könne es auch nach Auffassung der Kammer zu missbräuchlichen Situationen kommen, wenn Studierende durch einen Wechsel des Studiums oder einer Hochschule ein neues Befreiungsrecht erzwingen könnten und dadurch die gesetzlich geregelte Unwiderruflichkeit umgingen. Dies sei nach Auffassung der Kammer aufgrund des Statuswechsels der Klägerin aber zu vernachlässigen. Die Klägerin habe vorliegend nicht schlicht einen Studiengang oder die Hochschule gewechselt, sondern nach ihrer Exmatrikulation eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. Etwas Anderes ergebe sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus § 190 Abs. 9 SGB V. Denn dort sei lediglich das Ende der Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Studierender geregelt. Die Klägerin sei in dem relevanten Zeitraum aber gerade nicht versicherungspflichtiges Mitglied bei der Beklagten, sondern privat versichert gewesen. Die Klägerin sei zum 3. Juni 2023 exmatrikuliert worden. Eine Fiktion der Versicherungspflicht und des Befreiungstatbestandes zum Semesterende, also für einen Zeitraum, in dem die Klägerin tatsächlich bei der Beklagten aufgrund der aufgenommenen Beschäftigung pflichtversichert gewesen sei, halte die Kammer nicht für überzeugend.

Gegen das den Beklagten am 6. Juli 2023 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 28. Juli 2023.

Das Sozialgericht habe in den Entscheidungsgründen selbst angeführt, dass die Befreiung beispielsweise fortgelten würde, wenn sich ein konsekutiver Master direkt an ein Bachelorstudium anschließe; dafür spreche insbesondere, dass der Wortlaut an die Einordnung der versicherten Person als Studentin anknüpfe. Vorliegend sei die Klägerin zum 3. Juni 2019 aufgrund der bestandenen Abschlussprüfung vom 3. Juni 2019 exmatrikuliert worden. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Studenten ende gemäß § 190 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 SGB V mit Ablauf des Semesters, für das sie sich zuletzt eingeschrieben oder zurückgemeldet haben, wenn sie bis zum Ablauf oder mit Wirkung zum Ablauf dieses Semesters exmatrikuliert worden sind. Somit bestehe dem Grunde nach Versicherungspflicht bis zum 30. September 2019. Das - konsekutive - Masterstudium an der B.-Universität B-Stadt habe die Klägerin zum 1. Oktober 2019 aufgenommen. Die Versicherungspflicht als Studentin habe folglich nahtlos fortbestanden. Aufgrund dessen sei die Befreiung von der KVdS nach Wegfall der zwischenzeitlichen Versicherungspflicht als Arbeitnehmerin ab dem 1. Oktober 2019 wiederaufgelebt, da der Befreiungstatbestand selbst durchgehend bestanden habe.

Die Beklagten beantragen (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. Juni 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Befreiung von der Versicherungspflicht sei 2014 wegen der Mitgliedschaft in der privaten Krankenversicherung beantragt worden. Die Befreiung nach § 8 SGB V wirke nur auf das jeweilige Versicherungspflichtverhältnis. Diese Befreiung sei zeitgleich durch die Exmatrikulation und Aufnahme der Beschäftigung beendet worden. Mit Aufnahme des Master Studiums habe für die Klägerin keine Absicherung in der privaten Krankenversicherung mehr bestanden. Durch die sofortige Exmatrikulation, die Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sowie insbesondere auch den Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenkasse sei der Sachverhalt bei Erteilung der Befreiung derart verändert worden, dass diese nicht mehr fortbestehe.

Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 20. November 2024 darauf hingewiesen, dass sich die Klage nach verständiger Würdigung des klägerischen Vorbringens auch gegen die Pflegeversicherung richtet, und diese von Amts wegen als weitere Beklagte in das Rubrum aufgenommen.

Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte die für den streitgegenstandländlichen Zeitraum ergangenen Beitragsbescheide vom 7. Januar 2020, 21. Oktober 2020, 23. Dezember 2020 und 28. September 2021 vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und die Verwaltungsakte verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.

Das Urteil bedurfte nur insoweit der Korrektur, als sich die Klage nach verständiger Würdigung des klägerischen Vorbringens auch gegen die Pflegeversicherung richtet, da der mit der Klage vor dem Sozialgericht Marburg angefochtene Bescheid vom 15. Oktober 2019 sowie der Widerspruchsbescheid vom 13. August 2020 auch Beiträge zur Pflegeversicherung betreffen und dementsprechend ausdrücklich auch im Namen der TK-Pflegeversicherung ergangen sind. Eine entsprechende Korrektur des Rubrums war im Berufungsverfahren von Amts wegen vorzunehmen. Zudem sind auch die im Anschluss an den Beitragsbescheid vom 15. Oktober 2019 ergangenen Beitragsbescheide vom 7. Januar 2020, 21. Oktober 2020, 23. Dezember 2020 und 28. September 2021 gemäß § 86 SGG (Bescheid vom 7. Januar 2020) und § 96 Abs. 1 SGG (Bescheide vom 21. Oktober 2020, 23. Dezember 2020 und 28. September 2021) Gegenstand des Widerspruchsverfahren bzw. des erstinstanzlichen Klageverfahrens geworden, da diese während des Vorverfahrens bzw. nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen sind und der angefochtene Bescheid vom 15. Oktober 2019 hierdurch hinsichtlich der festgesetzten Beitragsforderungen abgeändert worden ist. Diesbezüglich bedarf es der Klarstellung bzw. Korrektur des angefochtenen Urteils.

Im Übrigen ist das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. Juni 2023 zu bestätigen.

In der Sache hat das Sozialgericht zutreffend entschieden, dass die Beklagten verpflichtet waren, im Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis zum 22. September 2021 die Pflichtversicherung der Klägerin als Studentin herzustellen. Die vorgenannten Beitragsbescheide waren folglich aufzuheben, da darin zu Unrecht von einer freiwilligen Krankenversicherung und der hieran anknüpfenden Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ausgegangen worden ist.

Die Klägerin war während ihres Master-Studiums an der B.-Universität B-Stadt im Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis zum 22. September 2021 als Studentin an einer staatlichen Hochschule eingeschrieben. Die B.-Universität B-Stadt ist gem. § 2 Abs. 1 e) Hessisches Hochschulgesetz (HessHG) eine Hochschule des Landes Hessen. Die dortige Immatrikulation ist von der Klägerin durch Vorlage der betreffenden Bescheinigung der B.-Universität B-Stadt vom 13. September 2019 nachgewiesen worden. Zwischen den Beteiligten steht auch nicht im Streit, dass die Klägerin im dortigen Masterstudiengang bis zum Abschluss am 22. September 2021 eingeschrieben war. In diesem Zeitraum war die Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V als Studentin krankenversicherungspflichtig. 

Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Klägerin in dem genannten Zeitraum nicht von der Versicherungspflicht befreit. Die ihr erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht mit Bescheid vom 23. September 2014 war lediglich bis zum 3. Juni 2019 wirksam. Aus der vorgelegten Exmatrikulationsbescheinigung der Deutschen Sporthochschule D-Stadt ergibt sich eindeutig, dass die dortige Exmatrikulation der Klägerin mit Erlangung ihres Bachelor-Abschlusses zum 3. Juni 2019 erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin nicht als Studentin versicherungspflichtig, da sie von der Versicherungspflicht befreit war. Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass aufgrund dessen die Regelung über das Ende der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger gemäß § 190 Abs. 9 SGB V nicht einschlägig ist. Aufgrund der bestehenden Befreiung der Klägerin bestand bis zum 3. Juli 2019 keine Mitgliedschaft als versicherungspflichtige Studentin. Folglich ist der Anwendungsbereich der Regelung des § 190 Abs. 9 SGB V vorliegend nicht eröffnet. Die Beklagten verkennen insoweit, dass die Bestimmung des § 190 Abs. 9 Nr. 1 SGB V allein den Tatbestand der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes versicherungspflichtiger Studenten nach der Exmatrikulation bis zum Semesterende regelt, nicht jedoch die Fortdauer einer erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V

Die Wirkung der Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist auch nicht aus sonstigen Gründen über den 3. Juli 2019 hinaus bis zum Beginn des Master-Studiums an der B.-Universität B-Stadt am 1. Oktober 2019 aufrechterhalten geblieben. Hiervon kann zwar grundsätzlich ausgegangen werden, wenn sich unmittelbar an das Bachelorstudium ein Masterstudium anschließt. Weitere Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass eine kontinuierliche Erfüllung des Versicherungspflichttatbestandes nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V vorliegt (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Februar 2013 – L 1 KR 10/13 B ER –, juris Rn. 21), was vorliegend nicht der Fall gewesen ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB lagen bei der Klägerin jedenfalls vom 5. Juni 2019 bis zum 30. September 2019 nicht vor, da diese nach Abschluss ihres Studiums in D-Stadt aufgrund eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bei den Beklagten als Arbeitnehmerin pflichtversichert war (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Von der Beklagten wurde das Bestehen der Pflichtversicherung der Klägerin als Arbeitnehmerin in diesem Zeitraum im Widerspruchsbescheid vom 13. August 2020 ausdrücklich bestätigt. Die Beschäftigung vom 5. Juni 2019 bis zum 30. September 2019 fand vorliegend nicht mehr während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule statt, so dass insoweit auch keine Versicherungsfreiheit nach dem sog. Werkstudentenprivileg des § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V bestand. Die Versicherungspflicht der Klägerin als Arbeitnehmerin schließt die gleichzeitige Versicherungspflicht als Studentin aus. Gemäß § 5 Abs. 7 SGB V ist nicht nach Absatz 1 Nr. 9 (d.h. als Student) versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 (d.h. als Arbeitnehmer) versicherungspflichtig ist. 

Mit der Exmatrikulation und der ab dem 5. Juni 2019 eingetretenen Änderung des krankenversicherungsrechtlichen Status ist zugleich die Beendigung der Wirkung der zuvor erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht eingetreten. Die Befreiung findet ihre Grenze in dem Zeitpunkt, in dem der Status, der zur Befreiung berechtigt hat, erlischt. Als Ende der Wirkung der Befreiung ist grundsätzlich der Zeitpunkt anzusehen, zu dem eine Statusveränderung eintritt, die bei Bestehen der Versicherungspflicht die Mitgliedschaft beenden würde. Da mit der Statusveränderung der Gegenstand der Befreiung entfällt, hat sich der die Befreiung feststellende Verwaltungsakt i. S. d. § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 10. Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) erledigt. Die Befreiung endet dann, wenn der in § 8 SGB V genannte Status aufgrund bestimmter Umstände verdrängt wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Student eine Beschäftigung aufnimmt, die die Grenzen der Versicherungsfreiheit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V überschreitet. Hiernach gilt er nämlich nicht mehr als Student, sondern überwiegend als Beschäftigter, womit die Grundlage der Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V entzogen ist und Versicherungspflicht in der Beschäftigung eintritt (Werner Gerlach in: Hauck/Noftz SGB V, 10. Ergänzungslieferung 2024, § 8 SGB V, Rn. 125, 129).

Die Beklagten sind folglich in den angefochtenen Bescheiden unzutreffend vom Bestehen der freiwilligen Versicherung anstelle der vorrangigen studentischen Pflichtversicherung sowie der hieraus gem. § 20 Abs. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) folgenden Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung ausgegangen. Der Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft setzt nach § 188 Abs. 4 SGB V die Beendigung der Versicherungspflicht voraus, welche entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zum 1. Oktober 2019 erfolgt ist. Die auf der Annahme der freiwilligen Versicherung beruhenden Beitragsbescheide für den Zeitraum 1. Oktober 2019 bis 22. September 2021 konnten folglich keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
 

Rechtskraft
Aus
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